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    J.G. Ballard ist tot.


    James Graham Ballard wurde am 15. November 1930 in Shanghai, China, geboren. Er verbrachte die ersten Jahre im "International Settlement" auf, einem Stadtgebiet unter ausländischer Kontrolle, welches kulturell vor allem von den Amerikanern geprägt war. Aufgrund des aufkommenden Krieges zwischen den Chinesen und den Japanern war Ballards Familie gezwungen, in einen der Vororte Shanghais umzuziehen, um den Kampfhandlungen auszuweichen. 1943 wurde Ballard mit seiner Familie und vielen anderen Zivilisten von japanischen Besatzern in ein Gefangenenlager gesteckt, wo sie die restlichen zwei Jahre des zweiten Weltkrieges verbrachten. Im Lager wurden Ballard und seine Schwester weiterhin unterrichtet und verbrachte eine schwere, aber wie er später festhielt, nicht unglückliche Zeit.
    1946, nach ihrer Befreiung, zog Ballard mit seiner Mutter und seiner Schwester in die Nähe von Plymouth, Großbritannien. Seine Mutter und Schwester kehrten ein paar Jahre später nach China zurück, um Ballards Vater wiederzusehen. Diese Zeit verbrachte Ballard entweder im Internat oder, wenn es die Zeit erlaubte, bei seinen Großeltern. 1949 ging er auf das King's College in Cambridge, um Medizin zu studieren. Dort begann er damit, erste Geschichten zu schreiben, die damals noch zur Avantgarde gehörten. Diese war stark von seinen psycho-analytischen Studien und surrealistischer Kunst geprägt. Erstmals empfand er das Verlangen, professioneller Schriftsteller zu werden, wollte jedoch weiterhin eine medizinische Laufbahn verfolgen. Im Mai 1951 gewann seine Kurzgeschichte THE VIOLENT MOON einen Wettbewerb und wurde in der Studentenzeitschrift VARSITY veröffentlicht. Bald danach, 1952, erkannte er, dass ihm der Beruf des Mediziners nicht genug Zeit zum Schreiben lassen würde. Er verließ Cambridge und wechselte zur Universität von London, wo er sich mit Englischer Literatur befasste, doch noch vor dem Ende des Jahres wurde ihm nahegelegt, die Universität zu verlassen. Kurzzeitig verdingte er sich als Werbetexter und Lexikonvertreter. Er schrieb weiter, konnte jedoch keinen Verleger für seine Werke finden. 1953 schrieb er sich bei der Royal Air Force ein und wurde nach Kanada zur RCAF versetzt. Dort machte er erstmals Bekanntschaft mit der amerikanischen Sciencefiction. Noch während seiner Zeit in der Royal Air Force schrieb er seine erste SF-Geschichte mit dem Titel PASSPORT TO ETERNITY.
    1954 verließ Ballard die Air Force und kehrte nach Großbritannien zurück. 1955 heiratete er Helen Mary Matthews und zog mit ihr nach Chiswick. Schon 1956 wurde ihr erstes Kind geboren, und um das Glücksjahr komplett zu machen wurde eine SF-Geschichte von Ballard, PRIMA BELLADONNA, in der Dezemberausgabe von NEW WORLDS veröffentlicht. Mit dem Redakteur des Magazins, Edward J. Carnell hatte Ballard einen wichtigen Unterstützer gefunden, und bald waren alle von Ballards frühen Geschichten veröffentlicht.
    Von 1957 an arbeitete Ballard beim Wissenschaftsjournal CHEMISTRY AND INDUSTRY. Dank seines Kunstinteresses wurde Ballard früh Teil der Pop-Art-Bewegung und stellte in den späten 50ern einige Collagen aus, die seiner Vorstellung einer neuen Art Roman darstellten. Ebenfalls 1957 besuchte er die Science Fiction Convention in London, verließ die Veranstaltung jedoch desillusioniert, da seine Ideen nicht zum SF-Mainstream passten. Für ein Jahr schrieb er keine Geschichte mehr.
    1960 zog Ballard mit seiner Familie nach Shepperton, außerhalb von London. Da seine Arbeit ihn aus seiner Sicht vom Schreiben abhielt, versuchte er sich als Vollzeitautor. Innerhalb eines zweiwöchigen Urlaubs schrieb er seinen ersten Roman THE WIND FROM NOWHERE. Allerdings schrieb er ihn nur, um auf sich aufmerksam zu machen, auf späteren Listen seiner Werke taucht der Roman nicht mehr auf. 1962 wurde der Roman erfolgreich veröffentlicht und Ballard kündigte seinen Job bei CHEMISTRY AND INDUSTRY und konnte sich nun endlich völlig dem Schreiben widmen, wovon er und seine Familie nun leben konnten.
    Später im selben Jahr veröffentlichte er seinen zweiten Roman, THE DROWNED WORLD, mit dem sich Ballard als Vertreter der New Wave etablierte. Erste Sammelbände seiner Werke wurden veröffentlicht und er schrieb laufend neue Kurzgeschichten, immer dabei, die Grenzen des SF-Genres auszuloten.
    1964 starb Ballards Frau an einer Lungenentzündung. Von nun an musste sich Ballard allein um seine drei Kinder kümmern. Nach diesem Schock schrieb Ballard einige Geschichten, welche zu den kontroversen THE ATROCITY EXHIBITION gesammelt wurden. Eine dieser Geschichten, CRASH, handelte von sexueller Erregung durch Autounfälle. Darauf aufbauend organisierte Ballard 1970 die Ausstellung "Crashed Cars", in der tatsächliche Autowracks aus Unfällen präsentiert wurden. 1973 weitete er seine Kurzgeschichte zu einem Roman aus, welcher Jahrzehnte später von David Cronenberg verfilmt wurde.
    Ballard schrieb weiterhin Kurzgeschichten in SF und anderen Genres, erlangte seinen völligen Durchbruch aber erst mit seinem Roman EMPIRE OF THE SUN, in welchem er seine Kindheit im japanischen Gefangenenlager verarbeitete. 1984 wurde er für den Roman mit dem James Tait Black Memorial Prize ausgezeichnet, 1987 wurde er von Steven Spielberg mit einem jungen Christian Bale in der Hauptrolle verfilmt. Bei der Verfilmung hatte Ballard selbst einen kleinen Auftritt und merkte später an, seine Kindheitserinnerungen so nachgestellt zu sehen sei bizarr.
    Ballard schrieb weiter bis an sein Lebensende, von seinen späteren Romanen war besonders COCAINE NIGHTS besonders hochangesehen. Sein letztes Buch war eine Autobiografie unter dem Titel MIRACLES OF LIFE, welches er schrieb, nachdem bei ihm Prostatakrebs festgestellt wurde. An dieser Krankheit starb James Graham Ballard am 19. April 2009 im Alter von 78 Jahren. Mit seinem großartigen Schaffen und seiner parallelen Arbeit an Sciencefiction und anderen Stoffen hinterlässt er nicht nur ein eindrucksvolles Lebenswerk, sondern trug auch zum Abstreifen des Rufes der SF als Schund bei.
    Waldorf: "Say, this Thread ain't half bad."
    Stalter: "Nope, it's all bad."

    #2
    Vielen Dank, Kai, für diesen J.G.Ballard gewidmeten Beitrag. Ich denke, seine Autobiographie könnte mich, nachdem was Du geschrieben hast, durchaus interessieren.
    Zitat von Kai "the spy" Beitrag anzeigen
    Mit seinem großartigen Schaffen und seiner parallelen Arbeit an Sciencefiction und anderen Stoffen hinterlässt er nicht nur ein eindrucksvolles Lebenswerk, sondern trug auch zum Abstreifen des Rufes der SF als Schund bei.
    Das kann man wohl sagen. Das, was ich bisher von ihm gelesen habe, fand ich sehr überzeugend. Aber irgendwie sieht es nicht so aus, als ob er allzu viele Fans hatte .

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      #3
      Mir sagt der Name irgendwie gar nichts. Im ersten Moment dachte ich noch, da müßte was klingeln, aber nichts... hm...
      Nothing is forgotten, nothing is ever forgotten!

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        #4
        Zitat von TimeGypsy Beitrag anzeigen
        Mir sagt der Name irgendwie gar nichts. Im ersten Moment dachte ich noch, da müßte was klingeln, aber nichts... hm...
        Vielleicht einfach mal auf Wikipedia gehen.

        Ballard ist berühmt dafür, dass er sich gegen die Space Opera-Richtung der Science-Fiction gewandt hat und eine sogenannte Inner-Space-Richtung verfolgt hat.

        Kern seines Werkes sind u.a. vier Katastrophenromane, in denen die Welt auf verschiedene Weise leiden muss, darunter:
        In The Drowned World transformieren steigende Temperaturen und anschwellende Meere die gesamte Umwelt zu einer bizarren Traumlandschaft, in der eine galoppierende Evolution faszinierende neue Lebensformen erschafft.

        In The Burning World ist es im Gegenteil eine weltweite verheerende Dürre, die alle Landschaften und die Menschen in ihnen dramatisch verändert.

        The Crystal World schildert vorgeblich, wie eine rätselhafte und dramatische biologische Veränderung Pflanzen und Tiere in kristalline Strukturen verwandelt
        Sein erster Roman The Wind from Nowhere beschreibt den Zerfall der Zivilisation unter andauernden Hurrikan-artigen Winden.

        Eine Empfehlung eines anderen SF-Autors lautet:
        „J.G. Ballard sollte von jedem gelesen werden. Ich erstarre in Ehrfurcht vor diesem Mann und habe alles von ihm verschlungen, was ich in die Hände bekommen konnte. Die Katastrophenromane. Die condensed novels. Billennium; The Terminal Beach, Chronopolis, The Atrocity Exhibition sind unglaublich brillant. Ballard hat einen unglaublichen Zugriff auf das, was die Big Science der Psyche antun kann. Keiner kann wie Ballard schreiben...“

        – Bruce Sterling
        Letztlich ist es natürlich Ansichtssache, ob einem Ballards Werke zusagen, oder nicht, aber es gibt meiner Ansicht nach massenhaft Schlechteres und wenig Besseres in der SF .

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          #5
          Heute beim Antiquariat entdeckt und gleich gekauft - Kristallwelt vom Suhrkamp-Verlag (Phantastische Bibliothek 75). Es ist das erste Buch von James G. Ballard, das ich lesen werde.

          Eine Empfehlung eines anderen SF-Autors lautet:
          Zitat:
          „J.G. Ballard sollte von jedem gelesen werden. Ich erstarre in Ehrfurcht vor diesem Mann und habe alles von ihm verschlungen, was ich in die Hände bekommen konnte. Die Katastrophenromane. Die condensed novels. Billennium; The Terminal Beach, Chronopolis, The Atrocity Exhibition sind unglaublich brillant. Ballard hat einen unglaublichen Zugriff auf das, was die Big Science der Psyche antun kann. Keiner kann wie Ballard schreiben...“

          – Bruce Sterling
          Es ist schon lustig. Zwischen Ballard's Inner Space und dem Cyberpunkt/Steampunk meine ich liegen Welten.

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            #6
            Eine dieser Geschichten, CRASH, handelte von sexueller Erregung durch Autounfälle.
            Ich hab das mal als Film gesehen, ich nehm daher an, daß das auf seiner Geschichte beruht.

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