Zitat von Tibo
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StGB - Einzelnorm
Es geht im Strafrecht um Handlungen: "Wer das und das tut, der...".
Nehmen wir mal § 182 Abs. 2:
(2) Ebenso wird eine Person über achtzehn Jahren bestraft, die eine Person unter achtzehn Jahren dadurch missbraucht, dass sie gegen Entgelt sexuelle Handlungen an ihr vornimmt oder an sich von ihr vornehmen lässt.
Ohne eine - objektive - Handlung kann das Strafrecht nicht zum Einsatz kommen. Das wäre in diesem Fall a) der Sexualkontakt, der b) zudem die folgende Voraussetzung haben muss: eine wie auch immer geartete Entlohnung/Bezahlung etc. pp.
Das ist der objektive Tatbestand.
Dabei gilt: Ohne a) interessiert sich niemand für b). Das war meine Aussage.
b) ist dann Voraussetzung, damit a) strafbar ist. Bei Mord und Totschlag spricht man von einer Qualifikation, k.A. wie das hier genannt wird.
b) wird also erst untersucht, wenn a) vorlag. Bei der Feststellung von b), die der Feststellung von a) folgt, kommen dann subjektive Fragen zum Einsatz: Welches Verhältnis hatten die Beteiligten zueinander? Wie haben die Beteiligten ihr Verhalten selbst aufgefasst?
Dabei spielt dann immer der Einzelfall eine Rolle - die objektive und die subjektive Beziehung der Beteiligten zueinander muss in jedem Einzelfall festgestellt werden und gewürdigt werden.
Erst an dieser Stelle kommt es z.B. zu solchen Fragen wie "Kann eine Einladung ins Kino (im Wert von 12,- €) als Entgelt im Sinne des § 182 Abs. 2 gelten oder nicht?"
Natürlich würde wohl jedes Gericht ein Auto oder Pony ohne weiteres als Entgelt durchgehen lassen. Bei einer Einladung zum Kino sieht es dann schon ganz anders aus.
Du liegt aber sicherlich falsch, wenn du davon ausgehst, dass eine - wie auch immer geartete - Beziehung zwischen den Beteiligten generell und ausschließlich als Vorbereitung für einen Missbrauch betrachtet wird.
Bei einem Lehrer/Schüler Verhältnis werden in der Regel sehr harte Kriterien angelegt, da hast du ganz recht, das ist aber nur eine mögliche Konstellation.
Wenn Person A) (geb. 1985) Person B) (geb. 1990) jahrelang kennt und B) zwischen 2000 und 2003 regelmäßig Geburtstagsgeschenke gemacht hat, wird das in der Regel wohl kaum als Entgelt für einen Geschlechtsverkehr von 2007 durchgehen. Das wird im Einzelfall geprüft und gewürdigt / gewertet.
Deswegen gibt es in diesen Dingen auch keine allumfassenden Definitionen für juristische Begriffe, denen man jede Anwendungsmöglichkeit entnehmen kann. Das geht gar nicht, weil die Rechtsprechung sowohl präzise und eindeutig, aber auch flexibel und wandelbar sein muss.
Du findest hier unten die Verweise auf die aktuelle Rechtsprechung und die Entscheidungen verschiedener Gerichte.
§ 182 StGB Sexueller Mißbrauch von Jugendlichen - dejure.org
Auf diese Weise erhält der bewusst allgemein formulierte Strafrechtsparagraph ein auf den Einzelfall anwendbares Profil. Dieses Prinzip gilt für das gesamte Strafrecht sowie das sonstige Recht und übrigens auch bei der juristischen Feststellung, was "öffentliches Interesse" sei oder nicht.
Und um auf dein Zitat nochmal zurückzukommen: Unter 4 steht "Der Versuch ist strafbar". Es kann also u.U. ein Geschenk eines Autos strafbar sein, wenn dieses Geschenk mit dem Hintergedanken einer sexuellen Gefälligkeit gemacht wird. Das ist neu, das gibt es erst seit 2008.
Das ist aber, wie gesagt, in jedem Fall anders.
Die letzten Änderungen an § 182 sind, wenn ich mich nicht täusche, 2008 vorgenommen worden. Für ältere Taten gilt der neue Paragraph nicht (§ 1 StGB)
§ 1
Keine Strafe ohne Gesetz
Eine Tat kann nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde.
Das ist das gute alte "nulla peona sine lege", welches als Konsequenz der "analogen" Strafrechtsanwendung im Nationalsozialismus an die erste Stelle des StGB gewandert ist.
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Zitat von Tibo
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Darauf zu beharren, ob eine angeblich unklare Formulierung ein "Fehler" ist oder nicht, ist in der Tat kleinliche Wortklauberei von deiner Seite und das solltest du auch lassen.
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