"All das vergiss bitte nie!" / "Remember" - SciFi-Forum

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"All das vergiss bitte nie!" / "Remember"

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    #91
    17. April 1979:
    Die erste reguläre Ausgabe der "tageszeitung" erscheint





    "Wir haben keine Chance, aber wir nutzen sie", schrieb die "tageszeitung" in ihrer ersten täglichen Nummer - am 17. April 1979. Wer hätte schon gedacht, dass sich ein Blatt über längere Zeit am Markt halten würde, das sich heute wie damals als "links, respektlos und konzernunabhängig" definiert. Die taz warf sich wider die Mächtigen, für die Andersdenkenden auf den Markt - und ist seither so oft tot gesagt worden, dass es schon fast wie ein Stehsatz klingt. Der Grünen-Abgeordnete und taz-Mitbegründer Hans-Christian Ströbele hält das hartnäckige Überleben der Zeitung für das "größte Wunder" - die Leute, die das Blatt am Anfang täglich im Berliner Arbeiterviertel Wedding machten, hätten weder von Finanzen noch vom Zeitungmachen eine Ahnung gehabt, meint er.

    Von Anfang an verstand sich die taz nicht als wirtschaftliches Unternehmen, sondern als alternatives Projekt, inzwischen ist sie - seit 1992 - genossenschaftlich organisiert und wird von mehr als 5000 Lesern, Mitarbeitern und Förderern erhalten. Um weitere Unterstützung wird auch auf der Web-Site geworben: "Wer hier mitmacht, findet eine politische Rendite wichtiger als finanzielle Gewinne." So muss es wohl auch sein, schrammte das alternative Blatt mit der Tatze als Logo doch mehr als einmal am finanziellen Ruin vorbei. Ende 1991 etwa wurde allen Mitarbeitern gekündigt - weil die Auflage auf 60.000 Stück gesunken war und viele der Redakteure das Modell der Selbstverwaltung mit niedrigem Einheitslohn für überholt hielten. Der ist inzwischen abgeschafft, Chefredakteurin Bascha Mika meint aber: "Wir können uns nie zurücklehnen." Müsste sie den Redakteuren anständige Gehälter zahlen, wäre man pleite. Inzwischen liegt die Auflage konstant bei knapp unter 50.000 Stück, auch wenn regelmäßige - meist höchst originelle - Rettungskampagnen versuchen, diese Marke zu knacken.

    So kämpferisch wie einst klingt die taz inzwischen nicht mehr. Manche meinen sogar, sie sei ein wenig langweilig geworden, seit ihr nur noch ein Hauch von Anarchie anhafte. "Die Zeitung wird heute viel professioneller gemacht, die Zeiten der heftigen ideologischen und politischen Debatten sind vorbei", meint taz-Gründungsmitglied Michael Sontheimer ("Spiegel"). Die taz, das späte Kind der 68-er Generation, ist salonfähig geworden. Geblieben ist allerdings der besondere Humor der Zeitung, zu sehen in den Schlagzeilen - heute etwa: "Welteke wird abgetreten" - und verkörpert in der Satire-Seite "die Wahrheit".

    Auch die heutige Jubiläumsausgabe ist wieder ein Highlight: Eine im komplett neuen Layout gestaltete Sonderausgabe feiert bereits den 50. Geburtstag - im Jahre 2029...

    Eine Fotostrecke gibt es hier

    Kommentar


      #92
      04. Juli 1954:
      "Das Wunder von Bern" - Deutschland wird zum ersten Mal Fußballweltmeister



      Von begeisterten Anhängern auf Schultern vom Platz getragen: Kapitän Fritz Walter (links) und Trainer Sepp Herberger (rechts).

      "Aus! Aus! Aus! Aus! Das Spiel ist aus! Deutschland ist Weltmeister." Die Stimme von Radioreporter Herbert Zimmermann überschlug sich, als am 4. Juli 1954 der Schlusspfiff des englischen Schiedsrichters Ling das WM-Finale im Berner Wankdorfstadion beendete.

      Die deutsche Fußball-Nationalmannschaft hatte mit 3:2 gegen die als unschlagbar geltenden Ungarn gewonnen. Ein Mythos war geboren. Kein anderer sportlicher Erfolg in der 55-jährigen Geschichte der Bundesrepublik Deutschland hat eine größere gesellschaftspolitische und psychologische Wirkung besessen als der zum "Wunder von Bern" verklärte Sieg des Teams von Bundestrainer Sepp Herberger. Die Mannschaft um Kapitän Fritz Walter hatte den Deutschen ein Stück Selbstwertgefühl und nationale Identität gegeben. Man war wieder wer. Die Deutschen waren vereint in ihrer Freude, und jeder von ihnen war ein Weltmeister.

      Deutschland moralisch diskreditiert

      Neun Jahre waren seit dem Kriegsende vergangen, das viele Deutsche noch immer als Niederlage und nicht als Befreiung vom Faschismus verstanden. Deutschland war durch die in seinem Namen begangenen Verbrechen moralisch diskreditiert. Die meisten Deutschen flüchteten sich in den Wiederaufbau. 1954 spürten sie die Anfänge des so genannten Wirtschaftswunders. Sie richteten sich in dem neuen Staat ein, der ihnen dennoch mit seiner von den Alliierten vorgegebenen freiheitlich-demokratischen Grundordnung zunächst fremd blieb.

      Bundeskanzler Konrad Adenauer bemühte sich um die Integration der noch jungen Bundesrepublik in die westliche Staatengemeinschaft. Doch das Misstrauen der Alliierten und der Nachbarländer war gegenüber Deutschland trotz der Teilung noch groß. In dieser Situation kam der WM-Titel gerade recht. Er war ein Zeichen nach innen und außen.

      Am 4. Juli 1954 war der Fußball längst zur nationalen Sache geworden, auch wenn die deutsche Mannschaft im Finale klarer Außenseiter war. Fast vier Jahre lang waren die Ungarn von Erfolg zu Erfolg geeilt, während mit den Deutschen lange Zeit niemand spielen wollte. Erst 1950 gab es das erste Länderspiel nach dem Krieg gegen die Schweiz. Dem ungarischen Jahrhundert-Team um die vier Großen Ferenc Puskas, Joszef Bozsik, Sandor Kocsis und Nandor Hidegkuti war es am 25. November 1953 sogar gelungen, als erste Mannschaft vom Kontinent die Engländer im Londoner Wembley-Stadion mit 6:3 zu schlagen. Die Ungarn waren das beste Team ihrer Zeit. Zwischen 1951 und 1955 gewannen sie 40 ihrer 47 Länderspiele und erreichten sechs Unentschieden. Doch das wichtigste aller Spiele verloren sie.

      Millionen lauschten am Radio Zimmermanns legendärer Hörfunkreportage. Er verbreitete vor dem Finale wenig Optimismus: "Es ist ein großer Tag, es ist ein stolzer Tag. Seien wir nicht so vermessen zu glauben, er müsste erfolgreich ausgehen. Danken wir in jedem Fall - auch wenn wir verlieren sollten - unseren tapferen Jungens für diese großartige Leistung."

      Seine Skepsis schien sich in der Anfangsphase zu bestätigen. Schon nach acht Minuten lagen die Deutschen mit 0:2 hinten. Erst hatte Puskas (6.) und zwei Minuten später Zoltan Czibor getroffen. Doch angefeuert von ihren 30 000 Anhängern unten den insgesamt 65 000 Zuschauern raffte sich der Außenseiter auf. Max Morlock (10.) und Helmut Rahn (18.) glichen schon bald aus. Danach berannten die Ungarn das Tor der Deutschen, scheiterten aber immer wieder an Toni Turek. Dann die 84. Minute: "Schäfer flankt nach innen - Kopfball - abgewehrt - aus dem Hintergrund müsste Rahn schießen - Rahn schießt - Tooooor!!! Tooooor!!! Tooooor!!! Tooooor!!! Tor für Deutschland!" Zimmermanns Reportage ist zum Klassiker geworden.

      Deutschland hatte wieder Helden. Und ihnen durfte ohne moralische Bedenken zugejubelt werden. Denn die Heroen waren unverdächtig, kein Schatten aus der zwölfjährigen Nazi-Vergangenheit fiel auf sie. Das Ausland nahm den Erfolg und die deutschen Reaktionen irritiert zur Kenntnis. Die mancherorts angestimmten chauvinistischen Untertöne besonders in der Presse entgingen den ausländischen Beobachtern nicht.

      Das Singen der ersten Strophe des Deutschland-Liedes "Deutschland, Deutschland über alles" durch die deutschen Fans im Wankdorfstadion führte zu bissigen Kommentaren in den anderen Ländern. Vergleiche mit der Nazi-Zeit wurden gezogen. Dass es auch gemäßigte Stimmen in der westdeutschen Presse gab, wurde nur selten registriert. So schrieb Friedrich Sieburg in der "Zeit": "Dieser Sporterfolg hat keinen Stein auf dem politischen Felde verrückt - und auf dem moralischen erst recht nicht."

      In der DDR wurde der westdeutsche WM-Erfolg von staatlicher Seite freundlich, von Seiten der Bevölkerung mit Jubel aufgenommen. "Der offizielle Parteislogan war so, dass die Ungarn gewinnen sollten. Die Fußball-Verrückten in der DDR fühlten sich aber genauso als ganz große Sieger", erinnert sich der 77-jährige Wolfgang Hempel, der das Spiel für den DDR-Hörfunk beschrieb.

      Die politische Wirkung ihres Sieges wollten die meisten Helden von Bern nicht sehen. Ihre Haltung entsprach dem aus den Erfahrungen des Nationalsozialismus abgeleiteten Dogma von der strikten Trennung von Politik und Sport. Fritz Walter und Co. durften ihren Helden-Status stattdessen genießen und wurden von Ehrung zu Ehrung, von Empfang zu Empfang gehetzt. Wo sie auftraten in den Wochen nach dem Finale, lösten sie einen Massenansturm aus. Ihr Lohn: Rund 2000 Mark, eine Polstergarnitur und andere Insignien des damaligen Wirtschaftswunders.

      Zumindest in den alten Bundesländern sind die Namen der Spieler selbst denen ein Begriff, die erst lange nach der WM geboren wurden. Die Weisheiten von Chef Herberger wie "Ein Spiel dauert 90 Minuten", "Der Ball ist rund", "Nach dem Spiel ist vor dem Spiel" und "Elf Freunde sollt ihr sein" sind zu geflügelten Worten geworden.

      Der Mythos hat sie überlebt

      Nur wenige seiner Spieler schlugen Kapital aus ihrem Ruhm wie zum Beispiel Fritz Walter. Horst Eckel wurde Lehrer, Jupp Posipal und Hans Schäfer erfolgreiche Geschäftsleute, Max Morlock und Werner Liebrich versuchten ihr Glück mit Lotto/Toto-Annahmestellen. Einige erlebten auch die Schattenseiten: Rahn verlor durch falsche Freunde viel Geld, Werner Kohlmeyer, verarmt und alkoholkrank, arbeitete vor seinem Tod als Portier. Bis auf drei sind alle Heroen gestorben. Der Mythos hat sie überlebt.

      Quelle: http://www.wiesbadener-kurier.de/mel...kel_id=1532822
      gefunden von Spooky Mulder

      Neben dem vielumjubelten Mythos gibt es allerdings auch noch eine etwas kritischere Sichtweise des "Wunders von Bern". Zwar wurden im Raum stehende Doping-Vorwürfe inzwischen wohl weitgehend entkräftet, kaum bekannt ist aber z.B. bis heute, daß der ungarische Star Puskas in der 87. Minute noch ein Tor erzielte - das allerdings wegen einer umstrittenen Abseitsentscheidung nicht anerkannt wurde. Klar ist auch, daß die Deutschen ihre erste WM kaum mit spielerischer Eleganz, sondern mit hartem Kampf errangen - was nicht nur persönliches Engagement, sondern auch überharte Einsätze bedeutete. Der Grundstein der berühmten "deutschen Tugenden" wurde letztlich im Wankdorfstadion gelegt - mit Auswirkungen bis heute, wie man am kläglichen Abschneiden der Deutschen in Portugal sehen kann.
      Und auch wenn die These, die Begeisterung von 1954 sei eine Wiederauferstehung des Nazi-Nationalismus gewesen, sicherlich falsch ist (zwar sangen die Zuschauer in Bern "Deutschland, Deutschland über alles" - aber einen anderen Text kannten sie auch gar nicht), so hinterlassen Äußerungen wie die des damaligen DFB-Präsidenten von "Führewrprinzip" und "Deutschtum" doch einen bitteren Nachgeschmack.
      Mehr über die Rolle des DFB allgemein zu diesem thema gibt es z.B. hier.
      Und noch eine andere Lesart des "Wunders von Bern":
      Deutsche Wunder

      von Klaus Hansen

      Der 4. Juli ist der Tag der Unabhängigkeitserklärung in den USA. Er wird als Nationalfeiertag begangen. Die Erinnerung an 1776 soll wachgehalten werden. Auch die Deutschen haben ihren 4. Juli. Er ist der inoffizielle und geheime Nationalfeiertag, populärer jedenfalls als 17. Juni und 7. Oktober je waren und der 3. Oktober je sein wird. Das »Wunder von Bern« ist auf den 4. Juli datiert. Was alles hat man über die Bedeutung des Gewinns der Fußballweltmeisterschaft 1954 lesen und hören müssen! »Ein Stück Staatsgründung Deutschlands« habe an diesem Tag stattgefunden, »Westdeutschlands« war natürlich gemeint. Neben Konrad Adenauer und Ludwig Erhard, zuständig für Politik und Wirtschaft, sei Fritz Walter der »dritte Gründungsvater der Bundesrepublik«, zuständig für eine reanimierte »Wir-sind-wieder-wer«-Mentalität. Der 4. Juli 1954 sei das Gegendatum zum 8. Mai 1945 und habe dem Land, das so gerne Helden verehrt, wieder neue Vorbilder geschenkt, die »Helden von Bern«. Die allerdings waren aus ganz gewöhnlichem Holz geschnitzt: Ein risikoscheuer Melancholiker, Fritz Walter, der lukrative Auslandsangebote ausschlug, um seiner Vaterstadt Kaiserslautern treu zu bleiben und im richtigen Leben als glückloser Geschäftsmann zu scheitern. Ein rustikaler Gewohnheitstrinker, Helmut Rahn, der mit 2,7 Promille sein Auto in eine Baugrube setzte, anschließend hinter schwedischen Gardinen verschwand und sich zu einem abgezockten Gebrauchtwagenhändler entwickelte. Ein phlegmatischer Jekyll & Hyde, Toni Turek, der Gott und Teufel in einer Person war, genauer, mit den Worten des »Aus! Aus! Aus!«-Reporters Zimmermann: »Fußballgott und Teufelskerl«. Gibt es ein schöneres Kontrastprogramm zur nationalsozialistischen Vergötterung des reinrassigen Übermenschen? Wahrhaft ein Vorbild-Wunder!

      Sönke Wortmanns Film Das Wunder von Bern endet mit dem Satz: »Diese Mannschaft spielte nach dem Endspiel nie wieder zusammen.« Er vergißt die viel verblüffendere Mitteilung zu machen, daß die Mannschaft auch vor dem Endspiel nicht zusammengespielt hatte. Denn in der Aufstellung des Finales war man bis dahin nur ein einziges Mal angetreten, wenige Tage zuvor im Halbfinale gegen Österreich. In der Fußballhistorie ist das einmalig, daß eine Mannschaft gleich bei ihrem zweiten Auftritt Weltmeister wird. Wahrhaft ein Erfolgs-Wunder!

      Am frühen Abend des 4. Juli 1954 ist es also so weit, Außenseiter Deutschland gewinnt das Endspiel gegen die seit vier Jahren ungeschlagene und als unschlagbar geltende »goldene Mannschaft« Ungarns. 30000 entfesselte deutsche »Schlachtenbummler« singen im Berner Wankdorfstadion die erste Strophe: Deutschland, Deutschland über alles, über alles in der Welt. Neun Jahre nach den Menschheitsverbrechen des Hitlerismus. »Die Welt muß umlernen«, schreibt das Sportmagazin kicker, »Deutschland ist Fußball-Weltmacht.« Und bei der Feier des Deutschen Fußball-Bundes im Münchner Löwenbräukeller hält DFB-Präsident Peco Bauwens seine später sogenannte Sieg-Heil-Rede, in der er das »Führerprinzip« des Trainers Herberger lobt und die unerschütterliche Haltung des »Deutschtums« der Mannschaft rühmt.

      Das war starker chauvinistischer Tobak. Vor allem im Nachbarland Frankreich reagierte man empört. Kanzler Adenauer, der kein Fußballfreund war, paßten die nationalistischen Töne überhaupt nicht ins Konzept. Er bemerkte zu Recht: »Manchmal richtet ein Sieg im Fußballspiel so viel Unheil an, daß die Diplomaten Monate brauchen, um den Schaden zu beheben.« In Paris drohte die ohnehin deutschlandskeptische Regierung, das westeuropäische Gemeinschaftswerk platzen zu lassen und die Aushandlung der »Pariser Verträge«, durch die unter anderem der Besatzungsstatus aufgehoben und die BRD souverän werden sollte, zu boykottieren. Da kam es gelegen, daß die deutschen Fußballweltmeister am 16. Oktober 1954 in Hannover gegen Frankreich antraten – und mit 1:3 verloren. Adenauer kommentierte zufrieden: »Diesmal hat mich Herr Herberger nicht im Stich gelassen.« Am 23. Oktober wurden die Pariser Verträge unterzeichnet; am 5. Mai 1955 traten sie in Kraft.

      Auch im Jahr 1955 war, politisch gesehen, eine Niederlage im Fußball weitaus wichtiger als alle Siege. Adenauer besuchte im September Moskau, um diplomatische Beziehungen mit der Sowjetunion aufzunehmen und die Entlassung der letzten 10000 deutschen Kriegsgefangenen in die Wege zu leiten. Erneut kam es gelegen, daß zwei Wochen vorher, am 21. August 1955, der Fußballweltmeister im Moskauer Dynamo-Stadion vor 80000 Zuschauern zum Ländervergleich mit der UdSSR auflief – und 2:3 verlor. Diesmal war es nicht Adenauer, sondern Sepp Herberger, der die politische Bedeutung des Ergebnisses würdigte, so pathetisch, als habe man die Niederlage im Dienste des Vaterlandes geradezu »errungen«: »Die deutsche Fußballnationalmannschaft weiß, daß sie durch ihr Auftreten einen günstigen Eindruck in der russischen Öffentlichkeit hinterlassen hat, und lebt in dem Glauben, daß sie auch für die Verhandlungen und Rückbeförderung unserer Gefangenen mithalf, gute Voraussetzungen zu schaffen.« Drei Wochen später kehrte Adenauer zusammen mit zehntausend befreiten Wehrmachtsangehörigen zurück nach Bonn.

      Aus deutscher Sicht müssen wir also konstatieren, daß die anschließenden Niederlagen bedeutsamer waren als der Sieg im Wankdorfstadion. Politisch betrachtet, verlieh erst der WM-Titel der Deutschen den darauffolgenden Triumphen der Franzosen und Sowjets ihr besonderes diplomatisches Gewicht. Auch eine Lesart des »Wunders von Bern«!
      Eine Reihe weiterer Infos gibts u.a. hier.

      Jack Crow
      Zuletzt geändert von Jack Crow; 04.07.2004, 18:55.

      Kommentar


        #93
        Wir haben uns vor Gott und unserem Gewissen geprüft, es muss geschehen, denn dieser Mann ist das Böse an sich.“
        (Claus Schenk Graf von Stauffenberg)




        Der 20. Juli 1944 ist zum Innbegriff und Symbol des deutschen Widerstandes gegen die Diktatur des Nationalsozialismus und die Schreckensherrschaft Adolf Hitlers geworden. Er ging als "Aufstand des Gewissens" in die Geschichte ein. 60 Jahre nach der Tat gelten Claus Schenk Graf von Stauffenberg und seine Mitstreiter als deutsche Vorbilder.
        Die Ereignisse vom 20. Juli 1944 bilden den umfangreichsten Widerstand von Deutschen gegen das Regime Adolf Hitlers in der Zeit des Nationalsozialismus . Die Beteiligten der Verschwörung stammen aus vielen Schichten der Bevölkerung und hatten vielfältige Kontakte zum Kreisauer Kreis um Helmuth James Graf von Moltke . Unter den 200 nach der Erhebung Hingerichteten sind 19 Generäle, 26 Obersten, zwei Botschafter, sieben Diplomaten, ein Minister, drei Staatssekretäre sowie der Chef der Reichskriminalpolizei; des weiteren mehrere Oberpräsidenten, Polizeipräsidenten und Regierungspräsidenten. Zum Ausgangspunkt des Machtwechsels wurde ein Attentat auf Hitler gemacht. Die von Claus Schenk von Stauffenberg platzierte Bombe tötete Hitler jedoch nicht. Diese Tatsache brachte den gesamten Plan zum Scheitern.
        Claus Schenk Graf von Stauffenberg, geb. 15.11.1907 in Jettingen/Schwaben. Seine Eltern waren der letzte Oberhofmarschall des Königs von Württemberg, Alfred Schenk Graf von Stauffenberg und Caroline geb. von Üxküll-Gyllenband. Seine Kindheit verbrachte er zusammen mit seinen Brüdern Berthold und Alexander vor allem in der Landeshauptstadt Stuttgart. Berufssoldat. Stauffenberg begann sich nach der Reichspogromnacht 1938 von der nationalsozialistischen Staatsführung zu distanzieren und wurde wegen der Deportation der Juden, der brutalen Besatzungspolitik während des Krieges aber auch wegen der unsachgemäßen militärischen Führung entschiedener Gegner der Nazis und schloss sich dem militärischen Widerstand an. Er trat als treibende Kraft für die Tötung Hitlers ein. 1943 wurde er in Afrika schwer verwundet. Verlust des linken Auges, der rechten Hand und zweier Finger der linken Hand. Zuletzt Oberst im Oberkommando des Heimat-Heeres, Berlin, Bendlerblock. Am 1. Juli 1944 wurde er Chef des Stabes beim Befehlshaber des Ersatzheeres (BdE). Damit hatte er alle Möglichkeiten, die für den Fall innerer Unruhen vorbereitete Aktion "Walküre" auszulösen. Stauffenberg erarbeitete gemeinsam mit General Friedrich Olbricht, Albrecht Ritter Mertz von Quirnheim und Henning von Tresckow den Operationsplan "Walküre".


        Vorgeschichte

        Schon 1938 regte sich erster Widerstand in den Kreisen der Offiziere der Wehrmacht gegen die Kriegsvorbereitungen der regierenden Nationalsozialisten. Anlass war die Entlassung des Reichskriegsministers General Werner von Blomberg und die Affäre um Werner von Fritsch im Frühjahr. Dies nutzte Adolf Hitler zur Entmachtung der Wehrmachtsführung und zur gezielten Vorbereitung eines Krieges. Im Herbst trat der Chef des Generalstabes der Wehrmacht Generaloberst Ludwig Beck angesichts der sich ankündigenden Sudetenkrise zurück. Beck hatte von Adolf Hitler Aufklärung über dessen außenpolitische Ziele verlangt. Der Weg war frei für das Besetzen wichtiger Positionen mit Hitler ergebenen Admiralen und Generalen.
        Georg Elser, ein Schreiner aus Heidenheim an der Brenz baut eine Bombe, mit der er versucht Hitler 1939 zu töten. Georg Elser wusste, dass Hitler am 8. November 1939 im Münchner Bürgerbräukeller zum Gedenken an den Hitlerputsch vom 9.11.1923 eine Rede halten wird. Er ließ sich in den Bürgerbräukeller einschließen und innerhalb eines Monats höhlt er eine Säule aus um dort eine Bombe einzubauen. Die Bombe explodierte wie geplant, 60 Menschen wurden verletzt, 6 getötet - nur, Hitler war schon weg und unterwegs nach Berlin.
        Georg Elser wurde beim Versuch über die grüne Grenze in die Schweiz zu flüchten festgenommen. Er gesteht im Verhör die Tat und wird Sonderhäftling im Konzentrationslager Sachsenhausen. 1945 kam er ins KZ Dachau, wo ihn Himmler am 9. April 1945 ermorden ließ.
        Mehrere andere Versuche, Hitler zu beseitigen, schlugen fehl: 1943 versuchte der Offizier Henning von Tresckow , Hitler durch eine Sprengladung in dessen Flugzeug zu töten, der Zünder war jedoch defekt. Tresckow war auch der eigentlich Kopf der Verschwörung des 20.Juli, wurde jedoch kurz zuvor an die Ostfront versetzt.
        Im Juli 1944 gab es seitens Stauffenbergs mehrere Versuche, das Attentat auszuführen. Es wurde jedoch mehrmals verschoben, da entweder Reichsmarschall Hermann Göring oder Heinrich Himmler (Reichsführer der SS) nicht anwesend waren.
        Widerstand gegen Hitler leistete der "Kreisauer Kreis" ebenso wie die "Weiße Rose", das "Nationalkomitee Freies Deutschland" und der "Bund Deutscher Offiziere"; der einsame Attentäter Georg Elser wie der katholische Priester (später Kardinal) von Galen und Dietrich Bonhoeffer. Widerstand gegen Hitler - das war der Aufstand im Warschauer Ghetto ebenso wie der Kampf gegen den Diktator durch jene, die sich ausländischen Widerstandsbewegungen angeschlossen haben.
        Doch keiner dieser Anschläge bzw. Aufstände war so nah dran erfolgreich zu sein, wie der des 20.Juli. Wäre Hitler bei diesem Attentat umgekommen, wäre der Staatsstreich mit hoher Wahrscheinlichkeit geglückt. Einige Hundert Militärs (wie der ehemalige Generalstabschef des Heeres, Ludwig Beck), Diplomaten (wie der langjährige Botschafter in Rom, Ulrich von Hassell), Verwaltungsexperten (wie der ehemalige Leipziger Oberbürgermeister, Carl Friedrich Goerdeler), Sozialdemokraten (wie Julius Leber) und Gewerkschaftsführer (wie Jakob Kaiser, später Mitbegründer der CDU) standen zum Machtwechsel bereit. Stauffenberg selber sollte Staatssekretär in einem Kriegsministerium werden.
        Neben dem Attentat selbst sollte der geheime Operationsplan „Walküre“ den Umsturz garantieren. Operation Walküre war ein von General Olbricht entwickelter Aufstandsbekämpfungsplan. Mitte des Jahres 1944 befanden sich etwa 7 Millionen Fremd- und Zwangsarbeiter auf deutschen Boden. Ein Aufstand hätte eine ernste Gefahr für die inner Sicherheit des Reiches bedeutet, darüber hinaus arbeitete die Mehrheit von ihnen in Rüstungsbetrieben und sicherte dadurch den deutschen Nachschub. Dass solche Ängste vonseiten der NS-Führung keineswegs unbegründet waren, zeigte der Aufstand im Warschauer Ghetto, der nur mit der äußersten Härte und Brutalität durch die SS niedergeschlagen wurde. Die Pläne der Operation Walküre sahen vor, dass im Falle eines Aufstandes das von General Fromm geführte Ersatzheer, welches sich aus Wehmachtseinheiten, die sich im Reich aufhielten, zusammensetzte, diesen Aufstand niederschlägt. Mit leichten Abänderungen, jedoch, war Operation Walküre ein hervorragender Plan zur Umsetzung eines Putsches. Tresckow und Stauffenberg überarbeiteten daraufhin Operation Walküre entsprechend für ihre Zwecke des Umsturzes.

        Der 20. Juli 1944

        20. Juli, ca. 7.00 Uhr: Stauffenberg fliegt gemeinsam mit seinem Adjutanten Werner von Haeften von Berlin zum Führerhauptquartier "Wolfsschanze" (Rastenburg).

        10.15 Uhr: Oberst Graf von Stauffenberg trifft mit von Haeften im Führerhauptquartier . ein. Frühstück im Teehaus mit Rittmeister von Möllendorf (Adjutant des Lager Kdt., Oberstleutnant Streve). Aussprache mit General Fellgiebel (Chef der Wehrmacht. Nachr. Wesens) im Nachrichtenbunker. Dienstliche Unterredung mit General Buhle (Chef des Heeresstabes bei IOKW) und Generalleutnant von Thadden (Chef des Stabes beim Wehrkreisbefehlshaber I).

        11.30 Uhr: Stauffenberg und von Haeften gelingt es nur, einen der beiden vorgesehenen Sprengsätze scharf zu machen.

        12.35 Uhr: Stauffenberg betritt den Besprechungsraum. Das Gedränge verhindert, die Tasche mit dem Sprengstoff unmittelbar neben Hitler zu deponieren. Stauffenberg verlässt unter dem Vorwand, telefonieren zu müssen, den Raum, nachdem er seine Aktentasche in die Nähe Hitlers rechts neben Oberst Brand am Tischende abgestellt hat. General Schmundt oder Oberst Brandt (K. Adm. Voss) schiebt die Tasche auf die Hitler abgewandte Seite des die Eichenplatte tragenden Sockels des großen Kartentisches (neben den Stenografen Berger).

        12.42 Uhr: Die Sprengladung detoniert in dem mit 24 Personen besetzten Raum. Vier Personen werden getötet, fast alle Anwesenden werden verletzt. Hitler befindet sich unter den 20 Überlebenden. Erich Fellgiebel (1886-1944) lässt an die Mitverschwörer in Berlin weiterleiten: "Es ist etwas Furchtbares geschehen: der Führer lebt!".

        12.43 Uhr: Der wachhabende Leutnant der Wache 1 ordnet Sperre an. Schließung des Sperrkreises A durch den wachhabenden Leutnant.

        12.44 Uhr: Stauffenberg und von Haeften passieren die Wache des Sperrkreises A.

        12.45 Uhr: Auslösung des Alarms für beide Sperrkreises.
        Stauffenberg wird an der "Außenwache" Süd durch Fw. Kolbe aufgehalten, erhält aber von Rittmeister von Möllendorf telefonisch die Erlaubnis zu passieren. Fahrt zum Flugplatz. (Unterwegs wirft von Haeften ein Paket mit Sprengstoff aus dem Wagen).

        Gegen 13 Uhr General Fellgiebel verhängt Nachrichtensperre über das Führerhauptquartier offenbar bis 15.30 Uhr.

        12.50-14.00 Uhr: In Berlin sollen unter dem Codewort "Walküre" alle Gestapo -, Partei- und SS - Dienststellen von der Wehrmacht besetzt werden. Fellgiebels nicht eindeutige Nachricht erreicht General der Infanterie Friedrich Olbricht. Er zögert, den "Walküre"-Alarm auszulösen. Nach der Bombenexplosion wird das Führerhauptquartier abgesperrt. Stauffenberg und Haeften können die Wachmannschaften täuschen und gelangen zum Flugplatz. Die beiden Attentäter starten zum Rückflug nach Berlin. Stauffenberg ist überzeugt, Hitler getötet zu haben.

        13.15 Uhr, Rückflug Stauffenbergs und von Haeftens nach Berlin in einer He 111 (die auf Befehl des Generals Mertz von Quirnheim bereitgestellt worden ist).

        15.00 Uhr: In Rangsdorf bei Berlin geben sie telefonisch die Meldung an die Bendlerstraße durch: "Hitler ist tot." Mertz von Quirnheim überredet den immer noch zögernden Olbricht, die Staatsstreicheinheiten zu alarmieren.

        16.30 bis 17 Uhr: Stauffenberg telefoniert mit Oberstleutnant von Hofacker und berichtet ihm über das Attentat.
        Die Aktion in Paris läuft an: Der höhere Nachrichtenführer, General Oberhäuser, erhält den Auftrag, den gesamten ihm unterstellten Funk- und Fernsprechverkehr zwischen Frankreich und Deutschland bis auf die Linie Berlin zu sperren und die Sender in Paris zu besetzen. Stadtkommandant von Groß-Paris Generalleutnant von Boineburg-Lengsfeld wird zum Befehlshaber General Carl Heinrich von Stülpnagel befohlen.

        16.45 Uhr: Stauffenberg und von Haeften treffen in der Bendlerstraße ein. Der in das Attentat eingeweihte Generaloberst Friedrich Fromm (1888-1945), Chef der Heeresrüstung und Befehshaber des Ersatzheeres, verweigert die Zusammenarbeit und wird daraufhin festgenommen.

        17.00 Uhr: Auf Initiative von Hitler und Joseph Goebbels wird im Rundfunk das Überleben Hitlers gemeldet. Fast gleichzeitig erhalten die Stabsoffiziere die Fernschreiben mit den Anweisungen der Verschwörer. Die überwiegende Mehrheit der Offiziere verhält sich angesichts der widersprüchlichen Meldungen abwartend.

        18.35 Uhr, Major Otto-Ernst Remer, Kommandeur des Wachbataillons in Berlin, meldet sich bei Goebbels und wird von diesem mit Hitler verbunden; letzterer befiehlt dem Major, den Militärputsch sofort niederzuwerfen. Remer ist Hitler persönlich unterstellt. Er verlegt seinen Befehlsstand in das Vorzimmer Goebbels. Remer löst daraufhin die Absperrung des Regierungsviertels auf und beteiligt sich an der Niederschlagung des Staatsstreichs. Remer telefoniert mit Major Wackernagel (Cottbus), dieser meldet ihm, dass die Masse der Panzer Grenadier Einsatzbrigaden "GD" auf Königswursterhausen marschieren, um den Deutschlandsender zu besetzen.

        22 Uhr, Oberst Stauffenberg gibt nach Paris an Oberst von Linstow durch: in Berlin ist alles verloren.

        22.30 Uhr, der Sturm auf die SS-Unterkünfte setzte ein. Verhaftung des General Oberg. (Höherer SS- und Polizeiführer in Frankreich). Insgesamt werden 1200 Gestapo und SS-Offiziere in Paris verhaftet. Der deutsche Stadtkommandant lies bereits Sandsäcke im Hof der französischen Militärakademie als Kugelfang für die bevorstehenden Exekutionen der Hitlertreuen aufschichten. Später versuchten sowohl die Aufständischen als auch die Gestapo und SS-Einheiten den Vorfall in Paris zu vertuschen und runterzuspielen, da sich letztere Kampflos ergeben hatten und dementsprechend ernste Folgen zu befürchten hatten.

        22.30 Uhr: Eine Gruppe regierungstreuer Offiziere verhaftet Stauffenberg und die Mitverschwörer. Fromm ordnet die sofortige Erschießung wegen Hoch- und Landesverrats an.

        20./21. Juli: In der Nacht wird Claus Schenk Graf von Stauffenberg gemeinsam mit Werner von Haeften, Albrecht Ritter Merz von Quirnheim und Friedrich Olbricht im Hof des Bendlerblocks erschossen. Ludwig Beck wird Gelegenheit zur Selbsttötung gegeben. Er wird nach einem misslungenen Selbstmordversuch ebenfalls erschossen.
        21. Juli: Die Leichen der Erschossenen werden auf einem Friedhof mit ihren Uniformen und Ehrenzeichen bestattet. Himmler lässt sie wieder ausgraben und ordnet deren Verbrennung an. Ihre Asche wird über die Felder verstreut.

        Folgen des Attentats

        Die Familien wurden in "Sippenhaft" genommen. Unglücklicherweise wurde die Verbindung der militärischen mit zivilen Widerstandsgruppen aufgedeckt. So wurden nicht nur der engere Kreis der Verschwörer vom 20. Juli verhaftet und nach Schauprozessen vor dem Volksgerichtshof hingerichtet. Auch das weitere Umfeld der anderen Widerstandsgruppen war betroffen. Insgesamt wurden über 7.000 Personen verhaftet und bis Kriegsende wurden Tausende hingerichtet. Die Verfolgungswelle in Armeekreisen erreichte ein solches Ausmaß, dass die Kriegsführung gefährdet schien. Aber auch Beamte, Diplomaten und Weimarer Politiker wurden von Roland Freisler, dem Vorsitzenden des Volksgerichtshofes im Schnellverfahren abgeurteilt und hingerichtet. Andere prominente Opfer, wie Generalfeldmarschall Erwin Rommel, wurden zum Selbstmord gezwungen oder, wie Abwehrchef Canaris oder Dietrich Bonhoeffer, in KZ´s verschleppt und von der SS umgebracht. Keiner der Hauptbeteiligten und kaum einer der Mitwisser des Attentatversuchs vom 20. Juli 1944 überlebte.

        Gründe des Scheiterns

        Der wesentliche Grund für das Scheitern des Aufstandes ist zweifellos Hitlers Überleben. Viele Militärs fühlten sich, obwohl sie Hitler auf tiefste verachteten, an ihren Eid zum Führer gebunden. Tatsächlich gab es nur sehr wenige Verschwörer, die über eine ähnliche Entschlossenheit verfügten wie der Graf von Stauffenberg. Einige wechselten unmittelbar nach Bekanntgabe, das Hitler lebte, die Seiten. Dass der Putsch trotz Hitlers Überleben hätte Erfolg haben können, beweisen die Aktionen in Paris und Wien. Hätte sich Stauffenberg mit seinem Staatsstreich durchgesetzt, wäre der Krieg im Westen vermutlich umgehend zu Ende gewesen, vermutlich aber auch der Kampf im Osten. In den Fernschreiben, welche den Walküre Befehl enthielten, waren ebenso Direktiven erlassen in denen die KZ Wachmannschaften notfalls mit äußersten Mitteln zu entwaffnen gewesen wären. Der Umsturz hätte demnach auch viele ungarische Juden, welche gegen Ende des Krieges in den KZs massenweise ermordet wurden, gerettet werden können. Des Weiteren wären die Trägodien, welche sich in den deutschen Großstädten durch die flächenmäßige Bombardierung ereigneten, verhindert werden können. Dresden wäre nicht vernichtet worden und auch die Vertreibung der 15 Millionen Deutschen aus den Ostgebieten mit dem daraus resultierenden Tod von 2 Millionen hätte sich vermutlich nicht so ereignet. Man kann also zweifellos das Scheitern des 20.Juli als einer der größten Tragödien der Geschichte werten. Insgesamt starben in der Zeit nach dem Aufstand bis zum Kriegsende 4 Millionen Deutsche, 1,5 Millionen Rotarmisten, etwa eine halbe Millionen in den KZs und etwa 100000 amerikanischen und britische Soldaten.

        Würdigung des Widerstands

        In Deutschland scheint das Interesse am Widerstand gegen die Herrschaft Hitlers heute zu wachsen. Deutlich wird dies an Feierlichkeiten, in denen sich die politische Führung zur Tradition des Widerstandes bekennt. Ein Fernsehfilm über Stauffenberg wurde unlängst von siebeneinhalb Millionen Deutschen verfolgt. 60 Jahre nach dem Anschlag ist die Würdigung des Hitler-Attentäters Stauffenberg vielen Deutschen ein Anliegen. Seit Jahrzehnten erinnert die zentrale Gedenkveranstaltung im Innenhof des Bendlerblocks (Berlin) an Stauffenbergs Anschlag, der dem Ziel, Hitler zu töten, denkbar nahe kam.

        Es ist Zeit, dass etwas getan wird.
        Derjenige allerdings, der etwas zu tun wagt, muss sich bewusst sein,
        dass er wohl als Verräter in die deutsche Geschichte eingehen wird.
        Unterlässt er die Tat, so wird er zum Verräter vor seinem eigenen Gewissen.
        (Claus Schenk Graf von Stauffenberg im Frühsommer 1944)


        Vergessen ist schnell, wie schwer sich die Deutschen mit der Würdigung dieser Tat über viele Jahrzehnte hinweg getan haben. Zunächst bestimmte die NS-Propaganda das Bild. "Ehrgeizzerfressene Offiziere" hätten versucht, ihn zu töten, verkündete Hitler schon in den frühen Abendstunden in seiner ersten Rundfunkansprache. Die meisten Deutschen machten in den folgenden Tagen aus ihrem Abscheu keinen Hehl. Stauffenberg wurde nur insgeheim von jenen bewundert, die wussten, dass Deutschland allein durch eine Niederlage von der NS-Herrschaft befreit werden konnte. Die meisten Zeitgenossen sahen in seiner Tat nur den Versuch eines hohen Offiziers, in letzter Minute die eigene Haut zu retten. Welcher Mut zur Tat gehörte, was Stauffenberg, schwer verletzt in Nordafrika, verheiratet, Familienvater, damit riskierte, wollten sie weder wissen noch würdigen.
        Nach der Befreiung vom Nationalsozialismus wechselte die Perspektive der Deutschen bezüglich Stauffenberg nicht sonderlich. Er wurde zwar nicht mehr offen als Verräter diffamiert, geachtet wurde der Attentäter und seine Mitstreiter aber auch nicht flächendeckend. Während der 50er beschimpfte in Ostdeutschland die SED die Männer des 20.Juli als reaktionäre Agenten des US-Imperialismus, und obwohl es bereits Stauffenberg Briefmarken und Straßennahmen in der BRD gab, war die Hälfte der Deutschen nicht für die Namensgebung einer Schule nach einen der Attentäter des 20.Juli. Ende der 60er Jahre war immer noch ein Viertel der Bürger in der BRD der Meinung, dass die Attentäter des 20.Juli Verräter waren. Die 68er Generation störte sich an die politische Ausrichtung der Attentäter, welche sich nur begrenzt aus Demokraten zusammensetzte und sogar manchen Antisemiten und Kriegsverbrecher beherbergte. 60 Jahre nach dem Attentat, jedoch, hat sich der Blick der Deutschen bezüglich der Attentäter deutlich gewandelt. Laut Umfragen bewundert bzw. achten drei Viertel der Deutschen die Attentäter des 20.Juli, sowohl in Ost und West als auch Jung und Alt. In dem Hof des Bendlerblockes in dem 60 Jahre zuvor die Attentäter des 20.Juli standrechtlich erschossen wurden, werden heute Bundeswehr Soldaten vereidigt. Die inzwischen 2.Nachkriegsgeneration, welche frei von Schuldgefühlen ist, interessiert sich sehr für die Geschehnisse des 20.Juli, besonders über die menschliche Aspekte. Viele interessieren sich, wie aus dem begeisterten Mitläufer des Nationalsozialismus, wie den Grafen von Stauffenberg, ein erbitterter Gegner Hitlers werden konnte, wie die Attentäter mit sich gerungen haben einen Tyrannenmord durchzuführen und wie sie für ihre Überzeugung nicht nur ihre eigenen Leben aufs Spiel setzten sondern auch das ihrer Familien.

        Deshalb ist die Erinnerung an den Widerstand wichtig. Denn den Opfern nationalsozialistischer Herrschaft wurde bewusst, dass es ein anderes Deutschland gab, das andere Werte verkörperte als die von den Nationalsozialisten proklamierten. Der Widerstand zeigte, dass es Kräfte in Deutschland gab, die sich dem Nationalsozialismus widersetzt hatten. Sie waren es, die den Deutschen die Rückkehr in den Kreis der zivilisierten Nationen erleichterten. So gesehen, war das Scheitern des Anschlags historisch folgenreich und keineswegs erfolglos. Die letzten Worte des Grafen von Stauffenberg sollen: „Es lebe das Heilige Deutschland!“ gewesen sein. Ob diese Worte nun der Wahrheit entsprechen oder nur eine Legende sind, kann vermutlich niemals ergründet werden. Seine Witwe meinte jedoch, dass es ihm, einem überzeugten Christen, ähnlich sehen würde.

        (Ragnar)
        Zuletzt geändert von Nicolas Hazen; 20.07.2004, 21:19.
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