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Ist die UNO eine Hüterin des Friedens ?

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    #31
    Leider habe ich keine Zeit für eine umfassende Behandlung des Themas, zumindest meine Meinung zur EU steht an diversen Stellen aber bereits (Global Governance und so).
    Im Moment nur eine kurze Sache:
    @TomCat911: Du unterliegst bei deiner Bewertung dem sog. naturalistischen Fehlschluß - dem Fehlschluß nämlich, aus natürlichen Gegebenheiten ein Sollen abzuleiten.

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      #32
      Original geschrieben von max
      Ich soll neoliberal definieren ? Erkundige dich mal über die wissenschaftlichen Theorien hinter den schwarz-gelben und den rot-grünen Regierungen ! Diese werden normal als neoliberal oder neoklassisch bezeichnet, da sie die keynesianistischen Theorien der 50-70er über Bord geschmissen haben und wieder den alten Mühl aus dem 19. Jahrhundert labern. Weniger Staat, Angebotsseite stärken, alles wird gut, wenn die Profite steigen etc.
      Langer Rede kurzer Sinn, du kannst es nicht definieren.

      Ich will ja nun keine VWL Vorlesung halten, da das echt nicht in diesen Rahmen passt, aber ein paar Korrekturen sind hier unumgänglich.

      a) Die Keynsianische Theorie stammt aus den 30er Jahren und beruht auf den Erfahrungen der großen Depression. Es gab später Weiterentwicklungen in Form des Neokeynsianismus, der aber nie die große Bedeutung erlangt hat, auch wenn er dem herkömmlichen Keynsianismus weit voraus ist.

      b) Neoklassik ist die Weiterentwicklung der klassischen Lehre von Smith und Ricardo. Auch die Neoklassik folgt einem Gleichgewichtsansatz, ersetzt jedoch die objektive Wertlehre der Klassiker durch eine subjektive. Hinzu kommt die konsequente Anwendung des Marginalkalküls, das sich aus der neoklassischen Produktionsfunktion herleitet, die von stets positiven aber fallenden Grenzerträgen ausgeht. Darüber hinaus treten in der Neoklassik Allokationsprobleme und Verteilung in den Vordergrund. Diese Theorie gründet sich zB auf Walras, von Thünen, Menger etc. Der Begriff Neoliberal hingegen ist vollkommen ungeklärt. Er hat etwas vom "Antichristen" des Mittelalters. Alle reden davon, aber keiner weiß was es ist!

      Dummerweise hat diese Theorie aber mit dem Verhalten der Regierung so richtig gar nichts zu tun. Im gegenteil grade die Rot-Grüne Regierung zeigt eine absolute Konzeptlosigkeit, die Vermuten läßt, das hinter ihrem Handeln überhaupt kein Wirtschaftspolitisches Gedankengebäude steht.

      Zum eigentlichen Thema des Threads. Die UNO ist ein Stück Realpolitik. Sie hat gewaltige Nachteile! Aber bislang habe ich noch von keiner Idee gehört, wie man es besser machen kann.

      Edit: Mit dezentraler Entscheidungsfindung meinte ich, dass die Steuerung im Kapitalismus über die Masse der individuellen Marktentscheidungen erfolgt. Im gegernsatz zu dem gescheiterten Gegenentwurf, der auf zentrale Planung setzt, liegt somit die Entscheidungshoheit ausschließlich bei den einzelnen Individuen. Das bezieht sich nicht auf politische Entscheidungen, die aus rein praktischen erwägungen nun einmal einer gewissen Zentralität bedürfen.
      Zuletzt geändert von Direwolf; 13.11.2002, 09:39.
      LANG LEBE DER ARCHON

      Kommentar


        #33
        Original von Direwolf
        Zum eigentlichen Thema des Threads. Die UNO ist ein Stück Realpolitik. Sie hat gewaltige Nachteile! Aber bislang habe ich noch von keiner Idee gehört, wie man es besser machen kann.
        Gut zurück zum Thema:
        Anfangs hatte ich geschrieben, dass die Entscheidung im Sicherheitsrat gezeigt hat, dass die kein geeignetes Mittel ist, die militärischen Aggressionen (Angriffskriege) einer der Grossmächte zu verhindern. Die UNO hat die Propaganda von Bush und Blair übernommen, dass der Irak eine Bedrohung für den Frieden mit seinen Massenvernichtungswaffen ist. Diese Propaganda ist lächerlich, da der Irak total zerbombt ist und über keine weitreichenden Raketen verfügt (siehe Blairs Pro-Krieg-Dossier). Im Gegensatz besitzen die USA die meisten Massenvernichtungswaffen, drohen regelmässig mit deren Einsatz (z.B. in Afghanistan) und weigern sich, dass ihre B-Waffen-Bestände kontrolliert werden. Zudem haben die USA die Aufrüstung des Irak mit chemischen Waffen im Iran-Irak-Krieg unterstützt, während Verbündete, wie Israel mit ihren Atomwaffen die Nachbarn bedrohen (und die BRD liefert ihnen noch die passenden Uboote, die in der Lage sind Atomwaffen zu verfeuern). Es kann offensichtlich nicht um Massenvernichtungswaffen gehen und schon gar nicht um die Erhaltung des Friedens. Es in diesem Zusammenhang höchstens darum, dass die USA es nicht tolerieren, dass sich irgend ein Staat in irgend einer Form sich gegen sie stellt.

        Der Irak ist aber auch dieser Sicht keine Bedrohung für die USA, da die militärischen und wirtschaftlichen Kapazitäten des Irak weitgehend zerstört sind. Deshalb ist es notwendig, sich mit den wirklichen Gründen für die US-Drohungen gegen den Irak auseinanderzusetzen. Dies wird aber weder von den europäischen Regierungen, noch von sonst jemand in der UNO gemacht. Die Resolution wurde so formuliert, dass Bush und Blair sie als Legitimation für einen Angriffskrieg nutzen können, Frankreich und Russland aber das Gesicht wahren können. Die UNO verhindert also nicht den Krieg, sondern sie liefert das demokratische Feigenblatt. Damit stellt sich die UNO selbst gegen Völkerrecht und macht sich mitschuldig.

        Warum wollen die USA den Irak angreifen ? Einmal sind da sicher ideologische Gründe. Der Irak wurde seit Jahren als Rechtfertigung für Aufrüstung und Einschränkung der Bürgerrechte in den USA verwendet (jeweils kombiniert mit dem „internationalen“ Terrorismus). Und die Falken haben aus dem letzten Krieg noch eine Rechnung mit Saddam offen. Dazu kommen aber noch wirtschaftliche Interessen. Der grösste Teil der momentanen US-Regierung kommt, wenn es keine bewährten Kriegsverbrecher, wie die UN-Botschafter Negroponte sind, wie Bush selbst aus der Ölindustrie. Der US-Ölvorräte reichen bei gleich bleibender Förderung noch 10,5 Jahre. Aus diesem Grund – und weil die Kontrolle über die Ölvorräte auch ein Mittel gegen wirtschaftliche Konkurrenten, wie Japan und die EU, ist -– intervenieren die USA im Moment in Kolumbien, Afghanistan und bedrohen den Irak. Die Sicherung der Vorräte in Lateinamerika soll helfen, die OPEC zu unterlaufen. Der Angriff auf Afghanistan, obwohl die Terroristen aus verbündeten Staaten, wie Ägypten und Saudi-Arabien waren und in europäischen Ländern sich vorbereitet haben, sollte die Kontrolle über die Vorkommen im kaspischen Becken sichern. Den USA ist es auch gelungen in diesem Bereich militärische Stützpunkte zu erhalten und die Russen weiter zurückzudrängen. Der Irak verfügt über die 2. grössten Vorräte der Welt, die für über 80 Jahre ausgebeutet werden können. Die irakischen Ölfelder in US-Besitz würde das Ende der OPEC bedeuten und die Kontrolle des Ölpreis durch die USA ermöglichen.

        Noch ein kleiner VWL-Exkurs. Ich hatte keine Definition von neoliberal geliefert, da ich einem Typen, der wahrscheinlich VWL studiert hat, nicht die Grundlage seines Studiums erklären muss. Neoliberal ist die normale Bezeichnung für die Theorien, die in den 70er aufkamen, heute die Grundlage für die Wirtschaftspolitik von IWF, Weltbank und den meisten Regierungen darstellt und VWL-intern als neoklassisch bezeichnet werden. Diese Theorien stellen eine Vulgarisierung der bürgerlichen Ökonomie da. Haben aber gegenüber den keynesianischen Theorien den Vorteil, die von den 50er bis zu den 70er verbreitet waren, dass sie den Interessen der Konzerne besser entsprechen. Es ist mit dieser Politik zwar nicht gelungen irgendeine wirtschaftliche Krise zu verhindern – im Gegenteil: siehe die Wirtschaftskrisen und Massenarbeitslosigkeit in der BRD unter Kohl, den Zusammenbruch der Wirtschaft in den ehemals staatskapitalistischen Staaten nach 1989 und den heutigen Krisen, z.B. in der Türkei, Brasilien und Argentinien.

        Aber diesen Theorien fordern die Stärkung der Angebotsseite, sprich die Senkung der Löhne, die Abschaffung von Tarifverträgen, Arbeiterrechten und sozialen Sicherungssystemen, die Umverteilung der Steuern von den Gewinnsteuern zu den Lohnsteuern und Verbrauchssteuern, Abschaffung von Umweltschutzrichtlinien etc. Dies hat in vielen Ländern zu einer beträchtlichen Umverteilung zu Gunsten der Reichen und zu massiven Gewinnerhöhungen geführt.

        Die keynesianischen Theorien stammen zwar aus den 30ern, verbreiteten sich aber erst nach dem 2. Weltkrieg, wo sie die marxistischen Theorien innerhalb der Sozialdemokratie und den Gewerkschaften verdrängten. Insbesondere von letzteren wurden sie Rechtfertigung von Umverteilung zu Gunsten der ArbeiterInnen benutzt. Da die Anwendung in den ersten Wirtschaftskrisen der 70er scheiterte, wurden sie über Bord geschmissen und durch die neoliberalen/neoklassischen Theorien ersetzt.
        Mit dezentraler Entscheidungsfindung meinte ich, dass die Steuerung im Kapitalismus über die Masse der individuellen Marktentscheidungen erfolgt.
        Die individuellen Markentscheidungen der Konsumenten erklären natürlich sehr gut, warum Menschen trotz Nahrungsmittelüberschuss verhungern und leicht heilbaren Krankheiten sterben, weil sie sich die Medikamente nicht leisten können. Aber die unsichtbare Hand des Marktes regelt ja alles

        Früher hat man ja den Anhängern des Sozialismus gesagt, geh‘ doch nach Russland. Heute ist dieser Spruch für die Leser der Financial Times besser geeignet.
        Zuletzt geändert von max; 13.11.2002, 14:33.
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          #34
          Original geschrieben von max
          Hmm, gab es zu den Zeiten des 1. und 2. Weltkriegs kein Kapitalismus in den beteiligten Grossmächten ? Irgendwie habe ich das anderes in Erinnerung ?!
          Sicher gab es den... Rein logisch gesehn hätte der 1. auch gar nicht ausbrechen müssen denn das wäre für alle Beteiligten besser gewesen ... Nur die absolutistischen Herrscher die das Prinzip des Kapitalismus nicht einmal ganz verstanden waren der Auslöser... Und Adolf Hitler war nicht unbedingt dafür bekannt dass er ein geschickter Kapitalist war


          Wie meinst du dies mit den zusätzlichen Freiheiten ? Im 20 Jahrhundert wurden nicht gerade wenige demokratische Systeme zerstört und durch Militärdiktaturen oder faschistische Systeme ersetzt, wobei die kapitalistische Basis des Systems nicht angerührt wurde.
          Von diesen Systemen haben aber auch nur wenige einen Krieg gegen einen Nachbarn der für sie wirtschaftlich wichtig war vom Zaun gebrochen


          Nationalstaaten gibt es aber noch nicht sehr lange. Der erste war wohl die Niederlande, in Deutschland entstand der Nationalstaat bekanntlich erst 1871. Und 131 Jahre sind ein sehr schlechter Beweis für einen Instinkt. Während dem grössten Teil der Geschichte des Homo sapiens gab es keinen Nationalstaat, also auch keinen entsprechenden Instinkt !
          Du hast mich nicht richtig verstanden... Meine Aussage bezog sich auf Anarchie... Tiere rotten sich in Horden zusammen und Menschen halt in größeren Horden ... Sicher existiert Deutschland als Nationalstaat erst seit 1871 aber vorher war das Gebiet ja kein flaches Land ohne Herrscher
          Ob nun Königreich Hannover oder Bundesrepublik Deutschland macht in diesem Sinne keinen Unterschied denn es ist ein bestimmter Bereich der einem Herrscher untersteht ... Darum ging es mir nur...


          Nationalismus/Patriotismus führt nur dazu, dass sich die Bevölkerung mit ihren Herrschern und deren (also nicht ihren!) Interessen identifiziert. Und damit williges Kanonenfutter spielt.
          Du vergisst dass ein Mensche sich ja ersteinmal mit den Interessen des Herrschers identifizieren muss und dass wenn er sich gut mit ihnen identifizieren können es im Prinzip ja auch seine eigene Meinung ist...
          "Je mehr sich unsere Bekanntschaft mit guten Büchern vergrößert, desto geringer wird der Kreis von Menschen, an deren Umgang wir Geschmack finden." - Ludwig Feuerbach

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            #35
            Manche meinen, dass zwar die Methoden der US-Regierung falsch sind, die irakische Bedrohung, z.B. durch B-Waffen, aber Wirklichkeit ist. Der CIA ist anderer Meinung. In einem Brief des CIA-Chefs George Tenet vom 8. Oktober heißt es: „Bagdad scheint sich bislang nicht dazu entschieden zu haben, terroristische Anschläge mit konventionellen, chemischen oder biologischen Waffen auf die Vereinigten Staaten durchzuführen.“ Die CIA stellte auch fest: „Sollte Saddam zu dem Schluss kommen, dass ein Angriff unter Führung der Vereinigten Staaten nicht mehr abgewendet werden kann, würde er in Bezug auf Terrorakte wahrscheinlich weniger Zurückhaltung zeigen.“ Der Geheimdienst fand heraus, dass „Saddam vielleicht beschließen könnte, dass der extreme Schritt einer Unterstützung islamischer Terroristen bei der Durchführung eines Angriffs mit Massenvernichtungswaffen auf die Vereinigten Staaten seine letzte Chance ist, um Vergeltung zu üben, indem er eine große Anzahl von Opfern mit sich nimmt“.

            In einer Anhörung am 2. Oktober wurde ein CIA-Vertreter ausdrücklich gefragt, ob es wahrscheinlich sei, dass von Saddam Hussein ein Angriff mit Massenvernichtungswaffen ausgeht, wenn er sich nicht bedroht fühlt. Der Vertreter erwiderte: „Meinem Urteil nach ist die Wahrscheinlichkeit, dass er - ich möchte einen Zeitrahmen setzten - in der absehbaren Zukunft einen Angriff initiiert, unter den derzeit gegebenen Umständen gering.“ Der CIA also der Meinung, dass vom Irak keine akute Bedrohung ausgeht, die Bedrohung für die US-Zivilbevölkerung aber bei einem Angriff der USA grösser wird !!

            Die Behauptungen von Bush und Blair stehen also im Gegensatz zu den eigenen Geheimdiensten. In seiner Rede am 7. Oktober behauptete Buch, dass der Irak unbemannte Flugzeuge entwickelt habe, mit denen die Vereinigten Staaten angegriffen werden könnten. Nach Angaben der CIA hat der Irak lediglich „Experimente“ mit einem Gerät durchgeführt, das Ziele in der Region erreichen könnte, aber keineswegs in der Lage ist, den Atlantik zu überqueren. Bush behauptete auch, dass die Internationale Atomenergiebehörde (IAEA) festgestellt hätte, der Irak sei „sechs Monate von der Entwicklung einer Atomwaffe entfernt“. Aber eine solche Erklärung wurde nie abgegeben. Tatsächlich berichtete die Behörde in ihrem letzten Bericht von 1998, es gebe keinen Hinweis darauf, dass der Irak in der Lage sei Atomwaffen herzustellen.

            Wenn nach den wahren Gründen gesucht wird, ist der Bericht ‚Strategische Herausforderungen der Energiepolitik im 21. Jahrhundert‘, der im April 2001, fünf Monate vor den terroristischen Anschlägen auf das World Trade Center, veröffentlicht wurde, interessant. In diesem wurde gewarnt, dass sich der amerikanische Energiesektor in einem „kritischen Zustand“ befinde und „jederzeit“ eine Krise ausbrechen könnte, die „möglicherweise enorme Auswirkungen auf die amerikanischen und internationale Wirtschaft“ hätte und die „nationale Sicherheit und Außenpolitik der Vereinigten Staaten auf dramatische Weise“ beeinflussen würde (Strategic Energy Policy Challenges for the 21st Century, Seite 4). Unter anderem forderte der Bericht eine sofortige Überprüfung der Politik gegenüber dem Irak, „unter Einbeziehung der militärischen, energiepolitischen, ökonomischen und politisch-diplomatischen Bewertungen“ (Ebenda, S. 22).

            Während die meisten saudischen Ölfelder erschlossen und vergeben sind, verfügt der „Irak über große Gebiete mit viel versprechendem, aber unerforschten Kohlenwasserstoffverbindungen. In diesen Feldern könnten sich die größten verbliebenen Vorkommen der Welt an unerschlossenem und nicht vergebenem Petroleum befinden - größer noch als die unerschlossenen Felder in Alaska, Afrika und im Kaspischen Raum“ (Michael Klare, Oiling the Wheels of War, In: The Nation, 7. Oktober 2002). Derzeit haben sich allerdings Ölfirmen in Europa, Russland und China bereits Ansprüche auf viele dieser aussichtsreichen Felder gesichert. Und die Summen, um die es dabei geht, sind nicht gerade klein. Laut den Erwartungen der Internationalen Energiebehörde aus dem Jahre 2001 könnte der Gesamtwert der Verträge, die Saddam Hussein ausländischen Ölfirmen zugesagt hat, eine Höhe von 1,1 Billionen Dollar betragen. (Vgl. The Observer, 6. Oktober 2002).

            Es ist ein verbreiteter Irrtum, dass Kriege im Zeitalter des Kapitalismus nur von Verrückten, Strukturen aus vorkapitalistischer Zeit (wie Monarchen und andere Feudalherren) und totalitären Systemen ausgehen. Bei letzteren wird die Rolle der kapitalistischen Basis bestritten. Z.B. „Hitler war ein schlechter Kapitalist“. Dabei wurde Hindenburg von den deutschen Industriellen gedrängt Hitler zum Kanzler zu ernennen – nicht trotz, sondern wegen seinen aussenpolitischen Eroberungsplänen.

            In den Jahren vor dem ersten Weltkrieg diskutierte die sozialidemokratische II. Internationale über den Charakter des Kapitalismus in der Phase des Imperialismus. Die Marxisten erklärten, dass der so genannte friedliche Wettbewerb - der Kampf um Märkte, Profite, Zugang zu Ressourcen, die Entwicklung von Absatzmärkten und Investitionsmöglichkeiten - unvermeidlich zu militärischen Konflikten führen musste. Marx hatte schon darauf hingewiesen, dass die logische Folge der Konkurrenz nicht eine anhaltende Konkurrenz, sondern die Entwicklung eines Monopols ist. Da jede der kapitalistischen Mächte versuchte, ihre eigene Position zu verbessern, kamen sie miteinander in Konflikt.

            Die entgegengesetzte Anschauung, um Bernstein und später auch Kautsky, behauptete, dass die Verbindungen unter den großen Wirtschaftsmächten - gegenseitige Exporte und Investitionen, gegenseitige Abhängigkeit von Märkten und Ressourcen, etc. - derart entwickelt waren, dass ein Krieg wegen seiner schädlichen Auswirkungen nicht begonnen werden konnte.

            Diese Frage wurde natürlich im Juli/ August 1914 beantwortet, als nach einer Reihe von internationalen Krisen im vorausgegangenen Jahrzehnt schließlich der 1. Weltkrieg ausbrach. Die Wirtschaftskrise von 1929 führte zu einer erneuten Zuspitzung der Konkurrenz, die im 2. Weltkrieg gipfelte. In diesem versuchten die Staaten, die über geringeren Zugang zu (Rohstoff)Märkten verfügten – Deutschland, Italien, Japan – die Situation zu ihren Gunsten abzuändern.

            Dies war aber nicht der letzte Mal, dass sich Menschen mit Illusionen in den Kapitalismus irrten. Fukuyama prophezeite Anfang der 1990er das Ende der Geschichte mit dem Ende des Kalten Kriegs. Andere schrieben von Friedensdividende und einer neuen Zeit der Abrüstung. Zahllose Kriege der 90er und krasse Aufrüstung der Grossmächte, alle voran die USA, zeigen, dass wieder einmal die Verteidiger des Kapitalismus auf dem Holzweg sind.

            Bei einem rein akademischen Streit wäre jetzt Triumphieren angesagt. Aber es geht um die bittere Realität. Deshalb ist die internationale Bewegung gegen Kapitalismus und Krieg, fälschlicherweise meist Globalisierungsgegner genannt, um so wichtiger. Sie stellt die einzige wirkliche politische Opposition dar und muss versuchen die ArbeiterInnen und Angestellte zu gewinnen. Dies ist realistisch, da der Staat den Beschäftigten im öffentlichen Dienst schon wieder ein Nullrunde aufzwingen will und gleichzeitig viele Grossunternehmen (z.B. Telekom, Siemens) Massenentlassungen durchführen. Eine daraus entstehende neue ArbeiterInnenbewegung hätte die Macht eine bessere Welt zu erkämpfen.


            @ 5 of 12: Ich meinte, dass nationalistische Ideen Menschen dazu bringen, ihre Interessen den angeblich höheren Interessen der Nation unterzuordnen. Dies wurde von der herrschenden Klasse zu allen Zeiten genutzt um für ihre eigenen Ziele zu mobilisieren, die als Gemeinwohl dargestellt werden, z.B. Deutschland auch eine Platz an der Sonne zu erkämpfen oder ermöglichen seine „internationale Verantwortung“ wahrzunehmen.
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              #36
              Original geschrieben von max
              Bei einem rein akademischen Streit wäre jetzt Triumphieren angesagt. Aber es geht um die bittere Realität. Deshalb ist die internationale Bewegung gegen Kapitalismus und Krieg, fälschlicherweise meist Globalisierungsgegner genannt, um so wichtiger. Sie stellt die einzige wirkliche politische Opposition dar und muss versuchen die ArbeiterInnen und Angestellte zu gewinnen. Dies ist realistisch, da der Staat den Beschäftigten im öffentlichen Dienst schon wieder ein Nullrunde aufzwingen will und gleichzeitig viele Grossunternehmen (z.B. Telekom, Siemens) Massenentlassungen durchführen. Eine daraus entstehende neue ArbeiterInnenbewegung hätte die Macht eine bessere Welt zu erkämpfen.
              Wenn ich das so lese erinnert es mich eher an die über 80 Jahre alten Kampfflugblätter des Spartakusbundes als an die Neuzeit ...
              Viel Glück bei eurer Revolution
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                #37
                Wenn ich das so lese erinnert es mich eher an die über 80 Jahre alten Kampfflugblätter des Spartakusbundes als an die Neuzeit ...
                Na ja, sehr ausgefeilte Antwort. Die Bush-Regierung selbst vergleicht sich mit dem römischen Reich (ok, manchmal auch mit dem British Empire) und redet von Kreuzzügen. Ihre Wirtschaftspolitik beruht auf Adam Smith (1723-90) und David Ricardo (1772-1823), auch wenn manche die Leute für blöd verkaufen wollen, wenn sie ihre Politik als modern verkaufen.
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                  #38
                  Original geschrieben von max
                  Na ja, sehr ausgefeilte Antwort. Die Bush-Regierung selbst vergleicht sich mit dem römischen Reich (ok, manchmal auch mit dem British Empire) und redet von Kreuzzügen. Ihre Wirtschaftspolitik beruht auf Adam Smith (1723-90) und David Ricardo (1772-1823), auch wenn manche die Leute für blöd verkaufen wollen, wenn sie ihre Politik als modern verkaufen.
                  Der Vergleich mit dem alten Rom kam von einem ziemlich beschränkten SPD Politiker, wenn ich mich korrekt erinnere und das mit dem Kreuzzug ist wohl auch eher semantisch zu verstehen, schließlich ist Bush nicht der Papst

                  Aber den Verweis auf Smith und Ricardo verstehe ich hier nicht. Ich habe sowohl die Principles, als auch den Wealth of Nations gelesen und sehe ehrlich gesagt keinen Zusammenhang zu der Wirtschaftspolitik der USA. Außer man sagt sich, das diese beiden Klassiker die Grundlagen der Nationalökonomie gelegt haben. Vor allem den Zusammenhang zwischen dem Theorem der Spezialisierung nach den relativen Faktorkosten und der heutigen Situation verstehe ich wirklich nicht.
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                    #39
                    Eigentlich wollte ich nur darauf hinweisen, dass ähnliche Argumentationen zu früheren Zeitpunkten nicht automatisch bedeuten, dass die Argumente heute nicht mehr richtig sind. Ich hatte selbst auf die Dikussionen innerhalb der SPD ab 1900 hingewiesen. 5 of 12 hätte vielleicht erwähnen sollen, warum die Aussagen heute nicht richtig sind.

                    Ich kann auch sagen, dass die heutigen BDI-Argumente von seinen Vorgängerorganisationen schon vor der 1. Weltkrieg und Ende der 1920er/Anfang der 1930er fast wörtlich vertreten wurden. Dies sagt nichts darüber aus, um die Argumente und die damit begründeten Forderungen richtig waren/sind.

                    Kreuzzüge wurden von Bush - einem christlichen Fundamentalisten - in dem gleichen Sinn, wie im Mittelalter verwendet.

                    Der Vergleich mit dem römischen Reich stammt aus dem Umfeld der US-Regierung. Diese ist sich nicht sicher, ob sie ihre Weltbeherrschungspläne lieber mit dem römischen Reich oder mit dem britischen Empire vergleichen sollen. Letzteres bevorzugen die Demokraten ("informell herrschen, wo möglich; formell, wo nötig"), wobei sie vielleicht auch die grausamen Kolonialkriege der Briten als Parallele nennen könnten.

                    Smith und Ricardo haben die Grundlage für die heutigen Theorien gelegt. Neuere Theorien (Keynes) wurden ja verworfen, wir erleben also eine Rückkehr der alten Theorien. Nur ist das Argument, Smith hat im 18. Jahrhundert gelebt, also muss die heutige Wirtschaftspolitik schmarn sein, nicht sehr überzeugend oder ? Also muss man schon darlegen, warum die marxistische Imperialismustheorien falsch sein soll und eine bessere Theorie anbieten (was wohl nicht gelingt, weshalb mit diesem Pseudo-Argument gearbeitet wurde).
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