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    Schröders Rede

    Schröders wollte mit seiner Rede klar machen, wohin es gehen soll. Das hat er. Neben einem Konjunkturprogramm für die Bauwirtschaft und die Kommunen, wird es vor allem Angriffe auf ArbeiterInnen, Angestellte, Beamte und Arbeitslose geben. Neben massiven Einschränkungen des angesichts von 800 000 Entlassungen in den ersten beiden Monaten des Jahres 2003 sowieso schon relativ unwirksamen Kündigungsschutzes, soll es massive Kürzungen beim Arbeitslosengeld, Rente und Gesundheitsleistungen geben. Dazu sollen die Löhne durch Aufweichung des Flächentarifvertrages abgesenkt werden.

    Schröder besitzt dabei die Unverschämtheit zu behaupten, dass alle Einbussen hinnehmen müssten und er diese gegen alle „Interessenverbände“, gegen sowohl die Wirtschaft, als auch gegen die Gewerkschaften durchsetzen würde. Dabei ist keine der Massnahmen gegen die Konzerne und die Superreichen gerichtet. Die Massnahmen treffen nur ArbeitnehmerInnen. Die Drohung einer Ausbildungsplatzabgabe ist kaum ernstzunehmen, so oft wie sie schon verwendet wurde. Sie ist rein rhetorisch um die Illusion einer sozialen Ausgeglichenheit zu vermitteln. Angesichts der von Schröder geforderten Massnahmen sollte aber bei niemanden diese Illusion entstehen.

    Die Reaktion der CDU/CSU, FDP und der „Arbeitgeber“ (angesichts von 800 000 Entlassungen eine mehr als ironische Bezeichnung) waren auch bezeichnend. Sie begrüssten Schröders Rede als guten Anfang und forderten noch härtere Massnahmen. Westerwelle sprach dagegen davon, dass Schröder immer noch zu sehr Zugeständnisse an die Gewerkschaften mache. Da ich ihm keinen totalen Realitätsverlust unterstellen will, kann es ihm nur um totale Zerschlagung des Sozialstaates und der massiven Beschneidung der Rechte der ArbeitnehmerInnen gehen. Ein Interview von Koch in der BamS ist aufschlussreich. Er fordert weitere Kürzungen der Sozial- und Gesundheitsleistungen, sowie Möglichkeiten die Gewerkschaften daran zu hindern, sich gegen Lohnkürzungen zu wehren. Wahrscheinlich wird die Union Schröders Massnahmen mindestens teilweise blockieren um weitere Verschärfungen durchsetzen zu können. Die SPD hat bereits bei dem Zuwanderungsgesetz gezeigt, dass sie bereit ist sich von der Union nach rechts treiben zu lassen. Die Grünen solidarisieren in wirtschaftspolitischen Fragen eher mit der FDP und versuchen den Scharfmacher in der Koalition zu spielen.

    Vertreter der Gewerkschaften beschwerten sich über die einseitigen Belastungen und kündigten gemeinsam mit den Sozialverbänden Klage an, da Schröders Forderungen Enteignungs-ähnliche Eingriffe entsprechen. Die Kürzungen z.B. des Arbeitslosengeldes sind vor dem Hintergrund zu sehen, dass für diese teilweise Jahrzehnte eingezahlt wurde. Allerdings werden Klagen alleine kaum Schröders Angriffe abwehren können, die Gewerkschaften werden mindestens einen Generalstreik organisieren müssen.

    Mein Fazit ist:
    Wirtschaftlich werden diese Massnahmen nichts ausmachen, da sie die wirklichen strukturellen Probleme nicht angehen. Diese bestehen aber nicht aus „Überregulation“ und einem ausuffernden Sozialstaat, wie die Union, FDP und die Vertreter der Bosse meinen. Tatsächlich werden die Sozialleistungen seit bald zwei Jahrzehnten gekürzt. Für die höhere Ausgaben im Sozialbereich sind alleine die „Unternehmer“ und die Regierungen Kohl und Schröder verantwortlich, die diese durch die Massenentlassungen in der Privatwirtschaft und im öffentlichen Dienst verursacht haben. Die Strukturprobleme sind in Wirklichkeit systemimmanente Bestandteile des Kapitalismus und zeigen die tiefsitzende Akkumulationsprobleme.

    Die Probleme der Konzerne sollen auf die ArbeiterInnen abgewälzt werden. Es findet kein Umbau oder Modernisierung des Sozialstaats, sondern ein Abbau des Sozialstaats und Schritte in Richtung eines unkontrollierten Manchester-Kapitalismus inklusive der damaligen Massenarmut statt. Schröders Politik ist nicht für die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit geeignet, sondern bekämpft in Wirklichkeit die Arbeitslosen. Die SPD macht klar, dass sie nicht für soziale Gerechtigkeit, sondern für erhöhte Ausbeutung und Umverteilung zu den Reichen steht.
    Zuletzt geändert von max; 17.03.2003, 00:29.
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    #2
    Nun ja, das Fazit gehts zwar in die richtige Richtung, aber die Antwort "Der Kapitalismus ist Schuld an allem" ist eine Antwort mit der es sich viele sehr leicht machen und die als universaler Hammer gegen alles hervor geholt wird.

    Was viele Leute die diese Aussage tätigen nicht vermögen , ist es , schlüssige, praxisnahe Gegenmodelle aufzuzeigen.

    Darum würde ich dich, max , an dieser Stelle bitten, nämlich ein Staats- und Wirtschaftsmodell zu skizzieren das explizit Alternativen zur herrschenden Ordnung aufzeigt.
    “Are these things really better than the things I already have? Or am I just trained to be dissatisfied with what I have now?”― Chuck Palahniuk, Lullaby
    They have nothing in their whole imperial arsenal that can break the spirit of one Irishman who doesn't want to be broken - Bobby Sands
    Christianity makes everyone have this mentality that escapism is a bad thing. You know "Don't run away from the real world - deal with it." Why ? Why should you have to suffer? - Marilyn Manson

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      #3
      Hier ist es echt nicht möglich einfach über Wirtschaftspolitik zu diskutieren, immer zwingt jemand mich dazu über sozialistische Politik zu reden
      Original geschrieben von NicolasHazen
      aber die Antwort "Der Kapitalismus ist Schuld an allem" ist eine Antwort mit der es sich viele sehr leicht machen und die als universaler Hammer gegen alles hervor geholt wird.
      Ich würde nie sagen, dass der Kapitalismus an allem Schuld ist. Das verwischt viel zu sehr, dass Einzelne für viele Sauereien verantwortlich sind. Für die Kürzungen bei den sozialen Sicherungssystemen ist ja nicht ein abstraktes ökonomisches Gesetz oder ein Naturereignis verantwortlich, sondern eben Leute wie Schröder. Gut, es wäre möglich zu sagen, dass ihm bei seiner politischen Strategie nichts anderes übrig bleibt, da der Kapitalismus halt heute nicht boomt und er keine Brotsamen an Bedürftige zu verteilen hat. Aber erstens findet er selbst heute noch genügend um es den Reichen zu schenken und zweitens hat er sich für diese Strategie entschieden. Ich habe keine Ahnung, ob Schröder damals als Juso den Marsch durch die Institutionen antreten wollte. Es ist ihm auf jeden Fall gelungen ganz nach oben zu kommen. Allerdings ist auch das passiert, was ihm linke Kritiker schon damals prophezeit haben dürften. Auf den Weg nach oben wurde Schröder total korrumpiert und änderte entsprechend jede seiner früheren politischen Positionen.
      Was viele Leute die diese Aussage tätigen nicht vermögen , ist es , schlüssige, praxisnahe Gegenmodelle aufzuzeigen.

      Darum würde ich dich, max , an dieser Stelle bitten, nämlich ein Staats- und Wirtschaftsmodell zu skizzieren das explizit Alternativen zur herrschenden Ordnung aufzeigt.
      Die Frage ist, was verstehst zu jetzt als praxisnahes Gegenmodell? Ich bin für eine sozialistische Gesellschaft, in der die Kontrolle über den Staat und die Wirtschaft demokratisch über Räte ausgeübt wird, so dass die Menschen in der Lage sind die vorhandenen Technologie zur Befriedigung ihrer Interessen einzusetzen und nicht wie heute sie für die Profite eine Minderheit zu verschwenden. Abgeordnete sollten ein imperatives Mandat besitzen, so dass sie unmittelbar ihren Wählern verantwortlich sind und sofort abgesetzt werden können. Zudem sollten die Abgeordneten nur Durschnittslöhne verdienen, so dass sie nicht durch ihre Position sozial besser gestellt sind.
      Ich könnte jetzt eine alternative Gesellschaft noch ein bisschen blumiger ausmalen. Das eigentliche Problem heute sind aber nicht fehlende alternative Gesellschaftsentwürfe. Da gibt es sehr viele und jeder kann sich einen aussuchen, der ihm/ihr am besten gefällt. Nur ändert dies nichts an der Realität.

      Die Realität ist, dass wir kein anderes Gesellschaftssystem parlamentarisch wählen können, da der Staatsapparat, also auch die Richter, Polizei, Militär etc, die kapitalistische Ordnung verteidigen wird und wahre Macht in der Gesellschaft nicht im Parlament liegt. Die Macht kontrollieren die Unternehmer durch die Kontrolle der Konzerne und Banken, (was jetzt nicht bedeutend dass die Kapitalisten eine homogene Gruppe bilden und immer der gleichen Meinung sind, schliesslich stehen sie in Konkurrenz zueinander). Um die Gesellschaft zu ändern ist es notwendig die Machtverhältnisse zu ändern. Es ist offensichtlich, dass dies nicht durch ein paar einfache, pragmatische Massnahmen möglich ist.

      Ich habe bereits hier über die verschiedenen sozialistischen Ansätze geschrieben:

      Sozialismus kann nur durch eine aktive Mehrheit der 'ArbeitnehmerInnen' (ich finde dies Wort vollkommen irreführend, deshalb schreibe ich lieber 'ArbeiterInnen', womit ich im marxistischen Sinne alle lohnabhängig Beschäftigten meine) erreicht werden. Und zwar deshalb, weil nur Menschen die selbst etwas ändern, dass Selbstbewusstsein besitzen selbst Entscheidungen zu treffen und diese nicht irgendwelchen 'Spezialisten' überlassen. Diese Selbstemanzipation bewirkt auch, dass die Menschen dieses System als ihres ansehen und damit sicherstellen, dass die Kontrolle auch wirklich demokratisch ausgeübt wird und nicht in die Hände einer Minderheit fällt, egal ob diese dann Privatkapitalisten, Militärdiktatoren oder Bürokraten sind. Da es eine Selbstemanzipation vieler sein soll, kann auch niemand heute schon ein genaues System entwerfen. Dieses wird durch die Menschen selbst und durch die konkreten Umstände bestimmt werden.

      Derartige revolutionäre Umwälzungen stehen aber nicht unmittelbar auf der Tagesordnung. Das bedeutet nicht, dass es keine revolutionären Situationen in den letzten Jahrzehnten gab oder wieder geben wird. Die meisten von uns haben in ihrem Leben, wenn auch nicht unbedingt aktiv beteiligt, den Sturz des staatskapitalistischen Regimes in der DDR 1989, den Sturz des südafrikanischen Apartheid-Regimes 1991, den Sturz der indonesischen Militärdiktatur 1998 und von Milosevic 2000 miterlebt. Alle diese Revolutionen waren in ihrer Form nach demokratische Revolutionen. Charakteristisch war aber die zentrale Rolle der ArbeiterInnen, die aber in jedem dieser Fälle nicht in der Lage waren sich selbst zu organisieren und die Macht bürgerlichen Oppositionellen überliessen, so dass die gesellschaftlichen Verhältnisse weitgehend intakt blieben. Es fehlte bei diesen Revolutionen eine politische Organisation, die sich aktiv für eine bessere Gesellschaft einsetzt und versucht die Mehrheit für diese zu gewinnen.

      Heute wäre der Aufbau einer solchen Organisation notwendig, die auch beginnen könnte die Verteidigung der sozialen und demokratischen Rechte und Errungenschaften gegen die Angriffe der Konzerne und der Regierung zu organisieren.

      (Falls ich irgendwo zu sehr in unverständlichen 'Slang' geschrieben habe, bitte nachfragen)
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        #4
        Diese Ausführungen sind auf alle Fälle sehr aufschlussreich.

        Ich stimme auch insofern zu das eine elementare Umwälzung des Systems durch Wahlen nicht zu erreichen ist. Ebenfalls richtig ist es auf alle Fälle dass die großen Konzerne einen erheblichen Teil der Macht im Staat halten.

        Der Entwurf der Selbstemanzipation der Arbeiterschaft und die Entfernung von "Spezialisten" ist zwar theoretisch schön und befürwortenswert aber meiner Ansicht nach kann er nicht zu einer akzeptablen Organisation der staatlichen und wirtschaftlichen Abläufe führen. In der russischen Revolution wurden zu Anfang Betriebe komplett von der Arbeiterschaft übernommen und auch wirklich auf Basis der Selbstbestimmung geführt.

        Das Ergebnis der Leitung durch "nicht-Spezialisten" war in vielen Fällen der Zusammenbruch der jeweiligen Betriebe als funktionsfähige Wirtschaftseinheiten.

        Spezialisierung ist unabdingbar zur angemessen Lenkung sämtlicher für einen Staat relevanten Prozesse.

        Für Richtig hingegen halte ich den Ansatz, dass diese Spezialisten, die IMO notwendig sind, in stärkerem Maße von der Arbeiterschaft abhängig sind. Allerdings darf diese Abhängigkeit nicht zu groß werden, weil dann nur noch , ähnlich wie in einer total plebiszitären Demokratie, nur noch die "angenehmen" Entscheidungen getroffen würden und die notwendigen "unangenehmen" Entscheidungen von der Mehrheit des einfachen Volkes nicht getragen würden.

        Das Problem ist einfach dass der durchschnittliche Arbeitnehmer nicht über die politische Weitsicht verfügt, die notwendig wäre um eine Emanzipation mit mehr Vor- als Nachteilen zu versehen.
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          #5
          Original geschrieben von NicolasHazen
          Der Entwurf der Selbstemanzipation der Arbeiterschaft und die Entfernung von "Spezialisten" ist zwar theoretisch schön und befürwortenswert aber meiner Ansicht nach kann er nicht zu einer akzeptablen Organisation der staatlichen und wirtschaftlichen Abläufe führen.
          Die Spezialisten sollen nicht entfernt werden. Spezialisten sind notwendig, da in manchen Bereichen es sehr schwer ist das notwendige Wissen zu erwerben. Spezialisten sind aber meist auch Fachidioten. Sie sollen deshalb z.B. die Räte beraten, aber selbst keine Entscheidungen treffen. Dies ist auch deshalb wichtig, weil die verschiedenen Bereiche bei einer Entscheidung abgewogen werden müssen, wozu Spezialisten mit ihrer Fixierung auf ein Themengebiet (ich spreche aus eigener Erfahrung es schwer haben gesamtgesellschaftliche Aspekte zu berücksichtigen.

          Ich stimme deshalb diesem Satz von dir zu:
          Für Richtig hingegen halte ich den Ansatz, dass diese Spezialisten, die IMO notwendig sind, in stärkerem Maße von der Arbeiterschaft abhängig sind.
          Allerdings würde ich sagen, dass unangenehme Entscheidungen jeder Mensch treffen kann, genauso wie jeder langfristige Aspekte berücksichtigen kann. Wenn Menschen merken, dass sie selbst entscheiden können, beteiligen und informieren sich sich auch viel stärker als in der heutigen parlamentarischen Demokratie, die im wesentlichen die Passivität der Wähler fördert. Sie sind nur alle vier bis fünf Jahre für 1 Minute notwendig und wenn sie nicht abstimmen beeinträchtigt dies normalerweise den politischen Betrieb auch nicht.
          In der russischen Revolution wurden zu Anfang Betriebe komplett von der Arbeiterschaft übernommen und auch wirklich auf Basis der Selbstbestimmung geführt.

          Das Ergebnis der Leitung durch "nicht-Spezialisten" war in vielen Fällen der Zusammenbruch der jeweiligen Betriebe als funktionsfähige Wirtschaftseinheiten.
          Das Problem war, dass während des Bürgerkrieges die Wirtschaft schwer beschädigt wurde und damit die Grundlage für ein Funktionieren zerstört wurde. Gleichzeitig wurde die Arbeiterklasse durch den Bürgerkrieg so geschwächt, dass sie nicht mehr in der Lage war die Partei zu kontrollieren, die durch Stalin immer mehr zu einem von Bürokraten kontrollierten Machtapparat wurde. Es gibt leider kein historisches Beispiel für eine Wirtschaft, die für längere Zeiträume von Arbeiterräten kontrolliert wurde, während gleichzeitig auch der Staat unter der Kontrolle der Räte war.
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