Herr Rifkin, eines Ihrer Bücher heißt: „Das Ende der Arbeit“. Das meinen Sie doch nicht wörtlich, oder?
Allerdings meinte ich das wörtlich. Als ich dieses Buch
1995 schrieb, waren weltweit 800 Millionen Menschen arbeitslos oder unterbeschäftigt. 2001 waren es schon mehr als eine Milliarde. Die Entwicklung ist eindeutig.
[...]
Bleibt China. Keine Wirtschaft wächst so stark wie die der Chinesen.
China ist faszinierend, ja. Aber schauen Sie mal genau hin. In den letzten sieben Jahren sind 15 Prozent aller chinesischen Jobs verschwunden. Auch der chinesische Boom kann an der Wahrheit nichts ändern.
Welche Wahrheit meinen Sie?
Die Wahrheit über die Unumkehrbarkeit dieser Entwicklung. Langfristig wird die Arbeit verschwinden.
Warum?
Schauen Sie in die Vergangenheit. Zehntausend Jahre haben sich Menschen andere Menschen als Sklaven gehalten. Nun reden wir uns gern ein, dass die Sklaverei abgeschafft wurde, weil wir so human geworden sind. Aber die Wahrheit ist: Durch die industrielle Revolution ist die Sklaverei überflüssig geworden. Ab einem bestimmten Zeitpunkt war es billiger, den Ofen eines Kohleofens zu füllen, als den Mund eines Sklaven.
Und da sehen Sie Parallelen zu heute?
Wir sind mitten in einer Umwälzung, die die industrielle Revolution noch übertrifft. Durch die ersten Mechanisierungsschübe verloren Millionen von Menschen ihre Jobs und wanderten vom Land in die Städte, um dort mit den Maschinen zusammen zu arbeiten. Aber die Computer und Informationstechnik von heute machen immer mehr Menschen ganz überflüssig. Selbst die billigste menschliche Arbeitskraft ist teurer als die Maschine.
Aber entstehen durch die neue Technik nicht auch neue Arbeitsplätze?
Das ist die Hoffnung, an die wir uns seit Jahrzehnten geklammert haben. Die kapitalistische Logik sagt, dass technologischer Fortschritt und gesteigerte Produktivität alte Jobs vernichtet, dafür aber mindestens genauso viele schaffen. Aber die Zeiten sind vorbei.
[...]
Wohin geht sie denn?
Wir vollziehen gerade einen Wandel hin zu einem Markt, der zum allergrößten Teil ohne menschliche Arbeitskraft funktioniert.
Bis 2010 werden nur noch zwölf Prozent der arbeitenden Bevölkerung in Fabriken gebraucht. Bis 2020 werden es weltweit nur noch zwei Prozent sein.
[...]
Und das liegt daran, dass die Politiker ihnen nicht zugehört haben?
Es liegt daran, dass viele Politiker Europa lieber als Sündenbock missbrauchen, anstatt sich dem Grundproblem zu stellen: Die Arbeit verschwindet. Das will kein Politiker seinen Wählern erzählen.
Statt dessen betet man immer wieder dieselben drei Pseudotheorien herunter.
Drei Pseudotheorien?
Immer dieselben drei, ja. Erstens: Wir verlieren in unserem Land Jobs, weil die bösen Unternehmer Stellen ins Ausland verlagern. Zweitens: Wir haben genug Jobs, die Leute sind nur nicht richtig ausgebildet. Und drittens: Wir haben zu wenig Jobs, weil die Sozialabgaben zu teuer sind. Alle drei Argumente sind absurd.
[...]
Entschuldigen Sie, aber die Frage ist doch nicht, was die Menschen mit ihrer freien Zeit anfangen, sondern mit welchem Geld Sie ihre Miete und ihr Essen bezahlen, wenn alle Jobs verschwinden.
Sie haben ja Recht. Also, es gibt verschiedene Ansätze. Besonders wichtig ist der so genannte Nonprofitsektor. Gemeint sind hier Aktivitäten von der Sozialarbeit über die Wissenschaft, Kunst, Religion bis hin zum Sport. In den Niederlanden sind heute bereits 12,6 Prozent aller Vollzeitstellen im Nonprofitsektor angesiedelt. In Deutschland sind es erst 4,9 Prozent. ier gibt es ein Potenzial für Millionen von Arbeitsplätzen.
Aber wie soll dieser Nonprofitsektor finanziert werden?
Durch Steuerumschichtung. 90 Prozent der Regierungseinnahmen weltweit stammen aus der Besteuerung von Arbeit und Kapital. Wir müssen viel stärker zur Besteuerung von natürlichen Ressourcen kommen. Warum sollen sich die Unternehmen einfach frei bedienen? Eine Besteuerung von Ressourcen würde sowohl zur Schonung der Umwelt führen wie zur Senkung von Unternehmensgewinnen. Die Steuereinnahmen könnten dann in den Nonprofitsektor fließen und dort Mehrbeschäftigung stimulieren. Man könnte auch über etwas anderes nachdenken. Wenn Maschinen immer mehr Menschen ersetzen, warum sollte es in Zukunft nicht genau so eine Maschinensteuer geben, wie es heute eine Einkommenssteuer gibt?
Haben Sie noch mehr Anregungen?
In meinem Land gibt es 250 Zeitdollar-Projekte. Es handelt sich dabei um eine Parallelwährung, die ganz auf der Zeit basiert. Für jede Stunde Arbeit erhält man einen Zeitdollar, für den man wiederum Waren oder Dienstleistungen kaufen kann. Die Idee dahinter ist, das in einer sozialen Gemeinschaft jenseits von Gewinnmaximierung die Zeit eines jeden von uns gleich wertvoll ist – sei er nun Arzt, Müllmann oder Taxifahrer.
Und das soll im großen Stil klappen? Das klingt sehr utopisch.
Wir brauchen ja gerade Utopien. Generationen von Ökonomen haben sich damit beschäftigt, die Marktwirtschaft zu analysieren und Vorschläge zu machen, wie sie besser funktionieren könnte. Dabei ist der Mensch aus dem Blickpunkt geraten. Es ist doch so: Die Globalisierung hat versagt.
Warum hat sie versagt?
Weil sie zu viel Geld von unten nach oben verteilt hat. Die 356 reichsten Familien besitzen heute 40 Prozent des Reichtums der Menschheit. Diese Entwicklung führt uns in den Abgrund. Wenn die Unternehmen die Löhne immer weiter drücken, wird irgendwann niemand mehr ihre Produkte kaufen. Das ist so logisch, dass es eigentlich jeder verstehen müsste. Was wir brauchen, ist eine Reglobalisierung, bei der die Bedürfnisse der Mehrheit im Vordergrund stehen, nicht die Gewinnspannen einer kleinen Minderheit. Der technische Fortschritt lässt sich nicht aufhalten. Ich sehe zwei Alternativen für unsere Zukunft. Die eine ist eine Welt mit Massenarmut und Chaos. Die andere ist eine Gesellschaft, in der sich die von der Arbeit befreiten Menschen individuell entfalten können.
Das Ende der Arbeit kann für die Menschheit einen großen Sprung nach vorn bedeuten. Wir müssen ihn aber auch wagen.
Allerdings meinte ich das wörtlich. Als ich dieses Buch
1995 schrieb, waren weltweit 800 Millionen Menschen arbeitslos oder unterbeschäftigt. 2001 waren es schon mehr als eine Milliarde. Die Entwicklung ist eindeutig.
[...]
Bleibt China. Keine Wirtschaft wächst so stark wie die der Chinesen.
China ist faszinierend, ja. Aber schauen Sie mal genau hin. In den letzten sieben Jahren sind 15 Prozent aller chinesischen Jobs verschwunden. Auch der chinesische Boom kann an der Wahrheit nichts ändern.
Welche Wahrheit meinen Sie?
Die Wahrheit über die Unumkehrbarkeit dieser Entwicklung. Langfristig wird die Arbeit verschwinden.
Warum?
Schauen Sie in die Vergangenheit. Zehntausend Jahre haben sich Menschen andere Menschen als Sklaven gehalten. Nun reden wir uns gern ein, dass die Sklaverei abgeschafft wurde, weil wir so human geworden sind. Aber die Wahrheit ist: Durch die industrielle Revolution ist die Sklaverei überflüssig geworden. Ab einem bestimmten Zeitpunkt war es billiger, den Ofen eines Kohleofens zu füllen, als den Mund eines Sklaven.
Und da sehen Sie Parallelen zu heute?
Wir sind mitten in einer Umwälzung, die die industrielle Revolution noch übertrifft. Durch die ersten Mechanisierungsschübe verloren Millionen von Menschen ihre Jobs und wanderten vom Land in die Städte, um dort mit den Maschinen zusammen zu arbeiten. Aber die Computer und Informationstechnik von heute machen immer mehr Menschen ganz überflüssig. Selbst die billigste menschliche Arbeitskraft ist teurer als die Maschine.
Aber entstehen durch die neue Technik nicht auch neue Arbeitsplätze?
Das ist die Hoffnung, an die wir uns seit Jahrzehnten geklammert haben. Die kapitalistische Logik sagt, dass technologischer Fortschritt und gesteigerte Produktivität alte Jobs vernichtet, dafür aber mindestens genauso viele schaffen. Aber die Zeiten sind vorbei.
[...]
Wohin geht sie denn?
Wir vollziehen gerade einen Wandel hin zu einem Markt, der zum allergrößten Teil ohne menschliche Arbeitskraft funktioniert.
Bis 2010 werden nur noch zwölf Prozent der arbeitenden Bevölkerung in Fabriken gebraucht. Bis 2020 werden es weltweit nur noch zwei Prozent sein.
[...]
Und das liegt daran, dass die Politiker ihnen nicht zugehört haben?
Es liegt daran, dass viele Politiker Europa lieber als Sündenbock missbrauchen, anstatt sich dem Grundproblem zu stellen: Die Arbeit verschwindet. Das will kein Politiker seinen Wählern erzählen.
Statt dessen betet man immer wieder dieselben drei Pseudotheorien herunter.
Drei Pseudotheorien?
Immer dieselben drei, ja. Erstens: Wir verlieren in unserem Land Jobs, weil die bösen Unternehmer Stellen ins Ausland verlagern. Zweitens: Wir haben genug Jobs, die Leute sind nur nicht richtig ausgebildet. Und drittens: Wir haben zu wenig Jobs, weil die Sozialabgaben zu teuer sind. Alle drei Argumente sind absurd.
[...]
Entschuldigen Sie, aber die Frage ist doch nicht, was die Menschen mit ihrer freien Zeit anfangen, sondern mit welchem Geld Sie ihre Miete und ihr Essen bezahlen, wenn alle Jobs verschwinden.
Sie haben ja Recht. Also, es gibt verschiedene Ansätze. Besonders wichtig ist der so genannte Nonprofitsektor. Gemeint sind hier Aktivitäten von der Sozialarbeit über die Wissenschaft, Kunst, Religion bis hin zum Sport. In den Niederlanden sind heute bereits 12,6 Prozent aller Vollzeitstellen im Nonprofitsektor angesiedelt. In Deutschland sind es erst 4,9 Prozent. ier gibt es ein Potenzial für Millionen von Arbeitsplätzen.
Aber wie soll dieser Nonprofitsektor finanziert werden?
Durch Steuerumschichtung. 90 Prozent der Regierungseinnahmen weltweit stammen aus der Besteuerung von Arbeit und Kapital. Wir müssen viel stärker zur Besteuerung von natürlichen Ressourcen kommen. Warum sollen sich die Unternehmen einfach frei bedienen? Eine Besteuerung von Ressourcen würde sowohl zur Schonung der Umwelt führen wie zur Senkung von Unternehmensgewinnen. Die Steuereinnahmen könnten dann in den Nonprofitsektor fließen und dort Mehrbeschäftigung stimulieren. Man könnte auch über etwas anderes nachdenken. Wenn Maschinen immer mehr Menschen ersetzen, warum sollte es in Zukunft nicht genau so eine Maschinensteuer geben, wie es heute eine Einkommenssteuer gibt?
Haben Sie noch mehr Anregungen?
In meinem Land gibt es 250 Zeitdollar-Projekte. Es handelt sich dabei um eine Parallelwährung, die ganz auf der Zeit basiert. Für jede Stunde Arbeit erhält man einen Zeitdollar, für den man wiederum Waren oder Dienstleistungen kaufen kann. Die Idee dahinter ist, das in einer sozialen Gemeinschaft jenseits von Gewinnmaximierung die Zeit eines jeden von uns gleich wertvoll ist – sei er nun Arzt, Müllmann oder Taxifahrer.
Und das soll im großen Stil klappen? Das klingt sehr utopisch.
Wir brauchen ja gerade Utopien. Generationen von Ökonomen haben sich damit beschäftigt, die Marktwirtschaft zu analysieren und Vorschläge zu machen, wie sie besser funktionieren könnte. Dabei ist der Mensch aus dem Blickpunkt geraten. Es ist doch so: Die Globalisierung hat versagt.
Warum hat sie versagt?
Weil sie zu viel Geld von unten nach oben verteilt hat. Die 356 reichsten Familien besitzen heute 40 Prozent des Reichtums der Menschheit. Diese Entwicklung führt uns in den Abgrund. Wenn die Unternehmen die Löhne immer weiter drücken, wird irgendwann niemand mehr ihre Produkte kaufen. Das ist so logisch, dass es eigentlich jeder verstehen müsste. Was wir brauchen, ist eine Reglobalisierung, bei der die Bedürfnisse der Mehrheit im Vordergrund stehen, nicht die Gewinnspannen einer kleinen Minderheit. Der technische Fortschritt lässt sich nicht aufhalten. Ich sehe zwei Alternativen für unsere Zukunft. Die eine ist eine Welt mit Massenarmut und Chaos. Die andere ist eine Gesellschaft, in der sich die von der Arbeit befreiten Menschen individuell entfalten können.
Das Ende der Arbeit kann für die Menschheit einen großen Sprung nach vorn bedeuten. Wir müssen ihn aber auch wagen.
US-Ökonom Jeremy Rifkin
Quelle
Naja, Rifkin ist ja nicht gerade unumstritten, aber trotzdem ganz interessant, was er so von sich gibt.
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