WÄHLERSCHELTE
Stoiber probt den Sonderwahlkampf Ost
Erst sprach er von "Frustrierten", dann von "dummen Kälbern". Mit seiner Verunglimpfung der Ost-Wähler sorgt CSU-Chef Stoiber für Empörung und Verwunderung. Sein Kalkül: Nur mit starken Stimmenanteilen in Süddeutschland kann die Union die Bundestagswahl gewinnen.
Stoibers Wahlkampf: Nur die Bayern verstehen seine Taktik
Hamburg - Ohne Bayern geht gar nichts - glaubt zumindest Edmund Stoiber. Wenn er in seiner Heimat unterwegs ist, wird der Bayer nicht müde, auf die Ostdeutschen einzudreschen, die der Linkspartei den Weg bereiten. Am 5. August sagte er in Deggendorf: "Ihr habt hier Plakate mit Lafontaine ... Und der Mann, der im Grunde genommen gegen die Wiedervereinigung war, der verhindern wollte, dass die Ostdeutschen in die sozialen Sicherungssysteme, in die Rentenversicherung mit einbezogen werden, den feiert ihr jetzt als Helden? Ja seid ihr denn verrückt geworden? Nur die dümmsten Kälber wählen ihre Metzger selber! (Bravorufe, Gelächter -Red.) Meine Damen und Herren, weil ich aber nur auf die eigene Kraft vertraue, sage ich Ihnen: Ich bin mir nicht ganz sicher, ob alle das auf dem Marktplatz richtig verstanden haben. (Gelächter -Red.) In Bayern mit Sicherheit."
Mit den Wählern im Osten, so Stoibers Botschaft, sei keine Wahl zu gewinnen. "Ich will nicht, dass noch einmal im Osten die Wahl entschieden wird", tönte er im oberpfälzischen Schwandorf. Und in Deggendorf: "Hätte es noch die alte Bundesrepublik Deutschland gegeben, Gott sei Dank haben wir die Wiedervereinigung, aber wäre es nur auf die alten elf Länder angekommen, dann wäre Schröder abgewählt worden."
"Es kommt auf den Süden und auf Bayern an"
Eine erneute Niederlage will der bayrische Ministerpräsident bei der anstehenden Abstimmung ohne Rücksicht auf Verluste im Osten verhindern. Deshalb führt er seinen Sonderwahlkampf Ost mit der Strategie: Je mehr er die Protestwähler im Osten attackiert, desto mehr Stimmen bekommt er im Westen. Wobei er auf die norddeutschen Länder kaum setzt. "Es kommt auf den Süden und auf Bayern an", sagte er in Deggendorf, "wir müssen unser Potential optimal ausschöpfen. Und wenn wir das tun, dann geht an Bayern und an der CSU nichts vorbei."
Was er nicht sagte, aber was ihm weit wichtiger ist: Nach einem starken Ergebnis in Bayern kommt in einer Unions-geführten Bundesregierung vor allem an ihm niemand mehr vorbei. Er wäre quasi der Länder-Kanzler, der von München aus in allen Sachfragen an der Bundespolitik mitstrickt. In Deggendorf sagte er: "Ich brauche das Mandat, um dann bei den Koalitionsverhandlungen durchzusetzen, dass der ländliche Raum nicht unter die Räder kommt, dass nicht nur die Grenzgebiete gefördert werden."
Dafür kann er auf einen Kabinettsposten verzichten. Kein Wunder, dass Kanzlerkandidatin Angela Merkel, die sich öffentlich von seiner Ost-Schelte distanziert hatte, nun selbst in ihrem Kompetenzteam um die Ressorts kümmern will, die sie für den Bayern frei gehalten hatte: "Für die Themen Wirtschaft, Wachstum und Arbeit steht in erster Linie die Kanzlerkandidatin selbst", sagte CDU-Generalsekretär Volker Kauder der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung". "Es ist doch keine Frage, dass das wichtigste Thema auch von der wichtigsten Person vertreten werden muss."
Stoiber: Attacken richten sich gegen Linkspartei
Stoiber selbst erklärt seine Ost-Schelte anders: Er ziele allein auf das Linksbündnis, das Umfragen zufolge mit mehr als 30 Prozent der Wähler im Osten rechnen kann. "All das ist im Zusammenhang zu sehen mit der für mich nicht nachvollziehbaren Tatsache, dass Gysi und Lafontaine - diese Altfrustrierten in Deutschland - vor allen Dingen auch in den neuen Ländern einen solchen Zulauf haben", sagte er im ZDF-Interview. Ihm sei die Auseinandersetzung mit dem Linksbündnis viel zu lasch. Zu entschuldigen habe er sich nicht: Seine Aussagen könnten "nicht missverstanden werden".
So ganz können ihm seine Parteifreunde aus der Union allerdings nicht folgen: Niedersachsens Ministerpräsident Christian Wulff sagte in der "Bild am Sonntag": "Das war eine emotionale Äußerung von Edmund Stoiber, die jetzt skandalisiert wird. Ich freue mich jeden Tag über die deutsche Einheit." Der CDU-Vize fügte hinzu, dass manche die Einheit nicht als großes Geschenk betrachteten, "tut mir weh". Unionsfraktions-Vize Ronald Pofalla (CDU) monierte im Deutschlandradio Kultur, die "Sensibilität, mit den Empfindungen der Menschen in Ostdeutschland umzugehen", sei "nicht in dem Maße erreicht" worden wie man sich das wünsche.
Ein Sprecher Stoibers sagte, der Kälber-Spruch sei kein Angriff auf die Wähler gewesen. Auch der frühere CSU-Vorsitzende Franz Josef Strauß habe das Zitat in Wahlkämpfen immer wieder verwendet. Stoiber warne bei allen Wahlkampfveranstaltungen, im Westen und auch im Osten, mit deutlichen Worten vor den negativen Folgen einer Wahl der PDS. Vor allem befürchte der CSU-Chef eine Schädigung des Ansehens der Bundesrepublik im Ausland und erhebliche negative Folgen für die Wirtschaft.
Rüdiger Ditz
Stoiber probt den Sonderwahlkampf Ost
Erst sprach er von "Frustrierten", dann von "dummen Kälbern". Mit seiner Verunglimpfung der Ost-Wähler sorgt CSU-Chef Stoiber für Empörung und Verwunderung. Sein Kalkül: Nur mit starken Stimmenanteilen in Süddeutschland kann die Union die Bundestagswahl gewinnen.
Stoibers Wahlkampf: Nur die Bayern verstehen seine Taktik
Hamburg - Ohne Bayern geht gar nichts - glaubt zumindest Edmund Stoiber. Wenn er in seiner Heimat unterwegs ist, wird der Bayer nicht müde, auf die Ostdeutschen einzudreschen, die der Linkspartei den Weg bereiten. Am 5. August sagte er in Deggendorf: "Ihr habt hier Plakate mit Lafontaine ... Und der Mann, der im Grunde genommen gegen die Wiedervereinigung war, der verhindern wollte, dass die Ostdeutschen in die sozialen Sicherungssysteme, in die Rentenversicherung mit einbezogen werden, den feiert ihr jetzt als Helden? Ja seid ihr denn verrückt geworden? Nur die dümmsten Kälber wählen ihre Metzger selber! (Bravorufe, Gelächter -Red.) Meine Damen und Herren, weil ich aber nur auf die eigene Kraft vertraue, sage ich Ihnen: Ich bin mir nicht ganz sicher, ob alle das auf dem Marktplatz richtig verstanden haben. (Gelächter -Red.) In Bayern mit Sicherheit."
Mit den Wählern im Osten, so Stoibers Botschaft, sei keine Wahl zu gewinnen. "Ich will nicht, dass noch einmal im Osten die Wahl entschieden wird", tönte er im oberpfälzischen Schwandorf. Und in Deggendorf: "Hätte es noch die alte Bundesrepublik Deutschland gegeben, Gott sei Dank haben wir die Wiedervereinigung, aber wäre es nur auf die alten elf Länder angekommen, dann wäre Schröder abgewählt worden."
"Es kommt auf den Süden und auf Bayern an"
Eine erneute Niederlage will der bayrische Ministerpräsident bei der anstehenden Abstimmung ohne Rücksicht auf Verluste im Osten verhindern. Deshalb führt er seinen Sonderwahlkampf Ost mit der Strategie: Je mehr er die Protestwähler im Osten attackiert, desto mehr Stimmen bekommt er im Westen. Wobei er auf die norddeutschen Länder kaum setzt. "Es kommt auf den Süden und auf Bayern an", sagte er in Deggendorf, "wir müssen unser Potential optimal ausschöpfen. Und wenn wir das tun, dann geht an Bayern und an der CSU nichts vorbei."
Was er nicht sagte, aber was ihm weit wichtiger ist: Nach einem starken Ergebnis in Bayern kommt in einer Unions-geführten Bundesregierung vor allem an ihm niemand mehr vorbei. Er wäre quasi der Länder-Kanzler, der von München aus in allen Sachfragen an der Bundespolitik mitstrickt. In Deggendorf sagte er: "Ich brauche das Mandat, um dann bei den Koalitionsverhandlungen durchzusetzen, dass der ländliche Raum nicht unter die Räder kommt, dass nicht nur die Grenzgebiete gefördert werden."
Dafür kann er auf einen Kabinettsposten verzichten. Kein Wunder, dass Kanzlerkandidatin Angela Merkel, die sich öffentlich von seiner Ost-Schelte distanziert hatte, nun selbst in ihrem Kompetenzteam um die Ressorts kümmern will, die sie für den Bayern frei gehalten hatte: "Für die Themen Wirtschaft, Wachstum und Arbeit steht in erster Linie die Kanzlerkandidatin selbst", sagte CDU-Generalsekretär Volker Kauder der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung". "Es ist doch keine Frage, dass das wichtigste Thema auch von der wichtigsten Person vertreten werden muss."
Stoiber: Attacken richten sich gegen Linkspartei
Stoiber selbst erklärt seine Ost-Schelte anders: Er ziele allein auf das Linksbündnis, das Umfragen zufolge mit mehr als 30 Prozent der Wähler im Osten rechnen kann. "All das ist im Zusammenhang zu sehen mit der für mich nicht nachvollziehbaren Tatsache, dass Gysi und Lafontaine - diese Altfrustrierten in Deutschland - vor allen Dingen auch in den neuen Ländern einen solchen Zulauf haben", sagte er im ZDF-Interview. Ihm sei die Auseinandersetzung mit dem Linksbündnis viel zu lasch. Zu entschuldigen habe er sich nicht: Seine Aussagen könnten "nicht missverstanden werden".
So ganz können ihm seine Parteifreunde aus der Union allerdings nicht folgen: Niedersachsens Ministerpräsident Christian Wulff sagte in der "Bild am Sonntag": "Das war eine emotionale Äußerung von Edmund Stoiber, die jetzt skandalisiert wird. Ich freue mich jeden Tag über die deutsche Einheit." Der CDU-Vize fügte hinzu, dass manche die Einheit nicht als großes Geschenk betrachteten, "tut mir weh". Unionsfraktions-Vize Ronald Pofalla (CDU) monierte im Deutschlandradio Kultur, die "Sensibilität, mit den Empfindungen der Menschen in Ostdeutschland umzugehen", sei "nicht in dem Maße erreicht" worden wie man sich das wünsche.
Ein Sprecher Stoibers sagte, der Kälber-Spruch sei kein Angriff auf die Wähler gewesen. Auch der frühere CSU-Vorsitzende Franz Josef Strauß habe das Zitat in Wahlkämpfen immer wieder verwendet. Stoiber warne bei allen Wahlkampfveranstaltungen, im Westen und auch im Osten, mit deutlichen Worten vor den negativen Folgen einer Wahl der PDS. Vor allem befürchte der CSU-Chef eine Schädigung des Ansehens der Bundesrepublik im Ausland und erhebliche negative Folgen für die Wirtschaft.
Rüdiger Ditz
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