"Lost": Web 2.0, Konformitätsdruck, Denkverbote und Schweigekartelle – ein Best of - SciFi-Forum

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"Lost": Web 2.0, Konformitätsdruck, Denkverbote und Schweigekartelle – ein Best of

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    #16
    Zitat von newman Beitrag anzeigen
    Angenehmer wird eine Diskussion aber vielleicht, wenn man anfängt sich zu fragen, warum der andere die Welt denn nicht so sieht wie man selbst, und das letztendlich damit kombiniert seine eigenen Begründungen entgegenzustellen und darauf zu hoffen, dass vielleicht auch die andere Person über ihren Schatten springt und sich die Mühe macht über die losen Verknüpfungen, die Plotholes etc.pp. nachzudenken.
    Das ist ja alles schön und gut, darf jedoch keine Entschuldigung dafür sein, irgendwelchen Müll auszukotzen. Wer zum Beispiel gegen die Todesstrafe ist, mit der Begründung das sei doch viel zu harmlos – man müsse den Straftäter lieber foltern, muss natürlich zur Rede gestellt werden. Man kann nicht alles durchgehen lassen, nur um den Kontrahenten zu schonen.

    Wiegesagt, ich habe ein gewisses Verständnis dafür, wenn jemand "Lost" trotz der schlechten Auflösung der Geschichte gut findet (z.B. wegen den Charakteren oder der Musik). (Ich kann Dir versichern, dass ich mich durchaus in die Lage dieser Zuschauer versetzen kann, denn ich drücke bei einer alten Star-Trek-Folge ja selbst mal gern ein Auge zu, der schönen Erinnerung wegen.)
    Aber wer den Autoren dieser Serie WEGEN der unrunden, löchrigen und widersprüchlichen Geschichte zu ihrer Genialität gratuliert, hat in meinen Augen keine Ahnung, was eine gute Geschichte eigentlich ausmacht. Und naürlich ist da eine Menge an Verblendung und Selbstzensur mit im Spiel. Es glaubt doch niemand ernsthaft, dass man sich nur in Diktaturen einer Autorität unterwirft. Das gilt im kleinen Maßstab natürlich auch für Serien wie "Lost" oder "Star-Trek" und deren Machern. Oder sind wir jetzt etwa bessere Menschen, als unsere Großeltern, die brav die Hand zum Gruß erhoben haben?
    Mein Profil bei Last-FM:
    http://www.last.fm/user/LARG0/

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      #17
      Zitat von Largo Beitrag anzeigen
      Aber wer den Autoren dieser Serie WEGEN der unrunden, löchrigen und widersprüchlichen Geschichte zu ihrer Genialität gratuliert, hat in meinen Augen keine Ahnung, was eine gute Geschichte eigentlich ausmacht.
      Bis hierhin gehe ich mit, den Godwin kannst Du allerdings steckenlassen. Meiner Meinung nach hat das viel mehr mit Autosuggestion aufgrund der eigenen emotionalen Verbundenheit mit der Serie zu tun als mit irgendwelchen Autoritäten. Bei Lost war ich gefühlmäßig nicht so stark involviert, kann es aber aus der Erfahrung mit nBSG nachvollziehen, daß es nicht leicht ist, sich selbst gegenüber einzugestehen, daß das Finale der eigenen Lieblingsserie, das eben gelaufen ist, mal gar nichts war.

      Nachtrag: Ansonsten kommt mir gerade noch ein Gedanke: Im deutschen Literaturunterricht werden zwar allerhand Klassiker zu Tode interpretiert, Storytelling bzw. Creative Writing wird aber kaum behandelt. Das könnte unter anderem auch dafür sorgen, daß viele Leute - wie Du ja auch schreibst - gar nicht wissen, was eine gute Geschichte ausmacht. Im englischen Sprachraum hingegen scheint dieser Teil der Literaturwissenschaft weitaus wichtiger genommen zu werden. Zumindest scheinen alle Standardwerke zum Thema von dort zu stammen.
      Zuletzt geändert von Stormking; 27.05.2010, 19:36.

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        #18
        Ich schätze ich reagiere etwas zu allergisch auf solche Meta Diskussionen. Ich mag es einfach nicht, wenn nicht über die Qualität der Serie, sondern über die Motive der Fans oder Kritiker gestritten wird. Das ist aus meiner Sicht selten zielführend und wird schnell persönlich.

        Wir sind im Grunde Herdentiere und wir handeln nicht immer rational, speziell wenn uns eine Sache am Herzen liegt. Das sind aber doch eher triviale Erkenntnisse und ja, man kann sie auch aus den Reaktionen zu Lost ablesen. Da es sich hier zudem um Fiktion handelt, ist es doch prinzipiell überhaupt nicht von Belang, ob ich mich selbst blende. Wenn mir Lost dadurch besser gefällt, ist es dann nicht völlig legitim, mir die Serie in meinen Gedanken schön zureden? Ist dies dann vielleicht sogar die rationale Herangehensweise, so meine Zielstellung ist, dass ich möglichst gut unterhalten werden will?
        Für einen Euro durch die Spree, nächstes Jahr am Wiener See. - Treffen der Generationen 2013
        "Hey, you sass that hoopy Ford Prefect? There's a frood who really knows where his towel is." (Douglas Adams)

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          #19
          Zitat von Stormking Beitrag anzeigen
          Bis hierhin gehe ich mit, den Godwin kannst Du allerdings steckenlassen.
          Naja, das musst Du mir schon überlassen, welche Argumene ich zur Untermauerung meiner Thesen heranziehe.

          Natürlich gibt es Autoren, die von ihren Fans als Ikonen vergöttert werden (auch der letztlich erfolglose Herr Moore war so jemand), und da vergessen viele, dass so eine Serie menschengemacht ist. Obwohl man eigentlich eher hätte darauf kommen könnte, führt die Autorität solcher Leute dazu, dass man lange Zeit gar nicht bemerkt, dass der Kaiser doch gar nichts anhat.

          Und natürlich nimmt auch das Verhalten der beteiligten Akteure bzw. die Gruppendynamik in den einschlägigen Foren zum Teil totalitäre Züge an. Es gibt in einigen Foren Platzhirsche, die unkritische Beiträge loben ("du gehörst ab sofort zu den coolen Leuten" – vorgestern gelesen), während User mit einer kritischen Haltung gegenüber "Lost" mit Liebesentzug bestraft und sogar verhöhnt werden. Dieser totalitäre Geist führt teilweise dazu, dass sich einige User nach der Meinung des Platzhirsches zur aktuellen Folge erkundigen, bevor sie ein eigenes Urteil abgeben. Andere entschuldigen sich dafür, wenn sie leise Kritik an der Serie üben ("ich will niemanden persönlich angreifen und will niemandem seinen Spaß an der Serie nehmen, aber ..."). Ich habe es auch schon erlebt, dass Threads, in denen die Genialität der Macher von "Lost" kritisch hinterfragt wurde, kurzerhand geschlossen wurden. Das war zu einer Zeit, wo man mit seinen kritischen Kommentaren noch alleine auf weiter Flur stand und der unkritische Mainstream ein undurchdringliches Bollwerk darstellte.

          Ich muss sagen, dass mich so ein Herdentrieb tierisch ankotzt, weshalb ich dann auch gerne auf Beispiele aus der Zeit der NSDAP-Regierung zurückgreife, um mein Anliegen deutlich zu machen. Anders dringt man glaube ich gar nicht durch. Ich sehe ja schon an der Empörung, die ich damit auslöse, dass man damit gut provozieren kann. Wir sind alles potentielle Armhochheber.
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          http://www.last.fm/user/LARG0/

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            #20
            Zitat von Largo Beitrag anzeigen
            Naja, das musst Du mir schon überlassen, welche Argumene ich zur Untermauerung meiner Thesen heranziehe.

            [...]

            Ich muss sagen, dass mich so ein Herdentrieb tierisch ankotzt, weshalb ich dann auch gerne auf Beispiele aus der Zeit der NSDAP-Regierung zurückgreife, um mein Anliegen deutlich zu machen. Anders dringt man glaube ich gar nicht durch. Ich sehe ja schon an der Empörung, die ich damit auslöse, dass man damit gut provozieren kann. Wir sind alles potentielle Armhochheber.
            Die Empörung führt doch oft genug nur zum Ohrenzuhalten. Damit erreichst Du gar nichts. Godwin's Law kommt ja nicht von ungefähr.

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              #21
              Das Problem ist wesentlich komplexer. Ich sage nur: Intelligenz schützt vor Ideologie nicht. Und Ideologie bedeutet, sich einer Sache nicht nur rational, sondern ebenso emotional zu nähern.
              Sich einer Sache emotional zu nähern, benötigt Vertrauen. Und Vertrauen baut auf gewissen Qualitäten auf, die Lost sicher zu anfangs ausmachten.

              Wenn dieses Vertrauen nun erschüttert wird, gibt es mehrere Selbstschutzmechanismen, die versuchen, die natürliche Ordnung wieder herzustellen. Einer davon ist die bereits genannte Autosuggestion. Ob man auf diesen Taschentrick zurückgreift ist zum einen bestimmt durch die Stärke des individuellen kritischen Rationalismus. Allerdings gibt es genügend Menschen, deren Empathie weitreichend entwickelt ist, das kritisch Rationale in seiner Bedeutung wesentlich zurückdrängt und somit dafür sorgt, dass sich der Zuseher seine Welt nicht durch Argumente, sondern durch emotionale Verflechtung rekonstruiert.

              Nun gibt es durchaus genügend Menschen, die eine starke Ratio entwickelt haben und trotzdem nicht sehen können, dass Lost ein "Epic-Fail" ist. Woran liegt das? Bei solchen Typen, ist meist das emotionale Zentrum im Verhälntis zum rationalen stärker ausgeprägt. Hollywood macht es uns ja mittlerweile auch nicht leicht. Die blicken auf eine reiche Vergangenheit zurück, mit ebenso reichhaltigen Methoden, die sich im Laufe der Jahre gut etablieren konnten. Blockbuster sind so ein wunderbares Beispiel einer Retorenfilmfabrik. Auch das "heilige" Lost ist nicht frei von solch, bewusst oder unbewusst eingesetzten, manipulativen Mitteln. Im Gegenteil: Die Serie strotzte, je weiter wir uns dem Ende näherten gerade so vor Pathos und Gefühlsduselei. (dass dies einige nicht einmal in Betracht ziehen könnten, liegt wiederum an der autoritären Kraft von Lost).

              Man kann es aber kaum jemanden vorwerfen, dass sie innerhalb von 6 Jahren und tausenden investierten Minuten(ich selbst zähle mich dazu), eine starke emotionale Verbindung zur Serie aufgebaut haben. Wie gesagt, die Macher arbeiteten mit allen Tricks.

              Hier kommt Neil Postmanns Satz wunderbar zum Einsatz: "das Fernsehen ist nicht für Idioten gemacht, es erschafft nur welche."
              Und damit sich hier keiner persönlich angegriffen fühlt. Das Wort Idiot ist hier nicht in dem üblichen Kontext zu setzen, sprich intelligenzarm. Vielmehr bedeutet es in diesem Zusammenhang "sich der selbstverschuldeten Unmündigkeit zu ergeben" wie Kant schon die Gesellschaft vor der Aufklärung so treffend tituliert hat.

              Man kann bei dieser Diskussion nicht unbeachtet lassen, dass man das Fernsehen ganz generell angreifen sollte. Selbst Qualitätsserien/filme bedeuten vorgekautes wissen. Alleine schon die Art wie ich die Schauspieler wähle, zwingt meine Denkweise ganz subtil den Zusehern auf. Am schlimmsten kommt hier zum tragen, dass die heutigen Drehbuchautoren und Regisseure meinen, sie sind kreativ, dabei sind sie selbst nur ein Produkt einer "langen und stolzen" Medienkultur, die uns schon seit Jahren erfolgreich eingeredet hat, dass Fernsehen die bessere Art der Informationsvermittlung ist. Ist ja so wunderbar bequem.

              Wer diesbezüglich an guter Literatur interessiert ist, sollte einmal das Buch "Wir amüsieren uns zu Tode" eben von "Neil Postman" lesen. Doch letztlich sind Bücher ja auch nur scheinbar absolutes, jedoch lediglich vorgekautes Wissen. Nur zwingt uns das Buch nicht ganz auf unseren eigenen Verstand zu vergessen.
              Die Herrschaftsverhältnisse ändern sich nie, lediglich die Methoden der Unterdrückung werden subtiler.

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                #22
                Noch etwas: ebenfalls ein sehr beliebtes Stilmittel die Meinung der Kritiker zu unterminieren ist, so zu tun, als verlange besagter Kritiker eine völlige Auflösung, sämtlicher Mysterien ohne wenn und aber, nur weil er mit dem Auflösungsgrad der Serie nicht zufrieden ist. Es wird hier also stark zwischen zwei Polen vereinfacht, und der Kritiker als Extremist in seiner Position öffentlich diffamiert. Die restliche rationale Kritik, wird eben dann nicht weiter kritisch untersucht, sondern unter dem Stempel: Spinner eben beiseite gewischt.
                Genauso erging es mir auch, als ich das BSG Finale aus den selben Gründen kritisierte.
                Die Herrschaftsverhältnisse ändern sich nie, lediglich die Methoden der Unterdrückung werden subtiler.

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                  #23
                  Ich bleibe dabei: Die meisten wissen gar nicht, was eine Geschichte von einer Abfolge lose zusammenhängender Ereignisse unterscheidet. Deshalb werden auch die vielen Ist-halt-so-Anworten einfach unkritisch akzeptiert. Viele scheinen zu denken: Was wollen die Kritiker blos, ist doch beantwortet, zwar nicht besonders kreativ, aber beantwortet. Ich glaube, die meisten begreifen wirklich nicht, was genau uns jetzt an dem Finale eigentlich stört und können den Vorwurf, es sei ja im Grunde gar nichts *richtig* aufgelöst worden, nicht im geringsten nachvollziehen und halten ihn daher für überzogene Kritik von beleidigten Korinthenkackern.

                  Ich sehe da, wie schon gesagt, weniger Gruppendynamik oder Autoritätsgläubigkeit am Werk, sondern eher durch mangelnde Erfahrung begründete Ignoranz gegenüber der Kunst des Geschichtenerzählens. Ist ja auch eher ein TV-Forum denn ein Bücherforum hier und TV hieß die letzten 40 Jahre nunmal: Geschichten im Fast-Food-Format.

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                    #24
                    Die ganze Diskussion ruft mir ein Zitat eines Posters des Trek BBS ins Gedächtnis:

                    "Let's all give a big hand to them for heroically suffering (sadly, not in silence) through what must have been immeasurable torture: the existence of a television show that they do not enjoy. It's almost Christ-like, if you think about it."
                    — Samuel T. Cogley


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                      #25
                      Toll Xon, wirklich toll. Da versuche ich hier die These vom denkbefreiten Mitläufer zu entkräften und dann kommst Du. Wie wäre es, wenn Du mal versuchtest, die Kritik nachzuvollziehen, statt sie verächtlich zu machen?

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                        #26
                        Zitat von Cotillion Beitrag anzeigen
                        Noch etwas: ebenfalls ein sehr beliebtes Stilmittel die Meinung der Kritiker zu unterminieren ist, so zu tun, als verlange besagter Kritiker eine völlige Auflösung, sämtlicher Mysterien ohne wenn und aber, nur weil er mit dem Auflösungsgrad der Serie nicht zufrieden ist. Es wird hier also stark zwischen zwei Polen vereinfacht, und der Kritiker als Extremist in seiner Position öffentlich diffamiert.
                        Unfug! Der einzige, der in seiner Position diffamiert wird, ist derjenige, dem das Finale gefallen hat. In dem ihm nämlich von Usern wie dir, der auch nicht müde wird das zu betonen, vorgeworfen wird, sich blenden zu lassen oder gar dumm zu sein und deswegen die vermeintliche Zuschauerverarsche nicht durchschauen würde.
                        Und dann machst du hier auch noch einen auf Märtyrer und tust hier so, als wenn es die Kritiker wären, die diffamiert werden.
                        Mag sein, dass es in vielen Fällen v.a. in Fanboy-Foren der Fall ist. Schau ich mich aber mal ausschließlich hier im Forum um, dann sehe ich nämlich das genaue Gegenteil. Kritiker diffamieren die User, denen das Finale gefällt und behaupten von sich dann, die Opfer zu sein.

                        Ich werde nicht müde zu betonen, dass ich die enttäuschten Fans verstehen kann. Warum kann es andersherum nicht auch sein? Warum kann man nicht akzeptieren, dass es User gibt, die mit dem Finale zufrieden sind?
                        Fürchte Dich nicht vor dem langsamen Vorwährtsgehen, nur vor dem Stehenbleiben!

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                          #27
                          Zitat von Stormking Beitrag anzeigen
                          Ich sehe da, wie schon gesagt, weniger Gruppendynamik oder Autoritätsgläubigkeit am Werk, sondern eher durch mangelnde Erfahrung begründete Ignoranz gegenüber der Kunst des Geschichtenerzählens. Ist ja auch eher ein TV-Forum denn ein Bücherforum hier und TV hieß die letzten 40 Jahre nunmal: Geschichten im Fast-Food-Format.
                          Wie gesagt spielen da viele Fakoren eine Rolle. Mangelende Erfahrung ist auf alle Fälle ein wichtiger Grund. Ohne mich jetzt in einem besonderen Licht darstellen zu wollen, kann ich behaupten, dass ich bei Film/Serie/Literatur wirklich viel konsumiert, und dementsprechend ein Gespür für Dramaturgie entwickelt habe. Mir fällt es nicht immer leicht, zu begründen warum mir dies und jenes nicht gefällt. Zumindest so, dass mein Kontrahent versteht auf was ich hinaus will. Aber ich spüre einfach wenn etwas "faul" ist. Ich merke wann ich verarscht werde, und wann etwas tatsächlich künstlerische Absicht ist.

                          Früher glaubte ich einmal Dawson's Creek is ne gute Serie mit realitsnahen Figuren. Realitätsnah in dem Sinne, da dies der maximale Grad an Realität ist, den das Medium fernsehen transportieren kann. Dann bin ich auf Lost gestoßen, und hab mich danach gefragt, wie ich nur jemals die DC-Chars originell finden konnte. Dann kam BSG und ich griff mir bei Lost auf den Kopf. Dann kam schließlich Sopranos/The Wire, sprich der Neorealismus, und erst da wurde mir bewusst, wie dumm alle anderen Serien doch sind. Wie plakativ sie vorgehen. Konflikte/Charaktere/Geschichten die ich früher originell fand, sind mittlerweile in meiner Wahrnehmung nur mehr dumme Klischees. Ich war aber früher nicht dümmer, ich kannte es halt nicht anders.

                          Das ging sogar so weit, dass ich beim Verfassen eigener Texte nicht dachte, wie einzelne Szenen in der Realität aussehen, sondern wie besagte Szene wohl im Fernsehen transportiert werden würden. Dies war für mich der logische Weg eine Geschichte zu erzählen. Sonst wärs doch viieel zu langweilig. Dass Realismus, bzw. die bemühte und ehrliche Absicht eines Autors, eine realistisch logische Geschichte zu erzählen, der wichtigste Faktor bei einer guten Geschichte ist, war mir schon immer klar. Nur definierte ich eben den Begriff Realismus früher anders. TV-Realismus und "echten" Realismus. Die Diskrepanz war enorm, doch Serien wie The Wire zeigen, dass eine Serie nur an Qualität gewinnen kann, wenn sie sich auf tatsächlichen Realismus bezieht. Nichts mit langweilig.

                          PS: Mit Realismus meinte ich natürlich nicht das Setting, sondern die Dramaturgie und Figuren. Ich habe aber nichts gegen ein unrealistische Setting, wenn es in sich logisch aufgebaut ist. Lost erfüllt mit Biegen und Brechen vl das "in-sich-logische", Dramaturgie und Figuren sind eigentlich dämlicher als Uwe Boll erlaubt.

                          PPS: manche Menschen können bei zunehmender Inkonsistenz einer Dramaturgie ein Auge zudrücken, sofern sie mit den Figuren emotional verbunden sind. Bei mir funktioniert das nicht, denn sobald ich merke, der Rahmen in dem sie sich bewegen, die Art wie sie Konflikte lösen,etc... wird unrealistisch verlieren für mich alle Figuren an Glaubwürdigkeit, und ich werde in jeder bitteren Sekunde daran erinnert, dass das ja alles nicht echt ist. Das haut mich einfach auch emotional völlig aus den Serienrahmen.

                          PPPS: auch so ein beliebtes Beispiel aus Lost-Fans:
                          Von einem Masterplan haben weder die Macher der Serie noch die Leute, denen bis zum Ende "alles" gefallen hat jeh geredet. Seltsamer Weise verwenden nur "Kritiker" diesen Begriff, woher auch immer sie ihn haben ...
                          Natürlich haben sie nie öffentlich 1:1 behauptet sie hätten DEN Masterplan. Das mussten sie auch gar nicht, der Subtext ihrer Kommentare war immer geschwängert von großer Bedeutung. Ist halt wie ein Politiker. Nichts Konkretes von sich geben, immer nur andeuten und darauf hoffen, dass die Botschaft unterbewusst ankommt. Wenn man dann festgenagelt wird, kann man bequem behaupten: ja wir haben ja nie gesagt, dass wir einen Masterplan haben. -.-
                          Zuletzt geändert von Cotillion; 28.05.2010, 12:47.
                          Die Herrschaftsverhältnisse ändern sich nie, lediglich die Methoden der Unterdrückung werden subtiler.

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                            #28
                            Zitat von Cotillion Beitrag anzeigen
                            Das ging sogar so weit, dass ich beim Verfassen eigener Texte nicht dachte, wie einzelne Szenen in der Realität aussehen, sondern wie besagte Szene wohl im Fernsehen transportiert werden würden. Dies war für mich der logische Weg eine Geschichte zu erzählen. Sonst wärs doch viieel zu langweilig. Dass Realismus, bzw. die bemühte und ehrliche Absicht eines Autors, eine realistisch logische Geschichte zu erzählen, der wichtigste Faktor bei einer guten Geschichte ist, war mir schon immer klar. Nur definierte ich eben den Begriff Realismus früher anders. TV-Realismus und "echten" Realismus. Die Diskrepanz war enorm, doch Serien wie The Wire zeigen, dass eine Serie nur an Qualität gewinnen kann, wenn sie sich auf tatsächlichen Realismus bezieht.
                            Ich weiß nicht, ob ich da so pauschal zustimmen kann. Die tatsächliche Realität ist objektiv sinn-los, die Realität einer Geschichte darf es nicht sein. Ich halte diesen Unterschied für sehr wichtig.

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                              #29
                              Zitat von Stormking Beitrag anzeigen
                              Ich weiß nicht, ob ich da so pauschal zustimmen kann. Die tatsächliche Realität ist objektiv sinn-los, die Realität einer Geschichte darf es nicht sein. Ich halte diesen Unterschied für sehr wichtig.
                              Absolut.

                              Das Argument "Ist im echten leben auch so, dass Dinge zufällig passieren oder sinnlos sind" zieht nicht, da hier keine Handlung abläuft. Man kann eben Geschichten auch objektiv bewerten, auch wenn's keiner glaubt. Das ist ja gerade die Kunst, alles annehmbar zu konstruieren.

                              Bei LOST ist einfach kein Faden drin, da wurde einfach alles ohne Konzept aneinandergeworfen. Das war auch bei "Deep Space Nine" so, jedoch ist es dort verschmerzbarer, da nicht die ganze Serie darauf aufbaut und bei weitem keine derartige Komplexität vorhanden ist.

                              Ich persönlich glaube ja sogar, dass die Autoren zumindest am Anfang eine klare Vorstellung haben. Jedoch waren die Fans zu klug (was auch mit dem Internet heutzutage zusammenhängt, jeder kann seine ideen ohne Probleme publizieren, deshalb liegt da auch so mancher richtig) und haben die "Lösung" schon im Voraus erraten, die Autoren jedoch haben dann - auch weil sie es nicht zugeben wollten - alle möglichen Lösungen verneint und immer versucht, immer mehr Verwirrung zu stiften. Und am Ende hatten sie den Salat.

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                                #30
                                Zitat von Largo Beitrag anzeigen
                                Das ist ja alles schön und gut, darf jedoch keine Entschuldigung dafür sein, irgendwelchen Müll auszukotzen. Wer zum Beispiel gegen die Todesstrafe ist, mit der Begründung das sei doch viel zu harmlos – man müsse den Straftäter lieber foltern, muss natürlich zur Rede gestellt werden. Man kann nicht alles durchgehen lassen, nur um den Kontrahenten zu schonen.
                                Der Unterschied zwischen der Todesstrafe und einer Fernsehserie, Literatur, Gemälde oder worüber man sonst noch so streiten kann sollte doch wohl für jeden ersichtlich sein.

                                Kreatives Schaffen besitzt keine Absolute. Auch ein handwerklich perfekt konstruierter Film wäre schlecht, wenn er nicht in irgendeiner Form Emotionen hervorrufen kann. D.h. bei Kunst gibt es schon einmal mindestens zwei Ebenen, die bewertet werden müssen. Darüberhinaus sind das zwei nicht ganz unabhängige Ebenen und außerdem finden sich innerhalb dieser zwei eine Vielzahl an weiteren Differenzierungsmöglichkeiten. Jeder Mensch legt dann nach seiner individuellen Persönlichkeit innerhalb dieser Vielzahl ganz unterschiedliche Gewichtungen an.

                                Bei der Todesstrafe dagegen gibt es nur zwei mögliche Ausgänge: Er wird hingerichtet oder nicht. Und bei ihr handelt es sich i.d.R. nicht um Fragen der handwerklichen Geschicklichkeit. Kaum jemand stellt die Frage wie schön jemand hingerichtet wird, ob das Umgebungslicht richtig eingesetzt wird, ob es tragisch oder unspektakulär genug inszeniert wird. Die zentralen Fragen bei der Todesstrafe sind keine kreativen Fragen sondern politische, welche die Existenz nicht von fiktiven sondern realen Menschen bedrohen.

                                Und selbst bei der Todesstrafe, würde ich keinen Schritt vorwärts kommen, wenn ich Befürworter nicht ernst nähme. Wenn ich mich auf eine Diskussion über ein so heikles Thema einlasse muss ich mich auch auf die Meinung der anderen Diskutierenden einlassen. Wenn ich das nicht will, muss ich dem Befürworter der Todesstrafe eben klar machen, dass dieses Thema für mich nicht diskutierbar ist! Ich mich also der Diskussion entziehen


                                Was ich NICHT sage und hier wahrscheinlich mit bewusster Absicht so verstanden wird: Dass man die kritische Meinung zurückhalten müsse.

                                Nur verstehe ich nicht, warum eine Diskussion, unabhängig vom Thema, in Streit ausarten muss. Und da ist es egal, dass der andere ja angefangen hat. Kann man denn nicht wie vernünftige, sozialkompetente Menschen miteinander umgehen? Ohne Worte wie dumm, manipuliert, etc. zu verwenden. Ohne sich selbst und seine Meinung als göttlich absolut anzunehmen sondern auch fremde Ansichten, die man nicht teilt, zu akzeptieren
                                Wenn man meint jemand verweigere sich einer rationalen Diskussion, dann stellt man eben klar, dass man anderer Meinung ist und diskutiert mit denen weiter, die für eine solche offen sind.

                                Oder sind wir jetzt etwa bessere Menschen, als unsere Großeltern, die brav die Hand zum Gruß erhoben haben?
                                Die Herde kann aber in beide Richtungen rennen und beide sind gleich falsch.
                                Es lebe der absolute Relativismus

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