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Beweis für Reichensteuer=Neidsteuer?

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    #31
    Zitat von max
    Aber ein solches Beispiel wirst du nicht finden, während ich kein Problem habe, dir Beispiele zu bringen, dass Liberale, Sozialdemokraten oder Neoliberale gescheitert sind, obwohl sie alle Möglichkeiten hatten, ihre Politik umzusetzen.
    Tatsache ist, daß Fehler gemacht wurden. Das stelle ich ja auch nicht in Abrede. Daraus aber zu schlußfolgern, daß gleich das ganze Modell nicht funktioniert ist in etwa das gleiche, wie die pauschale Verwerfung des Sozialismus nur aufgrund der DDR. Dagegen wehrst Du Dich auch vehement.

    Ich sehe keine Notwendigkeit mich auf ein "Abenteuer" einzulassen, nur weil es momentan an einigen Ecken hakt.
    Es hat schon immer Science-fiction gegeben - die Wettervorhersage im Fernsehen.
    -Peter Ustinov

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      #32
      Zitat von Sandswind
      Tatsache ist, daß Fehler gemacht wurden. Das stelle ich ja auch nicht in Abrede. Daraus aber zu schlußfolgern, daß gleich das ganze Modell nicht funktioniert ist in etwa das gleiche, wie die pauschale Verwerfung des Sozialismus nur aufgrund der DDR.
      Nur sind eben die "Fehler" genau die, die man erwarten würde, wenn man sich anschaut, wie der Kapitalismus funktioniert. Ein Fehler ist für mich etwas, dass man etwas falsch macht - aber richtig machen kann. Ich sehe nicht, wie man die momentanen Probleme mit einer richtigen Politik lösen könnte. Genau deshalb meinte ich ja, dass es überall Massenarbeitslosigkeit gibt und dies auch in den letzten 100 Jahren in den meisten Staaten mit der Ausnahme von sehr kurzen Zeiträumen immer so war. Die neoliberale Politik, die zumindest in der BRD noch von einer Mehrheit der Parteien und der Wirtschaftswissenschaftler vertreten wird, ist ja vollkommen gescheitert. Trotz massiver Kostensenkungen für die Kapitalisten hat diese Stärke des "Angebots" ja nirgends die gewünschten Effekte. Das gleiche gilt für die, die eine Nachfrage-orientierte Politik versucht haben (z.B. in der BRD unter Schmidt, Japan in den 90ern). Auch eine Mischung à la Bush - massive Steuersenkungen für die Reichen bei gleichzeitig massiven staatlicher Nachfrage (Rüstung) - war zwar in Bezug auf das Wachstum erfolgereicher als andere Staaten, aber da gibt es a) alternative Erklärung (die Sonderrolle der US-Wirtschaft, die massiv nach aussen verschuldet ist) und b) ist die Lage in den USA in Bezug auf den Lebensstandard und die Arbeitslosigkeit alles andere als vorbildhaft.

      Was wäre eine richtige Politik?

      blueflash hat ja mehr Billigjobs vorgeschlagen. Diese sind nicht nur eine Garantie, dass es mehr Armut gibt, sondern auch eine Garantie dafür, dass sie Sozialsysteme noch grössere finanzielle Probleme bekommen, weil ihnen Einnahmen wegfallen. Die Arbeitslosigkeit kann aber so offensichtlich nicht gesenkt werden, da selbst mit massiven Subventionen hier nichts erreicht wurde.

      Zudem ist die primäre Frage ja nicht, wie man die Profite der Kapitalisten trotz der wirtschaftlichen Stagnation erhöht (da war Schröder sehr erfolgreich), sondern wie man die Situation der Mehrheit der Menschen verbessert. Da fallen ja den Neoliberalen sowieso nur Verschlechterungen ein, z.B. höhere Verbrauchssteuern, Sozialabbau, Lohnkürzungen, Arbeitszeitverlängerungen, Urlaubskürzungen, höhere Kosten für den Einzelnen im Bildungs-, Gesundheits-, Renten- und Sozialsystem bei gleichzeitig weniger Leistungen etc.

      Was wäre also eine richtige Politik? Das ist ja durchaus hier auch relevant, da es ja hier die Finanzierung der Infrastruktur (Steuern) das Thema ist.
      Resistance is fertile
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        #33
        Zitat von max
        Die neoliberale Politik, die zumindest in der BRD noch von einer Mehrheit der Parteien und der Wirtschaftswissenschaftler vertreten wird, ist ja vollkommen gescheitert.
        "Die Kapitalisten" und "die Neoliberalen". Sehr differenziert. Aus dem Grund hast Du es auch so einfach: Jetzt ist alles schlecht, und da sind "die" dran schuld. Aus meiner Warte machst Du Dir es eherlichgesagt zu einfach, denn die Probleme und Fehler sieht so gut wie jeder andere auch.

        Zitat von max
        Da fallen ja den Neoliberalen sowieso nur Verschlechterungen ein, z.B. höhere Verbrauchssteuern, Sozialabbau, Lohnkürzungen, Arbeitszeitverlängerungen, Urlaubskürzungen, höhere Kosten für den Einzelnen im Bildungs-, Gesundheits-, Renten- und Sozialsystem bei gleichzeitig weniger Leistungen etc.
        Alternativen? Lohnsteigerungen bei flexiblem Kapital und flexibler Produktion? Rentenerhöhungen bei ungünstiger demographischer Entwicklung? Mehr Urlaub, wenn im Ausland bei gleicher Produktivität für die Hälfte des Preises produziert werden kann? Mehr öffentliche Leistungen bei horrenden Schulden?

        Diese Situation ist eben in den von Dir gerühmten Jahren der 70er entstanden, nicht später, als die "Neoliberalen" ans Ruder kamen.

        Zitat von max
        Was wäre also eine richtige Politik? Das ist ja durchaus hier auch relevant, da es ja hier die Finanzierung der Infrastruktur (Steuern) das Thema ist.
        Richtig. Eine sinnvolle Steuerpolitk wäre meiner Meinung nach die verstärkte Besteuerung von Kapital(einkünften) und nicht des Faktors Arbeit - dann lohnt es sich, Menschen einzustellen und das reine Verschieben von Geld rechnet sich so nicht mehr. Ansonsten runter mit den Sätzen (von mir aus sogar Flat-Tax) und dafür Streichen aller Schlupflöcher, Pauschalen, Subventionen. Kein Mensch braucht die Pendlerpauschale, wenn er sowieso mehr im Geldbeutel hat und selbst entscheiden kann, wofür er den Lohn seiner Arbeit einsetzt. Kein Unternehmer braucht Abschreibungsmöglichkeiten für Dienstwagen, wenn er tatsächlich was behalten kann und nicht durch Rechnereien und Schlupflöcher erst zu seinem Gewinn aus Produktion oder Dienstleistung kommt. Endlich mal das tun, was der Kapitalismus tun sollte: Markt zulassen und nicht alles staatlich regulieren. Meiner Meinung nach fehlt es doch genau daran, denn wir ersticken regelrecht in Vorschriften und dem geradezu panischen Streben nach absoluter Gleichheit (eben aus Angst, ein Anderer könnte ein ganz klein wenig mehr vom Kuchen abbekommen) - und was kommt raus? Ungleichheit und Ungleichgewichte, da hast Du recht.
        Es hat schon immer Science-fiction gegeben - die Wettervorhersage im Fernsehen.
        -Peter Ustinov

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          #34
          Da fällt mir ein Policy-Forscher ein, dessen Namen ich jetzt vergessen habe, der das komplizierte deutsche Steuersystem so erklärt hat: Politik muss, um gewählt zu werden, Bedürfnisse erfüllen, bzw. so tun, als ob sie die Bedürfnisse ihrer Addressaten erfüllen würde. Dabei gibt es grundsätzlich zwei Gruppen: Die "Armen", die Gerechtigkeit, und somit eine hohe Steuerlast für die "Reichen" wollen, und die "Reichen", die möglichst weni Steuern zahlen wollen. Resultat: Man schafft ein Steuerrecht, bei dem die "Reichen" formal recht hohe Steuern zahlen (die "Armen" sind zufrieden), baut aber gleichzeitig soviele Abschreibungsmöglichkeiten ein, dass die "Reichen" tatsächlich sehr viel weniger Steuern zahlen (die "Reichen" sind also auch zufrieden). Ein klassisches win-win-Szenario also: Alle fühlen sich gut und wählen brav weiter .
          Im Ernst, natürlich wäre die Streichung von "Steuerschlupflöchern" pauschal eine gute Sache. Abgesehen von den mangelnden Umsetzungschancen (da hängt ja inzwischen eine ganze Beraterindustrie dran) steckt aber auch hier der Teufel im Detail: Denn viele Steuererleichterungen erfüllen ja tatsächlich gewisse Zwecke und sind begründbar, etwa im Sinne staatlicher Lenkungswirkung (also z.B. die steuerliche Förderung umweltfreundlicher Energien etc.). Das Problem ist eben auch, daß sich nur Reiche tatsächlich den Aufwand leisten können, sich wirklich arm zu rechnen.
          Die Idee des unregulierten, von der "unsichtbaren Hand" geführten freien Marktes ist nun allerdings auch eine ziemlich diskreditierte. Wobei seine Anhänger lustigerweise genauso argumentieren wie Kommunisten: Klar funktioniert das, es wurde nur noch nie richtig umgesetzt!

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            #35
            Zitat von Jack Crow
            Denn viele Steuererleichterungen erfüllen ja tatsächlich gewisse Zwecke und sind begründbar, etwa im Sinne staatlicher Lenkungswirkung (also z.B. die steuerliche Förderung umweltfreundlicher Energien etc.).
            Das mit den Lenkungssteuern ist aber auch so eine Sache... Wenn der Staat sein Ziel erreicht ist er arm, wenn er es verfehlt, gibt's keine Lenkungswirkung. Darauf kann man keine vernünftige Politik stützten, wie zB die Ökosteuer zeigt: Es wird weit weniger über sie eingenommen, als man wollte. Ich sehe aber auch keine Autos, die ernsthaft weniger als fünf Liter verbrauchen. Ähnliches kann man bei der Tabaksteuer sehen.

            Meiner Meinung nach ist das doch wieder nur so ein Placebo, wie Du ihn oben selbst beschrieben hast: Die gute Intention besteht, aber in der Ausführung kann sich das sogar ins Gegenteil verkehren.

            Zitat von Jack Crow
            Wobei seine Anhänger lustigerweise genauso argumentieren wie Kommunisten: Klar funktioniert das, es wurde nur noch nie richtig umgesetzt!
            In dem Sinn hab ich oben ja schon geschrieben - s. "liberale Illusionen".

            Mir geht es auch keinesfalls um den absolut befreiten Markt oder "Raubtierkapitalismus". Aber behaupten wir hätten wirklich freien Wettbewerb kann man bei einer Staatsquote von 47 % und einem solchen Steuerrecht eigentlich nicht.

            Was mir einfach nicht einleuchten will: Warum reißt Vater Staat pauschal (und nominell) alles an sich, um es dann ach so fair neu zuzuteilen? Das vernichtet Geld, weil es Verwaltungsaufwand ist, und unfair ist es auch, weil es bei einem solchen System immer Verlieren geben muß. Insbesondere, und da dürfte ich sogar ganz nahe bei Max sein: Otto Normalverbraucher hat keine Lobby und kann seinen Wunsch für einen Ausnahmetatbestand anmelden.
            Es hat schon immer Science-fiction gegeben - die Wettervorhersage im Fernsehen.
            -Peter Ustinov

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              #36
              Zitat von Sandswind
              Das mit den Lenkungssteuern ist aber auch so eine Sache... Wenn der Staat sein Ziel erreicht ist er arm, wenn er es verfehlt, gibt's keine Lenkungswirkung. Darauf kann man keine vernünftige Politik stützten, wie zB die Ökosteuer zeigt: Es wird weit weniger über sie eingenommen, als man wollte. Ich sehe aber auch keine Autos, die ernsthaft weniger als fünf Liter verbrauchen. Ähnliches kann man bei der Tabaksteuer sehen.
              Meiner Meinung nach ist das doch wieder nur so ein Placebo, wie Du ihn oben selbst beschrieben hast: Die gute Intention besteht, aber in der Ausführung kann sich das sogar ins Gegenteil verkehren.
              Klar gibts dabei keine Sicherheit, aber deswegen das ganze Instrumentarium pauschal zu verdammen ist auch Unsinn. Ich glaube ehrlich gesagt nicht daß "der Bürger" sein Geld per se sinnvoller verwenden würde (also z.B. sein vermehrtes Einkommen aus purer Vernunft freiwillig für teuren Ökostrom ausgibt).
              Das schizophrene an der Ökosteuer war ja übrigens, daß sie auf der einen Seite eine Lenkungswirkung in Richtung weniger Benzinverbrauch entfalten, aber auf der anderen Seite auch Geld einspielen sollte. Trotzdem würd ich einfach mal vermuten daß inzwischen weniger getankt wird als vorher (wobei der hohe Benzinpreis natürlich eigentlich nicht durch die Ökosteuer bedingt ist).

              Mir geht es auch keinesfalls um den absolut befreiten Markt oder "Raubtierkapitalismus". Aber behaupten wir hätten wirklich freien Wettbewerb kann man bei einer Staatsquote von 47 % und einem solchen Steuerrecht eigentlich nicht.
              Behauptet ja auch keiner. Allerdings wird ja immer wieder behauptet daß wäre die einzig segensreiche Entwicklung (und du hast ja auch gesagt man solle den Markt mal machen lassen).

              Was mir einfach nicht einleuchten will: Warum reißt Vater Staat pauschal (und nominell) alles an sich, um es dann ach so fair neu zuzuteilen? Das vernichtet Geld, weil es Verwaltungsaufwand ist, und unfair ist es auch, weil es bei einem solchen System immer Verlieren geben muß.
              Ich würde doch vermuten daß es bei Deregulierung durchaus auch eine Menge Verlierer gibt... Ich will gar nciht behaupten daß der Staat alles regeln sollte, und sicherlich kann ausufernde Bürokratie (die allerdings im Gegensatz zur landläufigen Meinung gar kein rein deutsches Phänomen ist) hinderlich sein. Aber dieses oftverkündete pauschale "der Staat soll sich mal raushalten" ist auch polemisch und auch keine Patentlösung (zumal das ja äußerst vage ist). Alle beschweren sich immer über den bösen Staat, aber vernünftige Straßen wollen sie dann doch benutzen.

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                #37
                Zitat von Jack Crow
                Klar gibts dabei keine Sicherheit, aber deswegen das ganze Instrumentarium pauschal zu verdammen ist auch Unsinn.

                (...)

                Das schizophrene an der Ökosteuer war ja übrigens, daß sie auf der einen Seite eine Lenkungswirkung in Richtung weniger Benzinverbrauch entfalten, aber auf der anderen Seite auch Geld einspielen sollte.
                Eben, das ist das Schizophrene - das ist nämlich immer bei Lenkungssteuern so: Der Staat braucht ja Geld, deshalb erhebt er in erster Linie Steuern. Das macht aber das mit dem Steuern so schwierig, denn dadurch hat der Staat einen astreinen Zielkonflikt vorprogrammiert. Mit anderen Worten: Er kann bei dieser Form der Besteuerung eigentlich nur verlieren.

                Was das Tanken angeht: Ich hab erst letztens gelesen, daß natürlich ein gewisser Rückgang beim Spritverbrauch da war - aber nicht in dem Maß, wie man dachte. Da die Steuer dann, wie gesagt, weniger einbrachte, als man dachte, darf man den Erfolg der Ökosteuer getrost anzweifeln. (Allein schon deswegen, weil sie ja nicht auf PKW-Kraftstoffe begrenzt ist, die großen energiefressenden Industrieanlagen aus ökonomischen Gründen fast vollständig ausgeklammert sind...)

                Zitat von Jack Crow
                und du hast ja auch gesagt man solle den Markt mal machen lassen
                Nein, so will ich das nicht verstanden haben.

                Ich bin der Meinung, daß viele Bereiche völlig überreguliert sind. Heute kann eine GmbH nur in der dreifachen Zeit gegründet werden, wie in Großbritannien, durch das Steuerrecht blickt keiner durch etc. Das sind nicht nur pauschale Schlagworte, sondern ganz konkrete Probleme, von denen Otto Normalverbraucher wahrscheinlich noch nicht mal so massiv betroffen wäre, da sich vieles im Bereich der Wirtschaft abspielt (Anlagengenehmigungen usw.). Wenn das alles mal mit ein wenig Mut entschlackt würde, wäre vieles einfacher. Das soll aber nicht heissen, daß wir alles dem Markt überlassen. Das wäre ja einfach nur das andere Extrem und sicher genauso falsch.

                Zitat von Jack Crow
                Ich würde doch vermuten daß es bei Deregulierung durchaus auch eine Menge Verlierer gibt...
                Das Schlimme ist doch, daß wir jetzt schon fünf Millionen "Verlierer" haben. Es wird doch regelrecht hingenommen, daß Arbeitnehmer ab 40 (!) fast schon keine Chance auf dem Arbeitsmarkt haben und daß es ganze Familien gibt, die seit Generationen in der Abhängigkeit vom Staat leben ohne jede Aussicht auf eigenes Einkommen. So wesentlich schlimmer kann es eigentlich nicht werden. Und wenn das nicht ungerecht und ein Nährboden für sozialen Neid ist, weiß ich auch nicht...
                Es hat schon immer Science-fiction gegeben - die Wettervorhersage im Fernsehen.
                -Peter Ustinov

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                  #38
                  Zitat von Sandswind
                  "Die Kapitalisten" und "die Neoliberalen". Sehr differenziert.
                  Meine Aussage war deutlich differenzierter Ich habe u.a. auf die diversen wirtschaftspolitische Richtungen und deren Misserfolge hingewiesen. Wobei die neoliberale in den letzten Jahrzehnte die dominierende Wirtschaftspolitik in den meisten Staaten war - Ausnahme sind z.B. USA, Japan und China.
                  Zitat von Sandswind
                  Lohnsteigerungen bei flexiblem Kapital und flexibler Produktion? Rentenerhöhungen bei ungünstiger demographischer Entwicklung? Mehr Urlaub, wenn im Ausland bei gleicher Produktivität für die Hälfte des Preises produziert werden kann? Mehr öffentliche Leistungen bei horrenden Schulden?
                  Tja, damit zeigst du die offensichtliche Probleme des Kapitalismus auf, wo trotz einer gestiegenen Produktivität und mehr vorhandenen Ressourcen pro Person es nicht automatisch ist, dass die Löhne, Renten etc. entsprechend steigend. Das sind eben alles Argumente gegen die heutige gesellschaftliche Struktur.
                  Zitat von Sandswind
                  Diese Situation ist eben in den von Dir gerühmten Jahren der 70er entstanden, nicht später, als die "Neoliberalen" ans Ruder kamen.
                  Die Neoliberalen haben die Situation massiv verschlechtert, weil sie eine Umverteilungspolitik zu den Kapitalisten betreiben, was zwar deren wirtschaftliche Probleme kompensiert, aber diese eben auf die Mehrheit der Bevölkerung abwälzt. Ein Element ist eben die Umverteilung der Steuerlast durch die Senkung der Steuern auf Gewinne und Vermögen und die starke Anhebung der Sozialabgaben und Verbrauchssteuern.
                  Zitat von Sandswind
                  Eine sinnvolle Steuerpolitk wäre meiner Meinung nach die verstärkte Besteuerung von Kapital(einkünften) und nicht des Faktors Arbeit - dann lohnt es sich, Menschen einzustellen und das reine Verschieben von Geld rechnet sich so nicht mehr. Ansonsten runter mit den Sätzen (von mir aus sogar Flat-Tax) und dafür Streichen aller Schlupflöcher, Pauschalen, Subventionen.
                  Wenn du Kapitaleinkünfte stärker besteuerst und die Steuern und Abgaben auf Löhne senkst, stellt dies zwar eine Umverteilung der Steuerlast da, aber eine Verbillung der Arbeitskräfte bedeutet noch lange nicht, dass auch mehr eingestellt werden. Das ist doch das grosse Missverständis der liberalen Wirtschaftstheorie, was sich eben daran zeigt, dass diese unfähig ist die Arbeitslosigkeit zu senken. Arbeitskräfte werden nach Bedarf eingestellt und nicht nach dem Preis (Löhne). Wenn Arbeit billiger wird, dann verbuchen die Kapitalisten dies einfach als höhere Profite.
                  Zitat von Sandswind
                  Endlich mal das tun, was der Kapitalismus tun sollte: Markt zulassen und nicht alles staatlich regulieren. Meiner Meinung nach fehlt es doch genau daran, denn wir ersticken regelrecht in Vorschriften und dem geradezu panischen Streben nach absoluter Gleichheit (eben aus Angst, ein Anderer könnte ein ganz klein wenig mehr vom Kuchen abbekommen) - und was kommt raus? Ungleichheit und Ungleichgewichte, da hast Du recht.
                  Der "Markt" ist doch im Klartext die Herrschaft der Grosskonzerne, also die Schwächung demokratischer Kontrolle und noch weniger Einschränkungen für die Herrschaft der Kapitalisten. Es gibt eben keine "freie Konkurrenz" im entwickelten Kapitalismus, sondern die Wirtschaft wird von wenigen global agierenden Grosskonzernen dominiert. Diese sind in der Lage die meisten "Marktmechanismen" auszuschalten. Ihre Möglichkeiten die Politik in ihrem Interesse zu lenken, ist hier auch nur ein Element. Das offensichtlichste ist, dass ein Grosskonzern eben die Preise manipulieren kann, d.h. z.B. die Preise, die sie an Produzenten (z.B. Bauern, aber eben auch die Löhne) zahlen, stark senken können.
                  Zitat von Sandswind
                  Aber behaupten wir hätten wirklich freien Wettbewerb kann man bei einer Staatsquote von 47 % und einem solchen Steuerrecht eigentlich nicht.
                  Wie gesagt: freier Wettbewerb existiert im entwickelten Kapitalismus nicht, da der Markt von Grosskonzernen dominiert werden und damit die Wirtschaft keinen "Marktgesetzen" mehr gehorcht. Wenn die Staatsquote wesentlich niedriger wäre, wäre der Kapitalismus wahrscheinlich schon längst zusammengebrochen, da die staatliche Stabilisierung der Nachfrage und des Angebots wegfiele. Eine hohe Staatsquote ist ebenfalls ein typisches Zeichen für den entwickelten Kapitalismus (was diverse Marxisten bereits um die Zeit des Ersten Weltkriegs ausführlich in diversen Imperialismus-Theorien beschrieben haben).
                  Zitat von Sandswind
                  Das Schlimme ist doch, daß wir jetzt schon fünf Millionen "Verlierer" haben. Es wird doch regelrecht hingenommen, daß Arbeitnehmer ab 40 (!) fast schon keine Chance auf dem Arbeitsmarkt haben und daß es ganze Familien gibt, die seit Generationen in der Abhängigkeit vom Staat leben ohne jede Aussicht auf eigenes Einkommen. So wesentlich schlimmer kann es eigentlich nicht werden.
                  Natürlich kann es noch wesentlich schlimmer werden. Z.B. würde eine Deregulierung des Arbeitsmarkts (z.B. keine Tarifverträge mehr) die Löhne noch einmal massiv senken und weiterer Sozialabbau würde bedeuten, dass Armut in der BRD wieder so aussieht, wie sie in Deutschland im 19. Jahrhundert bereits aussah und in weiten Teilen der Welt immer noch aussieht: Slums, massives Elend, Hunger ...
                  Resistance is fertile
                  Für die AGENDA 3010! 30-Stunden-Woche mit vollem Lohnausgleich und 10 Euro gesetzlichem Mindestlohn!
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                    #39
                    Zitat von max
                    Tja, damit zeigst du die offensichtliche Probleme des Kapitalismus auf, wo trotz einer gestiegenen Produktivität und mehr vorhandenen Ressourcen pro Person es nicht automatisch ist, dass die Löhne, Renten etc. entsprechend steigend. Das sind eben alles Argumente gegen die heutige gesellschaftliche Struktur.
                    Nein, das ist ein Argument gegen Lohnabschlüsse in Höhe von 15 % (und mehr), wie sie in den siebziger Jahren vorgenommen wurden - und zwar zu einem Zeitpunkt, als andere schon die Zeichen der Zeit erkannt haben und sich anders aufgestellt haben. Ich bin kein Fan einer Roßkur und schon gar kein Fan von Thatcher. Es fällt aber auf, daß Großbritannien in vielen Punkten besser dasteht, als Deutschland. Man könnte aus den Fehlern lernen und zB im Gesundheitswesen den hohen Standard und Zugang für all aufrechterhalten, ebenso im Bildungswesen für einen solchen sorgen.

                    Mittlerweile ist die Sache so aus dem Ruder gelaufen, daß wirklich nur noch 1-3 % rumkommen können. Daß das teilweise von der Inflation aufgefressen wird, ist klar. Reallohnsenkungen kann auch kein Mensch wollen - Du stellst es aber so dar: Das System zwingt die breite Masse in die Armut und "die da oben" betreiben das bewußt und wollen das auch so. Was soll denn ein Unternehmer machen, wenn die Arbeit (nicht vom System!) so verteuert wird, er aber im internationalen Wettbewerb steht? Dichtmachen? Oder gleich ganz auswandern? Und jetzt sag bitte nicht, wir brauchen einen Systemwechsel zum Sozialismus, der kommt nämlich nicht.

                    Zitat von max
                    Arbeitskräfte werden nach Bedarf eingestellt und nicht nach dem Preis (Löhne). Wenn Arbeit billiger wird, dann verbuchen die Kapitalisten dies einfach als höhere Profite.
                    Das stimmt nur zum Teil. Bis zu einem gewissen Grad kann auf Arbeitsplätze verzichtet werden - genau das erleben wir doch im Moment. Wenn die Arbeit gleich bleibt, aber teurer wird, dann verteilt man sie auf weniger Schultern. Das ist doch ganz logisch, ein ganz banales Rechenexempel. Nichts anderes erleben wir leider tagtäglich. Gegenwärtig wird eben Gewinn nicht so sehr durch Produktion erwirtschaftet, sondern durch "Geldverschieben".

                    Ich gebe Dir in einem Punkt Recht: Viele Großkonzerne machen es sich damit viel zu einfach und drohen bewußt. Das steht meiner Meinung nach außer Frage. Allerdings ändert es auch nichts am zugrundeliegenden Problem, denn drohen kann nur, wer die Möglichkeit dazu hat. Wären ausreichend Arbeitsplätze vorhanden, liefe die Drohung ins Leere. Mit anderen Worten: Das ist nicht systemimmanent, sondern situationsabhängig.
                    Es hat schon immer Science-fiction gegeben - die Wettervorhersage im Fernsehen.
                    -Peter Ustinov

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                      #40
                      Zitat von max
                      blueflash hat ja mehr Billigjobs vorgeschlagen. Diese sind nicht nur eine Garantie, dass es mehr Armut gibt, sondern auch eine Garantie dafür, dass sie Sozialsysteme noch grössere finanzielle Probleme bekommen, weil ihnen Einnahmen wegfallen. Die Arbeitslosigkeit kann aber so offensichtlich nicht gesenkt werden, da selbst mit massiven Subventionen hier nichts erreicht wurde.
                      Mehr Armut? Wenn man sich zum Beispiel mal ansieht, dass wir nur für 3% unserer Kinder Betreungsmöglichkeiten haben. Gleichzeitig leisten wir uns aber 5Mio. Arbeitslose. Klickts da? Angenommen, der Staat würde die MwtStr Erhöhung dafür nutzen, hier mit 24Mrd Euro jährlich zu fördern. Das wären, grob gepeilt, Bruttolöhne von 1000 Euro für 2Mio Menschen.
                      Das wären dann 2Mio Menschen raus aus der Arbeitslosigkeit, plus geringe Beiträge, die sie sogar zahlen.
                      Ich behaupte mal, du würdest nichtmal 2Mio. Menschen finden, die in der Kinderbetreuung arbeiten würden. Aber diese künstliche Nachfrage am Arbeitsmarkt, verbunden mit der derzeitigen Lohn und Gehaltsstruktur wäre ein gewaltiger Synergieeffekt.
                      Uberhaupt scheint mir der Markt als solcher ein thermodynamisches System zu sein, das zu Enthropie neigt. Um dieser entgegenzuwirken, kann man nur auf Synergieeffekte bauen.

                      Zitat von max
                      Arbeitskräfte werden nach Bedarf eingestellt und nicht nach dem Preis (Löhne). Wenn Arbeit billiger wird, dann verbuchen die Kapitalisten dies einfach als höhere Profite.
                      Wie Sandswind schon sagte, ist das genauso abstrus, wie die Behauptung, die du als den "Fehler der Neoliberalen" ausmachst. Wenn arbeit billiger wird, wird deswegen noch lange keiner eingestellt.
                      Du sagst aber, dass die Leute eingestellt werden, wenn Bedarf da ist, behauptest also, wenn man nur genug die Arbeitszeit kürzen würde, müssten schon Leute eingestellt werden. Jetzt gehen wir mal von einem nicht-globalen System, also eine reine Binnenwirtschaft, aus. Was würde passieren, wenn du den Faktor Arbeit derart verteuerst? Erste Möglichkeit: Es gehen reihenweise Betriebe pleite, die dort Angestellten werden auf die restlichen Unternehmen verteilt usw. Das nennt man IMO eine Kaskade. Zweite Variante: Die Unternehmen stellen ein, reichen aber die (gestiegenen) Preise an die Verbraucher weiter, so dass, im günstigsten Fall, eine starke Inflation dafür sorgt, dass die billigsten Arbeitskräfte (also die mit 10Euro Stundenlohn bei 40x4 Stunden == 1600 Euro Bruttolohn) weiterhin auf dem Niveau der Arbeitslosigkeit leben.
                      können wir nicht?

                      macht nix! wir tun einfach so als ob!

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                        #41
                        Zitat von Sandswind
                        Du stellst es aber so dar: Das System zwingt die breite Masse in die Armut und "die da oben" betreiben das bewußt und wollen das auch so. Was soll denn ein Unternehmer machen, wenn die Arbeit (nicht vom System!) so verteuert wird, er aber im internationalen Wettbewerb steht?
                        Du schreibst doch selbst, dass das System den Kapitalisten zwingt die Ausbeutung zu steigern, also seine Kosten zu senken: eben, dass die Konkurrenz ihn dazu zwingt, die Löhne möglichst zu senken.

                        Natürlich betreibt dies jemand, der von der Ausbeutung lebt bewusst. Es ist schliesslich seine Lebensgrundlage. Er macht dies nicht aus Gemeinheit, sondern eben aus den Notwendigkeiten, die sich aus dem status quo ergeben - aber von diesem status quo beziehen diese Leute ihre Privilegien und ihre Macht, weshalb er für sie vorteilhaft ist.
                        Zitat von Sandswind
                        Bis zu einem gewissen Grad kann auf Arbeitsplätze verzichtet werden - genau das erleben wir doch im Moment. Wenn die Arbeit gleich bleibt, aber teurer wird, dann verteilt man sie auf weniger Schultern.
                        Die Aussage war, dass nach Bedarf eingestellt wird - und nicht nach den Preisen. Das bedeutet eben umgedreht, dass egal wie hoch der Preis für Arbeit ist eingestellt werden müsste. Die Preise für Arbeit sinken doch in den letzten Jahren und trotzdem sinkt die Arbeitslosigkeit eben nicht - es gibt eben nicht mehr Bedarf, weil sowieso in den meisten Bereichen es Überkapazitäten und Überproduktion gibt.

                        Die Verteilung der Arbeit auf weniger Schultern nutzt den Kapitalisten vollkommen unabhängig davon wie hoch die Löhne sind. In jedem Fall kann er so seine Kosten senken und die Gewinne steigern.

                        Die Alternative, dass man mit Hungerlöhnen den Kapitalisten einen Anreiz bietet mit veralteten, unproduktiven Techniken zu produzieren, sollte eigentlich für überhaupt niemanden attraktiv sein. Wobei wie gesagt es für den Kapitalisten vorteilhaft ist nur Hungerlöhne zu zahlen und möglichst produktive Techniken einzusetzen, weil dann seine Profite maximal ist. Deshalb sind auch Staaten mit einer hochentwickelten Infrastruktur und gut ausgebildeten Arbeitern, aber sehr niedrigen Löhnen (z.B. China) auch attraktive Standorte.
                        Zitat von Sandswind
                        Allerdings ändert es auch nichts am zugrundeliegenden Problem, denn drohen kann nur, wer die Möglichkeit dazu hat. Wären ausreichend Arbeitsplätze vorhanden, liefe die Drohung ins Leere. Mit anderen Worten: Das ist nicht systemimmanent, sondern situationsabhängig.
                        Die Kapitalisten haben es natürlich angesichts der Massenarbeitslosigkeit es sehr leicht, ihre Interessen durchzusetzen. Aber die Frage ist doch, warum es Massenarbeitslosigkeit gibt. Diese ist eben sehr wohl systemimmanent, wie man gut daran sieht, dass in allen entwickelten Industriestaaten zu fast jedem Zeitpunkt Massenarbeitslosigkeit herrschte. Ausnahme sind wenige Jahrzehnte in wenigen Staaten, in denen es sehr hohe Wachstums- und Profitraten gab, so es für die Kapitalisten möglich war, die Löhne entsprechend der Entwicklung der Produktivität steigen zu lassen, also die Nachfrage mit der Produktivität mithielt. Das funktioniert aber nur bei sehr hohen Wachstums- und Profitraten - und dies gibt es seit Ende der 60er nicht mehr.
                        Zitat von blueflash
                        Angenommen, der Staat würde die MwtStr Erhöhung dafür nutzen, hier mit 24Mrd Euro jährlich zu fördern. Das wären, grob gepeilt, Bruttolöhne von 1000 Euro für 2Mio Menschen.
                        Das wären dann 2Mio Menschen raus aus der Arbeitslosigkeit, plus geringe Beiträge, die sie sogar zahlen.
                        Das wäre aber nicht die übliche Förderung eines Billiglohnsektors, wie man sie aus den Zeiten Kohls, Schröders und bisher von Merkel kennt, wo Billiglohnjobs staatlich subventioniert wurden, sondern wäre eine Ausweitung des Öffentlichen Diensts. Genau das Gegenteil passierte ja in den letzten zehn Jahren, wo Millionen von Stellen im Öffentlichen Dienst vernichtet wurden - was mit der Notwendigkeit der "Sparpolitik" begründet wurde.
                        Zitat von blueflash
                        Du sagst aber, dass die Leute eingestellt werden, wenn Bedarf da ist, behauptest also, wenn man nur genug die Arbeitszeit kürzen würde, müssten schon Leute eingestellt werden.
                        Im Gegensatz zu Anhängern des Kapitalismus bin ich offensichtlich in der Lage zu erkennen, dass sowohl eine Nachfrage-, als auch eine Angebotspolitik nicht funktioniert. Wenn man das "Angebot" stärkt (d.h. die Kosten für die Kapitalisten senkt), wird die Nachfrage reduziert (sowohl die staatliche, als auch der Konsum). Wenn man die "Nachfrage" stärkt, werden die Profite der Kapitalisten reduziert. Wenn man also die Arbeitszeit verkürzt, bedeutet dies, dass die Kapitalisten ihre Probleme selbst ausbaden müssen und nicht ihre Probleme auf die Arbeiter in der Form von Lohnkürzungen und Entlassungen abwälzen können. In einer isolierten Wirtschaft, in der die Arbeitszeit von allen gekürzt wird, reduziert dies die Profite, aber nicht die Konkurrenzfähigkeit im Vergeleich zu anderen Kapitalisten. Es würden also nur die übliche Zahl von Firmen von der Konkurrenz vernichtet werden. Tatsächlich ist aber so, dass diese Arbeitszeitverkürzung nicht überall durchgesetzt werden kann, so dass im schlimmsten Fall tatsächlich die Konzerne mit den höheren Kosten Pleite gehen.

                        Dies ist eben ein typisches Beispiel für die systemimmanten Probleme des Kapitalismus. Eigentlich würde die Produktivitätssteigerung eine drastische Reduktion der Arbeitszeit und Steigerungen der Produktion ermöglichen, aber im Kapitalismus steht der Zwang für die Kapitalisten konkurrenzfähig zu sein dagegen, die technischen Fortschritte allen nütztlich zu machen, sondern sie müssen von den Kapitalisten in einem möglichst hohen Anteil zur Senkung der Kosten aufgewendet werden. D.h. die Konkurrenz zwingt den Kapitalisten die Arbeiter möglichst lang und für möglichst wenig arbeiten zu lassen.

                        Das ist ja eben auch der Grund, warum die gesellschaftliche Struktur das Problem ist. Der Witz ist doch gerade, dass selbst Anhänger des Kapitalismus wie du oder Sandswind damit klarstellen, dass der Kapitalismus heute ein Hindernis ist, wenn es darum geht die Situation der Menschheit zu verbessern. Aber die Konsequenz wollt ihr darus offensichtlich nicht ziehen.
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                          #42
                          Zitat von max
                          Die Aussage war, dass nach Bedarf eingestellt wird - und nicht nach den Preisen. Das bedeutet eben umgedreht, dass egal wie hoch der Preis für Arbeit ist eingestellt werden müsste.
                          Ja, aber eben nur bis zu einem gewissen Grad. Alles, was über diese Schwelle hinausgeht, wird durch Automatisierung etc. ersetzt werden, wenn die Arbeit zu teuer ist. Ich war letztens in Schweden, wo man nicht so sehr den Faktor Arbeit besteuert (bzw. belasetet - die Einkommenssteuer ist auch recht hoch) , sondern der zB Konsum - und siehe da: Haufenweise Arbeitsplätze, die bei uns durch Automaten ersetzt wurden (Dienstleistungen), werden wieder von Menschen wahrgenommen. Ich war ganz baff: Jede U-Bahnstation hat noch echte Kassenhäuschen, was ich super fand. Nicht in jedem Sektor ist ein technischer Fortschritt mit Gewalt nötig. Ich empfinde es als sehr angenehm, mein Ticket bei einem Menschen kaufen zu können, der mir dann auch noch sagen kann, wo es langgeht.

                          Du fixierst Dich nämlich sehr stark auf reine Produktion. Ich gebe Dir insoweit Recht, als wir dort vielleicht wirklich am Ende der Fahnenstange angekommen sind. Der Dienstleistungssektor wächst aber rasant, da hat blueflash vollkommen richtig gelegen: Die demographische Entwicklung wird neue Dienstleistungen für Ältere geradezu erzwingen, das kann man in Japan sehen. Dort entstehen genau auf dem Sektor Jobs, Forschung und Entwicklung gehen ebenfalls in diese Richtung. Die wenigen Jungen können aber nur arbeiten, wenn sie Kinderbetreuungseinrichtungen haben - auch da gibt's enormes Potential. Ich glaube daher nicht, daß zu wenig Arbeit da wäre, oder daß nur dann genug da ist, wenn wir wie 1950 produzieren.

                          Zitat von max
                          Die Preise für Arbeit sinken doch in den letzten Jahren und trotzdem sinkt die Arbeitslosigkeit eben nicht - es gibt eben nicht mehr Bedarf, weil sowieso in den meisten Bereichen es Überkapazitäten und Überproduktion gibt.
                          Ein Land wie Großbritannien, das eine Arbeitslosenquote von nur 4,7 % hat, dürfte es bei Deiner Argumentation nicht geben. Dort wächst die Wirtschaft mit jährlich 3 % - wieso, wenn das alles systemimmanent ist? Sicher ist dort nicht alles Gold, was glänzt, aber die verstärkte Deregulierung hat sich anscheinend doch bemerkbar gemacht.

                          Noch ein Wort zu den ganzen Sozialtransfers: Ich finde es auch langsam sehr grenzwertig, wenn Menschen mit ein paar Kröten im Monat rumkommen sollen. Was ich aber nicht verstehe, und das kann mir wohl auch keiner näherbringen, ist warum das der einzig menschenwürdige Weg sei. Denn diese Leute erhalten ein besseres Schmerzens-, bzw. Schweigegeld. Sie verden durch staatliche Almosen ruhiggehalten, anstatt ihnen wirklich zu helfen. Ich finde es entwürdigend, wenn diese Menschen nicht für sich selbst sorgen können, sondern am Tropf der Allgemeinheit regelrecht abgeschrieben und auch abgeschoben werden.
                          Es hat schon immer Science-fiction gegeben - die Wettervorhersage im Fernsehen.
                          -Peter Ustinov

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                            #43
                            Zitat von Sandswind
                            Ich war letztens in Schweden, wo man nicht so sehr den Faktor Arbeit besteuert (bzw. belasetet - die Einkommenssteuer ist auch recht hoch) , sondern der zB Konsum - und siehe da: Haufenweise Arbeitsplätze, die bei uns durch Automaten ersetzt wurden (Dienstleistungen), werden wieder von Menschen wahrgenommen.
                            Da würde mich interessieren, wie hoch die Lohnkosten in Schweden im Vergleich sind. Dort sind eben die Lohnsteuern sehr viel höher, weshalb ich bezweifle, dass dies der Grund ist. In München gibt es übrigens recht viele U-Bahnstationen mit besetzten Kassenhäuschen. Genauso habe ich Paris haufenweise besetzte Kassenhäuschen gesehen, obwohl dort die Lohnkosten keineswegs niedriger sind.
                            Zitat von Sandswind
                            Der Dienstleistungssektor wächst aber rasant, da hat blueflash vollkommen richtig gelegen: Die demographische Entwicklung wird neue Dienstleistungen für Ältere geradezu erzwingen, das kann man in Japan sehen. Dort entstehen genau auf dem Sektor Jobs, Forschung und Entwicklung gehen ebenfalls in diese Richtung. Die wenigen Jungen können aber nur arbeiten, wenn sie Kinderbetreuungseinrichtungen haben - auch da gibt's enormes Potential. Ich glaube daher nicht, daß zu wenig Arbeit da wäre, oder daß nur dann genug da ist, wenn wir wie 1950 produzieren.
                            Das sind aber alles Stellen, die öffentlich finanziert werden müssten - also eine viel höhere Steuerquote erfordern würden. Schliesslich sind dies alles Stellen, die selbst keine Werte produzieren, sondern im Gegensatz von den produzierten Ressourcen finanziert werden müssen.

                            Ich habe übrigens nicht behauptet, dass es nicht mehr Arbeit, sondern darauf hingewiesen, dass es nicht mehr Arbeitsplätze gibt, weil es für die Kapitalisten nicht mehr Bedarf gibt.
                            Zitat von Sandswind
                            Ein Land wie Großbritannien, das eine Arbeitslosenquote von nur 4,7 % hat, dürfte es bei Deiner Argumentation nicht geben. Dort wächst die Wirtschaft mit jährlich 3 % - wieso, wenn das alles systemimmanent ist?
                            4,7% bedeutet immer noch, dass es Massenarbeitslosigkeit gibt - also ist eben eine Argument dafür, dass es systemimmanent ist. Nur weil man hier sich an 10% "gewöhnt" hat, bedeutet dies noch lange nicht, dass bei 5% Arbeitslosen es keine Massenarbeitslosigkeit gibt. In der BRD wären bei dieser Rate immer noch Millionen arbeitslos.
                            Zitat von Sandswind
                            Ich finde es entwürdigend, wenn diese Menschen nicht für sich selbst sorgen können, sondern am Tropf der Allgemeinheit regelrecht abgeschrieben und auch abgeschoben werden.
                            Richtig. Nur braucht es dann eben mehr Arbeitsplätze und dies erreicht man nicht durch Senkung der Löhne, sondern durch höchstens durch eine Ausweitung des staatlichen Sektors und Arbeitszeitverkürzungen. Die Gegenargumente gegen beides sind ja bekannt. Dies wäre eben alles eine Ausweitung der Ausgaben für das Sozialsystem bzw. die gesamte staatliche Infrastruktur und damit weniger "Markt". Das Geschrei der Apologeten des Kapitalismus ist ja bekannt, weshalb es mich sogar ziemlich wundert, dass blueflash vorschlägt, dass die Mehrwertsteuer zu Schaffung von zwei Millionen Stellen im öffentlichen Sektor zu verwenden. Da wird ja die Staatsquote noch höher Recht viele Neoliberale nennen eine solche Arbeitsmarktpolitik (vollkommen irreführend) sogar "sozialistisch" oder "kommunistisch".
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                              #44
                              Zitat von max
                              Das sind aber alles Stellen, die öffentlich finanziert werden müssten - also eine viel höhere Steuerquote erfordern würden. Schliesslich sind dies alles Stellen, die selbst keine Werte produzieren, sondern im Gegensatz von den produzierten Ressourcen finanziert werden müssen.
                              Das ist eben dein Trugschluss. Den "Wert", den diese Arbeit produziert, geben wir ihm. Der "Wert" ist eben nicht objektiv bestimmbar.
                              Du hängst hier viel zu sehr an materiellen Werten der Produktion. Es geht nicht nur um Stahl und Kohlequoten. zB Kann keine größere Firma heute ohne IT-Dienstleistung auskommen. Und obwohl die Technologie sich dort wirklich rasant entwickelt hat, wächst die Branche immer noch.

                              Der Punkt ist, wie ich bereits erwähte, dass man Synergieen suchen muss. Eine reine Nachfragepolitik kann genausowenig Erfolg bieten wie eine reine Angebotspolitik. Einzelne Maßnahmen aus beiden Gedankenschulen müssen sich gegenseitig unterstützen. Macht man zB die Arbeit billiger und erhöht gleichzeitig die Nachfrage auf dem Arbeitsmarkt während durch diese Maßnahmen noch die Wettbewerbsfähigkeit inländischer Unternehmen steigt, hat man alles richtig gemacht.

                              Das Geschrei der Apologeten des Kapitalismus ist ja bekannt, weshalb es mich sogar ziemlich wundert, dass blueflash vorschlägt, dass die Mehrwertsteuer zu Schaffung von zwei Millionen Stellen im öffentlichen Sektor zu verwenden. Da wird ja die Staatsquote noch höher Recht viele Neoliberale nennen eine solche Arbeitsmarktpolitik (vollkommen irreführend) sogar "sozialistisch" oder "kommunistisch".
                              Das ist sicherlich ein Problem, da die staatlichen Sektoren prinzipiell ineffizienter arbeiten als privatwirtschaftliche. Nur ist die Schule ja auch ein staatlicher Sektor und über höhere Staatsquote durch Mehrausgaben für Bildung beklagt sich auch kein "Neoliberaler".
                              können wir nicht?

                              macht nix! wir tun einfach so als ob!

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                                #45
                                Zitat von blueflash
                                Zitat von max
                                Das sind aber alles Stellen, die öffentlich finanziert werden müssten - also eine viel höhere Steuerquote erfordern würden. Schliesslich sind dies alles Stellen, die selbst keine Werte produzieren, sondern im Gegensatz von den produzierten Ressourcen finanziert werden müssen.
                                Das ist eben dein Trugschluss. Den "Wert", den diese Arbeit produziert, geben wir ihm. Der "Wert" ist eben nicht objektiv bestimmbar.
                                Du hängst hier viel zu sehr an materiellen Werten der Produktion.
                                Der Punkt, den du hier total ignorierst, ist woher die Ressourcen kommen, um z.B. den Diensleistungssektor zu finanzieren. Diese Finanzierung ergibt sich ja nicht von selbst, sondern es müssen entsprechende Ressourcen vorhanden sein, um neben der Produktion von Waren auch noch einen Diensleistungssektor zu finanzieren. Eine Gesellschaft braucht dafür eben eine entsprechend hohe Produktivität in der Produktion, um überhaupt in der Lage zu sein, einen Dienstleistungssektor zu unterhalten.

                                Der Punkt oben war allerdings, dass du hier eine Forderung aufstellst, die im klaren Widerspruch zur neoliberalen Theorie steht: eben eine staatliche Beschäftigungspolitik, eine höhere Steuerquote und eine höheren Staatsanteil.
                                Zitat von blueflash
                                Der Punkt ist, wie ich bereits erwähte, dass man Synergieen suchen muss. Eine reine Nachfragepolitik kann genausowenig Erfolg bieten wie eine reine Angebotspolitik. Einzelne Maßnahmen aus beiden Gedankenschulen müssen sich gegenseitig unterstützen. Macht man zB die Arbeit billiger und erhöht gleichzeitig die Nachfrage auf dem Arbeitsmarkt während durch diese Maßnahmen noch die Wettbewerbsfähigkeit inländischer Unternehmen steigt, hat man alles richtig gemacht.
                                Na ja, immerhin ein deutlicher Bruch mit der Politik der letzten 30 Jahre und damit ein beginnendes Einsehen, dass diese vollkommen falsch war. Aber du schlägst hier immer noch keine Mischung vor. Es fehlt vollkommen die Förderung der Nachfrage. "Billigere Arbeit" sind eben weniger Löhne und damit weniger Konsum und damit weniger Nachfrage. Zusätzliche Nachfrage generierst du so eben gerade nicht. Schliesslich willst du dies durch eine Erhöhung der Verbrauchssteuern finanzieren. D.h. du verteilst die Nachfrage nur um, ohne sie zu vergrössern.
                                Zuletzt geändert von max; 05.05.2006, 10:50.
                                Resistance is fertile
                                Für die AGENDA 3010! 30-Stunden-Woche mit vollem Lohnausgleich und 10 Euro gesetzlichem Mindestlohn!
                                The only general I like is called strike

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