Günter Grass

[Kif]

Wer danach gesucht hätte, wäre auch durch andere Quellen drauf gekommen.
Im übrigen sehe ich nicht, warum jemand, der Lehren aus seinen früheren Fehlern gezogen hat, sich nicht kritisch äussern sollte. Grass ist halt auf nem SS-Panzer mitgefahren, dass sind viele damals, und längst nicht alle von denen haben Blut an den Händen. Selbst Benedikt XVI. wurde eingezogen, aber darauf reitet kaum einer rum.
Ich hab eher den Eindruck wir haben noch Sommerloch...

[Zocktan]

ich finde es nicht schlimm, dass grass in der waffen-ss war.
ich finde es schlimm, dass er bei der ss war, nicht dazu stand und sich dann noch als eine moralische instanz aufspielt.

[Eye-Q]

Das einzige was man ihm „vorhalten“ könnte, wäre der Punkt, dass er alles von Anfang an zugeben hätte sollen.

Wer hat das bitte getan (rethorisch)? KEINER wollte irgendwas zugeben, auch wenn er/sie auch nur noch so ein kleines und unwichtiges Rädchen war. Gerade deswegen kamen ja in den Jahren des politisch-gesellschaftlich-wirtschaftlichen Aufstiegs Fälle ans Licht (für AUT zB Waldheim), weil man nichts "zugab" oder zugeben wollte. Ich würde meinen, dass das psychologisch bedingt ist.

[Korrd]

@ Nightcrawler : Danke SCHÖN!
@ Eye-Q : Stimme dir voll zu, hat euer Opa euch was aus dieser Zeit erzaehlt oder Onkel ?
Kann doch keiner von uns sagen in wie weit die eigene Familie in das dritte Reich involviert war!
Wenn der Opa oder Onkel etc. in der SS war wuerde er dies doch auch eher durch Lüge kaschieren zu versuchen, demnach hat man keine Sicherheit!

[Sandswind]

Wenn der Opa oder Onkel etc. in der SS war wuerde er dies doch auch eher durch Lüge kaschieren zu versuchen, demnach hat man keine Sicherheit!

Ja, vollkommen richtig. Woran sich allerdings viele stoßen ist, daß Grass gerne in moralischer Hinsicht den Stab über andere gebrochen hat, gerade wenn es um Nationalismus im weitesten Sinne ging. Es paßt halt nicht so ganz zusammen, einerseits den Zeigefinger zu heben und andererseits selbst nicht ganz offen zu sein und einen Teil der Vita so unter den Tisch fallen zu lassen.

Dennoch: Man sollte das nicht so hoch hängen.

[Eye-Q]

Ich unterscheide: den Zeigefinger erheben, WEIL man dabei war (egal ob man das nun zugegeben hat oder nicht), oder den Finger erheben und dabei auch noch so tun als hätte man selber nie etwas damit zu tun gehabt.

[Sandswind]

Ich unterscheide: den Zeigefinger erheben, WEIL man dabei war (egal ob man das nun zugegeben hat oder nicht), oder den Finger erheben und dabei auch noch so tun als hätte man selber nie etwas damit zu tun gehabt.

Die Unterscheidung würde ich an sich auch so treffen. Aber dann stellt sich ja um so mehr die Frage, weshalb er das nicht gesagt hat. Gerade die Aussagen von Leuten, die dem Ganzen selbst erlegen waren, sind glaubwürdig, weil sie zeigen, daß man lernen kann.

[Kif]

Die Frage ist nur, ob das damals auch schon alle so gesehen hätten, oder ob Grass gleich "fertig gemacht" worden wäre...

[Eye-Q]

Ja, vollkommen richtig.

Daraus schliesse ich, dass es in dem Fall für ihn nicht gilt. Oder verstehe ich die Zustimmung falsch.

Erinnert mich an Geschichten die man mitbekommen, wo zB ehemalige Straftäter, sofern sie es bekannt geben, keine Jobs bekommen (oder verlieren, wenn es raus kommt), weil sie dann ja nicht vertrauenswürdig oder tragbar für die Firma sind uswusf. Dasselbe für Ex Junkys, Säufer, Schläger,...

[Nightcrawler]

Hallo,

Wer hat das bitte getan (rethorisch)? KEINER wollte irgendwas zugeben, auch wenn er/sie auch nur noch so ein kleines und unwichtiges Rädchen war. Gerade deswegen kamen ja in den Jahren des politisch-gesellschaftlich-wirtschaftlichen Aufstiegs Fälle ans Licht (für AUT zB Waldheim), weil man nichts "zugab" oder zugeben wollte. Ich würde meinen, dass das psychologisch bedingt ist.

...deshalb hatte ich ja auch geschrieben:[...]Das einzige was man ihm „vorhalten“ könnte,[...]
Mir persönlich ist es relativ egal was ihn zu seinem coming-out bewegt hat. Ich verurteile ihn auch nicht wegen seiner SS Mitgliedschaft.

In dem Interview mit Uli Wickert antwortet er auch nicht konkret, sondern verweist auf sein neues Buch. Dort würde man die Antworten lesen können.
Die Vorbestellungen für sein Buch sind schon gestiegen. So dass ich diese ganze aufgebauschte Hetzkampagne mittlerweile als reinen Publicity Gag ansehe, der etwas aus dem Ruder gelaufen zu sein scheint, und nicht als spätes Gewissensbekenntnis.

Natürlich wollte keiner zugeben was er/sie getan hat. Einige der „unwichtigen Rädchen“ gehörten auch in der späteren Bundesrepublik zu den Eliten.

Noch heute bekommt der Frager stereotype Antworten, die gebetsmühlenartig abgespult werden.
„Wir habe das doch nicht gewusst...“ ; „Geahnt haben wir das schon...usw.

Gruß Night...

[Sandswind]

Daraus schliesse ich, dass es in dem Fall für ihn nicht gilt. Oder verstehe ich die Zustimmung falsch.

Ich persönlich habe mit der ganzen Angelegenheit sowieso keine großen Probleme - einerseits reiht sich Grass damit in eine lange Liste all derer ein, die verblendet waren. Das würde ich nicht werten wollen, denn das kann man aus unserer heutigen Zeit (und der "Gnade der späten Geburt" heraus) nicht fair tun. Was ich positiv finde, ist daß er daraus gelernt hat, was man leider nicht von jedem behaupten kann. So gesehen trifft die Zustimmung hier zu, für Grass gelten insoweit natürlich die gleichen Regeln, wie für jeden anderen auch.

Ich kann aber nachvollziehen, daß es seinen "Gegnern" ein Fest ist, daß er nun selbst diese negativen Aspekte in seiner Vita aufweist. Er hat zu oft und bereitwillig den moralischen Stab über andere gebrochen, als daß das nicht auch ein wenig überheblich gewirkt hätte. Dieses offensive Vorgehen und Ankreiden haben viele Opas und Onkel eben nicht aufgewiesen. Ich hätte es zumindest fairer gefunden, wenn er aufgrund dieser offensiven Art auch sich selbst und dem eigenen Lebensweg gegenüber so ehrlich gewesen wäre.

[Locksley]

Wer danach gesucht hätte, wäre auch durch andere Quellen drauf gekommen.

Das ist offenbar richtig, und es hat mich gestern auch sehr überrascht, und eigentlich negativ.
Laut ORF wusste nicht nur die US Armee davon:

Nach Informationen des "Kölner Stadt-Anzeigers" (Mittwochausgabe) ist im NS-Archiv des Ministeriums für Staatssicherheit (MfS) der DDR seine Mitgliedschaft in der Waffen-SS dokumentiert.
Bis spätestens Ende März 2007 sollten alle Unterlagen dieses Archivs komplett erschlossen sein, das ursprünglich aus mehr als 800.000 Einzelakten bestand.
Das MfS hatte alle ihm zur Verfügung stehenden Dokumente aus der NS-Zeit gesammelt, um sie als Erpressungsmaterial oder zu operativen Zwecken zu nutzen.

Das erklärt vielleicht auch, warum er damit selbst an die Öffentlichkeit geht, und für mich ist das schon eine weitere Enttäuschung - bislang dachte ich, er hätte das ganze mehr oder weniger ohne Not "zugegeben", um sein Gewissen zu erleichtern oder was auch immer, jetzt vermute ich aber, das war, weil in ein paar Monaten die Stasi-Akten veröffentlicht worden wären.
Aus meiner Sicht muss er jetzt ein weiteres Problem - er muss wohl argumentieren, dass er von der Stasi niemals diesbezüglich erpresst wurde.

[matrix089]

Das erklärt vielleicht auch, warum er damit selbst an die Öffentlichkeit geht, und für mich ist das schon eine weitere Enttäuschung - bislang dachte ich, er hätte das ganze mehr oder weniger ohne Not "zugegeben", um sein Gewissen zu erleichtern oder was auch immer, jetzt vermute ich aber, das war, weil in ein paar Monaten die Stasi-Akten veröffentlicht worden wären.
Aus meiner Sicht muss er jetzt ein weiteres Problem - er muss wohl argumentieren, dass er von der Stasi niemals diesbezüglich erpresst wurde.

Ist natürlich ein dummer Zufall, der nur diesen Schluss nahe legt. Würden die Akten nicht veröffentlich, hätte er es vielleicht gar nicht zugegeben.

[EREIGNISHORIZONT]

Ich möchte ja gar nicht ausschliessen, dass Grass moralisch fragwürdig, wenn nicht gar falsch handelt.
Genauso sicher bin ich mir aber auch, und das schreibe ich nicht aus Gründen der Rechtfertigung für Grass sein Handeln, dass er sich dieser Debatte stellen wird und das nicht nur in dem jetzt vorherrschenden Ausmasse.

Ihn als heuchlerischen Moralapostel abzustempeln, halte ich für verkehrt, zumal ich meine, dass er diesen Titel auch nie angestrebt hat.

Ich frage mich, wie viele Menschen aus dieser Zeit ihre Machenschaften und Gedanken verdrängen oder leugnen. Würden denn so viele hier anders handeln?

Übrigens, ihn mit Friedmann in einem Topf zu werfen, finde ich ja nun wirklich krass überzogen! Friedmann hat gelogen und das mehrmals.
Grass hat das IMO nicht getan. Gut, wenn man dann Schweigen als Lügen auslegt, aber das ist wohl dann wirklich zu spitzfindig, oder?

Was ich auch noch für wichtig halte ist, dass Grass ausschließlich Menschen in Positionen "angegriffen" hat, von denen sie aus Macht auf viele ausüben konnten. Ich kann mich nicht entsinnen, dass er "den kleinen Mann" gebrandmarkt hätte.

[Skymarshal]

Was ich auch noch für wichtig halte ist, dass Grass ausschließlich Menschen in Positionen "angegriffen" hat, von denen sie aus Macht auf viele ausüben konnten. Ich kann mich nicht entsinnen, dass er "den kleinen Mann" gebrandmarkt hätte.

Trotzdem ist es unglaubwürdig und heuchlerisch wenn man selber in einer solchen Situation war. Gerade dann wenn man sich selber als moralische Instanz "aufspielt" und mit den Finger auf andere zeigt.


Und für weitere Fragen "solle man sein Buch lesen" meinte er zu den Journalisten. Der Zeitpunkt des Outings dient wohl auch dazu dieses besser zu verkaufen.

Er lebt ja wahrscheinlich sowieso nicht mehr allzu lange. Jetzt wird er noch mal ein richtiges Medienmagnet.