Rezension: „Ausgeliefert” – Ein Jack-Reacher-Roman
Zur falschen Zeit am falschen Ort. Das ist Ex-Militärpolizist Jack Reacher kurz bevor er sein zweites großes Abenteuer als Zivilist erlebt. Dabei wollte er nur einer ihm zuvor unbekannten Frau beim Tragen ihrer Kleider behilflich sein, die auf einer Krücke gestützt eine Wäscherei verlässt. Ganz plötzlich findet sich Reacher von bewaffneten Männern umzingelt, die ihn und die Frau im wahrsten Sinne des Wortes einfach einkassieren und im Laderaum eines Lieferwagens eingesperrt von Chicago aus durch die halbe USA verfrachten. Sofort ist Reacher klar, dass er wirklich einfach Pech gehabt hatte, dieser Frau an diesem Tag zu begegnen. Denn nicht er sollte entführt werden, sondern die Frau – Holly Johnson – die nicht nur eine herausragende FBI-Ermittlerin ist, sondern auch andere Vorzüge für Geiselnehmer zu bieten hat. Welche das sind, will sie selbst Reacher – ihrem einzigen Verbündeten in dieser verzwickten Situation – nicht sofort preisgeben.
Das Ziel ihrer Odyssee könnte sich von Chicago nicht größer unterscheiden. Nicht in einer pulsierenden Großstadt kommen sie an, sondern in einem grünen, bewaldeten Tal in Montana. Beinahe gänzlich von der Außenwelt abgeschnitten will dort eine Hundertschaft von irren Milizionären einen eigenen Staat gründen und den USA eine Lektion erteilen. Holly Johnson wird in einen mit Dynamit vollgepackten Raum gesperrt, während Reacher vom verrückten Anführer der Milizionäre als Botschafter eingespannt wird, der seine Botschaft in die Welt tragen soll. Unnötig zu erwähnen, dass Reacher keine große Lust darauf hat und lieber seine Flucht plant – aber nur mit Holly.
Fazit: Der zweite Jack-Reacher-Roman von Lee Child ist schon mehr nach meinem Geschmack. Der erste Roman „Größenwahn“ (dessen deutscher Titel auf den zweiten Roman besser gepasst hätte) war eindeutig dem Krimi-Genre zuzuordnen. Viel Nachforschung, viele Reisen von einem Ort zum anderen um Befragungen vorzunehmen. „Ausgeliefert“ ist hingegen ein reiner Thriller nach dem Muster von „Stirb Langsam“. Mehr oder weniger auf sich allein gestellt muss Reacher mit schwer bewaffneten Terroristen auf einem relativ kleinen Areal zurechtkommen, dank seiner Ausbildung am Leben bleiben und die Pläne der irren Milizionäre verteilten bzw. diese überhaupt erst herausfinden. Das ist über weite Strecken des Romans sehr spannend. Trotzdem finde ich ihn angesichts der sehr geradlinigen Handlung mit über 500 Taschenbuchseiten aber eindeutig zu lang. Vielleicht etwas kompakter, so rund 100 Seiten kürzer, und der Roman hätte wohl die perfekte Länge gehabt und das Spannungsniveau durchgängig hochhalten können. Die ausufernden Gewalt und Action-Szenen beschreibt Lee Child ziemlich detailliert. Solche Sequenzen, die sich auf Handlung einer einzelnen Person – meistens Reacher – beschränken, empfand ich als recht langatmig, aber ich hatte durchaus den Eindruck, dass Child hier sehr bewusst dem entgegengesteuert hat und Reacher immer wieder Weggefährten, mit denen er einen Dialog führen konnte, an die Seite stellt. Im Dialog entfaltet sich auch ein Mindestmaß an Humor. Aber es hätte durchaus mehr sein dürfen. (Speziell im Vergleich zur bisher einzigen Verfilmung eines Jack-Reacher-Romans merkt man, dass es in den ersten beiden Romanen deutlich weniger erheiternde Dialoge gibt.)
Was „Ausgeliefert“ ebenfalls über „Größenwahn“ stellt, ist der verwendete Erzählstil. Lee Child berichtet nicht mehr aus Reachers Ich-Perspektive. So erfährt man auch, was andere Charaktere über ihn denken. Kurioserweise gibt dennoch Reacher selbst das meiste über sich preis. Denn ein spannender Aspekt der Geschichte ist, dass Reacher vom Großteil der Protagonisten völlig falsch eingeschätzt wird. Dank eines völlig fehlinterpretierten Überwachungsvideos aus der Wäscherei halten FBI und Militär Reacher sogar für den Anführer des Trios, das Holly entführte. Reachers an sich ja positive Eigenschaft, mit jeder sich auftuenden Situation rational umzugehen und die Ruhe zu bewahren, wird ihm hier sogar zum beinahe tödlichen Verhängnis!
Neben der Länge des Romans (ich habe fast einen Monat gebraucht, bis ich durch war) und dem sehr reduzierten Humorgehalts, gibt es noch einen dritten negativen Punkt in der Erzählung dieser an sich ja ganz spannenden Geschichte: US-Pathos! Es sind nur zwei kurze Stellen, die mir als Nicht-Amerikaner aber die Galle hochkommen lassen.
Nämlich vor allem einmal, wenn Jack Reacher eine Aussage tätigt, die absolut nicht zum Charakterbild zu passen scheint und wirkt, als sei sie nur zur Besänftigung der amerikanischen Leserschaft gedacht. Fassen wir mal zusammen: Er ist ein ehemaliger Militärpolizist, der auf der ganzen Welt, einschließlich zivilisierter Gegenden wie England und Deutschland, gedient hat. Sein ganzes Leben lang hat er kaum Zeit in den USA verbracht und wenn dann auch hauptsächlich auf Militärbasen. Jetzt ist er im Ruhestand und reist durch die USA, um das Land überhaupt einmal kennenzulernen, dem er als Soldat gedient hat. Und dieser Mann, der die ganze Welt kennt aber die USA kaum und der innerhalb weniger Monate als ZIVILIST innerhalb der Staatsgrenzen der USA schon ganze ZWEIMAL in lebensbedrohende Situationen schlittert, erdreistet sich zur Aussage: „In Amerika ist es besser als überall sonst. Ich weiß das, weil ich überall gewesen bin.“
In diesem Moment wandelt sich das Bild des Jack Reacher plötzlich vom erfahrenen, gelassenen und weltoffenen Mann hin zu einem indoktrinierten Soldaten, der vielleicht außerhalb der USA auch mal seine Militärbasis hätte verlassen sollen, damit er weiß, wovon er redet. Gerade in Kombination mit der zweiten Szene – wenn dem FBI-Chef von einem Mitarbeiter des Präsidenten im Weißen Haus Umfrageergebnisse zum Thema „Miliz“ mitgeteilt werden – kann ich nur den Kopf schütteln. Ich will gar nicht darüber philosophieren, ob es in der Realität so ist. Aber das fiktive Weltbild, das Lee Child hier zeichnet, wirkt verheerend. Ein Land, in dem zwischen 12 und 66 Millionen Menschen nicht für die Regierung sondern für bewaffnete Volksheere die Partei ergreifen würden, wo angeblich ganze Countys von Milizen kontrolliert würden und ein Verrückter es in Montana schafft, gleich die Führerschaft über mehrere Milizen an sich zu reißen die der US-Armee auf amerikanischem Boden nicht wenig Kriegsmaterial abnehmen kann, wird von Jack Reacher – der nach eigenen Worten überall war – als bester Ort auf der Welt angesehen. Wie übel muss diese Welt sein, von der Lee Child hier schreibt? Die reale kann es nicht sein und ich denke, dass ich nicht alleine mit der Ansicht dastehe, wenn ich sage, dass ich lieber hier in meinem schönen mitteleuropäischen Land bleibe, als in dieses fiktive (?) und ach so tolle Amerika umzuziehen. (Lee Child – gebürtiger Brite – ist übrigens in die USA ausgewandert.)
Bewertung: Vielleicht ist es kleinlich von mir. Aber die zuletzt beschriebenen Passagen im Buch demontieren den Charakter Jack Reacher für mich nachhaltig. Im Film „Jack Reacher“ (basierend auf dem 9. Reacher-Roman) brillierte der Charakter noch als hochintelligenter Ermittler mit ausgeprägten kämpferischen Fähigkeiten, aber einem Sinn für Fairness und trockenem Humor. In „Ausgeliefert“ findet man davon nichts. Entweder hat Lee Child später noch ordentlich an dem Charakter und an den Situationen, in die er ihn bringt, gefeilt. Oder Drehbuchautor Christopher McQuarrie hat einen wesentlich besseren Charakter geschrieben als dessen Erfinder.
Die Thematik von „Ausgeliefert“ ist ja grundlegend sehr interessant. Die Bösen sind herrlich psychopathisch. Der Schreibstil hält die Spannung über weite Strecken auf hohem Level, was für einen hohen Unterhaltungswert spricht. Normalerweise würde ich dem Roman ja 5 Sterne geben. Aber die erwähnten Passagen können wohl nur Amerikanern oder eingefleischte Fans des „American Way of Life“ gefallen. Weil hier Child offenbar zu sehr auf seine amerikanische Leserschaft abzielt und weil die ärgerlichste Passage auch noch völlig unnötig ist bzw. leicht relativierbar gewesen wäre, gibt es einen Stern Abzug. 4 Sterne gibt es für „Ausgeliefert“, das damit aber immer noch von mir deutlich besser bewertet wird als der erste Roman „Größenwahn“.
_________________________________
Diese und weitere Roman- und Comic-Rezensionen sowie meine eigenen Star Trek-Romane zum kostenlosen Download findet ihr auf meinem Blog:
| Romane, Treatments, Grafiken und noch ein bisschen mehr
Ankündigung
Einklappen
Keine Ankündigung bisher.
Jack Reacher-Romane von Lee Child
Einklappen
X
-
Ich habe selbst auch einige Tom Cruise-Filme hier stehen, aber letzten Endes ist der Kerl mir eben privat nicht so sympathisch wie er sein könnte. Im Gegensatz zu manchen Mädels in meinem Bekanntenkreis kann ich jedoch differenzieren und lehne ihn nicht gleich vollends ab. Er spielt schon gut.
In jedem Fall viel Spaß beim zweiten Roman. Ich sollte ihn auch nochmals lesen und finde, gerade weil die Teile eher unabhängig voneinander sind, muss man in der Tat nicht alle auf der Pfanne haben bzw. chronologisch lesen. Die Impression habe ich auch gehabt, als ich nur den 2. Teil gelesen habe.
Dass ein 2. Film kommt, habe ich auch schon im Web gelesen. Ich freue mich ebenfalls darauf und werde ihn mir dann wieder auf Scheibe holen.
Einen Kommentar schreiben:
-
Zitat von Remontoire Beitrag anzeigenIch war von der DVD ebenfalls sehr positiv überrascht.
Aus der überraschend umfangreichen Buchreihe hat mich aber nur ein Titel sehr angesprochen: "Ausgeliefert" - da geht es um hinterwändlerische, rechtradikale Terroristen innerhalb der USA."Ausgeliefert" ist ja ohnehin der zweite Roman der Reihe, werden den bald mal in Angriff nehmen. (Auch wenn man die Reacher-Romane lt. meinen Recherchen so ziemlich in wahlloser Reihenfolge lesen kann.)
Wenn ich mich aber noch korrekt dunkel an das Werk erinnere, war Reachers Aufräumaktion in etwa mit der im Film gegen Ende vergleichbar. Ich vermute mal, das ist charakteristisch für die Romane.Aber soll mir recht sein, wenn er gut und spannend geschrieben ist. (Wirkt wahrscheinlich auch besser, wenn dieser Showdown dann aus der Ich-Perspektive geschrieben ist, sondern die Gegner erst einmal rätseln, was Reacher vorhat.)
Die anderen werden sich wohl zu einem guten Teil auch qualitativ hochwertig verfilmen lassen. Bin gespannt, was da noch so kommt. Gerne auch mit Tom Cruise, obwohl seine privaten Angelegenheiten (Scientology) mir doch missfallen.
Einen Kommentar schreiben:
-
Ich war von der DVD ebenfalls sehr positiv überrascht.
Aus der überraschend umfangreichen Buchreihe hat mich aber nur ein Titel sehr angesprochen: "Ausgeliefert" - da geht es um hinterwändlerische, rechtradikale Terroristen innerhalb der USA.
Wenn ich mich aber noch korrekt dunkel an das Werk erinnere, war Reachers Aufräumaktion in etwa mit der im Film gegen Ende vergleichbar. Ich vermute mal, das ist charakteristisch für die Romane.
Die anderen werden sich wohl zu einem guten Teil auch qualitativ hochwertig verfilmen lassen. Bin gespannt, was da noch so kommt. Gerne auch mit Tom Cruise, obwohl seine privaten Angelegenheiten (Scientology) mir doch missfallen.
Einen Kommentar schreiben:
-
Jack Reacher-Romane von Lee Child
Einer meiner Lieblingsfilme des Jahres 2013 war „Jack Reacher“, ein Krimi-Thriller rund um einen Ermittler mit sehr eigenem Charakter – dargestellt von Tom Cruise – der eher zufällig in eine Fall verwickelt wird, der für ihn nur am Beginn eindeutig erscheint. Die Geschichte des Films basiert auf Lee Childs 9. Jack-Reacher Roman „Sniper“ (Originaltitel „One Shot“), aber da mir der Film so gut gefallen hat, habe ich beschlossen, zumindest mal den ersten Roman der Reihe (die ab Herbst 2014 schon 19 Bücher umfassen wird) zu lesen – wenngleich Krimis nicht unbedingt mein favorisiertes Genre sind. Und auch „Größenwahn“ hat mich mitunter an diesen Umstand erinnert.
Rezension: „Größenwahn” – Ein Jack-Reacher-Roman
Wer ist Jack Reacher? Nun, das erklärt der Roman schon sehr bald, denn Reacher wird in einer Kleinstadt in Georgia kurz nach seinem Eintreffen verhaftet und ihm wird ein Mord auf einem Lagerhauskomplex innerhalb der Gemeindegrenzen von Margrave vorgeworfen. Obwohl er nachweislich zum Zeitpunkt des Mordes noch gar nicht in der Stadt war, muss er der Polizei Rede und Antwort stehen, wobei der Leser Folgendes über den “Helden” dieser Geschichte erfährt:
Bis vor 6 Monaten war der inzwischen 36jährige Jack Reacher Militärpolizist bei der U.S. Army, hat fast sein ganzes Leben auf Stützpunkten in aller Welt verbracht und genießt nun erstmals in seinem Leben Freiheit und reist mehr oder weniger ziellos durch die Vereinigten Staaten. Kein fester Wohnsitz, kein Gepäck, nur per Bus quer durchs Land unterwegs und immer spontan bei der Auswahl seiner Zwischenstopps. Den Zwischenstopp in Margrave hätte er sich jedoch gerne erspart, wenn er gewusst hätte, dass er ein Wochenende in U-Haft verbringen muss – zusammen mit einem anderen Tatverdächtigen aus der Gegend, der Reacher aber keineswegs wie ein Mörder vorkommt. Stattdessen – auch zwangsläufig, da sie sich eine Zelle teilen müssen – bekommt Reacher von seinem Co-Insassen einiges zu hören, was er gar nicht hören will. Nämlich dass der Mann – sein Name ist Paul Hubble, der bei einer Bank in Atlanta arbeitet – tatsächlich Dreck am Stecken hat, wenn auch nicht freiwillig. Ohne zu konkret zu werden – was Reacher auch recht ist, denn Reacher will im Grunde nur seine Ruhe – erzählt Hubble, dass er in einer großen Sache verwickelt ist, ein gewaltiger Coup, an dessen Beteiligung er jedoch gezwungen wird, denn seine Familie wird bedroht. Nach diesem Wochenende ist Reacher das alles schon egal und er will schon weiterziehen, doch ehe er die nächste Bushaltestelle ansteuern kann, kommt eine Tatsache ans Licht, mit der Reacher nicht gerechnet hätte. In dieser Kleinstadt namens Margrave, etwas auswärts von Atlanta gelegen, kreuzen sich nach vielen Jahren die Wege von Jack Reacher und seinem Bruder Joe. Denn Jack Reacher ist auf der Durchreise und Joe die Leiche, die bei den Lagerhäusern gefunden wurde. Dem nicht genug verschwindet Paul Hubble nach der Entlassung aus der U-Haft spurlos und der Polizeichef von Margrave und dessen Frau werden bestialisch hingerichtet in ihrem Haus aufgefunden. Ein Fall, der Reacher bis dato überhaupt nicht interessiert hat, wird nun zur Besessenheit des akribischen Ermittlers und ihm fallen spontan weitere Merkwürdigkeiten in dieser Kleinstadt auf, in der der Lagerhausbesitzer alles im festen Griff zu haben scheint und mit dem Geld nur so um sich wirft – wie eigentlich jeder in diesem verschlafenen Nest! Woher stammt dieser sonderbare Wohlstand, über dessen Ursprung niemand etwas verraten will? Und steht er in Zusammenhang mit dem großen Coup, von dem John Hubble gesprochen hat und der laut dessen Behauptung nur noch innerhalb einer Woche aufgedeckt werden kann? Fragen über Fragen und wann immer Reacher eine willige Auskunftsperson gefunden zu haben scheint, taucht diese kurz darauf als Leiche wieder auf.
Fazit: Vorweg sei gesagt, dass Lee Child den Roman aus Jack Reachers Ich-Perspektive geschrieben hat. (Was nicht auf alle Reacher-Romane zutrifft.) Ich persönlich finde diese Perspektive nicht besonders aufregend, würde auch nie einen Roman aus dieser Sicht schreiben, für einen Krimi ist es aber wahrscheinlich gar nicht schlecht gewählt, da man als Leser auch nie mehr Informationen erhält als der Ermittler. Etwas problematisch – und gleichzeitig interessant – ist, dass der Schreibstil natürlich der beschreibenden Person angepasst ist. Und Jack Reacher ist ein sehr wortkarger Mann, der direkt oftmals nur durch Schweigen und Schulterzucken kommuniziert. Entsprechend angepasst kurz, direkt und schmucklos sind ein Großteil der Sätze in diesem Roman. Wie gesagt passt dies perfekt zum Charakter dieses Ermittlers, ist aber nicht so schön zu lesen. So richtig in einen Lesefluss kommt man nicht, eigentlich bietet Lee Child dem Leser dadurch zu oft die Möglichkeit, aus der Geschichte auszusteigen. Und davon habe ich auch öfters Gebrauch gemacht. Selten, dass ich mal mehr als eine Stunde durchgehend mit diesem Buch verbracht habe, denn so wirklich spannend wird die Geschichte auch erst ab ca. der Mitte. Davor beschränkt sich viel auf rein distanzierte Beobachtung und viele Details, die für sich gesehen zwar nicht relevant sind, in ihrer Anhäufung aber in der zweiten Hälfte wichtig werden.
Die Ich-Perspektive bei einem nicht gerade auskunftsfreundlichen Charakter wie Jack Reacher hat noch einen weiteren Nachteil: Man erfährt nicht, was andere Leute über ihn denken. Reacher selbst ist das nämlich egal. Dabei ist Reacher selbst auch mit ein Grund, warum mir der Kinofilm so gut gefällt, Reacher ist nämlich schwierig auszumachen. Äußerlich gelassen, fast gleichgültig, präsentiert sich aber hochintelligent und zu Deduktion à la Sherlock Holmes fähig, wenn er erst einmal an einer Sache interessiert ist. Und er scheut auch nicht davor zurück, seine kämpferischen Fähigkeiten, die er beim Militär erlernt hat, einzusetzen. Während Reacher durchaus einen Hang zur Brutalität besitzt, kann er auch durchaus charmant sein. Es gibt einige Gegensätze bei diesem Charakter, die ihn im Film für mich interessant gemacht haben. Im ersten Roman gelingt das eher nicht. Man erfährt halt viele Fakten, bekommt aber nur wenige subjektive Eindrücke.
Der Fall selbst ist mit Leichen gepflastert und Lee Child scheut auch nicht vor unschönen Details zurück. Die Auflösung – warum diese Leute sterben mussten und welches Geheimnis die Verbrecherorganisation in Margrave verheimlichen wollte – ist dann nicht die ganz große Offenbarung, weil sie nicht ganz originell erscheint. Zugegeben: Bis zur Offenbarung selbst bin ich auch nicht auf die Idee gekommen, aber als ich sie las, kam sie mir schon bekannt vor. Lee Child ist aber hier auch sehr ehrlich und lässt Reacher sogar anmerken, dass der Coup gar nicht originell ist. Ein Pluspunkt ist jedenfalls der Schluss, wenn auch Aktionen gesetzt werden und Reacher selbst in Bedrängnis kommt – und schließlich zum Kollateralschaden reichen Gegenschlag.
Bewertung: Für mich ist der Roman etwas schwer zu bewerten, da ich wie gesagt ja nicht unbedingt ein Fan des Krimigenres generell bin. Wahrscheinlich werden sich Genrefans schon früher in die Handlung einfühlen können. Mir gelang dies erst ab der spannenderen zweiten Hälfte, während der Beginn doch etwas mühsam zu lesen war. Schade, vor allem im Vergleich zur Geschichte, die die Verfilmung von „Sniper“ bot, war ich von „Größenwahn“ nicht besonders beeindruckt. Daher gebe ich nur 3 von 6 Sterne. Aber die Reihe an sich habe ich deshalb noch nicht abgeschrieben. Ich werde als nächstes jedenfalls eine Reacher-Geschichte lesen, die nicht aus Reachers Ich-Perspektive erzählt wird. Vielleicht hilft das.
Anmerkung: Wer Krimis/Thriller im Kinoformat mag, dem lege ich den Film „Jack Reacher“ wirklich ans Herz. Er war für mich eine der Kinoüberraschungen des Jahres 2013. Wenngleich Fans der Romane zwar nicht begeistert darüber waren, dass mit Tom Cruise ein Schauspieler die Titelrolle spielte, der den äußerlichen Beschreibungen Reachers in den Romanen überhaupt nicht entspricht, ist „Jack Reacher“ ein sehr spannender Film und Cruise spielt diesen zwiespältigen „Helden“ wirklich hervorragend und interessant. Als ich den Film erstmals sah, hatte ich natürlich noch keinen der Romane gelesen, also bin ich recht unbefangen an den Film herangegangen.
Hier der Trailer zum Kinofilm (der wie gesagt nicht auf "Größenwahn" basiert, sondern auf dem 9. Roman "Sniper":
Jack Reacher - Trailer 2 (Deutsch | German) | HD | Tom Cruise - YouTube
_________________________________
Diese und weitere Rezensionen sowie meine Star Trek-Romane zum kostenlosen Download findet ihr auf meinem Blog:
| Romane, Treatments, Grafiken und noch ein bisschen mehrStichworte: -
Einen Kommentar schreiben: