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Jack Reacher-Romane von Lee Child

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    Rezension: "61 Stunden" - Ein Jack-Reacher-Roman

    Innerhalb von 61 Stunden spielen sich die Geschehnisse in Lee Childs 14. Jack-Reacher-Roman ab, in dem der ehemalige Militärpolizisten auf seiner ständigen Odyssee durch die Vereinigten Staaten in South Dakota regelrecht strandet. Nahe der Stadt Bolton bleibt der Bus, in dem Reacher mitreist, mitten im dichtesten Schneetreiben liegen.
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    Zwanzig, dreißig Grad Celsius unter dem Gefrierpunkt und eine dicke Schneedecke, unter der die Landschaft versinkt. Willkommen in Bolton, dem zumindest klimatisch unfreundlichsten Ort, an den es Reacher seit dem Ende seiner Militärlaufbahn verschlägt.
    Wie es der Zufall ist, erweist sich sein ungeplanter Aufenthalt in dieser Stadt jedoch als pures Glück für die hiesige Polizei, die vor zwei großen Herausforderungen steht: Zum einen ist sie verantwortlich für den Schutz einer Kronzeugin, die gegen das Oberhaupt einer Biker-Bande aussagen soll, die mit Drogen handelt und einen verlassenen Militärstützpunkt knapp außerhalb der Stadt in Besitz genommen hat. Anderseits jedoch hat sich die Stadt auf einen lukrativen, wenn auch für die Kronzeugin außerordentlich gefährlichen Deal eingelassen. Denn die drei Gefängnisse – der größte Wirtschaftsfaktor von Bolton – wurden nur deshalb dort erbaut, weil die Stadt vereinbarte, dass sämtliche Polizisten – ohne Ausnahme – zum Gefängnis auszurücken haben, wenn die Sirene ertönt. Ein Ausbruch oder gar nur ein kleiner Aufstand und die Kronzeugin wäre gänzlich ungeschützt. Und der Verdacht liegt nahe, dass die Biker gezielt einen Zwischenfall im Gefängnis provozieren wollen, um Gelegenheit zu erhalten, die Zeugin zu beseitigen. Ein glücklicher Zufall also, dass die Ein-Mann-Armee namens Jack Reacher gerade in der Stadt ist, die im Ernstfall für die Polizei einspringen kann.
    Die Verurteilung des Biker-Bosses voraussetzend, bereitet sich die Polizei auch schon darauf vor, den vor Jahrzehnten aufgegebenen Militärstützpunkt und das darin vermutete Drogenlabor zu stürmen, doch der Grund für den Bau der Anlage – die nie in Betrieb gegangen ist – ist der Polizei genauso unbekannt wie der Grundriss. Reacher telefoniert ein wenig rum und gerät schließlich an Susan Turner, seine Nachfolgerin als Leiterin der 110ten MP-Einheit. Doch auch mit ihrer Hilfe setzt sich das Puzzle nur nach und nach zusammen. Erst ein Lokalaugenschein ermöglicht Reacher herauszufinden, dass dem alten Militärstützpunkt demnächst wichtiger Besuch bevorsteht …
    Fazit: Wie die meisten Romane, in denen es Reacher in eher abgelegene, ländliche Gegenden verschlägt, kann auch „61 Stunden“ sehr durch das von Lee Child beschriebene Ambiente überzeugen. Die ungemütliche Kälte, das flache, einsame, weite Land, das Bolton umgibt und eine eher vertrauliche, kleinstädtische Atmosphäre, in der jeder mit jedem mehr oder weniger gut bekannt ist, bilden den Rahmen für einen interessanten Krimi, der dem Leser genauso wie Reacher häppchenweise mit neuen Informationen versorgt, bis sich das Bild am Ende zusammensetzt. Jedes Teil scheint zu passen, die eine oder andere kleine Überraschung ist auch dabei (die größte personelle Überraschung ist aber etwas weniger gut versteckt). Reacher muss in diesem Roman gleich in mehrere Rollen schlüpfen. Einerseits ist er als Detektiv unterwegs, will das Geheimnis des aufgegebenen Militärstützpunkts in Erfahrung bringen. Zum anderen ist er aber auch Beschützer einer Zeugin. – Nein, nicht was manche jetzt vielleicht denken. Die Dame ist doch deutlich älter als Reacher.
    Interessant ist hierzu auch festzuhalten, dass „61 Stunden“ der erste Reacher-Roman ist, in dem es kein „Reacher-Girl“ gibt. Wobei er zu Susan Turner – mit der er jedoch nur telefoniert – eine durchaus sehr interessante persönliche Beziehung aufbaut und soweit ich weiß, wird sie in den folgenden Romanen ebenfalls eine Rolle spielen.
    Das Wissen darum, dass es noch weitere Reacher-Romane gibt, nimmt dem Ende von „61 Stunden“ aber auch etwas die Spannung. Nach einem wahrlich bombastischen Schluss lässt der Roman nämlich offen, ob Reacher aus der Sache noch heil herausgekommen ist. Hat Lee Child mit dem Gedanken gespielt, den 14. Reacher-Roman zum letzten zu machen – und eventuell mit Susan Turner als Hauptcharakter fortzufahren? Zumindest hatte ich diesen Eindruck am Schluss.
    Bewertung: Ein starker Roman! Spannend und interessant, mit ganz eigenartiger Stimmung und verstärktem Schwerpunkt auf Reachers Charakterisierung. Auch dieser Roman ist vielleicht nicht die beste Lektüre für den Strand (siehe hierzu auch meine Rezension zu „Der Janusmann„), aber vielleicht genau das Richtige für kalte Winternächte. So oder so erhält „61 Stunden“ von mir 5 von 6 Sterne.


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  • MFB
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    Zitat von SF-Junky Beitrag anzeigen
    Ansonsten hält sich das Niveau relativ gut. Nichts, was mich jetzt total vom Hocker reißen würde, aber man kann ganz gefällig darin lesen. Es fällt schon auf, dass gewisse Elemente sehr repititiv sind, z.B. unfähige bzw. korrupte Polizisten. Außerdem ist der Spannungsaufbau oft doch recht gemächlich. Insgesamt wissen die Stories und die Twists aber zu überzeugen.
    Ja, ich mag die Romane, wenngleich sie natürlich sicher nicht das allerbeste sind, das je geschrieben wurde. Allerdings lese ich ansonsten kaum Geschichten des Krimi/Thriller-Genres, insofern haben für mich die Recher-Romane persönlich ein Alleinstellungsmerkmal, das für andere Leser, die mehr in diesem Genre lesen, natürlich nicht existiert. Gute Unterhaltung sind sie aber meistens doch, aber es stimmt, das vor allem in den letzten paar Romanen die Handlung ein bisschen schneller hätte voranschreiten können. Vom dritten bis neunten Roman an war die Reihe aber wirklich auf sehr konstantem Niveau. Seither schwankt es wieder stärker.

    Mal sehen, ob ich es schaffe, bis zum Kinostart des 2. Reacher-Films im Herbst, der auf dem 18. Roman basiert, die vorherigen 17 Romane zu lesen, so dass ich den 18. gleich nach dem Kinobesuch anschließen kann. Vier fehlen mir noch auf dieses Ziel, also bin ich auf einem guten Weg. Aber es kommt heuer auch viel Star Trek-Literatur raus, von der ich einiges rezensieren möchte.

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  • Gast
    Ein Gast antwortete
    Ich habe auch damals, nachdem ich vom Film total begeistert gewesen war, angefangen die Roman-Reihe zu lesen. Aber ich ziehe das nicht so stringent durch wie MFB. 2014 habe ich den ersten Teil gelesen, der mir bisher auch am besten gefallen hat. Letztes Jahr waren Bände zwei bis vier dran und vor ein paar Wochen habe ich mir den fünften und sechsten gekauft. Der zweite Teil war bisher der schwächste, das mE alles ein wenig arg dick aufgetragen, ich sehe einfach auf bodenständigere Stories. Ansonsten hält sich das Niveau relativ gut. Nichts, was mich jetzt total vom Hocker reißen würde, aber man kann ganz gefällig darin lesen. Es fällt schon auf, dass gewisse Elemente sehr repititiv sind, z.B. unfähige bzw. korrupte Polizisten. Außerdem ist der Spannungsaufbau oft doch recht gemächlich. Insgesamt wissen die Stories und die Twists aber zu überzeugen.

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  • MFB
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    Rezension: "Underground" - Ein Jack-Reacher-Roman

    Noch nie war der “deutsche” Titel eines Jack Reacher-Romans so treffend wie es “Underground” ist (Originaltitel “Gone Tomorrow”). Der durch die USA herumziehende Ex-Militärpolizist ist wieder einmal in New York unterwegs und an seiner Seite erkundet der Leser nicht nur das U-Bahn-Netz dieser Stadt, sondern erlebt auch, wie eine “halbe” Fehleinschätzung Reachers ihn in einen sich anbahnenden politischen Skandal hineinzieht.

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    Aber alles der Reihe nach. Wie man anhand des Titels erwarten kann, beginnt die Geschichte in der U-Bahn. Eines Nachts fährt Reacher in diesem öffentlichen Verkehrsmittel quer durch New York, der Wagen ist beinahe leer und als sich Reacher die mitfahrenden Fahrgäste so ansieht, verharrt sein Blick auf einer Frau. Jedoch nicht, weil sie so dermaßen attraktiv ist, sondern weil ihr so gut wie jedes feststellbare Anzeichen einer Selbstmordattentäterin anhaftet. Reacher unternimmt den Versuch, ruhig auf sie einzureden – und muss feststellen, dass seine Vermutung nur zur Hälfte korrekt war. Attentäterin nein – Selbstmord ja. Mit einer Kugel aus einem Revolver nimmt sich die sichtlich verzweifelt auf Reachers Annäherung reagierende Frau das Leben.

    Es folgt eine polizeiliche Befragung wie auch eine weitere Befragung durch Bundesbeamte, die Reacher schnell und ehrlich hinter sich bringt. Doch mit dem Verlassen des Polizeireviers hat die Sache noch kein Ende für ihn. Eine weitere Gruppierung, die Reacher nicht zuordnen kann, passt ihn am Ausgang ab und stellt weitere Fragen, die Reacher schließlich auf die Idee bringen, seine eigenen Nachforschungen anzustellen um die Hintergründe für den Selbstmord zu verstehen. Wie sich herausstellt, arbeitete die Tote im Personalarchiv der U.S. Army und hat dort nach etwas gesucht, von dem ein Senator in Washington fürchtet, es könnte ausgerechnet in einem Wahljahr für einen gewaltigen politischen Skandal sorgen. Doch haben der Senator und sein Leibwächter so viel Druck auf die Frau ausgeübt, der sie schließlich in den Selbstmord trieb? Er steckt die andere Seite dahinter, die von der Archivangestellten unbedingt eine bestimmte Information erhalten wollte?

    Fazit: Obwohl der Einstieg in diesen Roman mit Reachers eingehender Analyse der späteren Selbstmörderin sehr intensiv und spannend beschrieben wird, hat sich “Underground” dannach doch ein wenig gezogen. Ziemlich lange ist klar, dass Reacher Lügen aufgetischt werden, aber es dauert eine Weile, ehe sich die Wahrheit Stück für Stück entfaltet. Der große Showdown danach ist dann wiederum sehr gelungen, wenn auch vielleicht eines der größten Heldenstücke von Jack Reacher, der sich die Bezeichnung “Ein-Mann-Armee” in diesem Roman redlich verdient. Und es ist durchaus ein effektiver Twist, wenn sich herausstellt, welche Organisation eine der beiden um die Information ritternden Gruppierungen in Wahrheit vertritt. Ein Manko ist jedoch, dass bis zum Schluss weder Reacher noch der Leser erfahren, warum diese Gruppierung so scharf auf diese Information war, um sich mit gut zwanzig Handlangern in New York zu verschanzen.

    Das Thema “New York” ist natürlich ein sich wiederholendes. “Underground” dürfte nun wohl der vierte Reacher-Roman sein, dessen Handlung hauptsächlich in der Ostküstenmetropole spielt. Jack Reacher kommt viel herum, aber weshalb es ihn dennoch ausgerechnet so häufig nach New York verschlägt, bleibt ein Geheimnis. Mit der sehr ausführlichen Beschreibung der U-Bahnen dürfte Autor Lee Child so ziemlich das letzte Potenzial aus diesem Schauplatz herausgequetscht haben. Mir persönlich ist es lieber, wenn Reacher eher “exotischere” Orte innerhalb der U.S.A. aufsucht. Orte, an denen er weniger anonym agieren kann als in einer Großstadt – wenngleich ich an manchen Stellen in “Underground” doch den Eindruck hatte, als wäre in New York jeder Ort nur Minuten zu Fuß oder eine U-Bahn-Haltestelle entfernt und als konzentriere sich die Handlung wirklich nur auf ein paar wenige benachbarte Häuserblocks.

    Bewertung: “Underground” bietet spannende Momente und zumindest einen wirklich sehr überraschenden Twist. Ebenfalls positiv empfand ich die Darstellung von Reacher, der hier nicht den wilden Berserker spielt – und sich dennoch ganz am Ende trotzdem vorwerfen lassen muss, beim großen Finale emotionaler gehandelt zu haben als für ihn gut war. Vielleicht eine späte Einsicht des Autors, der zumindest einmal (im Roman “Trouble“) seine eigene Schöpfung nicht unter Kontrolle hatte. In “Underground” funktioniert die pragmatischer ausfallende Charakterisierung Reachers dafür wieder sehr gut. Die erzählte Story ist in Ordnung, aber im mittleren Drittel zieht sich die Handlung wie unter U-Bahn-Sitze geklebter Kaugummi. 4 von 6 Sterne für einen soliden wenn auch nicht überragenden Action-Thriller sind aber wohl in Ordnung.

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  • MFB
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  • MFB
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    Rezension: „Outlaw” – Ein Jack-Reacher-Roman

    Der elfte Jack Reacher-Roman von Lee Child konfrontierte die Hauptfigur mit einer für sie recht ungewöhnlichen Situation und leider resultierte dies meiner Meinung nach in einen ungewöhnlich schlechten Reacher-Roman. Die 12. Geschichte rund um den unabhängigen Ex-Militärpolizisten Jack Reacher ist wieder etwas “gewöhnlicher” geworden, was nach meiner Enttäuschung über den Vorgängerroman aber absolut positiv zu verstehen ist.
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    Jack Reacher hat seit seinem Zwangsruhestand jede Menge Zeit und so überrascht es wohl nicht, dass ihm eines Tages während seines Aufenthalts in Calais, Maine – dem letzten größeren Ort im Nordosten der USA – die Idee kommt, auf möglichst geradem Wege nach San Diego – dem letzten größeren Ort um Südwesten – zu reisen. Zu Fuß, per Anhalter, per Bus schlägt er sich bis nach Colorado durch, ehe er eine falsche Entscheidung trifft. Vor die Wahl gestellt, der Straße nach Süden oder der Straße nach Osten zu folgen, entscheidet sich Reacher aufgrund der vor ihm liegenden interessanten Ortsnamen für den Weg nach Osten. Die Stadt “Hope” erscheint ihm noch sehr gastfreundlich, doch in “Despair” angekommen wird ihm schon kurz nach seiner Ankunft bereits beim Besuch eines Cafés von ein paar Jungs ungewöhnlich aggressiv klar gemacht, dass Fremde hier nicht willkommen sind. Kaum liegt der erste mit blutender Nase auf dem Asphalt fährt auch schon der Sheriff vor, der erklärt, bei den Jungs handelte es sich um Deputies und Reacher wird vor den Richter geschleppt. Obwohl Gewaltanwendung gegen einen Deputy kein geringes Vergehen ist, ist Reacher doch überrascht darüber, dass er lediglich wegen Landstreicherei angeklagt wird und zur Strafe einfach aus Despair verbannt wird. Man setzt ihn einfach an der Grenze zu Hope aus und Reachers Interesse, was in Despair vorgeht ist geweckt. Warum will man in dieser Firmenstadt, in der fast alle in der örtlichen, gigantischen Metallrecycling-Anlage arbeiten keine Besucher? Was führt der ultra-religiöse Firmenchef im Schilde, der fast jede Nacht mit einem kleinen Propellerflugzeug abhebt? Warum tauchen in Hope ständig junge Frauen auf, die vermuten, ihre Ehemänner wären in Despair untergtaucht? Warum sehen die Bewohner von Despair alle krank aus? Und warum hat die U.S. Army einen Militärpolizeistützpunkt gleich westlich von Despair errichtet? Fragen über Fragen, zu denen es – wie Reacher herausfindet – weit mehr als nur eine einzige Antwort gibt.

    Fazit: “Outlaw” vermittelt gleich von Beginn ordentlich Lokalkolorit – und das obwohl die beiden im Mittelpunkt des Geschehens stehenden Städte”Hope” und “Despair” (“Hoffnung” und “Verzweiflung”) rein fiktiv sind. Jack Reacher allein auf sich gestellt in einer nur schwach besiedelten Gegend, der gegen ihm entgegenschlagende Feindseligkeit und unwegsames Terrain ankämpfen muss, ist schon mal eine sehr gelungene Ausgangssituation und es hilft auch, dass Reachers Schwierigkeiten erst so richtig mit der Konfrontation mit den Deputies beginnen, aus der ein witziger Dialog auch in den ersten Reacher-Kinofilm Eingang gefunden hat. Grundsätzlich ist “Outlaw” durchaus mit gelungenem Humor gespickt. Die Passage, in der Reacher zum Richter von Despair fährt, ihm mitteilt, er habe sämtliche Polizikräfte der Stadt – in Notwehr natürlich – krankenhausreif geprügelt und vorschlägt, der Richter solle Reacher als Deputy vereidigen, ist der Hammer!

    Da es in der Geschichte gleich mehrere mysteriöse Vorkommnisse gibt, denen Reacher auf der Spur ist, ist sie auch alles andere als vorhersehbar. Man ist sich als Leser nie wirklich im Klaren, welche Vorkommnisse und Entdeckungen von Reacher bei dessen Nachforschungen im direkten Zusammenhang stehen. Das Bild setzt sich erst langsam zusammen und so bleibt der Roman durchgehend spannend. Wenn man auf einen Handlungsstrang hätte verzichten können, dann – wie so oft – auf das Reacher-Girl.

    Reacher selbst kommt in “Outlaw” glücklicherweise wieder bedeutend sympathischer rüber als der sadistische Psychopath, den er in “Trouble” gegeben hat. Und wohl zum allerersten Mal äußerst sich Reacher in einem der Romane ganz direkt und sehr kritisch zur amerikanischen Politik, was man ihm aufgrund seines bereits bekannten beruflichen Backgrounds auch problemlos abnimmt und grundsätzlich spiegelt sich darin auch absolut sein Charakter wider. Er agiert hier wieder wesentlich professioneller, ausgewogener, dosierter. Reacher ist kein Berserker, der alles niederreißen will, sondern nach “Bedrohungslage” agiert. Im vorangegangenen Roman hat Lee Child das vergessen, in “Outlaw” diesen Charakterzug hingegen sogar noch deutlicher betont als je zuvor. Vielleicht als Ausgleich, jedoch am Schluss übertreibt es Reacher vielleicht etwas. Anderseits tut er den Bösen eigentlich nichts anderes an, als dass er einen Telefonanruf tätigt.

    Bewertung: Der 12. Reacher-Roman hat wieder Spaß beim Lesen gemacht. Viele kritisieren zwar, dass Reacher nicht viel mehr tut, als über verschiedenste Wege zwischen Hope und Despair hin und her zu pendeln, aber jeder Ausflug in die Stadt, aus der Reacher verbannt wurde, bringt neue Erkenntnisse und es gibt jede Menge Mysterien, die zum Miträtseln einladen. Von mir gibt es für einen “klassischen” Reacher-Roman mit einigen für die Reihe originellen Einfällen 5 von 6 Sterne.
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    Zuletzt geändert von MFB; 29.02.2016, 13:26.

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  • MFB
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    Rezension: „Trouble” – Ein Jack-Reacher-Roman

    Über den Jahreswechsel stand bei mir wieder einmal ein neues Abenteuer von Jack Reacher auf dem Programm. Der elfte Roman der Reihe erweist sich aber als alles andere als ideal, um auf das Jahr 2016 einzustimmen, in dem eine neue Jack Reacher-Verfilmung (zum 18. Roman) im Kino starten wird. (Deutscher Kinostart von „Never go back“ am 3. November.)

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    Dabei bietet der Roman „Trouble“ eine durchaus interessante Prämisse, denn Reacher ist diesmal nicht als Einzelkämpfer unterwegs, sondern arbeitet mit Freunden – drei ehemalige Kameraden jener Sondereinheit, die er gegen Ende seiner Militärpolizei-Laufbahn befehligt hatte – an der Aufklärung von Morden, die an den restlichen vier Mitgliedern der Sondereinheit begangen wurden. Über der Wüste nahe Los Angeles wurden diese einfach aus luftiger Höhe aus einem Hubschrauber geworfen. Getreu ihrem Motto „Mit der Sondereinheit legt man sich nicht an“ schwören die vier verbliebenen Mitglieder Rache, doch an wem ist anfangs unklar. Nach dem Ende ihrer Karrieren bei der Army ist jeder seinen Weg gegangen und so müssen die vier Überlebenden zuerst einmal herausfinden, warum sich die anderen vier wieder getroffen haben. Wer hat wen zuerst kontaktiert? Wer hatte ein Problem, das er alleine nicht lösen konnte und Verstärkung angefordert? Und mit welchem mächtigen Gegner haben sie sich angelegt, der fähig war, vier der besten Militärpolizisten mit denen Reacher je zusammengearbeitet hatte, eine Falle zu stellen und zu töten? Fakt ist nur, dass sehr viel Geld im Spiel war.

    Fazit: Den einen oder anderen vertrauten Namen aus vorangegangenen Reacher-Romanen finden wir in „Trouble“ wieder und über weite Strecken gelingt es Autor Lee Child sehr gut, Reacher zu einem Teamplayer zu machen. In diesem Roman allein erfährt man über die anderen Mitglieder der Sondereinheit mindestens genauso viel wie über Reacher selbst. „Trouble“ ist also ein wirklich gut gelungenes Ensemble-Stück mit vier auf Augenhöhe stehenden Ermittlern. Insofern kann man den Roman wirklich als gelungen bezeichnen, denn die vier Hauptfiguren interagieren sehr überzeugend und man kann sich problemlos vorstellen, wie Reacher einst mit ihnen zusammengearbeitet hat.

    Allgemein kann ich durchaus festhalten, dass „Trouble“ ein unterhaltsamer Roman ist, solide geschrieben und dank der Teamarbeit grenzt er sich auch von den anderen Reacher-Romanen erfrischend ab. Doch es gibt ein paar sehr gravierende Negativpunkte.

    Zum einen ist der Roman etwas zu lang. Dass der zwischenzeitliche Ausflug nach Las Vegas nichts bringt, war von Anfang an vorherzusehen. Zu absurd wirkt diese falsche Fährte rund um einen riesigen Betrug. Viele Filme haben uns gezeigt, wie penibel die Casino-Betreiber sind, wenn es um ihr Geld geht. Es scheint völlig unmöglich, dass fast 200 Millionen Dollar über Monate hinweg über manipuliertes Glücksspiel abhandenkommen könnten. Diesen Ausflug – gut ein Siebentel des Buches – hätte sich Lee Child also sparen können. Genauso wie die Verschandelung seines „Helden“.

    Jack Reacher als Helden zu bezeichnen ist angesichts seiner Vorgehensweisen zwar ohnehin etwas übertrieben, aber auch wenn er sich in einer gesetzlosen Sphäre aufhält, folgt er doch mehr oder weniger einem vorhersehbaren Gerechtigkeitssinn. Wer gut und wer böse ist, steht für ihn meist sehr schnell fest und wird auch dem Leser der Romane nicht lange vorenthalten. Reacher hat es meistens mit wahren Monstern zu tun, aber selbst mit diesen rechnet er meistens schnell und auf direktem Wege ab. Zudem rettet er durch dieses schnelle und direkte Vorgehen auch oft die Leben von Menschen, die sich nicht selbst zur Wehr setzen können, die einfach nicht die Fähigkeiten von Reacher besitzen. Und genau das trifft bei „Trouble“ leider nicht zu.

    Die Mitglieder der Sondereinheit waren die Besten der Besten, von Reacher handverlesen, alle mit den Fähigkeiten von Reacher selbst, sei es im Umgang mit Waffen, bei der Aufdeckung von Geheimnissen oder im Zweikampf. Diese vier Toten schwören Reacher und die Überlebenden im Laufe des Romans mehr als nur einmal zu rächen und alle möglichen Grausamkeiten anzutun, während er mit andern Monstern, die anderen Leuten weit Schlimmeres angetan haben oder dies beabsichtigten, lediglich kurzen Prozess gemacht hat. Ein gezielter Schuss und die Bestien in Menschengestalt waren erledigt. Der Racheschwur passt einfach so überhaupt nicht zu Reacher, vor allem da die Emotion bei ihm fehlt. Es wirkt, als rechne sich Reacher einfach aus, dass er die vier getöteten Männer eine gewisse Zeit lang gut kannte und jetzt der logische Schluss wäre, sie zu rächen. Mehr steckt nicht dahinter, nichts Persönliches oder die Angst davor der nächste zu sein. Nein, nur eine nicht nachvollziehbare Verpflichtung, bei der man nebenbei auch noch „Beute“ machen könnte. Ganz plötzlich macht Lee Child aus seinem Hauptcharakter auch noch einen von Zahlenspielen Besessenen. Selbst Mister Spock wäre fasziniert von Reachers plötzlichen Rechenkünsten.

    Trauriger Tiefpunkt der Geschichte ist Reachers Mord am Hubschrauberpiloten. Mir fällt auf Anhieb kein anderer „Gegner“ von Reacher ein, der auf so grausame Weise umgebracht wurde, der keinerlei Widerstand leistet und den Reacher auch noch kurz davor bewusst täuscht, indem er andeutet, er würde ihn verschonen. Die wahren Hintermänner und Ausführenden der vier Morde bekamen verglichen dazu recht gnädige Tode von Reacher spendiert, aber mit dem Pilot, der „nur“ wegen ganz simpler, grundlegender Existenzangst mit den Mördern kooperiert hat, spielt Reacher ein wirklich makabres Spiel.

    Bewertung: Tja, es hätte mich nicht im Geringsten gestört, wenn Reacher in diesem Roman aus dem Hubschrauber gestürzt wäre. Man sollte meinen, bei einer Romanreihe, die nur von einem Autor verfasst wird, hätte dieser seine Hauptfigur im Griff. Aber in „Trouble“ – übrigens ein sehr passender Titel – beschreibt er wohl jemand anderen. Oder er konzentriert sich hier auf Facetten des Charakters, die ihn einfach nur abstoßend wirken lassen. Obwohl das Team in diesem Roman gut funktioniert, war es vielleicht doch ein Nachteil, den Fokus nicht auf Reacher zu legen, aber ich glaube nicht, dass noch mehr Erläuterung ihn in dieser Geschichte plausibler hätte erscheinen lassen. Also hoffentlich behält Lee Child diese Art der Darstellung von Reacher in den folgenden Romanen nicht bei – oder schreibt ihn in eine Geschichte hinein, die es nicht erfordert, dass er ähnlich handeln könnte wie in „Trouble“. Diesem problematischen Roman gebe ich lediglich 2 Sterne.

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  • MFB
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    Rezension: „Way out” – Ein Jack-Reacher-Roman

    Jack Reacher ist – wie so oft – wieder einmal zur falschen Zeit am falschen Ort. Seine ziellose Wanderung durch die Vereinigten Staaten hat ihn nach New York geführt. In einem Café sitzend wird er eines Abends Zeuge einer an sich gewöhnlichen Szene: Auf der gegenüberliegenden Straßenseite sperrt ein Mann ein Auto auf, steigt ein und fährt davon. Und wäre Reacher nicht am nächsten Tag erneut zur selben Zeit in diesem Café gesessen, ihm wäre so mancher Ärger erspart geblieben – und er hätte selbst anderen viel Leid ersparen können.

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    Wie sich herausstellen sollte, handelte es sich bei dem Mann, den Reacher am Tag zuvor beobachtet hatte, um einen Geiselnehmer, der Lösegeld – im Auto deponiert – entgegennahm. Da die Geiseln – Ehefrau und Stieftochter des zwielichtigen Geschäftsmanns Edward Lane – auch 24 Stunden später noch nicht freigelassen wurden, suchen Lanes Angestellte – alles Ex-Militärangehörige, denn Lane führt einen „privaten Sicherheitsdienst“ (besser gesagt Söldner) – nach Augenzeugen und stoßen auf Reacher, dessen Vergangenheit als Ex-Militärpolizist ihnen in dieser Situation natürlich hilfreich erscheint. Reacher lässt sich von Lane anheuern und erfährt die ganze Geschichte: Vor Jahren wurde bereits Lanes erste Ehefrau Opfer einer Entführung und obwohl Lane die Polizei rausgehalten und kooperiert hat, wurde sie schließlich tot aufgefunden. Nun fürchtet er, dass sich die Geschichte wiederholen könnte und mit jeder weiteren Lösegeldforderung und längerer Gefangenschaft der beiden Entführten scheint die Wahrscheinlichkeit zu steigen, dass auch diese Geschichte ein schlechtes Ende nehmen könnte.

    Während sich Reacher auf die Suche nach den Entführern macht, wird er jedoch von der Schwester von Lanes erster Ehefrau kontaktiert und mit einer Theorie konfrontiert, die all seine Annahmen auf den Kopf stellen sollte: Lanes erste Frau wollte sich angeblich von ihm trennen, aus Rache und weil er ein sadistischer Dreckskerl ist, fingierte Lane ihre Entführung und ließ seinen einzigen Komplizen kurze Zeit später bei einem Einsatz in Afrika zum Sterben zurück. Auf der Suche nach der Wahrheit konzentrieren sich Reachers Nachforschungen auf einen Kumpel des Toten, der es lebend aus Afrika raus und zurück in die USA geschafft hat. Vielleicht könnte ja dieser die Theorie von der fingierten Entführung bestätigen – oder hat sich selbst davon inspirieren lassen um nun an Edward Lane Rache zu nehmen. Aus irgendeinem unbestimmbaren Grund zweifelt Reacher nämlich daran, dass auch diese Entführung vorgetäuscht ist und Lane tatsächlich Millionen von Dollar abgeluchst werden sollen. Dass Reacher mit seiner Vermutung richtig liegt und welche Absichten tatsächlich hinter der Entführung liegen, offenbart sich Reacher jedoch viel zu spät.

    Fazit: Jack Reacher ist ein guter Ermittler, aber auch in der Vergangenheit nicht als perfekt dargestellt worden. Falsche Fährten verfolgt auch er und nicht zum ersten Mal zieht er falsche Schlüsse. In „Way out“ dürfte es aber zum ersten Mal passieren, dass seine falsche Schlussfolgerung die Situation für viele Leute, die eigentlich seines Schutzes bedurft hätten, deutlich verschlimmert. Autor Lee Child macht in diesem Roman eigentlich einen guten Job, die Wahrheit hinter all den Ereignissen zu verschleiern; es ist eine Ansammlung von Kleinigkeiten, die mich dennoch relativ früh erahnen ließen, dass die Entführung ganz anders abgelaufen ist, als Reacher die längste Zeit annimmt. Es waren gar nicht so sehr seine Beobachtungen (die der Autor am Beginn geschickt heruntergespielt hat), sondern mehr die Fragen, die sich Reacher selbst stellt. Wenn der Held in dieser Geschichte ein merkbares Manko aufweist, dann fehlende Vorstellungskraft. Er denkt hier etwas zu konservativ, schiebt unbeantwortete Fragen für später zur Seite anstatt nach dem Sherlock Holmdes-Kredo vorzugehen: Ist das Unmögliche ausgeschlossen bleibt nur noch die Wahrheit, egal wie unwahrscheinlich sie auch erscheinen mag.

    Allerdings gefiel es mir, wie Reacher dann doch regelrecht über sich selbst schockiert erkennt, welchen Schlamassel er gerade im Begriff ist anzurichten und seinen Kurs nicht mehr rechtzeitig ändern kann, um Schaden von guten Menschen abzuhalten.

    Aber wenngleich es Reacher gewohnt ist, von einem Ort zum nächste zu ziehen, kann man ihm doch attestieren, nichts unerledigt zurückzulassen und verhindert Schlimmeres. Wobei ich mir von der „Endkampf“-Situation lange Zeit mehr erwartet hätte. Es wirkt, als würde Reacher ausnahmsweise mal einen Ort verteidigen, doch dann dreht sich die Situation schließlich und es wird dann ein relativ typischer Angriffsplan daraus. Positiv ist jedenfalls, dass der Showdown in England stattfindet. Lee Child stammt ja selbst aus Großbritannien und man merkt in letzten Viertel des Romans, dass er sich hier wirklich gut auskennt und lässt viele lokale Eigenheiten einfließen.

    Warum Reacher am Beginn des Romans ausgerechnet in New York ist, wird übrigens nicht erwähnt. New York war schon Schauplatz von zwei vorangegangenen Reacher-Romanen und es wirkt ungewöhnlich, wenn ein Vagabund wie Jack Reacher mehrmals die gleiche Stadt besucht. Eventuell steht die Schauplatzwahl in Zusammenhang mit dem Thema „private Sicherheitsdienste“, die ja von der US-Regierung vor allem medial bekannt im Irak und in Afghanistan eingesetzt wurden. 9/11 bzw. Ground Zero finden zumindest auch Erwähnung in dem Buch, auch wenn der Zusammenhang nicht direkt ausgesprochen wird.

    Bewertung: Im Grunde ein guter Roman, vielleicht etwas zu lang geraten und mit etwas verschenktem Potenzial am Ende. Aber Child gelingt es hier sehr gut, nicht nur Reacher überzeugend – und diesmal mit offensichtlichem menschlichen Fehler – darzustellen, sondern auch eine große Anzahl von Protagonisten. Gut 30 Personen spielen für den Handlungsablauf wichtige Rollen und im Gegensatz zum Vorgängerroman „Sniper“ ließen sich diese nicht so leicht zusammenfassen. Einerseits ist es wichtig, dass Lanes Leute zahlreich sind und anderseits jagt Reacher Brotkrumen nach, die ihn quer durch New York City quasi von einer Haustür zur nächsten führen.

    Eine Warnung möchte ich noch aussprechen: Dieser Roman ist für Zartbesaitete nicht zu empfehlen! Die im Roman erwähnten und beschriebenen Grausamkeiten sind wirklich übel, machen aus „Way out“ vielleicht den härtesten Reacher-Roman. Der Psychoterror ist anders als in „Der Janusmann“ oberflächlicher, aber die ausgeführten und angedrohten Taten in „Way out“ verfehlen ihre Wirkung auch nicht. Der Roman ist alles andere als eine Wohlfühllektüre.

    Von mir erhält Lee Childs 10. Reacher-Roman solide 4 Sterne. Einige Längen sind nicht wegzuleugnen, wenngleich Ambiente und Storyablauf an sich passen.

    Anmerkung: Seit dem 9. Reacher-Roman „Sniper“ werden die englischen Originaltitel durch andere aber ebenfalls englische Titel für die ins Deutsche übersetzten Romane ersetzt. Im Falle von „Sniper“ (im Original „One Shot“) fiel das noch nicht auf, da dieser englische Begriff auch im deutschsprachigen Raum geläufig ist. Die englische Originalausgabe von „Way out“ trägt hingegen den Titel „The Hard Way“. Auch die Titel der drei folgenden Reacher-Romane wurden auf diese Weise geändert. Erst ab dem 14. Roman verwendete der Verlag Blanvalet wieder deutsche Titel.

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  • MFB
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    Rezension: „Sniper” – Ein Jack-Reacher-Roman

    Mit dem 9. Roman der Jack Reacher-Reihe schließt sich gewissermaßen ein Kreis. Denn erst der Film “Jack Reacher” aus dem Jahr 2013 machte mich auf die Romane von Lee Child aufmerksam und inzwischen habe ich die ersten neun gelesen und somit auch jenen, auf dem die Handlung des Films basiert: Sniper!

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    Eigentlich plant Jack Reacher ein paar entspannte Tage in Miami zu verbringen. Sonne, Strand und weibliche Begleitung … was kann sich der im Frühruhestand befindliche Ex-Militärpolizist mehr wünschen? Doch mit der Ruhe ist es vorbei, als er zufällig eine Nachrichtensendung sieht, die von einem Amokschützen in Indiana berichten. Fünf Personen wurden getötet, der Schütze konnte entkommen, wurde aber schnell ausgeforscht: James Barr, ein ehemaliger Army-Scharfschütze, gegen den Reacher bereits einmal in einem ähnlichen Fall ermittelt hatte. Damals ging Barr straffrei aus, doch Reacher schwor ihm damals, dass er zur Stelle sein würde, wenn sich Barr jemals in seinem Leben wieder etwas zuschulden kommen lassen würde. Und so reist Reacher nach Indiana, mit der festen Überzeugung, die Polizei habe den richtigen Täter in Gewahrsam. Und die Sichtung der gesammelten Beweisstücke vom Tatort bekräftigt ihn anfangs in seiner Meinung, doch kommt ihm der sonderbare Gedanke, dass eine Beweiskette auch zu perfekt sein kann. Es wirkt fast, als habe James Barr den am schlechtesten geeigneten Ort für seine Tat ausgesucht. Alles dort deutet auf ihn als Täter: Fasern von seiner Kleidung, Schuhabdrücke im Staub, ein Fingerabdruck auf der Münze in einer Parkuhr, eine in einen Spalt gerutschte Patronenhülse … Es wirkt, als habe es James Barr darauf angelegt, gefasst zu werden. Spätestens als Reacher in eine bewusst provozierte Barschlägerei verwickelt wird, ist er sich sicher, dass mehr hinter Barrs Tat stecken muss.

    Fazit: Vorweg gesagt: Der Film “Jack Reacher” war toll, hat mich absolut begeistert und sei hiermit jedem empfohlen, der den Genres Krimi, Thriller und Actionfilm zugetan ist. Zudem ist der Film recht nahe an der Romanvorlage. Der Handlungsablauf ist mehr oder weniger identisch, Reachers Ermittlungen kommen nach und nach voran und sein trockener Humor ist manchmal sogar wortwörtlich aus dem Roman in den Film übernommen worden. Was den Roman schwer zu bewerten macht, sind allerdings nicht die Gemeinsamkeiten mit dem Buch, sondern jene Stellen, in denen er abweicht. Die meisten Romanleser sind oft enttäuscht, wenn sie ihr Lieblingsbuch verfilmt sehen und feststellen müssen, dass einige Stellen weggelassen wurden. Da ich den Film zuerst gesehen habe, geht es mir mit dem Roman nun umgekehrt: Meiner Meinung nach ist alles, was es nicht in den Film geschafft hat, völlig zurecht rausgeflogen. Allen voran das obligatorische Reacher-Girl. Eine frühere Kollegin von der Army, die im Roman vorkommt, trägt nichts zu Handlung bei, außer dass ein Vorwand geschaffen wird, dass Reacher – wieder einmal – mit einer Frau ins Bett steigt. Wie schon mal bei einer früheren Rezension erwähnt ist das ein Merkmal der Reacher-Romane, auf das ich gut und gerne verzichten könnten. Selten wie kaum wirkt diese Affäre in “Sniper” grundlos hineingequetscht.

    Allerdings ist seine Ex-Kollegin nicht die einzige Romanfigur, die es nicht in die Filmfassung der Geschichte geschafft hat. Im Roman wird Reacher unterstützt von Barrs Schwester, deren Anwältin, einem privaten Detektiv und einer Reporterin. Diese vier Personen dienen alle dem Zweck, Reacher Informationen zukommen zu lassen. Konsequenterweise wird aus vier Personen im Film eine einzige Person, nämlich die Anwältin. Sie übernimmt alle relevanten Funktionen der drei anderen Personen. Ein hervorragend gelungenes Beispiel, wie man eine Handlung schlanker gestalten kann. Diese Änderung hätte auch dem Roman gut gestanden, vor allem wenn es am Schluss zum großen Showdown kommt. Im Roman rückt Reacher da mit mehr Leuten auf seiner Seite an als ihm Gegner gegenüberstehend.

    Bewertung: Der Film ist ganz klar ein Kandidat für die Höchstnote, aber wie bewerte ich den Roman dazu, der im Grunde die gleiche Geschichte erzählt? Das Mehr an Story und Charakteren verbessert die Geschichte nicht, ich würde sogar so weit gehen und sagen, dass das Drehbuch des Films die Story verbessert hat und besser präsentiert. Daher gebe ich dem Roman nicht die Höchstnote. Aber da der Fall James Barr auch in “Sniper” interessant und spannend dargeboten wurde und Jack Reacher – abgesehen von der Beschreibung seines Äußeren – genauso handelt und spricht wie im Film, gebe ich dem Roman 5 von 6 Sterne.

    Anmerkungen:

    Der Haupthandlungsort der Geschichte unterscheidet sich im Film vom Roman. Im Roman feuert der Amokschütze seine Kugeln in einer nicht namentlich genannten Stadt in Indiana ab. Es fällt mit der Zeit auf, wie sehr sich Lee Child davor drückt, den Namen der Stadt zu nennen. Aufgrund der Rolle, die der Stadtverwaltung im Roman zukommt, ist es verständlich, dass Child niemanden verärgern wollte, aber er hätte ja einen Namen erfinden können. Im Film spielt sich der Großteil der Handlung in Pittsburgh ab.

    Die zweite Jack Reacher-Verfilmung wird auf dem 18. Roman “Never go back” basieren. Der deutsche Kinostart ist für 3. November 2016 vorgesehen.

    Und hier nochmal der Trailer zum ersten Film:

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    Rezension: „Die Abschussliste” – Ein Jack-Reacher-Roman

    Nach sieben Abenteuern, die der in den Frühruhestand geschickte Ex-Militärpolizist Jack Reacher bei seiner ziellosen Reise durch die Vereinigten Staaten erlebt und überlebt hat, weicht der achte Roman vom bisher gewohnten Erzählrahmen am weitesten ab. „Die Abschussliste“ ist nämlich eine Vorgeschichte. Zeitlich noch deutlich vor den Ereignissen des ersten Romans angesiedelt, präsentiert uns „Die Abschussliste“ Jack Reacher als Major im aktiven Dienst und stellt ihn dabei gleich vor mehrere Herausforderungen, die weit über das simple Auflösen von Kriminalfällen hinausgehen.

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ID: 4274838

    Wir schreiben Neujahr 1990 und während der Kalte Krieg zu Ende geht, die Sowjetunion zerfällt, die deutsche Wiedervereinigung vorangetrieben wird und in Panama US-Truppen ihren ehemaligen Verbündeten und Diktator Noriega jagen, sitzt Jack Reacher zum Jahreswechsel gelangweilt hinter dem Schreibtisch in seinem Büro auf dem Army-Stützpunkt Fort Bird in North Carolina. Wem er diese Abkommandierung zu verdanken hat, weiß Reacher nicht, denn noch vor wenigen Stunden war er in Panama noch mitten in der Invasion leitender Ermittler bei der Suche nach Noriega. Nun ist er der Stellvertreter des örtlichen Militärpolizeichefs – der jedoch auch ohne weiteren Kommentar irgendwohin abkommandiert wurde – und hofft darauf, von dieser verschlafenen Dienststelle so bald wie möglich wieder wegversetzt zu werden.

    Doch so verschlafen wie geglaubt ist North Carolina gar nicht, denn kurz nach Mitternacht läutet Reachers Telefon und kurze Zeit später steht er in einem heruntergekommenen Motelzimmer vor der Leiche eines hochrangigen Generals der renommierten Panzertruppe. Reacher und die örtliche Polizei stimmen überein: Tod infolge eines Herzinfarkts während des Geschlechtsverkehrs mit einer getürmten Prostituierten, die wahrscheinlich im „Striplokal“ gegenüber des Motels arbeitete. Abgesehen vom hohen Rang des toten Offiziers aber kein besonderer Fall und vor allem nicht jener von Reacher, da der Tod außerhalb des Stützpunkts stattfand. Doch auch wenn der General an einem natürlichen Tod gestorben ist, sollte sein Ableben nicht das letzte in dieser Geschichte bleiben. Denn nur wenig später muss Reacher schon zum nächsten Tatort außerhalb des Stützpunkts, denn auch die Frau des Generals verstarb in dieser Nacht und diesmal war es eindeutig Mord. Doch auch dieser geschah nicht auf einem Grundstück der Army und so weist ihn der neue – und äußerst unsympathische – Oberkommandant der Militärpolizei persönlich an, sich aus diesen Fällen rauszuhalten – was Reacher natürlich umso mehr dazu ermuntern, sich die Umstände der beiden Todesfälle noch genauer anzusehen. Doch ein weiterer Mord – diesmal auf dem Stützpunkt – und schlechte Neuigkeiten, die Jack von seinem Bruder Joe erhält, lassen Reachers Suche nach der Wahrheit ins Stocken geraten.

    Fazit: Mehr denn je steht Jack Reacher persönlich hier im Mittelpunkt. Wir wissen ja bereits, dass Jack ein eher wortkarger Geselle ist, daher auch nicht sehr ausführlich über seine Vergangenheit spricht und sich zumindest nach außen hin äußerst souverän gibt. Die in „Die Abschussliste“ erzählte Vorgeschichte erspart es Reacher, dem Leser von sich persönlich zu erzählen, denn wir erleben ihn hier erstmals bei seiner typischen Arbeit für die Army und bei der Interaktion mit seiner Familie – seinem Bruder und seiner sterbenskranken Mutter. Professionell und privat bekommen wir also ganz neue Einblicke in Jack Reachers Charakter, wobei Autor Lee Child dessen Darstellung in den anderen Romanen jedoch sehr treu bleibt, in Form des neuen Vorgesetzten von Jack sogar eine Begründung liefert, warum Jack später wenig Skrupel vor Selbstjustiz zeigt.

    Der Roman deckt sehr viele verschiedene Themen ab, wobei am ungewöhnlichsten und daher auch am interessantesten der Besuch zusammen mit Reachers Bruder Joe bei deren Mutter in Paris ist. Mitunter sehr einfühlsam geschrieben, nicht überbetont emotional – obwohl der Roman aus Reachers Ich-Perspektive erzählt – aber doch sehr nahegehend. Der bevorstehende Tod ihrer Mutter hindert die Reacher-Brüder aber auch nicht daran, sich über andere Aspekte des Lebens zu unterhalten. Joe bleibt recht verschlossen, aber man bekommt trotzdem ein gutes Gefühl dafür, dass sie einander sehr zugeneigt sein. Etwas, das man in den Romanen, die zeitlich nach Joes Tod angesiedelt sind, nicht so gut vermittelt bekam. Und natürlich verbindet die beiden das Militär, auch wenn Joe nicht mehr dort ist. Er spornt Jack zumindest an, herauszufinden, wer ihn nach Fort Bird beordert hat und warum. Und daraus ergibt sich auch ein weiteres Mysterium des Romans, denn Jack findet heraus, dass er nicht der einzige Militärpolizist ist, der kurzfristig versetzt wurde und auf einem Stützpunkt einen abwesenden Chef vertritt. Dahinter steckt ein System und wenn Reacher es durchschaut, bekommt die Geschichte auch noch eine zusätzliche politische Facette, die im direkten Zusammenhang mit den Ereignissen in Europa Ende der 80er und Anfang der 90er steht.

    Bewertung: Ein Wort fasst es für mich zusammen: großartig! Dieser ungewöhnliche Jack Reacher-Roman vereint viele Themen, verbindet sie teils stark, teils lose miteinander und resultiert in einem gelungenen Gesamtwerk, das trotz der vielfältigen Handlungsstränge nie überladen oder unübersichtlich wirkt. Dazu trägt auch Reachers Ermittlungsstil bei. Im Gegensatz zu den meisten anderen Reacher-Romanen gibt es in „Die Abschussliste“ so gut wie keine Action-Sequenzen. Wenn Reacher mal die Fäuste sprechen lässt, dann bringt es ihm sogar Ärger ein, daher löst er den Fall mit Köpfchen bzw. auch mit sehr viel Intuition, die sich schließlich als richtig erweist und ihn auf die Spur der nötigen Beweise führt. Nur wenige Kleinigkeiten stören. Denn gerade als ich dachte, dass sich Lee Child das inzwischen obligatorisch scheinende „Reacher-Girl“ verkneifen konnte, lässt er Jack doch noch mit einer Frau ins Bett hüpfen. Ein gewöhnliches Element in einer ansonsten für Reacher-Verhältnisse ungewöhnlichen Geschichte, die ich dennoch mit der Höchstnote bewerte: 6 Sterne!


    Anmerkungen:

    Erneut wurden vom Übersetzer wieder alle Army-Ränge mit ihrer deutschen Entsprechung übersetzt. Bei anderen Reacher-Romanen konnte man leichter darüber hinwegsehen, aber da Reacher in diesem Roman mit einem guten Dutzend Unteroffizieren und Offizieren zu tun hat, irritiert die häufige Verwendung deutscher Ränge für amerikanische Militärangehörige etwas.

    Der Roman trägt im Original den Titel „The Enemy“. Erneut ist der deutsche Titel „Die Abschussliste“ also keine direkte Übersetzung. Diesmal sind ausnahmsweise beide Titel nicht ideal bzw. aussagekräftig gewählt.

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    Rezension: „Der Janusmann” – Ein Jack-Reacher-Roman

    Im achten Roman der Jack-Reacher-Reihe lässt Lee Child seinen Protagonisten in den nordöstlichen Teil der USA reisen. Unerwartet trifft Reacher rein zufällig dort auf einen Mann, den er eigentlich seit 10 Jahren für Tod gehalten hatte und die es seiner Meinung nach auch verdient hatte, zwei Kugeln in den Kopf und eine in die Brust gejagt zu bekommen. Was dieser Mann verbrochen hat? Das wird auch dem Leser erst im Laufe der Geschichte erst so richtig klar. Denn wenn Reacher sich drauf und dran macht, Versäumtes nachzuholen, erinnert er sich an einen Fall aus seiner Zeit bei der Militärpolizei zurück.

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ID: 4273788

    Bei dem Mann, den Reacher in Boston für einen kurzen Moment erblickt, handelt es sich um den Hauptverdächtigen in einem Spionagefall. Lieutenant Colonel Francis Quinn soll sich von ausländischen Regierungen für die Weitergabe von geheime Waffenbaupläne fürstlich bezahlen haben lassen. Und auch 10 Jahre später und nach Annahme einer neuen Identität wirkt es auf Reacher, als habe Quinn keine finanziellen Sorgen. Dass er seinen Reichtum nicht legal angehäuft hat, bestätigen ihm zwei Agenten der DEA – Drogenbekämpfungsbehörde der USA – die kurz nach einem Anruf Reachers bei der Army vor der Tür seines Motelzimmers stehen. Sowohl die DEA als auch Reacher haben ihre Motive, an Quinn ranzukommen. Dies ist der Beginn einer Zusammenarbeit, die Reacher auf ungeahnte und außerordentlich spektakuläre Weise noch weiter in den Norden – in den Bundesstaat Maine – führt, wo Reacher im Haus eines von Quinns wichtigsten Geschäftspartnern namens Zachary Beck Unterschlupf findet. Reacher glaubt sich einen Schritt näher an Quinn, doch dieses Haus, die Bewohner und ihre Beziehungen zueinander halten für Reacher einige Tücken und für den Leser so manche Überraschung auf Lager.

    Fazit: Die Geschichte des vorangegangenen Romans “Tödliche Absicht” hat Reacher als Verbündeten des Secret Service gezeigt und an dessen Seite kreuz und quer durchs Land ziehen lassen, um ein politisches Attentat zu verhindern. “Der Janusmann” ist im Vergleich wesentlich dichter erzählt, es gibt kaum Verschnaufpausen, denn Reacher ist im Grunde rund um die Uhr und fast auf jeder Seite des Roman im Einsatz. Allein von der Situation wird Reacher gefordert: Er ist auf sich gestellte in diesem großen Steinhaus, das auf einer Landzunge errichtet ist, die von einer Mauer vom Festland abgegrenzt wird und deren einziges Tor von einem psychopathischen Hünen kontrolliert wird, der Reacher mit einem einzigen Faustschlag töten könnte. Auf der anderen Seite des Hauses ist nur das ständig tosende Meer unter einem wolkenverhangenen Himmel. Der von Lee Child erdachte Hauptschauplatz der Handlung ist so atmosphärisch und bedrohlich beschrieben wie nur möglich und die Bewohner des Hauses machen diesen Ort auch nicht heimeliger. Man ist verschwiegen und vielleicht mit einer Ausnahme misstrauisch gegenüber Reacher, der den wahren Grund für seine Abwesenheit vor jedem geheim halten muss. Während Reacher seine Ermittlungen führt, offenbaren sich nach und nach die Beziehungen, die die einzelnen Bewohner zueinander unterhalten. Und die sind mitunter wirklich gruselig, genauso wie die Praktiken der Bösewichte dieses Thrillers.

    Und genau diesem Genre ist der Roman zuzuordnen. Wie jeder Reacher-Roman hat auch “Der Janusmann” Krimi-Elemente und Ermittlungen. Diese dienen jedoch nicht auf klassische Art dazu, den “Täter” zu entlarven, sondern einfach um die unheimliche Situation zu begreifen, mit der Reacher in diesem einsam in der Küste stehenden Haus zurechtkommen muss. Das beschriebene Ambiente erinnert mich stark an ein vergleichbar abgelegenes und gut gesichertes Haus in Robert Harris’ Roman “Ghost” (den ich übrigens ebenfalls sehr empfehlen kann). Wo ich gerade “Ghost” erwähne: Genauso wie “Ghost” ist auch “Der Janusmann” aus der Ich-Perspektive geschrieben. Normalerweise nicht meine bevorzugte Erzählperspektive und in den Reacher-Romanen fand man sie bislang nur im 1. Roman, wo das auch ein Kritikpunkt von mir war. In “Der Janusmann” funktioniert die Perspektive aber besser, weil die Jagd nach Quinn für Reacher eine sehr persönliche Angelegenheit ist, seiner Erinnerungen an die Ermittlungen von vor 10 Jahren und seine Gefühle eine große Rolle spielen. Auch bei den beiden größten gewaltgeprägten Auseinandersetzungen kann man so als Leser aus erster Hand miterleben, wie Reacher diesmal wirklich gefordert wird und an seine Grenzen stößt. Zu oft – auch an anderen Stellen in diesem Roman – hat Reacher völlige Kontrolle über die Situation, ist in einer dominanten Position. In “Der Janusmann” muss er sich jedoch den Gegebenheiten unterordnen. Eine interessante neue Perspektive.

    Ebenfalls gefielen mir die Erinnerungen an seine Zeit bei der Militärpolizei, die ebenfalls viel über seinen Charakter und seine Motivationen aussagen. Das bedeutet aber nicht, dass man als Leser “richtig” und “falsch” genauso sehen muss, wie der Protagonist oder ihm gar nacheifern sollte. Eigentlich könnte man das nicht einmal, denn wo findet man in der Realität solche Leute schon? Oder besser gesagt: Wo wird man von solchen Leuten gefunden?

    Bewertung: Lee Child erzählt die Geschichte nicht nur gewohnt solide, sondern setzt mit seiner überaus atmosphärischen Beschreibung des Schauplatzes und unheimlichen Charakteren noch einen drauf. Dachte ich schon, “In letzter Sekunde” würde ein schreckliche Sittenbild zeichnen, so belehrt mich “Der Janusmann” eines Besseren. Der achte Roman der Reacher-Reihe ist abgründig, brutal und nur mit wenigen entlastenden oder gar humorvollen Momenten bestückt. Aber das ist durchaus treffend, denn ohne solche Momente ist die von der Geschichte vermittelte Stimmung durchgängig düster und bedrückend. Das Buch ist wahrscheinlich nicht die beste Lektüre, um im Urlaub am Strand gelesen zu werden, aber an einem stürmischen, regnerischen Herbsttag kann er dem Leser sicher den einen oder anderen Schauer über den Rücken jagen. 5 von 6 Sterne.


    Anmerkungen:

    Seltsamerweise wurden vom Übersetzer auch alle Ränge der US Army in ihre deutschen Entsprechungen übersetzt. Ich glaube, das war bislang noch nie der Fall bei einem Reacher-Roman.

    Im Original lautet der Titel des Romans “Persuader”, was sich auf eine Handfeuerwaffe bezieht, die im Roman eine Rolle spielt. Der deutsche Titel “Der Janusmann” ist weder eine direkte Übersetzung, noch ergibt er im Zusammenhang mit der Geschichte einen Sinn.

    Die deutschen Titel der Reacher-Roman sorgen bei mir übrigens schon seit dem ersten Roman für Stirnrunzeln und sehe ich mir die Liste der weiteren Titel bei Wikipedia an, dann stelle ich folgendes Fest: Von den 16 Reacher-Romanen, die bisher auf Deutsch erschienen sind, trägt nur ein einziger einen Titel, der eine direkte Übersetzung des englischen Originaltitels darstellt. Die Romane 10 bis 13 tragen dabei kurioserweise auch in der deutschen Fassung einen englischen Titel, der nicht ident ist mit dem Originaltitel.


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    Rezension: „Tödliche Absicht” – Ein Jack-Reacher-Roman

    Vor fünf Jahren starb Jack Reachers Bruder Joe, während er für das US Finanzministerium Ermittlungen in Bezug auf Falschgeld führte. Und obwohl Joe schon vor so langer Zeit gestorben ist, nimmt er indirekt immer noch Einfluss auf Jack. Denn dem Finanzministerium ist auch eine Organisation unterstellt, die weniger dafür bekannt ist, sich um Geldfälschung zu kümmern, als vielmehr um die Sicherheit der höchsten Volksvertreter der USA: der US Secret Service!

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ID: 4273264

    Es ist schon etliche Jahre her, dass Joe gegenüber seiner damaligen Freundin und Mitarbeiterin M.E. Froelich erwähnte, dass sein Bruder Jack der ideale Mann wäre, um die Sicherheitsmaßnahmen des Secret Service unvoreingenommen als externer Berater zu testen. Inzwischen ist M.E. zur Verantwortlichen für die Sicherheit des neuen Vizepräsidenten aufgestiegen und will diesen Vorschlag trotz der Skepsis ihres Vorgesetzten in die Realität umsetzen. Ihr gelingt es, Jack in Atlantic City aufzuspüren und ihn zu überreden, die Personenschutzmaßnahmen des Secret Service einzuschätzen. Da die Aufgabe ihren Reiz hat, macht sich Jack gewohnt akribisch an die Arbeit und präsentiert M.E. wenige Tage später einen ausführlichen und ehrlichen Bericht. Doch da er ahnt bereits, dass sein Sicherheitsaudit nicht nur eine rein theoretische Gefährdung aufdecken soll und tatsächlich wird er kurz darauf offiziell vom Secret Service angestellt, um einen angekündigten Mordversuch am Vizepräsidenten zu verhindern.

    Fazit: In “Tödliche Absicht” erhält Jack Reacher seinen bislang wohl wichtigsten Auftrag, immerhin geht es darum, den Vizepräsidenten der USA zu beschützen. Politik spielt hierbei jedoch keine vordergründige Rolle, stattdessen wird sehr umfangreich auf die Sicherheitsmaßnahmen eingegangen, die der Secret Service zum Schutz von Präsident und Vizepräsident ergreift. Diese sind wirklich umfangreich und beeindruckend. Wenn der Roman ein annähernd korrektes Bild von der Arbeitsweise des Secret Service zeichnet, dann Respekt! Diese Schilderungen der Schutzmaßnahmen hinterlassen wirklich Eindruck. Die Spannung kommt angesichts dessen aber dennoch nicht zu kurz, da die anonymen Attentäter dem Secret Service dennoch einige Rätsel aufgeben können. Und natürlich ist selbst die beste Organisationsstruktur nicht vor menschlichen Fehlern gefeit.

    “Tödliche Absicht” erzählt eine durchwegs interessante Geschichte, aber zumindest zwei Punkte kamen für meinen Geschmack zu kurz. Einerseits hätte ich gerne mehr über die Vergangenheit von Jack und Joe erfahren. Joes Empfehlung ist überhaupt der Auslöser für Jacks Beteiligung und M.E. hatte eine intime Beziehung mit ihm. Trotzdem bleibt Joe Reacher sehr abstrakt, obwohl er für die beiden Hauptcharaktere des Romans sehr wichtig war. Es hätte mir gefallen, Jack Reacher über seinen verstorbenen Bruder etwas mehr Background zu geben. Ein wenig mehr über seine Vergangenheit erfährt man durchaus, aber mehr wäre durchaus möglich gewesen, ohne die Haupthandlung zu verschleppen.

    Auch diese Haupthandlung rund um das angekündigte Attentat hat ein Manko: Die kriminalistischen Ermittlungen sind zwar sehr gut geschildert, man kann ihnen sehr einfach folgen. Aber es bietet sich dem Leser nie die Möglichkeit, die Lösung des Rätsels frühzeitig zu erraten oder zumindest zu erahnen. Ich weiß, es ist ein schmaler Grat, auf dem sich Krimiautoren bewegen müssen. Einerseits möchte man sicher Anspielungen einbauen, anderseits sollen sie nicht zu aufdringlich wirken und es dem Leser zu einfach machen, sie als relevante Information zur Auflösung des Rätsels zu erkennen. Im Reacher-Roman “In letzter Sekunde” ging das zum Beispiel meiner Meinung nach etwas daneben; dort war der korrekte Lösungsansatz schließlich zu auffällig. In “Tödliche Absicht” verzichtet Lee Child komplett auf diese Möglichkeit.

    Bewertung: Der sechste Reacher-Roman ist wieder sehr unterhaltsam, die Verbindung zwischen Joe Reacher, Jack Reacher und dem Secret Service war durchaus gelungen. (Die wenigsten wissen vermutlich, dass der Secret Service auch eine Organisation zur Bekämpfung von Finanzverbrechen ist.) Nach einigen vorwiegend “kleineren” Abenteuern, in denen Regionen und ihre gewöhnlichen (bzw. klischeehafte) Menschentypen im Vordergrund standen, betritt Jack Reacher hier die große Bühne Washington D.C., was eine nette Abwechslung ist. Dennoch beinhaltet der Roman auch die erwähnten Schwächen und das Spannungslevel fällt bei der großen Konfrontation am Ende auch ein wenig ab. Und auch wenn “Tödliche Absicht” der bisher “persönlichste” Reacher-Roman ist, wäre auch in dieser Hinsicht deutlich mehr möglich gewesen. Deshalb gebe ich dem Roman gute 4 von 6 Sterne. Die unmittelbar vorangegangenen Romane haben mir doch etwas besser gefallen.


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    Rezension: „In letzter Sekunde” – Ein Jack-Reacher-Roman

    Im 5. Roman der Reihe schickt Lee Child den ehemaligen Militärpolizisten Jack Reacher auf seiner Reise quer durch die USA nach Texas, wo er wieder einmal zur falschen Zeit am falschen Ort ist. Er ist aber auch selbst schuld an seinem Dilemma. Merke: Wenn du am Abend einen ungehobelten Kerl in einer Bar eine Abreibung verpasst, kann es leicht passieren, dass dieser am nächsten Tag in einer Polizeiuniform vor der Tür deines Motelzimmers steht. Ein Glück, dass Reacher die nahende Gefahr früh erkennt und durch das Fenster abhauen kann. Großes Pech, dass er per Anhalter ins erstbeste Auto steigt, das seinen Weg kreuzt …

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ID: 4272612

    Auch wenn die attraktive Carmen Greer auf den ersten Blick wie die perfekte Person aussieht, von der man mitgenommen werden könnte, offenbart sie Reacher schnell, dass sie ihn nicht ganz wahllos ausgesucht hat. Schon seit einiger Zeit sei sie auf der Suche nach jemanden, der ein bestimmtes “Problem” für sie lösen könnten. Das Problem hört auf den Namen Sloop Greer und ist Carmens Ehemann, der wegen Steuerhinterziehung zwar im Knast sitzt, aber in ein paar Tagen vorzeitig frei kommen soll. Da Sloop aber nicht gerade der prächtigste Ehemann sein soll und Carmen laut ihrer eigenen Aussage regelmäßig schlägt, sucht sie nach einem “Beschützer” à la Reacher, der sich dieser Angelegenheit annimmt. Möglichst nachhaltig und inklusive Begräbnis. Reacher verwehrt sich natürlich strikt dagegen, als Auftragskiller angeheuert zu werden. Aber da er doch Sympathie für Carmen hegt und ihrer Geschichte Glauben schenkt, lässt er sich dazu überreden, mit auf das Greer-Anwesen zu kommen und sich dort als Arbeiter anstellen zu lassen, um die Situation zu beobachten. Es ist nicht gerade schön, was Reacher dort über die Familie, in die Carmen eingeheiratet hat, herausfindet und ganz allgemein über die Sitten und Einstellungen der Leute in diesem Teil von Texas.

    Natürlich wäre Reacher nicht Reacher, wenn er mit den Leuten und der Situation nicht ordentlich anecken würde und schließlich am Tag von Sloop Greers Entlassung findet sich Reacher gerade auf der Rückbank eines Polizeitautos wieder, als der Funkspruch eingeht, dass Carmen Greer ihren Ehemann im Zuge eines Familienstreits erschossen haben soll …

    Fazit: Nach seinen Erlebnissen in Texas dürfte Reacher wohl endgültig seine ursprüngliche Meinung aus dem 2. Roman revidieren, dass es in den USA zwar auch schlimm zugeht, aber immer noch besser als im Rest der Welt. Das Sittenbild, das Lee Child in diesem Roman von Texas zeichnet ist wirklich erschreckend und wieder einmal fragt man sich als Leser, ob die beschriebene Situation wirklich komplett fiktiv ist oder in wie weit sie in der Realität fußt. Atmosphärisch ist “In letzter Sekunde” wirklich hervorragend gelungen. Und auch die Story kann überzeugen, wenngleich sie ein wenig Zeit benötigt, um so richtig in Gang zu kommen. Die überraschende Wendung in der Mitte des Romans hat es wirklich in sich. Plötzlich wissen sowohl der Protagonist Reacher als auch der Leser nicht mehr, was Wahrheit und was Lüge ist. Plötzlich wird die ganze erste Hälfte des Romans in Frage gestellt und die Geschichte verändert ihre Stimmung schlagartig, was aber auch sehr viel Spannung erzeugt, denn wirklich lange ist unklar, ob Carmens Geschichte, die sie Reacher aufgetischt und die dieser geglaubt hat, wirklich den Tatsachen entspricht.

    In Summe also ein größtenteils sehr unterhaltsamer und spannender Roman. Allerdings ist die Auflösung doch etwas vorhersehbar, denn Lee Child hat den eindeutigsten Hinweis auf die Wahrheit nicht besonders gut versteckt. Natürlich versucht man in einem Krimi der Wahrheit noch vor dem Ermittler auf die Schliche zu kommen. Aber der Roman bietet selbst nicht mehr als zwei mögliche Lösungsvarianten an und daher überrascht es am Ende nicht, wenn wirklich alles so kommt, wie man es so rund 100 Seiten vor Schluss schon gedacht hat.

    Weiters gefiel mir, dass auch Reachers Freundin Jodie, die in den vorangegangenen beiden Romanen eine wichtige Rolle gespielt hat, nicht ganz vergessen wurde und zumindest Erwähnung findet. Schön zu sehen, dass frühere Ereignisse bei Reacher Eindruck hinterlassen, selbst wenn sein persönlicher Status Quo am Ende des 4. Romans eigentlich wieder vollständig hergestellt wurde.

    Bewertung: Eigentlich ein Kandidat für die Höchstnote, aber ein bisschen zu ungeschickt hat sich Child beim Einbau des entscheidenden Hinweises doch angestellt und daher ziehe ich einen Stern ab: 5 von 6 Sterne bleiben übrig.

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    Rezension: „Zeit der Rache” – Ein Jack-Reacher-Roman

    Da mich der dritte Jack Reacher-Roman von Lee Child überzeugen konnte und dieser am Schluss durchaus interessante persönliche Entwicklungen für den Hauptcharakter vorbereitete, habe ich auch gleich den vierten Roman – “Zeit der Rache” – in Angriff genommen. Das war eine gute Entscheidung, denn dieser übertrifft seinen Vorgänger nochmal deutlich!

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ID: 4272128

    Eigentlich könnte Jack Reacher ja ein ruhiges Leben führen: Endlich ist er sesshaft geworden, hat ein Haus, eine Freundin und keinen Grund mehr, sich mit den Kriminellen dieser Welt anzulegen. Wenn da nicht sein stark ausgeprägtes Bedürfnis wäre, wenn nötig auf eigene Faust (= wörtlich zu verstehen) für Gerechtigkeit zu sorgen, wenn er Unrecht beobachtet. Und so schreitet er ein, als er sieht, wie der Besitzer seines neuen Lieblingsrestaurants von ein paar Schutzgelderpressern bedroht wird. Was Reacher nicht wissen konnte: Während er sich um diese Kleinigkeit kümmert, wird er vom FBI observiert. Ein von der besten Expertin der Bundespolizei angefertigtes Täterprofil passe nämlich angeblich perfekt auf den eigenbrötlerischen Ex-Militärpolizisten und so findet sich Reacher schnell in einem Verhörraum wieder. Ihm wird zu Last gelegt, zwei Frauen ermordet zu haben, die Reacher nicht nur gekannt, sondern denen er auch einst geholfen hatte. Beide Frauen hatten gemein, dass sie im Rahmen ihres Militärdienstes Opfer sexueller Übergriffe wurden, ihre Vorgesetzten angezeigt und inzwischen selbst aus dem aktiven Dienst ausgeschieden sind.

    Selbstverständlich ist Reacher – der das angefertigte Täterprofil von Anfang an für den größten Mist hält – nicht der Mörder der beiden Frauen. Daran glaubt das FBI allerdings erst, als eine dritte Frau tot aufgefunden wird, die ermordet wurde, während Reacher bereits unter Beobachtung stand. Auch das dritte Opfer hatte den selben beruflichen und persönlichen Hintergrund und wurde auf die exakt gleiche Weise vorgefunden: Zuhause in ihrer Badewanne liegend, die mit grüner Militärfarbe gefüllt war. Aber nicht darin ertränkt. Keine Spur von Gewalteinwendung, kein offensichtlicher Todesgrund, keine Spuren eines Kampfes oder überhaupt, dass sonst jemand während der Tat anwesend war. Ein großes Mysterium. Und um dieses aufzulösen wird Reacher vom FBI kurzerhand als Berater zwangsrekrutiert. Natürlich will er sich weigern, aber dank Reachers kleinem Rachefeldzug gegen die Schutzgelderpresse hat das FBI ihn in der Hand und so muss er in den sauren Apfel beißen und gegen seinen Willen kooperieren.

    Natürlich wäre er nicht Jack Reacher, wenn er sich nicht ständig mit den Autoritätspersonen im Ermittlerteam streiten und deren Methoden und Schlussfolgerungen in einer Tour in Frage stellen würde. Nicht nur das Täterprofil ist ihm zuwider, auch die Versteifung der FBI-Ermittler, dass der Täter in Militärkreisen zu suchen ist, überzeugt ihn keineswegs. Aber auch wenn er bewusst den Unbequemen spielt, will auch er verhindern, dass einer weiteren Frau Leid angetan wird.

    Fazit: Wem der Kinofilm “Jack Reacher” gefallen hat, der wird mit der Story von “Zeit der Rache” helle Freude haben. Die Struktur beider Geschichten weist starke Ähnlichkeiten auf, in beiden Fällen wird Reacher eher zufällig zum Ermittler einer übergeordneten Instanz, in beiden Fällen geht es darum herauszufinden, was ein bestimmter Personenkreis gemeinsam oder nicht gemeinsam hat und in beiden Fällen geht es darum zu beweisen, dass hier gezielt ein Unschuldiger (im Film persönlich, im Roman ein gewisser Typ von Mensch) belastet werden soll.

    Mein größter Kritikpunkt am dritten Reacher-Roman war die Vorhersehbarkeit der Auflösung ab ungefähr der Mitte der Geschichte. Von diesem Problem hat sich “Zeit der Rache” komplett gelöst. Als Leser habe ich mir wirklich die ganze Zeit die Frage gestellt, wer der Mörder war und noch wichtiger: Wie hat er es angestellt? Natürlich macht man sich bei einem Krimi immer Gedanken und spekuliert. Was die Identität des Mörders angeht, gab es ein paar Indizien, weshalb es mich nicht überrascht hat, dass ich schließlich richtig lag. Aber überraschen konnten mich sowohl das Motiv und erst recht die Mordmethode! (Ich hoffe inständig, dass der Roman diese übertrieben darstellt, denn sonst bekomme ich wirklich Angst!)

    Weiterer großer Pluspunkt des spannenden Romans ist eine sehr gute Charakterisierung von Jack Reacher. Er redet nicht viel über sich selbst, gibt freiwillig nicht viel von sich preis und es wäre einfach, ihn schlicht als den abgebrühten, kompromisslos handelnden Kämpfer für Gerechtigkeit darzustellen. Aber diese Roman verdreht seine Eigenschaften geschickt. Das, was ihn auszeichnet, wird ihm in mehrfacher Hinsicht zum Verhängnis. Sein Sinn für Gerechtigkeit und sein Hang zur Selbstjustiz bringen nicht nur ihn, sondern auch seine Freundin Jodie in Gefahr. Sein geerbtes Haus bedeutet für ihn nur eine Belastung und um mit Jodie eine echte Beziehung führen zu können, muss er gegen sein Bedürfnis ankämpfen, einfach in den nächsten zufällig ausgesuchten Bus zu steigen und zu sehen, in welcher Stadt dieser Station macht. Und dann ist da auch noch die Versuchung, die andere Frauen darstellen und seine Beziehung gefährden können. Jack Reacher fühlt sich wirklich eingeengt und als Leser leidet man durchaus mit ihm mit. Er und seine bevorzugte Lebensweise werden in verschiedenster Form im Verlauf der Geschichte angegriffen.

    Bewertung: Man muss sich wohl verinnerlichen, dass in einem Jack Reacher-Roman das Recht immer bei Jack Reacher liegt und entsprechend selbst eine Polizeibehörde wie das FBI extrem schlecht wegkommt. Diese äußerst negative Darstellung der Polizei ist das, was mir als Leser am ehesten noch gegen den Strich gegangen ist. Ansonsten habe ich am Roman jedoch so gut wie überhaupt nichts zu bemängeln. Ein enorm spannendes Krimirätsel, mit einigen falschen Fährten und interessanten Wendungen. Im Gegenzug dafür keine ausartenden Action-Einlagen wie noch in den ersten beiden Reacher-Romanen und nicht einmal ein großer Showdown wie im dritten Buch (und dem Kinofilm). Was in “Zeit der Rache” abläuft, ist mehr ein Duell auf mentaler Ebene. Macht der Mörder einen Fehler? Kann Reacher den Fehler als solchen erkennen und daraus die richtigen Schlüsse ziehen und den nächsten scheinbar perfekten Mord verhindern?

    Wie gesagt: Eine spannende Angelegenheit und eine starke Charakterisierung von Reacher. Man muss ihn nicht mögen und ganz gewiss ist er nicht der weiße Ritter in strahlender Rüstung. Aber dieses Buch hilft dabei, ihn zu verstehen, auch wenn man nicht jede seiner Ansichten teilen muss. “Zeit der Rache” verdient sich knapp 6 Sterne.

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  • MFB
    antwortet
    Rezension: „Sein wahres Gesicht” – Ein Jack-Reacher-Roman

    Nachdem mir der Kinofilm “Jack Reacher” im Jahr 2013 sehr gefallen hat, war ich von der zugehörigen Romanreihe nach den ersten beiden Büchern “Größenwahn” und “Ausgeliefert” doch etwas enttäuscht. War im ersten Roman die Ermittlungsarbeit etwas langatmig und aus der Ich-Perspektive erzählt, war der zweite Roman zumindest spannender, aber mit einigen unschönen Aussagen versehen, die den Charakter Jack Reacher prompt deutlich unsympatischer darstellten. Grundsätzlich ähnelte der Charakter des “Helden” in den ersten beiden Romanen kaum jenem Mann, der im Kinofilm von Tom Cruise dargestellt wurde. Mit dem dritten Roman “Sein wahres Gesicht” macht Jack Reacher aber wirklich einen Schritt in die richtige Richtung.

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    Wie auch schon am Beginn der ersten beiden Romane streift der ehemalige Militärpolizist durch die Vereinigten Staaten. Auf Key West hält er sich mit Gelegenheitsjobs über Wasser und genießt ein einfaches Leben – bis innerhalb kürzester Zeit nicht nur ein Privatdetektiv aus New York nach ihm sucht. Auch zwei unangenehme Schlägertypen versuchen ihn ausfindig zu machen. Noch ist Reacher nicht beunruhigt. Dies ändert sich erst, als er den Privatdetektiv tot auffindet und er die beiden Schlägertypen unter Verdacht hat. Weil Reacher diese Sache nicht einfach auf sich beruhen lassen, verlässt er das sonnige Florida und hebt nach New York ab, wo er auf der Suche nach dem Auftraggeber des Detektiven auf eine gute Bekannte stößt – Jodie, die Tochter von Leon Garber, seines früheren Vorgesetzten bei der Militärpolizei, der gerade kürzlich verstarb. Reacher kommt schnell dahinter, dass der schwerkranke Leon den Detektiv damit beauftragt hatte, ihn ausfindig zu machen, damit Reacher eine spezielle Aufgabe zu Ende bringt. Um welch prekäre Angelegenheit es sich dabei handelt, offenbart sich Reacher und Jodie erst, als sie versuchen, Leons Schritte nachzuvollziehen und sich auf eine Reise quer durch die USA begeben.

    Zur gleichen Zeit steht ein gerissener und brutaler Kredithai in New York kurz davor, das Geschäft seines Lebens zu machen. Aber er muss sich mit der Abwicklung dieses Geschäfts beeilen, denn während er seinen großen Coup und seine anschließende Flucht plant, nähern sich Reacher und Jodie Schritt für Schritt der Wahrheit ...

    Fazit: Da für mich der Kinofilm mein “Erster Kontakt” mit der Figur Jack Reacher war, wird seine Darstellung darin immer für mich maßgebend sein. Ich mochte seinen trockenen Humor und seine Sprüche und wie abgebrüht er mit Situationen umgeht, in denen er unter Druck steht. Von diesen speziellen Eigenheiten war in den ersten beiden Romanen noch nicht viel zu sehen, aber da der Film ja erst auf dem 9. Reacher-Roman basierte, hoffte ich schon, dass Reachers Darstellung sich im Lauf der Zeit auch in den Romanen der Darstellung im Film annähern wird. Tja, mit “Sein wahres Gesicht” hat sich diese Hoffnung wirklich erfüllt. Reacher wirkt wieder bei weitem sympathischer, hält sich mit zwiespältigen Aussagen zurück oder bleibt zumindest recht diplomatisch. Auch der Kriminalfall und seine Ermittlungsarbeit sind dem, was man aus dem Kinofilm kennt, deutlich ähnlicher. Grundsätzlich passt die Stimmung einfach besser.

    Das Rätsel, dem Reacher nachgeht, ist dabei zumindest bis zur Hälfte des Romans durchaus fesselnd und spannend. Vor allem da Parallelhandlungen am Laufen sind, deren direkter Zusammenhang sich nur dem Leser offenbart. So ist die Auflösung allerdings ab einem gewissen Zeitpunkt ab der Mitte recht vorhersehbar. Dies ist wohl der einzige Schwachpunkt der Story, dass der Leser hier eine ganze Weile einen Informationsvorsprung gegenüber Reacher hat. Während der brillante Ermittler noch rätselt, sollte den meisten Lesern bis dahin doch ziemlich klar sein, wie die Auflösung aussieht. Ich denke, Lee Child hat es dem Leser hier schon bewusst möglich gemacht, selbst die Lösung zu finden. Dem Genre entsprechend ist es für den Leser eines Krimis natürlich ein besonderer Reiz, den “Täter” (bzw. hier konkret des Rätsels Lösung) schon vor dem Ende herauszufinden. Aber Child hat es meiner Meinung nach dem Leser in diesem Fall etwas zu leicht gemacht. Das ist aber so ziemlich das einzige Manko des Romans. Das Finale geht – ganz Reacher-typisch – mit ordentlich Action über die Bühne und auch dieses Finale erinnert wieder etwas mehr an den Kinofilm: Die Action ist bodenständig und nicht zu übertrieben. Reacher nimmt es hier nicht mit einer ganzen Armee auf oder sichert auf sich allein gestellt ein großes Areal. Nein, hier kommt es zum Showdown in Büroräumlichkeiten, wie sie jeder von uns wohl kennt. Ein kleines Gedankenspiel für die Leser: Wie würde ich in meinem Büro einen Hinterhalt planen.

    Bewertung: Etwas nach der Mitte ist man Reacher was den Fall betrifft voraus, aber in Summe ist “Sein wahres Gesicht” ein sehr unterhaltsamer Roman. Gut geschrieben, mit einem sympathischen Helden, einem geldgierigen und brutalen Bösewicht, einem bemitleidenswerten Opfer – und einer neuen festen Freundin für Jack Reacher! Und auch das ist ein Novum für einen Reacher-Roman: Während die Ausgangssituation am Beginn eines jeden Romans so ziemlich unverändert bleibt, legt “Sein wahres Gesicht” einen neuen Status Quo für Jack Reacher fest. Nicht nur hat er jetzt eine Freundin, sondern hat auch einen festen Wohnsitz. Mal sehen, wie sich diese neuen Lebensverhältnisse auf Reachers viertes Abenteuer in “Zeit der Rache” auswirken werden. “Sein wahres Gesicht” hat jedenfalls die Latte höher gelegt und bekommt als vorläufig von mir am besten bewerteter Reacher-Roman 5 von 6 Sterne.

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