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    #16
    Nach längerer Zeit mal wieder eine Kurzgeschichte von mir. Sie ist zwar auch schon etwas älter, aber vielleicht gefällt sie euch ja trotzdem.

    Titel: Alte und neue Träume
    Fandom: TOS
    Inhalt: Christine Chapel hat die Liebe ihres Lebens verloren. Aber sie hat auch etwas Wichtiges gewonnen; nämlich die Erkenntnis, dass sie keineswegs so allein ist, wie sie geglaubt hat.

    Der sanfte Ton des Weckers veranlasste Christine den Kopf vom Kissen zu heben. Sie hatte in der vergangenen Nacht kein Auge zu getan. Immer wieder hatte sie Rogers Gesicht vor sich gesehen, das sie anflehte ihre Liebe nicht aufzugeben. Aber der Mann – das Wesen – dem sie auf Exo III begegnet war, war nicht ihr Roger gewesen. Der Mann, dem sie ihre ewige Liebe versprochen hatte, war schon vor Jahren verschwunden und gestorben, ohne dass sie es gewusst hatte.

    Sie hatte versucht positiv zu denken. Die Hoffnung, ihn eines Tages wieder zu finden, hatte sie täglich aufstehen und ihre Arbeit verrichten lassen. Sie hatte gewollt, dass er stolz auf sie sein würde, wenn sie sich endlich wieder sehen und schließlich heiraten würden.

    Der alte Traum war geplatzt wie eine Seifenblase und hatte nichts als ein gebrochenes Herz zurückgelassen. Und Christine fühlte sich viel einsamer als je zuvor auf der Enterprise. Ihr ganzes Leben schien ihr an diesem Morgen so sinnlos, dass sie kaum die Kraft fand aufzustehen.

    Warum… warum konnte sie nicht den Mann haben, den sie geliebt und mit dem sie so gerne eine Familie gegründet und den Rest ihres Lebens verbracht hätte?

    Der Captain hatte fassungslos neben ihr gestanden, als der androide Roger sich selbst und Andrea vaporisierte. Wäre es nicht seine Pflicht gewesen, es zu verhindern? Hätte er nicht dafür sorgen müssen, dass am Ende alles gut wurde? Tat er das nicht immer?
    Warum… warum hatte er ihr nicht das verdiente glückliche Ende ihrer eigenen kleinen Geschichte bescheren können? Und was noch viel schlimmer war und ihr erneut das Gefühl gab, nicht wirklich auf die Enterprise zu gehören, war der Umstand, dass Captain Kirk – der sonst als so einfühlsam und charmant galt – sie nicht einmal tröstend in die Arme geschlossen und ihr beigestanden hatte. Er hatte neben ihr gestanden, während ihr Herz in abertausend Stücke zerbrochen war und hatte nichts getan.

    Christine vermochte es kaum, die Augen offen zu halten, als sie sich aus ihrem Bett erhob, um sich für ihren Dienst frisch zu machen. Zum ersten Mal, seit sie auf der Enterprise diente, hatte sie keine wirkliche Lust ihrer Arbeit nachzugehen. Ihr war alles vollkommen egal geworden. Ihr Leben kam ihr so wertlos vor und sie glaubte nicht, jemals wieder fröhlich sein zu können.

    Aber selbstverständlich ging das alltägliche Leben auf der Enterprise weiter.


    Als sie in der Mannschaftsmesse ankam, schienen sämtliche Augenpaare auf ihr zu ruhen. Sie sah Mitgefühl in den Augen der meisten und glaubte, sofort wieder in Tränen ausbrechen zu müssen. Sie wollte nicht das aktuelle Gesprächsthema sein. „Ach sieh nur, da ist die arme Christine, deren Verlobter gestorben ist.“ „Ob sie je darüber hinwegkommen wird?“ „Sie kann einem schon leid tun.“

    Eigentlich, überlegte sie, hatte sie gar keinen Hunger. Vielleicht, dachte sie und drehte sich bereits auf dem Absatz um, war es besser den Tag mit Arbeiten zu verbringen. Ja, arbeiten schien eine sehr gute Idee zu sein.

    Eine dunkle Hand legte sich von hinten auf ihre Schulter. „Christine…“

    Die Krankenschwester schloss einen Moment die Augen und sammelte Kraft. Sie war sich nicht sicher, ob sie noch einen mitleidigen Blick ertragen konnte. Dann wandte sie sich zu Uhura um.

    Uhura sagte nichts weiter. Und Christine konnte in deren dunklen Augen, ihr eigenes trauriges Spiegelbild sehen. Ungewollt sammelten sich Tränen in ihren Augen. Ohne, dass sie es hätte abwehren können, schlossen sich Uhuras Arme um sie und zogen sie in eine innige Umarmung. „Christine, es tut mir unendlich leid. So schrecklich leid“, hörte sie Uhuras geflüsterte Worte nahe ihrem Ohr. Und dann sank sie in die Berührung, die sie schon gestern so dringend gebraucht hatte und die der Captain ihr nicht hatte zukommen lassen.

    Christine weinte nicht. Die Tränen in ihren Augen lösten sich langsam wieder auf, als sie die Nähe und Wärme der anderen Frau spürte. „Danke“, flüsterte sie ebenso leise zurück.

    Uhura löste die Umarmung und umrahmte mit ihren dunklen Händen Christines bleiches Gesicht. „Ich bin jederzeit für Sie da, wenn Sie jemanden zum reden brauchen“, ließ Uhura sie wissen und Christine nickte dankbar.

    Uhura hatte sich mit ihr gefreut, als sie vor wenigen Tagen von Roger gehört hatte und glaubte, ihr alter Traum würde sich endlich erfüllen. Uhura war das, was einer Freundin am nächsten kam. Und sie war dankbar für das Angebot. Aber sie wusste, dass ein solches Gespräch würde warten müssen. Sie durfte ihre Pflichten nicht vergessen.

    „Setzen Sie sich zu mir?“, wollte Uhura wissen und deutete auf einen der Tische, auf dem ein angefangenes Frühstück wartete.

    Christine legte den Kopf leicht schief. „Ich bin nicht sehr hungrig.“

    Uhura nickte leicht. „Kann ich mir vorstellen. Aber Sie sollten etwas essen. Wenigstens eine Kleinigkeit. Sie sehen so blass aus.“

    Selbstverständlich hatte Uhura recht und so nickte Christine und folgte ihr teilnahmslos zu ihrem Tisch. Endlich schienen sich die übrigen Anwesenden auch wieder um ihr eigenes Frühstück zu kümmern. Das Gefühl, dass sämtliche Personen sie beobachteten ließ langsam nach und Christine entspannte sich etwas.


    Auf der Krankenstation wurde sie mit den strengen Worten des Doktors empfangen, der sie mit erhobener Augenbraue und vor der Brust verschränkten Armen anblickte. „Sie sollten sich mindestens einen Tag frei nehmen.“

    „Es geht mir gut, Doktor“, versicherte sie McCoy und erzwang ein Lächeln.

    Die erhobene Augenbraue suchte ganz offensichtlich Kontakt zu seinem Haaransatz und auch wenn Christine es nicht für möglich gehalten hätte, wurde der Gesichtsausdruck ihres Vorgesetzten noch strenger. „Soweit ich weiß, bin ich hier der Arzt. Und verzeihen Sie mir die Offenheit, aber Sie sehen aus, als hätten Sie die Nacht durchgemacht.“

    Christine atmete tief durch. Sie konnte tiefe Sorge in den blauen Augen des Arztes sehen. „Ich habe es nicht gewagt zu schlafen. Jedes Mal, wenn ich die Augen schloss, habe ich sein Gesicht vor mir gesehen und …“ Sie hielt inne und schluckte, als sich ein Kloß in ihrem Hals bildete.

    McCoy machte einen Schritt auf sie zu. „Ich weiß, wie schwer ein solcher Verlust ist, glauben Sie mir. Und ich wünschte, ich könnte mehr für Sie tun, als Ihnen einige Tage Ruhe anzubieten.“

    „Ich möchte keine Ruhe, Doktor. Wenn ich allein bin… habe ich das Gefühl… in Trauer zu versinken“, gestand sie leise und senkte den Blick. „Bitte, lassen Sie mich bleiben. Ich verspreche, dass… meine Trauer meine Arbeit nicht beeinflussen wird.“

    McCoy brummte, löste die Arme und stemmte seine Hände in die Hüfte. „Von mir aus. Aber wenn ich das Gefühl bekomme, dass Sie Ruhe brauchen, werden Sie die Krankenstation verlassen. Verstanden?“

    Sie nickte ihm dankbar zu. „Verstanden, Doktor.“ Ob er auch schon jemanden verloren hatte, der ihm nahe stand? Sie arbeiteten nun schon geraume Zeit miteinander, aber der Doktor hatte nie etwas über sein Privatleben erzählt. Er war ein sehr verschlossener Mann, wie sie fand. Und abgesehen von Captain Kirk schien er an Bord auch nicht gerade viele Freunde zu haben.

    „Wir haben heute einige Routineuntersuchungen vor“, ließ er sie wissen. „Und Chekov liegt nebenan. Er braucht was gegen starke Kopfschmerzen.“

    Christine nickte abermals. „Was soll ich ihm geben?“

    McCoy zuckte die Schultern. „Abgesehen von dem Rat, sich von Scottys Selbstgebranntem fernzuhalten? Zwei Einheiten Acetylsalicylsäure. Das sollte den Kater erträglicher machen.“

    Sie konnte McCoy ansehen, dass er sich zumindest ein kleines Lächeln ob des milden Scherzes erhoffte, aber sie war zu erschöpft, um ihm den Gefallen zu tun und presste deshalb nur die Lippen aufeinander. „In Ordnung.“ Damit wandte sich Christine ab und ging ins Nebenzimmer.

    Pavel Chekov war mit seinen neunzehn Jahren eigentlich noch zu jung, sich dermaßen zu betrinken, dass er am nächsten Tag wegen eines Katers auf der Krankenstation lag. Hinzu kam, dass der junge Russe eine gar furchtbare Angst vor Doktor McCoy hatte und so hatte der Arzt es Christine, wann immer es die Umstände erlaubten, gestattet, dass sie die kleineren Behandlungen an ihm vornahm. Er hatte die Behauptung aufgestellt, dass Pavel sich durch Christines mütterliche Art leichter beruhigen ließ.

    Christine fand gar nicht, dass sie eine mütterliche Art an sich hatte. Sie versuchte lediglich einfühlsam zu sein. Und ja, zugegeben, sie hegte einen gewissen Beschützerinstinkt, was den jungen Offizier anging.


    „Pavel“, sagte sie grüßend und nahm seine Akte zur Hand. Ohne vom PADD aufzusehen, schüttelte sie den Kopf. „Sie haben sich gestern betrunken?“

    „Miss Chapel“, erwiderte Chekov und setzte sich ruckartig vom Biobett auf, was er sofort bedauerte. Er griff sich an den Kopf und Christine glaubte sehen zu können, wie ein leichter Grünstich sein Gesicht färbte.

    „Langsam, Pavel.“ Sie reichte ihm eine Nierenschale, für den Fall, dass er sich würde übergeben müssen.

    „Miss Chapel“, begann er erneut und eine unglaubliche Traurigkeit legte sich über seine jugendlichen Züge. „Ich… möchte Ihnen mein herzliches Beileid zu Ihrem Verlust aussprechen.“ Seine Stimme war sanft und stärker akzentuiert als für gewöhnlich.

    Etwas stach in ihr Herz. Würde so der ganze Tag verlaufen? Würde jeder sie daran erinnern, dass Roger tot war und ein Teil von ihr mit ihm gestorben war? Als sich zum zweiten Mal an diesem Morgen Tränen in ihren Augen sammelten, schluckte sie und zwang sich ruhig durchzuatmen. Kaum, dass sie sich wieder gefasst hatte, straffte sie die Schultern und legte das PADD neben Chekov auf das Bett. „Danke, Pavel.“

    Seine jungen, dunklen Augen sahen sie hilflos an. Und schließlich zwang Christine sich dazu, ihm ein Lächeln zu schenken. Er erwiderte es schüchtern. Sie konnte ihm ansehen, dass er gerne mehr gesagt hätte, für sie da sein wollte, aber nicht recht zu wissen schien, wie. ‚Es ist in Ordnung’, sollte ihr Blick ihm sagen und sie hatte das Gefühl, dass er es verstand. Ehe die Stille zwischen ihnen unangenehm werden konnte, lud sie ein Hypospray auf und setzte es dem jungen Russen an die Halsschlagader. „Sie sind zu jung, um sich so zu betrinken, Pavel.“

    „Ich… weiß“, gab er kleinlaut von sich. „Wir haben Karten gespielt und ich habe wohl den Überblick verloren.“

    „Vielleicht sollte ich mal ein ernstes Wort mit Scotty reden“, schlug Christine vor und gab sich Mühe streng zu klingen.

    Chekov legte den Kopf leicht schief. „Er war gar nicht dabei.“ Er machte eine kleine Pause. „Riley hat den Vodka mitgebracht…“

    „Kevin Riley also… soso. Nun, dann werde ich wohl mal mit ihm ein ernstes Wörtchen reden müssen“, zwinkerte sie und für einen winzigen, allzu flüchtigen Moment hatte sie ihre Trauer vergessen, ehe sie mit einem Schlag zurückkehrte. Was ging es sie überhaupt an, mit wem sich Pavel betrank? Sie war nicht für ihn verantwortlich.

    Sie konnte Chekovs Blick auf sich ruhen fühlen, als sie das Hypo wieder aufräumte, die Behandlung in das PADD eintrug und sich selbiges schließlich an die Brust drückte. „Sonst noch Beschwerden?“ Erst jetzt hob sie wieder den Blick, um ihn anzusehen.

    Er schüttelte langsam den Kopf. „Ich wünschte, ich könnte Ihnen Ihren Schmerz ebenso leicht nehmen, wie Sie mir den meinen. Eine so gütige Frau, hat ein so schweres Schicksal nicht verdient.“

    Für einen Moment musste sie sich daran erinnern zu atmen. Ihre Knie gaben nach, als sie in die großen traurigen Augen ihres Patienten sah. Und plötzlich rannen ihr die Tränen über die Wangen, die sie seit Stunden so vehement bekämpft hatte.

    „Ich wollte Ihnen nicht wehtun“, sagte Pavel schnell, als er ihre Tränen sah und sprang vom Biobett herunter. „Verzeihen Sie mir.“ Sein schlechtes Gewissen stand ihm übers ganze Gesicht geschrieben.

    Rasch legte sie ihm eine Hand an die Wange. „Etwas so unglaublich Liebes hat schon lange niemand mehr zu mir gesagt, Pavel. Danke.“

    Er nickte, als er verstand, dass ihre Tränen, Tränen der Rührung waren. „Vremja vsjo lechit.“ Sie verstand nicht, was er zu ihr sagte, als er ihre Hand von seinem Gesicht löste und einen kleinen Kuss auf ihren Handrücken hauchte. „Danke für die Behandlung“, meinte er dann wieder in Föderationsstandard und sie nickte nur. Ob er das zuvor auf Russisch zu ihr gesagt hatte?


    Der Vormittag zog sich endlos hin. Die Routineuntersuchungen einiger Offiziere waren allesamt ereignislos. Das Problem war, dass Christine auf Autopilot lief, während McCoy die Untersuchungen vornahm, sie ihm assistierte und anschließend alles notierte, damit er später ausführliche Berichte für die Akten würde anlegen können.

    Als es Zeit für die Mittagspause wurde, fühlte Christine wie ihre Augen immer schwerer wurden. Sie wusste jedoch, dass sie keinen Schlaf finden würde, selbst wenn sie sich in ihrer Pause für einige Zeit hinlegen würde.

    „Könnten Sie mir aus der Kantine nachher etwas zu Essen und einen Kaffee mitbringen?“, bat McCoy, als sie im Begriff war zu gehen.

    Sie drehte sich in der offenen Tür zu ihm um. McCoy hatte sich bereits an seinen Schreibtisch gesetzt und begonnen den ersten Bericht zu schreiben. Christine nickte. „Gern, Doktor. Etwas Bestimmtes?“

    Er sah lächelnd von seiner Arbeit auf. „Was immer Sie für mich mitbringen, wird in Ordnung sein. Sie kennen mich doch.“

    Eigentlich nicht, schoss es ihr in den Sinn. Aber sie wusste, was er gerne aß. Sie erwiderte sein Lächeln, auch wenn sie sich nicht sicher war, ob es so warm und fröhlich wie sonst rüber kam.

    Als sie McCoy erneut den Rücken zuwandte, bemerkte sie seinen besorgten Blick nicht mehr.


    „Pavel hat mir vorhin etwas gesagt“, begann Christine und schob die Tortellini auf ihrem Teller hin und her, ohne Uhura anzusehen, die ihr gegenüber saß. „Es war russisch, aber ich … Ich weiß natürlich nicht, was er gesagt hat und ich habe es nicht mehr genau im Kopf.“

    „Können Sie sich an die Worte erinnern?“, fragte Uhura interessiert und spießte ihrerseits eine Tortellini auf, die sie sich mit reichlich Tomatensoße in den Mund schob, während sie auf eine Antwort wartete.

    Christine versuchte sich an den genauen Wortlaut zu erinnern, musste sich dann jedoch eingestehen, dass sie viel zu sehr von dem überwältigt gewesen war, was er zuvor in Föderationsstandard zu ihr gesagt hatte. „Nein, tut mir leid. Aber es klang schön. Russisch ist eine wundervolle Sprache.“

    Uhura nickte lächelnd. „Ja, das ist sie. Ich könnte ihn fragen, wenn Sie wollen.“

    Christine schüttelte den Kopf und schob ihr Essen weiterhin lust- und vor allem appetitlos über ihren Teller. „Nicht nötig, danke. Manchmal ist die Vorstellung von etwas schöner als die Realität.“

    Uhuras Hand legte sich auf Christines und streichelte sie sanft. „Sie sollten wenigstens etwas essen. Ich mache mir Sorgen um Sie, Christine.“

    Christine sagte nichts dazu. Niemand würde ihr in dieser Situation helfen können. Sie wusste, dass sie da ganz allein durch musste.

    „Ich weiß genau, wenn die Situation umgekehrt wäre, würden Sie mich zwingen etwas zu essen“, sagte Uhura. „Also werde ich mich nicht vom Fleck rühren, ehe Sie zumindest die Hälfte der Mahlzeit aufgegessen haben.“

    „Ist das Ihr letztes Wort?“

    Uhura nickte, zog ihre Hand zurück und aß weiter. „Ja“, sagte sie dann, nachdem sie eine weitere Tortellini zerkaut und geschluckt hatte.

    ***

    Als Christine mit dem Essen und dem Kaffee für McCoy zurück auf die Krankenstation kam, hatte sie das Gefühl die heilige Dreifaltigkeit bei einem Komplott ertappt zu haben. Mit einem saloppen „Also dann“, verabschiedete sich Captain Kirk von Doktor McCoy und dem Ersten Offizier Spock und huschte mit einem flüchtigen „Christine“ an ihr vorbei und hinaus auf den Korridor.

    Wieso nur hatte sie das Gefühl, zu stören? „Komme ich ungünstig?“, fragte sie daher und trat nichtsdestotrotz an McCoys Schreibtisch heran, der zwischen ihm und Spock stand, um das Tablett darauf abzustellen.

    „Ganz und gar nicht“, versicherte McCoy. „Danke, Christine.“ Er zog das Tablett mit seinem Mittagessen näher zu sich heran und setzte sich wieder auf seinen Stuhl.

    Spock nahm dies zum Anlass, sich Christine zuzuwenden. „Hätten Sie einen Moment Zeit, Schwester Chapel?“

    Sie konnte nicht anders, als McCoy einen giftigen Blick zuzuwerfen. Zweifellos war sie das Thema zwischen den drei Offizieren gewesen, ehe sie die Krankenstation betreten hatte. „Sind Sie mit meiner Arbeit unzufrieden?“, fragte sie daher gerade heraus und sah von McCoy zu Spock.

    „Aber nein“, ließ McCoy sie wissen und legte sich eine Stoffserviette auf den Schoß, ehe er den Deckel anhob, um nachzusehen, was es zu essen gab.

    „Schwester?“, hakte Spock nach und deutete auf den Nebenraum.

    Sie fühlte sich, wie der Mittelpunkt eines ausgeprägten Komplotts. „Ich versichere Ihnen, dass es mir gut geht und dass mein Verlust meine Arbeit in keiner Weise …“

    „Bitte, Schwester“, unterbrach Spock sie und deutete mit mehr Nachdruck zu dem Nebenraum.

    Christine reckte das Kinn und gab nach. „Fein.“ Erhobenen Hauptes betrat sie den Nebenraum und drehte sich erst zu dem Halbvulkanier um, als sie das Zischen der Tür vernahm, die sich schloss und für Privatsphäre sorgte. „Was hab ich ausgefressen?“, wollte sie wissen und drehte sich zu Spock um, die Arme über der Brust verschränkt.

    „Nichts“, war die stoische Antwort des Ersten Offiziers, als dieser die Hände auf seinen Rücken legte und Christine für einen sehr langen Moment eingehend musterte.

    „Bekomm ich jetzt Stubenarrest?“, fragte sie frech heraus. Das war nicht der Tag für vulkanische Ratespiele. Sie wollte ihre Arbeit machen und den Tag hinter sich bringen. Ebenso den Tag darauf und den danach … Sie musste weitermachen – irgendwie.

    Spock hob in bester vulkanischer Manier eine Augenbraue und schien seine nächsten Worte genau zu bedenken, ehe er sie aussprach. „Es gibt ein vulkanisches Ritual“, begann er dann und diesmal zog Christine die Brauen hoch, so dass ihre Stirn in dünnen Falten lag. „Es erlaubt mir, einen Teil Ihres Schmerzes zu absorbieren. Gleichzeitig kann ich Ihnen etwas von meiner … Kontrolle übertragen.“

    „Sie wollen … was?“ Christine kam nicht umhin, Spock aus großen blauen Augen anzustarren.

    „Dieses Ritual ist vergleichbar mit einer Geistesverschmelzung. Jedoch gibt es einige signifikante Unterschiede, die…“

    „Moment“, bat Christine und hob beide Hände, um den Ersten Offizier zum Schweigen zu bringen. Zu ihrer Verwunderung hielt er tatsächlich in seiner Erklärung inne. „Sie wollen meinen Schmerz auslöschen?“

    „Das ist eine höchst simple Darlegung eines solch komplexen Rituals…“

    „Also?“, fragte sie und unterbrach den Führungsoffizier. Dass dies zutiefst unhöflich war, war ihr im Augenblick egal.

    „Ja“, sagte er schlicht. „So können Sie es auslegen.“

    Christine befeuchtete ihre Lippen und blinzelte einige Male, während sie die Tragweite überdachte, die ein solches Ritual mit sich brachte.

    „Ich versichere Ihnen, dass es ungefährlich für Sie sein wird“, ließ Spock sie wissen, ganz so als könne er ihre Gedanken lesen und ihre Zweifel sehen.

    Sie schüttelte den Kopf. „Und der Captain stimmt dem zu? Und auch Doktor McCoy? Ich meine, Sie wollen in meinen Verstand eindringen und … was genau tun? Meine Erinnerungen an Roger auslöschen?“

    Spock legte den Kopf schief. „Keineswegs“, erwiderte er gefasst. „Es ist mehr so etwas wie ein Schleier, den ich über die Trauer lege und …“

    „Nein.“ Christine schüttelte energisch den Kopf. Als Spock die Brauen wieder anhob und die erneute Unterbrechung scheinbar unbeeindruckt zuließ, wiederholte Christine ihre Worte. „Nein, kommt gar nicht in Frage.“ Sie konnte Spocks fragenden Blick sehen. „Ich brauche diese Trauer und den Schmerz. Sie sind ein Teil von mir und sie gehören zu den Erinnerungen, die ich mit dem Mann verbinde, den ich heiraten wollte.“ Spock hob lediglich eine verwunderte Augenbraue. „Es soll nicht leicht sein, Mister Spock. Wenn es leicht wäre, den Tod eines geliebten Menschen zu verkraften, müsste ich mich fragen, ob ich ihn wirklich geliebt habe oder nicht. Oder ob ich womöglich meine Menschlichkeit verloren habe. Ich möchte nicht, dass Sie es mir leichter machen. Ich möchte es aus eigener Kraft schaffen, diesen Verlust zu überwinden.“

    Er nickte verständnisvoll.

    Christine wusste, dass der Halbvulkanier nicht leichtfertig ein solches Angebot gemacht hatte. Dass es seine Art war, ihr als Freund zu helfen. Die Unterdrückung sämtlicher Emotionen, guter wie schlechter, war das Einzige, das er kannte. Er war so erzogen worden. „Ich danke Ihnen für das selbstlose Angebot, Mister Spock. Ich weiß es wirklich zu schätzen. Und ich hoffe, Sie halten mich jetzt nicht für feige, weil ich es ausschlage.“

    Spock straffte die Schultern. „Ganz im Gegenteil, Miss Chapel. Ich bewundere Sie für Ihre Entscheidung. Sie sind eine sehr starke Frau.“

    „Sie hatten Angst, ich zerbreche daran?“, fragte sie und ein gerührtes Lächeln legte sich auf ihre Lippen.

    „Der Captain hat es befürchtet, ja.“

    Der Captain. Sie war ihm also doch nicht egal.

    „Da Sie jeden Tag den Launen Doktor McCoys ausgesetzt sind und dennoch täglich gerne und ausgesprochen pflichtbewusst Ihrer Arbeit nachgehen, habe ich keine Sekunde daran gezweifelt, dass Sie Ihre innere Kraft wieder finden würden.“

    Christine wusste beim besten Willen nicht, ob sie lachen oder weinen sollte. Letztlich entschied sie sich dafür zu lachen. Als McCoy ins Zimmer kam, um nach dem Rechten zu sehen, lachte Christine noch immer. Spock stand da und sah sie lediglich verwundert an.

    „Was haben Sie nur getan, Spock? Jetzt hat sie den Verstand verloren!“, raunte McCoy und warf Spock einen düsteren Blick zu, während er besorgt auf Christine zuschritt.


    Dass sie keineswegs den Verstand verloren hatte, bewies Christine in den übrigen Stunden ihrer Dienstzeit. Sie half dabei einige Techniker zu behandeln, die mit Platzwunden und leichten Verbrennungen als Notfälle in die Krankenstation kamen, nachdem eine Plasmaleitung im Maschinenraum geplatzt war. Offenbar war es zu einer massiven Überlastung gekommen.

    Während sie dem Doktor ein Instrument nach dem anderen reichte und anschließend Verbände anlegte, hörte sie McCoys scheinbar endlosen Schimpftiraden über die Unfähigkeit von Mechanikern zu.

    Kurz vor Feierabend tauchte dann noch Sulu auf, der von einer seiner fleischfressenden Pflanzen gebissen worden war. Christine rügte ihn für seinen Mangel an Vorsicht, während Doktor McCoy die zum Glück recht harmlose Verletzung rasch behandelte. Sulu musste versprechen, künftig besser aufzupassen, wenn er seine Fleischfresser fütterte.

    Als auch der letzte Patient gegangen war, und sie die Krankenstation gemeinsam aufgeräumt hatten, wandte sich der Arzt mit sorgenvollem Blick an Christine.

    „Möchten Sie ein leichtes Schlafmittel?“, fragte McCoy direkt, als sie im Begriff waren M’Benga die Station für die Nacht zu übergeben. „Es würde Ihnen sicher helfen, ruhiger zu schlafen.“

    Sie wusste, McCoy meinte es nur gut mit ihr. „Nein, danke“, erwiderte sie daher und legte ihm eine Hand auf den Unterarm. „Machen Sie sich keine Sorgen um mich.“

    „Wie könnte ich nicht? Sie sind doch meine Lieblingskrankenschwester“, sagte McCoy mit einem leichten Lächeln und legte seine eigene Hand auf ihre, um sie sanft zu drücken.

    „Ich bin die einzige Krankenschwester an Bord.“

    „Als ob das irgendwas aussagt“, winkte McCoy ab. Sein Lächeln wuchs in die Breite und sie erwiderte es.

    Auch wenn sie das Mitleid der Crew zu Beginn des Tages ganz furchtbar gefunden hatte, war sie nun doch froh darüber. Sie war bei weitem nicht so allein, wie sie geglaubt hatte. Ja, sie hatte die Liebe ihres Lebens verloren. Aber dadurch hatte sie auch herausgefunden, was sie gewonnen hatte. Denn ganz ohne, dass sie es wirklich realisiert hatte, war sie zu einem wichtigen Teil der Crew geworden. Und die Offiziere, die sie bisher nur als Kollegen gesehen hatte, entpuppten sich als ihre Freunde.

    Nein, sie war nicht allein.

    Und dieses Wissen half ihr, nicht nur diesen Tag zu überstehen, sondern auch den darauf und alle weiteren die folgten.


    Es war deutlich nach zehn am Abend, als das Signal ihrer Tür erklang. Verwundert zog sie den seidenen Bademantel enger und öffnete ihrem Besucher die Tür. Zu ihrer Überraschung stand dort der Chefingenieur, die Hände auf dem Rücken und etwas unsicher auf seinen Füßen wippend.

    „Mr. Scott…“

    „Miss Chapel.“

    „Fehlt Ihnen etwas, Mr. Scott?“ Sie sah ihn besorgt an. Er wusste sicher, dass ihr Dienst seit Stunden vorbei war.

    Er nickte leicht, ehe er eine dunkle, bauchige Flasche hinter seinem Rücken hervor zauberte. „Gesellschaft. Und ich hatte gehofft, Sie würden diesen feinen Tropfen mit mir probieren. Es ist ein saurianischer Brandy, mehr als dreißig Jahre alt…“

    Christine war sich nicht sicher, was sie von dem Angebot halten sollte. Für gewöhnlich teilte Mr. Scott seine feinen Tropfen nicht mit irgendwem. Die selbstgebrannten Sachen ja, aber nicht die edlen. Die hob er für den Captain und den Doktor auf. Sie hatte McCoy oft von Scottys auserlesenen Brandys und Scotchs reden gehört.

    Andererseits konnte sie jetzt wirklich einen kleinen Schlummertrunk gebrauchen und sie wollte auch nicht unhöflich sein. Mr. Scott war ihr gegenüber stets anständig und zurückhaltend gewesen und sie glaubte keine Sekunde daran, dass er unlautere Absichten hegte. So wie sie ihn einschätzte, war dieses Angebot einfach seine Art für sie da zu sein.

    „Um ehrlich zu sein“, sagte sie daher, „könnte ich selbst etwas Gesellschaft brauchen.“ Christine bat ihn lächelnd herein und ließ die Tür hinter ihm zu gleiten. Es war ein seltsames Gefühl, dass sie einen Mann in ihr Quartier einlud. Wenn sie es sich recht überlegte, hatte sie nie zuvor jemanden in ihre Räume gebeten. Etwas unbehaglich, zog sie ihren Bademantel noch etwas enger.

    „Wo sind die Gläser?“, fragte Scott und wandte sich zu ihr um. Er bemerkte offenbar, dass sie sich etwas unwohl fühlte. „Ich verspreche, ein Gentleman zu sein.“

    Seine Worte brachten sie zum lächeln. „Ich weiß, dass Sie das sind. Es ist nur so seltsam… Bis gestern war ich verlobt…“ Zwar hatte sie Roger viele Jahre nicht gesehen, aber sie war keine Frau, die eine Verlobung nicht ernst nahm. Aus den Augen, aus dem Sinn war für Christine kein Argument gewesen, Roger zu vergessen, oder dass sie ihm zugesagt hatte, seine Frau zu werden.

    Scotty nickte langsam und verständnisvoll. „Ich kann auf meinen Händen sitzen, wenn Sie sich dann wohler fühlen.“

    Erneut lachte Christine. Sie musste wirklich lachen bei dem Gedanken. „Und wie wollen Sie dann trinken?“

    „Das zeig ich Ihnen, wenn Sie mir verraten wo die Gläser sind“, zwinkerte er und er hielt was er versprach.

    Drei Runden lang trank Scotty seine Drinks, während er auf seinen Händen saß. Während dessen erzählte Scotty ihr eine Menge lustiger Geschichten, um sie von ihren traurigen Gedanken abzulenken und es funktionierte. Sie fühlte sich unglaublich wohl in seiner Gegenwart.

    Christine hatte den Chefingenieur schon immer gemocht, war ihm jedoch nie so nahe gekommen, dass sie ihn hätte als Freund bezeichnen wollen.

    Dieser Abend änderte jedoch so allerhand. Nicht nur, dass sie das Gefühl bekam, Scotty alles erzählen zu können, nein. Er strahlte eine beinahe greifbare Geborgenheit durch seine bloße Anwesenheit aus. Etwas, das sie in den letzten Jahren sehr vermisst hatte. Sie fühlte sich viel zu wohl, um dagegen anzukämpfen.

    Sie war eindeutig zu viele Jahre abends allein ins Bett gegangen. Hatte sich eingeredet, dass sie ohne die direkte Nähe eines Mannes zufrieden war. Dass sie niemanden brauchte, der sie abends im Bett hielt und wärmte und ganz allgemein dafür sorgte, dass es ihr an nicht mangelte.

    Sie hatte sich geirrt. Scottys bloße Anwesenheit machte es ihr beinahe schmerzhaft bewusst. Der saurianische Brandy trug sein Übriges dazu bei.

    Nach der sechsten Runde fand Christine sich wohlig trunken an seiner Schulter und erzählte ihm, wie es gekommen war, dass Roger ohne ein Wort verschwunden war.

    „Wenn Sie mich fragen“, sagte Scotty und seine Zunge wurde ihm allmählich schwer, doch das störte Christine nicht sonderlich, „ist er ein Idiot gewesen. Eine so schöne Frau lässt man doch nicht Jahre lang warten. Ich hätte es sicher nicht getan…“

    Christine wurde plötzlich viel zu warm. Sie hob den Kopf von Scottys Schulter und sah dem Schotten tief in die Augen. Ihr Herz schlug furchtbar aufgeregt in ihrer Brust und plötzlich war der alte Traum verblasst… und durch einen neuen ersetzt. Scotty erwiderte ihren Blick, lächelte leicht und schien sich erst Sekunden später der Tragweite seiner Worte bewusst zu werden. Sie konnte ihm ansehen, wie die Erkenntnis Besitz von ihm ergriff.

    „Das macht der Brandy“, sagte Christine und winkte leicht ab.

    „Betrunkene und Kinder sagen immer die Wahrheit“, versicherte Scotty ihr und stellte sein leeres Glas auf dem Tisch ab. „Allerdings brauche ich keinen Brandy, um zu erkennen, wie schön Sie sind.“ Christine schluckte nur und presste die Lippen aufeinander. „Ich brauche ihn, um den Mut zu finden, es Ihnen zu sagen.“

    Sie umrahmte sein Gesicht mit den Händen und legte ihre Stirn an seine. Dann nahm sie all ihren Mut zusammen und küsste ihn auf die Lippen. Es war ein harmloser, ängstlicher Kuss, den Scotty ebenso zurückhaltend erwiderte. Als sie ihre Lippen wieder von seinen trennte und ihn erneut ansah, lächelte er und hob leicht die Hände, wie um zu zeigen, dass er immer noch ganz brav war. Sie erwiderte sein Lächeln. „Ich brauche etwas Zeit.“

    Er nickte verständnisvoll. „Und ich laufe bestimmt nicht weg“, sagte er, streichelte ihre Wange und erhob sich etwas schwerfällig. „Ich lasse dich jetzt lieber schlafen.“

    „Wir könnten das bei Gelegenheit wiederholen“, sagte sie und ließ sich von ihm aufhelfen.

    „Sehr gerne.“ Scotty nahm ihre rechte Hand in seine und führte sie zu seinem Mund, um einen Kuss auf ihren Handrücken zu platzieren. „Wir sehen uns morgen.“

    „Ja“, nickte sie und fühlte, wie sich ein schützender Mantel warmer Geborgenheit um sie legte.

    Kaum, dass Scotty ihr Quartier verlassen hatte, ging sie ins Bett. In dieser Nacht gelang es ihr tiefer zu schlafen, als in den Nächten zuvor. Ob es an Scottys Brandy lag, der neu gefundenen Geborgenheit, der Hoffnung auf eine neue Liebe oder dem Wissen, dass sie von Freunden umgeben war, die sie durch diese schwere Zeit begleiteten, konnte Christine nicht sagen. Aber an diesem Abend schlief sie mit einem sanften Lächeln auf den Lippen ein, als ein neuer Traum Form annahm …


    ~ fade to black
    Nadia

    TrekNation - Das ultimative Archiv deutscher Star Trek Fanfiction

    Kommentar


      #17
      Nach längerer Zeit mal wieder eine Kurzgeschichte von mir. Sie ist zwar auch schon etwas älter, aber vielleicht gefällt sie euch ja trotzdem.
      Also mir gefällt sie sehr gut! Der Sachverhalt ist sehr schön, liebevoll, beschrieben. Außerdem gefällt mir der andere, fast nie beschriebene Blickwinkel. Wenn es sonst um Beziehungen in diesem Genre geht, dann sind das immer "Männerfreundschaften", Kameradschaftsbeschwörungen, Aufopferung für die Crew und das Schiff, hier geht es um reine Menschlichkeit, Nöte und mögliche Verbesserungen, ohne direkt als Lösung präsentiert zu werden! Das hat mir gut gefallen!
      "Die Welt ist grausam, aber sie ist auch wunderschön!"
      Mikasa Ackermann

      Kommentar


        #18
        Vielen Dank für das schöne Feedback zu dieser Kurzgeschichte.
        Nadia

        TrekNation - Das ultimative Archiv deutscher Star Trek Fanfiction

        Kommentar


          #19
          Schöne KG.
          Mir gefällt besonders, wie sehr sich Scotty hier wirklich wie Scotty anhört. (Und dass er doch nicht nur in seinen Sol-Antrieb verliebt ist, wie Kirk sagen würde.)
          Ich mag Menschen... wenn es nicht zu viele sind. Laut dürfen sie auch nicht sein. Kleine Friedhöfe sind schön.

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            #20
            Ich danke auch dir für das Feedback. Ich fand Scotty schon immer sehr lieb und charmant. Und er kann mindestens so gut mit Frauen flirten wie Kirk.
            Nadia

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              #21
              Kurze Anmerkung von mir: Gerade am Anfang benutzt Du sehr oft "hatte". Vllt. ließe sich das öfter aktiver umformulieren?
              Bsp.:Sie hatte versucht positiv zu denken. Die Hoffnung, ihn eines Tages wieder zu finden, hatte sie täglich aufstehen und ihre Arbeit verrichten lassen. Sie hatte gewollt, dass er stolz auf sie sein würde, wenn sie sich endlich wieder sehen und schließlich heiraten würden.
              Der alte Traum war geplatzt wie eine Seifenblase und hatte nichts als ein gebrochenes Herz zurückgelassen.
              -> Dabei positiv zu bleiben/zu denken, fiel ihr schwer. Täglich war sie mit der Hoffnung, ihn wiederzufinden, aufgestanden und zur Arbeit gegangen. Ihr Wunsch, den Stolz über sie in seinen Augen zu sehen und der Traum ihrer Hochzeit würde für immer unerfüllt bleiben. Der alte Traum war wie eine Seifenblase geplatzt und nichts, außer einem gebrochenen Herzen, war zurückgeblieben.
              Ich mag Deine Dialoge Weiter so
              Heaven is where the police are British, the chefs are Italian, the mechanics German, the lovers French and it all is organized by the Swiss.
              Hell is where the police are German, the chefs are British, the mechanics french and the lovers are Swiss and it all is organized by the Italians.

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                #22
                Gute Kritik, danke! Ich werde bei Gelegenheit mal drüberschauen und Korrekturen vornehmen.
                Nadia

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                  #23
                  Sternenkind


                  Charaktere: Samantha Wildman, Captain Janeway, Naomi Wildman, Der Doktor
                  Genre: Drama, Charakterstudie, Verlust, Hoffnung
                  Warnung: Verlust eines Kindes, Trauer, Realitätsverschiebung
                  Zeitpunkt: Direkt nach der Episode Die Verdopplung („Deadlock“)
                  Inhalt: Samantha Wildman hat ihr Baby verloren. Jetzt liegt ein anderes Kind in ihren Armen – identisch, aber aus einem Paralleluniversum. Kann ein Mutterherz so einfach vergessen? Oder ersetzt werden?
                  Anmerkung: Je länger ich über die Episode „Die Verdopplung“ (Deadlock) nachdenke, desto mehr irritiert mich, wie beiläufig und gefühllos mit einem zentralen Aspekt der Handlung umgegangen wurde: dem Verlust von Samantha Wildmans Baby. In meinem Oneshot „Das andere Ich“ habe ich diesen Moment bereits aus der Perspektive von Harry Kim verarbeitet, der ebenfalls seine Existenz in einem Moment drastisch verändert sah. Doch diesmal möchte ich – auch weil ich selbst Mutter bin – Samantha in den Mittelpunkt stellen.
                  Ihr Verlust ist, so denke ich, der tiefgreifendste von allen. Sie hat ihr Kind zur Welt gebracht – und beinahe im selben Augenblick wieder verloren. Ein Erlebnis, das unfassbaren Schmerz bedeutet. Und obwohl das „Problem“ durch das Baby aus dem Paralleluniversum scheinbar „gelöst“ wurde, stellt sich für mich die Frage: Kann man ein Kind einfach ersetzen?
                  Diese Geschichte ist mein Versuch, dem Schmerz, der Erinnerung und der Liebe Raum zu geben, die mit dem Verlust eines Kindes einhergehen – selbst in einem Universum voller Wunder.


                  Als Sternenkind, seltener als Schmetterlingskind oder Engelskind, werden verstorbene Kinder bezeichnet, insbesondere wenn sie vor, während oder bald nach der Geburt gestorben sind.
                  https://allnurseryrhymes.com/twinkle-twinkle-little-star
                  Die Krankenstation war still. Unnatürlich still. Nur das leise Summen der medizinischen Systeme war zu hören – ein mechanischer Herzschlag in einem Raum, der keinen Trost bot.
                  Samantha Wildman saß am Rand eines Biobetts, den Rücken gerade, die Hände fest ineinander verschränkt, als müsste sie sich daran festhalten, um nicht den Halt in der Realität zu verlieren. Ihre Finger waren weiß vor Anspannung, doch sie bemerkte es kaum.
                  Vor ihr – in eine weiche Decke mit winzigen, silbernen Sternenmustern gehüllt – schlief ihr Kind.
                  Naomi.
                  So sagte man ihr.
                  Ihr Kind. Ihre Tochter.
                  So stand es in den Berichten. So sprach der Doktor, wenn er von "dem Baby" sprach. So lächelte Janeway, als sie sie beglückwünschte. So schaute Neelix sie an – warmherzig, hoffnungsvoll, voller Stolz.
                  Doch in Samantha regte sich nichts von alledem. Keine Erleichterung. Kein Stolz. Kein Mutterglück. Nur Leere.
                  Denn obwohl sie wusste, dass Naomi lebte – atmete, wuchs, Wärme ausstrahlte – hatte sie zugleich das unerschütterliche Gefühl, dass das Universum ihr einen grausamen Streich spielte.
                  Ein Kind war gestorben. Ihr Kind.
                  Und jetzt sollte sie glauben, dass dieses kleine, schlafende Wesen – so zart, so vollkommen – es einfach ersetzen könnte?
                  Das Baby, das sie unter Schmerzen geboren hatte, war tot. Gestorben nur Minuten, vielleicht Sekunden, nachdem sie es zum ersten Mal gesehen hatte. Die Geburt war ein Chaos gewesen. Schmerz, Blut, Rufe, grelles Licht. Dann – ein Aufschrei des Körpers, ein Aufbäumen. Und danach: Stille.
                  Das erste Baby hatte nie geschrien.
                  Diese Naomi aber atmete ruhig. Ihre winzigen Finger zuckten im Schlaf.
                  Samantha starrte auf das Gesicht ihres Kindes. So vertraut. Und zugleich fremd. Sie konnte kaum sagen, ob ihr Herz sich zusammenzog vor Liebe – oder vor Verlust.
                  Ein Kind, das sie nicht geboren hatte.
                  Ein Leben, das nicht ihres war.
                  Und doch hatte das Universum entschieden, dass es ihres sein sollte.
                  Aber sie war nicht sicher, ob ihr Herz dieser Logik folgen konnte.
                  Sie erinnerte sich an das Zittern in ihren Beinen, als die Wehen einsetzten. An die schmerzhaften Stunden, in denen sie sich durch jede Kontraktion gekämpft hatte – allein, mit Neelix an ihrer Seite, und dem Doktor, der routiniert, beinahe erfreut, jede Entwicklung überwacht hatte.
                  Die Erleichterung, als das Baby geboren wurde, war überwältigend gewesen. Für einen winzigen Moment war alles Licht gewesen – Schmerz, Hitze, Hoffnung. Und dann…
                  Stille.
                  Das Baby schrie nicht.
                  Das war es, was ihr Herz zuerst zerriss. Kein erster Schrei. Keine Bewegung.
                  Sie hatte es gehalten. Winzig, zart, vollkommen. Und vollkommen leblos.
                  Der Doktor hatte alles versucht. Jeder Griff, jeder Impuls – vergeblich. Irgendetwas war bei der Geburt in diesem Universum… falsch gewesen. Vielleicht war es der Angriff gewesen, vielleicht ein Fehler im Transport. Vielleicht einfach Pech.
                  Aber am Ende war es passiert.
                  Ihr Baby war gestorben.
                  Und nun lag sie hier – dieses andere Kind.
                  Aus dem anderen Schiff.
                  Aus dem anderen Universum.
                  Identisch in jeder Hinsicht.
                  Derselbe genetische Code. Dasselbe winzige Gesicht mit den geschlossenen Lidern, unter denen sich manchmal ein Traum regte. Derselbe kleine Flaum auf dem Kopf – kaum sichtbar, aber doch da, wie weiches Licht. Derselbe winzige Körper, derselbe Duft nach Milch und Wärme.
                  Aber es war nicht dasselbe Kind.
                  Nicht ihr Kind.
                  Samantha hatte das Gefühl, als wäre sie in einem dieser schrägen Holoromane gelandet, in denen jemand aus einem Spiegel tritt – perfekt gleich, aber dennoch anders. Und wie man es auch drehte und wendete: Das Spiegelbild war niemals echt.
                  „Sie ist ein Wunder“, hatte der Doktor gesagt, mit dieser Mischung aus technischer Bewunderung und stiller Rührung, die er sich selbst nicht gern zugestand.
                  „Die andere Voyager ist zerstört worden“, hatte Captain Janeway erklärt, sachlich, aber mit einem Schatten in der Stimme. „Sie hatte keine Wahl. Sie hat sie gerettet.“
                  Gerettet.
                  Samantha erinnerte sich kaum an das Gespräch. Ihre Welt war in dem Moment nicht aus Worten gebaut gewesen. Sondern aus Nebel, aus Rauschen, aus einer alles durchdringenden Taubheit.
                  Ihre Gedanken hatten sich wie lose Drähte angefühlt – ohne Verbindung, ohne Strom.
                  Ein Riss in der Wirklichkeit. So hatte es sich angefühlt.
                  Zwei Voyagers. Zwei Naomis. Zwei Möglichkeiten.
                  Und jetzt: eine.
                  Die andere Janeway – eine Frau, die dieselbe Stimme, dieselbe Entschlossenheit, dieselbe Schwere getragen hatte wie ihr Captain – hatte eine Entscheidung getroffen. Der andere Harry Kim hatte Naomi in Sams Arme gelegt, mit einem Blick, der verstand.
                  Die andere Samantha Wildman hatte ihr Baby hergegeben, in der vagen Hoffnung es damit retten zu können. Eine Entscheidung, die keinesfalls leichtfertig gefällt worden war.
                  Und niemand hatte Samantha gefragt.
                  Nicht, ob sie das wollte.
                  Nicht, ob sie das konnte.
                  Man hatte ihr das Kind gegeben, es in ihre Arme gelegt, als wäre alles gut. Als hätte sich das Universum einfach repariert.
                  Aber das Universum reparierte sich nicht. Es machte Risse. Und ließ andere hineinfallen.
                  Sie hatte ihr Kind verloren.
                  Und nun lebte sie mit einem Kind, das dasselbe war – aber nicht ihres.
                  Wie sollte ein Herz das begreifen?
                  Wie sollte es das annehmen?
                  „Möchten Sie sie halten?“
                  Die Stimme des Doktors kam sanft, beinahe vorsichtig. Kein medizinischer Tonfall, keine Autorität in seiner Haltung – nur ein leiser Hauch von Menschlichkeit inmitten all der Technologie um sie herum.
                  Samantha erschrak ein wenig. Sie hatte ihn nicht kommen hören. Er stand nun neben ihr, die Hände wie gewohnt hinter dem Rücken verschränkt, doch sein Blick war weicher als sonst. Nicht mitleidig – der Doktor war nicht sentimental –, aber doch… vorsichtig.
                  Vielleicht verstand er.
                  Vielleicht auch nicht.
                  Wie sollte er? Er war ein Hologramm, programmiert, um Leben zu retten, nicht um Verluste zu begreifen. Und doch… er hatte in letzter Zeit so viel gelernt. Mehr als manche Menschen.
                  Samantha sah das winzige Bündel vor sich an – Naomi –, wie sie schlief, eingehüllt in die Decke mit den Sternen. Ihre Wangen waren rosig, ihre Brust hob und senkte sich in gleichmäßigem Rhythmus. Sie wirkte vollkommen friedlich. Geborgen.
                  Sie hätte sie einfach nur annehmen müssen. Ihre Tochter.
                  Aber ihre Arme blieben schwer. Ihr Herz noch schwerer.
                  Langsam schüttelte sie den Kopf. Ihr Blick löste sich nicht von Naomi.
                  „Ich… ich weiß nicht, ob ich das kann.“
                  Die Worte kamen brüchig, kaum lauter als ein Flüstern. Wie etwas, das schon zu lang im Inneren gedrückt hatte und nun zögernd das Licht suchte.
                  Der Doktor nickte nur. Kein weiteres Drängen. Kein Argument, kein Trostversuch.
                  Er verstand zumindest das: dass Schmerz nicht durch Logik geheilt werden konnte.
                  Statt etwas zu sagen, trat er einen Schritt zurück. Dann drehte er sich lautlos um und ließ sie allein.
                  Samantha blieb sitzen. Der Raum war still. Und plötzlich fühlte sich alles viel zu groß an. Die Betten, die Lichter, selbst der Boden unter ihren Füßen.
                  Ihre Finger zitterten. Sie legte eine Hand auf ihren Bauch, unwillkürlich, wie um sich zu vergewissern, dass da wirklich nichts mehr war. Kein Kind. Kein Leben in ihr. Nur Erinnerung.
                  Und das stille Gewicht einer Entscheidung, die nicht ihre gewesen war.
                  In den Tagen danach funktionierte sie.
                  Sie stand auf, wenn der Wecker klingelte, duschte, zog sich an, band ihre Haare zurück. Sie ging zur Arbeit, erledigte ihre Aufgaben mit der nötigen Präzision, beantwortete Fragen, reichte Berichte weiter, hörte zu. Sie stillte Naomi, wenn das Baby hungrig war, wiegte sie mit gleichmäßigen Bewegungen, wie man es ihr beigebracht hatte.
                  Sie lächelte. Wenn jemand vorbeikam, wenn Neelix ihr Essen brachte, wenn B’Elanna einen flüchtigen Kommentar über Babys abgab. Sie lächelte, weil es von ihr erwartet wurde.
                  Sie sprach, wenn man mit ihr sprach. Reagierte, wenn Naomi ein Geräusch von sich gab. Sagte „Danke“, „Alles in Ordnung“, „Ich komme zurecht.“
                  Und sie kam zurecht. Äußerlich. Doch innen…
                  In ihrem Herzen war ein Loch. Ein kaltes, schwarzes, grenzenloses Loch.
                  Nicht laut. Nicht spektakulär. Nur still. Und alles verschlingend.
                  Manchmal dachte sie, es müsse sich wie ein schwarzes Loch anfühlen – unsichtbar für Außenstehende, doch stark genug, um jedes Licht zu schlucken.
                  Es war nicht Naomi, die sie verstörte. Nicht dieses Baby mit dem vertrauten Gesicht. Nicht ihre zarten Finger, ihre leisen Gluckser, ihre hilflose Wärme. Es war sie selbst, die sich fremd geworden war.
                  Und in der Nacht – wenn das Schiff stiller wurde, wenn der Lärm des Tages verstummte – begann das Loch in ihr zu sprechen.
                  Dann saß Samantha oft auf einem Stuhl in der Krankenstation, barfuß, die Decke um die Schultern geschlungen, obwohl es nicht kalt war. Sie saß ganz still, als wolle sie den Raum nicht stören, als wäre er zerbrechlich wie Glas.
                  Sie sprach nicht. Bewegte sich kaum.
                  Nur ihr Blick wanderte immer wieder zu Naomi.
                  Die Kleine schlief in ihrem Bettchen, winzig, eingehüllt in dieselbe Decke mit dem Sternenmuster.
                  Samantha hatte aufgehört zu zählen, wie oft sie in jenen Nächten einfach nur zusah, wie sich Naomis Brust hob und senkte. Hebt sich. Senkt sich. Hebt sich.
                  Ein beruhigender Rhythmus.
                  Ein Beweis.
                  Naomi lebte.
                  Und doch: War sie ihre?
                  Diese Frage nagte an ihr, still und ohne Gnade. Nicht in Worten, sondern als Gefühl – ein ständiges Flirren unter der Haut, ein Zittern tief in der Brust, ein Schmerz, der keinen Namen hatte.
                  War sie die Mutter dieses Kindes?
                  Oder nur die Frau, in deren Arme es gelegt worden war?
                  Manchmal stellte sie sich vor, wie es wäre, wenn das andere Schiff nicht zerstört worden wäre. Wenn die andere Samantha ihr Baby behalten hätte. Wenn sie – die sie in diesem Universum – leer geblieben wäre. Wäre das ehrlicher gewesen? Richtiger?
                  Dann erschrak sie über sich selbst. Und hasste sich für den Gedanken.
                  Denn dieses Kind atmete. Es schlief. Es lebte.
                  Aber sie – sie konnte es noch nicht. Noch nicht lieben, wie es dieses Leben verdiente. Noch nicht loslassen, was sie verloren hatte.
                  Sie war Mutter. Ja. Aber zugleich auch: trauernd. Beides gleichzeitig. Und nichts davon ganz.
                  Und Nacht für Nacht saß sie da, im sanften Licht der Krankenstation. Und wartete. Worauf – das wusste sie selbst nicht.
                  Vielleicht darauf, dass etwas in ihr sich wieder regte. Vielleicht auf den Moment, in dem das fremde Kind in ihrem Arm ein Teil von ihr werden würde.
                  Oder einfach nur: auf ein kleines Lächeln. Eines, das nicht in ihr Loch fiel – sondern Licht zurückwarf.
                  Einmal, nach einer durchwachten Nacht, ging sie zu Captain Janeway. Sie stand lange vor der Tür zu deren Bereitschaftsraum, bevor sie den Türsummer betätigte.
                  „Lieutenant Wildman. Bitte, kommen Sie rein.“ Janeway lächelte leicht, aber in ihren Augen lag Sorge.
                  Samantha trat ein. Sah sich nicht um. „Ich muss Sie etwas fragen“, begann sie. Ihre Stimme war ruhig, fast tonlos.
                  „Natürlich.“
                  „Hatten Sie…“ Sie schluckte. „Gab es… irgendeine andere Möglichkeit?“
                  Janeway senkte den Blick. Einen langen Moment lang herrschte Stille. Dann sagte sie leise:
                  „Nein. Nicht wirklich. Die andere Voyager war schwer beschädigt. Wir konnten niemanden mehr retten – außer Naomi. Und Harry Kim.“
                  Samantha nickte langsam. „Ich verstehe.“
                  Aber in ihrem Inneren tat sie das nicht. Nicht wirklich. Oder vielleicht verstand sie es – aber sie konnte es nicht fühlen. Nicht ohne Schuld. Nicht ohne Wut.
                  Sie begann, sich zu erinnern. Immer wieder. Nicht weil sie es wollte, sondern weil ihr Körper es tat, ihr Geist, ihr Herz, das nach Bedeutung suchte. Es kam in Wellen – unvermittelt, ohne Vorwarnung, wie ein Echo, das durch sie hallte. Da war das Licht auf der Krankenstation, viel zu grell, viel zu klinisch. Es flackerte in ihren Augen, als hätte jemand das Leben selbst auf sterile Weißwerte heruntergedimmt. Sie erinnerte sich daran, wie ihr Atem schneller wurde, unkontrolliert, stoßweise, wie ihr ganzer Körper sich gegen das Unausweichliche wandte. Wie eine Stimme sie antrieb, ruhig, sachlich: „Noch einmal, Samantha. Jetzt.“ Und wie sie dann geschrien hatte. Kein Schrei der Angst – das war längst vorbei. Es war ein Schrei aus dem Innersten, aus einem Ort jenseits des Denkens, jenseits der Sprache. Ein Schrei, in dem ihr Körper sich verabschiedete.
                  Dann war es geschehen. Das Baby kam. Und mit ihm – eine Stille. Nicht die heilige, gespannte Stille, in der man auf den ersten Schrei wartet. Sondern eine andere. Eine Stille, die zu vollkommen war. Sie sog alles in sich hinein, jeden Laut, jeden Trost, jede Hoffnung. Der Doktor hatte das Kind gehalten, seine Hände vorsichtig, prüfend. Sie erinnerte sich an sein Gesicht – konzentriert, fast fragend, als wäre das Leben selbst eine mathematische Formel, die sich nicht lösen ließ. Sekunden vergingen. Sekunden, die sich wie Stunden anfühlten. Und dann – das leise, knappe Kopfschütteln. Kein hartes Nein. Kein plötzliches Ende. Nur ein stilles Eingeständnis, dass nichts mehr getan werden konnte. Dass das Leben sich anders entschieden hatte.
                  Samantha hatte ihr Baby gehalten. Einmal. Nur ein einziges Mal. Es war schwerer, als sie gedacht hätte, und doch viel zu leicht. Ein kleiner Körper, der sich nicht mehr regte. Warm nur, weil er eben noch ein Teil von ihr gewesen war. Nicht, weil darin Leben gewesen wäre. Die Augen waren geschlossen geblieben. Der Mund hatte nie nach Luft gesucht. Keine kleinen Hände hatten sich ausgestreckt, keine Stimme hatte je nach ihr gerufen. Kein Herz hatte geschlagen.
                  Und dann – nichts.
                  Keine Beerdigung. Kein Ritual. Kein Ort, an dem sie hätte Abschied nehmen können. Es gab keinen Moment der Stille, keine letzten Worte, keinen Namen. Der Doktor hatte gesagt, man werde sich darum kümmern. Janeway hatte ihr eine Hand auf die Schulter gelegt, ruhig, respektvoll. Aber das, was kam, war Leere. Kein Sarg. Kein Stein. Kein Raum, an dem sie hätte trauern dürfen. Nur ein medizinischer Eintrag, sachlich und knapp. Ein Ende. Kein Anfang.
                  Sie wusste nicht einmal, was mit dem kleinen Körper geschehen war. Ob er beigesetzt worden war. Ob er noch irgendwo war. Oder längst zu Sternenstaub geworden. Niemand hatte sie gefragt. Niemand hatte sie einbezogen. Und so war ihr Kind gestorben, ohne Spuren zu hinterlassen. Als hätte es nie existiert.
                  Und das war vielleicht das Schlimmste: Nicht der Schmerz. Nicht der Verlust. Sondern das Gefühl, dass niemand – außer ihr – sich erinnerte, dass dieses Kind je da gewesen war.
                  Naomi wurde älter. Erst ganz unmerklich, in winzigen Schritten, die Samantha fast zu übersehen glaubte – ein kleines Gähnen hier, ein erster gezielter Griff nach einem Spielzeug dort. Dann deutlicher: ein halbes Jahr war vergangen, und Naomi lachte. Nicht nur dieses zufällige Babyglucksen, sondern echtes Lachen – hell, überraschend, aus tiefstem Bauch. Sie hatte eine Vorliebe für bunte Tücher entwickelt, besonders das grüne mit den schimmernden Punkten, das Samantha ihr einst achtlos über das Bettchen gehängt hatte. Und sie liebte Neelix’ Stimme. Wenn er sprach, ganz gleich worüber, leuchteten ihre Augen auf. Manchmal versuchte sie, selbst etwas zu erwidern, ihre kleinen Hände ruderten aufgeregt durch die Luft, als könne sie Worte greifen.
                  Samantha begann, zurück zu lächeln. Nicht immer. Nicht sofort. Aber manchmal – echt. Ohne Zwang. Ohne Schuld.
                  Wenn Naomi sich auf den Bauch drehte, den Kopf hob und sie triumphierend ansah, als hätte sie soeben ein kleines Wunder vollbracht. Oder wenn sie sich mit einem Lächeln an Samantha kuschelte, das eindeutig nur für sie bestimmt war.
                  In solchen Momenten spürte Samantha Wärme. Nicht die alte, brennende Sehnsucht – sondern etwas Neues. Zart. Zerbrechlich. Ein Anfang.
                  Aber manchmal, in der Stille, wenn das Schiff schlief und Naomi endlich zur Ruhe gekommen war, saß Samantha wieder allein. Kein Lächeln mehr. Kein Licht. Nur sie selbst – der echte, nicht funktionierende Teil von ihr – mit dem Kopf in den Händen.
                  Und dann kamen die Fragen.
                  Wie hätte das andere Baby ausgesehen? Das erste? Hätte es dasselbe Grübchen gehabt, das Naomi bekam, wenn sie lachte? Oder wäre da ein anderer Ausdruck gewesen, ein anderer Blick?
                  Wäre es ruhiger gewesen? Oder lebhafter? Hätte es vielleicht dunklere Augen gehabt, schmalere Finger, andere Geräusche gemacht? Hätte es sie anders angesehen?
                  Sie wusste, dass es keine Antworten gab. Aber ihr Herz stellte die Fragen trotzdem.
                  Und manchmal, ganz selten, wenn Naomi tief schlief, flüsterte Samantha ein Wort in die Dunkelheit. Einen Namen. Nur für sich. Den, den sie nie hatte sagen dürfen. Ein Name, den niemand kannte. Für ein Kind, das tot geboren wurde. Und doch für immer ihr erstes war.
                  Niemand wusste davon. Kein Eintrag im Dienstplan, keine Nachfrage, keine Worte. Samantha hatte sich in aller Stille auf das Holodeck begeben, ohne Uniform, ohne Rang – nur sie selbst, in einem einfachen Kleid, Naomi im Arm. Es war ein besonderer Abend. Nicht offiziell, nicht im Kalender verzeichnet. Aber in ihrem Herzen war dieses Datum unauslöschlich eingraviert: der Jahrestag der Geburt. Der Tag, an dem sie zum ersten Mal ihr Kind gehalten hatte – und zum letzten Mal.
                  Sie hatte sich eine einfache Simulation programmiert: eine weitläufige Wiese unter einem klaren Nachthimmel. Kein künstliches Licht, kein futuristisches Design, keine fremden Planeten. Nur weiches Gras unter ihren Füßen, ein milder Wind, der durch die Halme strich, und über ihr ein Himmel voller Sterne.
                  Es waren unzählige. Funkelnde, ruhige Punkte in der Dunkelheit, manche kaum sichtbar, andere strahlend hell. Und obwohl sie wusste, dass sie nicht echt waren, spürte sie in diesem Moment, dass sie wahr waren – weil sie etwas bedeuteten.
                  Samantha setzte sich ins Gras, zog Naomi näher an sich. Das Kind war schläfrig, warm, weich. Ihre kleinen Finger krallten sich in Samantas Kleid, dann öffneten sie sich wieder, ganz sacht, als würde sie die Welt berühren wollen.
                  Samantha legte den Kopf in den Nacken, sah nach oben. Und dann, ohne zu denken, begann sie zu singen. Ganz leise. Nur für sich.
                  Twinkle, twinkle, little star,
                  how I wonder what you are…“

                  Ihre Stimme war kaum mehr als ein Flüstern. Doch sie trug. Trug durch die Stille, durch die Simulation, durch die Zeit. Naomi gluckste plötzlich, als hätte sie etwas verstanden, streckte eine kleine Hand nach oben aus, in Richtung der Sterne.
                  Samantha lächelte. Und während sie das tat, liefen ihr Tränen über die Wangen. Lautlos. Ohne Schluchzen. Es war kein Weinen in Verzweiflung. Es war das Weinen, das kommt, wenn man endlich zu atmen beginnt.
                  „Du bist mein Sternenkind“, flüsterte sie. Ihre Wange berührte Naomis Haar. „Und sie auch.“
                  Neben sich im Gras lag eine kleine, weiße Blume. Kein besonderes Gewächs, keine exotische Pflanze – einfach eine zarte Blüte, wie Kinder sie pflücken. Samantha nahm sie in die Hand, hielt sie einen Moment fest. Dann öffnete sie die Finger und ließ die Blume los.
                  Der virtuelle Wind trug sie davon, sanft, langsam, als wüsste er, wohin er sollte. Die Blume drehte sich ein paarmal in der Luft, stieg auf, trug Erinnerungen mit sich.
                  Ein Abschied.
                  Ein Gruß.
                  Vielleicht beides.
                  Samantha sah ihr nach, bis sie verschwand. Dann senkte sie den Blick, sah Naomi an, die inzwischen eingeschlafen war, den kleinen Mund leicht geöffnet, die Stirn friedlich.
                  Und in diesem Moment wusste Samantha etwas. Etwas, das sich nicht in Worte fassen ließ, aber wahr war.
                  Sie würde nie vergessen.
                  Nie ersetzen.
                  Aber vielleicht – mit der Zeit – würde sie lernen, beide in ihrem Herzen zu tragen.
                  Ein Stern.
                  Und ein Schmetterling.


                  ENDE

                  Nadia

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