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"All das vergiss bitte nie!" / "Remember"

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    #46
    13. März 1920:
    Lüttwitz-Kapp-Putsch in Berlin


    Um 4 Uhr morgens marschiert die Marinebrigade Erhardt (benannt nach ihrem Gründer Hermann Erhart) unter dem Kommando von Reichswehrgeneral von Lüttwitz mit Hakenkreuzen auf den Stahlhelmen in Berlin ein, besetzen alle Ministerien und setzen den konservativen ostspreußischen Generallandschaftsdirektor Kapp als Regierungschef ein. Das Kampflied der Aufständischen lautet:
    "Hakenkreuz am Stahlhelm,
    schwarz-weiß-rotes Band,
    die Brigade Ehrhardt
    werden wir genannt.
    Die Brigade Ehrhardt
    schlägt alles kurz und klein,
    wehe Dir, wehe Dir,
    du Arbeiterschwein.“
    Die Putschisten schlugen früher als geplant los, da die Siegermächte des 1. Weltkriegs die Auflösung der 6000 Mann starken Brigade Erhardt, die ein Teil der auf dem Baltikum aktiven Freikorps war, gefordert hatten.

    Dieser Putsch hatte sich aber schon die Monate zuvor angekündigt. General von Lüttwitz hatte dem SPD-Kriegsminister Gustav Noske selbst im Juni 1919 eine Diktatur vorgeschlagen. Noske ging noch Stunden vor dem Putsch von der Loyalität der Generäle aus. Aber sowohl die Reichswehr, als auch die Polizei weigerte sich die Regierung zu verteidigen, die daraufhin über Dresden nach Stuttgart floh. Der Chef des Allgemeinen Truppenamts und spätere Oberkommandierende der Reichswehr General Hans von Seeckt sagte: „Reichswehr schießt nicht auf Reichswehr.“

    Die Truppen, die Noske zuvor aufgebaut und eingesetzt hatte, um die revolutionäre Arbeiterbewegung blutig zu unterdrücken, und die in den Monaten zuvor über 20 000 Menschen umgebracht hatten, fielen jetzt über den „Bluthund“ (Noske über sich selbst) her. Die maßgeblich beteiligten Offizieren hatten sich bereits im Kampf gegen die Revolutionäre hervorgetan: Marineoffizier Erhardt hatte auf dem Baltikum gegen die russische Revolution gekämpft, von Lüttwitz die Aktionen gegen die ArbeiterInnen in Berlin im Januar und März 1919 geleitet, Pabst war in die Morde an Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht verwickelt und Oven leitete die Niederschlagung der Bayerischen Räterepublik, an der auch die Brigade Erhart teilnahm. Die Putschisten glaubten deshalb, dass Ebert und Noske die neue konterrevolutionäre Regierung unterstützen würden.

    Reichspräsident Ebert und Noske hatten in den Monaten zuvor alles dafür getan, den kaiserlichen Staats- und Verwaltungsapparat zu retten und dafür gesorgt, dass er der direkten Kontrolle der Bevölkerung entzogen war. Sie hatten geholfen, dass fast das gesamte Offizierskorps an monarchistischen und konservativen Prinzipien festhalten konnte. Ebert und Noske gingen nicht so weit den Putsch zu unterstützen, aber sie hatten auch nicht die Macht ihn zu stoppen. Die Mehrheit der Militärs, der Kapitalisten und der bürgerlichen Parteien sympathisierten mit den Putschisten, wartenden aber passiv ab, ob der Putsch erfolgreich sein würde.

    Die Gewerkschaftsfunktionäre waren aber in einer anderen Lage. Sie hatten nicht nur ihre Glaubwürdigkeit, sondern auch die Möglichkeit gewerkschaftlich und politisch aktiv zu sein, zu verlieren. Ausgehend von dem Chef des Gewerkschaftsbundes ADGB Legien wurde ein Generalstreik organisiert. Auf dem Aufruf waren auch die Unterschriften der SPD-Regierungsmitglieder und des SPD-Vorsitzenden Otto Wels, wobei Noske und Reichskanzler Gustav Bauer sich bezeichnenderweise davon distanzierten. Der Aufruf wurde am 13.März um 11 Uhr herausgegeben. Mittags begann der Streik und breitete sich auf das ganze Land aus: auf das Ruhrgebiet, Sachsen, Thüringen, Hamburg, Bremen, Bayern und sogar auf die ostpreußischen Landgüter. An dem Generalstreik beteiligten sich nicht nur IndustriearbeiterInnen, sondern auch zum ersten Mal auf der Seite der Linken auch viele der traditionell konservativen Angestellten und Beamten.

    Angesichts der Erfahrungen mit den Militärs während der Streiks in den Monaten zuvor, bewaffneten sich die Arbeiter. Sie sahen, dass es der Revolution von 1918/19 nicht gelungen war den alten reaktionären Apparat zu entfernen. Im Ruhrgebiet entstand eine „Rote Ruhrarmee“ mit 50.000 Mann unter Waffen, die das Militär aus dem Ruhrgebiet vertrieben, wobei es besonders schwere Kämpfe um Dortmund und Essen gab.
    Auch Mitteldeutschland bewaffneten sich die Arbeiter. Arbeiter übernahmen die Kontrolle über alle größeren Städte in Thüringen bis auf Erfurt. Auch in Sachsen wurden mehrere kleine Städte kontrolliert. In Chemnitz wurde ein Arbeiterrat gewählt, der die Kontrolle übernahm. Im sächsischen Plauen rief der als „Roter Robin Hood“ verehrte Max Hoelz die Räterepublik aus und kontrollierte bis Mitte April das Vogtland. Trotz einer relativ starken Arbeiterbewegung gelang es aber nicht, Leipzig zu kontrollieren. Auch Dresden blieb unter Kontrolle der Reichswehr.
    In Norddeutschland wurde in Wismar eine Räterepublik ausgerufen. Rostock wurde von einer bewaffneten Arbeiterwehr kontrolliert. In Kiel meuterten die Matrosen gegen ihre Offiziere und unterstützten die Arbeiter in den Kämpfen. In den beiden Zentren der Revolution von 1918/19 - Hamburg und Bremen - blieb es dagegen relativ ruhig.
    Auch in Berlin blieb trotz einzelner Aufstände in den Arbeitervierteln relativ ruhig. In den landwirtschaftlich geprägten Gegenden östlich der Elbe, wo die Putschisten die größte Unterstützung erwartet hatten, beteiligten sich die LandarbeiterInnen an dem Streik und entwaffneten Militärs und Polizei. Auch die Eisenbahner streikten deutschlandweit, womit die Verlagerung von Truppen für die Reichswehr massiv behindert wurde.

    Kapp konnte gegen den bewaffneten Generalstreik nichts ausrichten, obwohl er über die Reichswehr und die Freikorps verfügen konnte. Er drohte mit der Erschießung aller Streikenden, zog aber den Befehl zurück, als er sah, dass er ihn nicht durchsetzen konnte. Zusätzlich zum Streik weigerten sich große Teile der Ministerialbürokratie, den Anweisungen Kapps Folge zu leisten. Der „starke Staat“, auf den sich Kapps „Regierung der Tat“ stützen sollte, konnte nichts durchsetzen. Als ein Teil der Truppen in Berlin gegen die Offiziere meuterte und die Polizei die Seite zu wechseln begann, brach der Putsch am 17. März zusammen.

    Damit war aber noch nicht der Streik beendet. Die reaktionären Generäle hatten mit ihren Anstrengungen, die Reste der alten Revolution von 1918/19 zu beerdigen, die Anfänge einer neuen Revolution losgetreten. Forderungen nach einer Entwaffnung des Bürgertums, der Entfernung der Putschisten und ihrer Sympathisanten aus dem Staatsapparat und die Bildung einer Arbeiterregierung wurden von der Seite der streikenden ArbeiterInnen gestellt. Legien formulierte vage Forderungen („9 Punkte-Programm“) an die Regierung und rief auf deren Grundlage am 20.3. zur Beendigung des Streiks auf. Gleichzeitig führte er Gespräche über die Bildung einer Arbeiterregierung. Aber die umgebildete Regierung aus SPD, DDP und Zentrum ging auf keine diese Forderungen ein. Der Staatsapparat blieb von Reaktionären durchsetzt, was sich 1933 bitter rächen sollte. Zwar wurde gegen ein Teil der Offiziere, die den Putsch aktiv unterstützt hatten, Anklage erhoben, aber nur einer wurde verurteilt. Hermann Erhart konnte nach Bayern fliehen, wo er nicht weiter verfolgt wurde, und Teile seiner aufgelösten Brigade in die Organisation Consul, den späteren Wiking-Bund, umwandelt. Die Mitglieder des "Wiking-Bunds" waren für die Ermordung von Finanzminister Matthias Erzberger, Außenminister Walther Rathenau und für zahlreiche andere politische Morde verantwortlich.

    Der Streik brach zusammen, obwohl keine der Forderungen erreicht waren und ein erneuter Versuch der Rechten das Rad der Geschichte zurückzudrehen nicht auszuschließen war. Jetzt rächte es sich, dass es die Linke versäumt hatte eine zentrale Struktur aufzubauen, die die Aktivitäten koordinieren und ein Gegengewicht zu der Regierung hätte darstellen können. Einzelne Regionen beendeten den Streik, die anderen wurden isoliert und brutal mit Massenerschießungen von der Reichswehr niedergeschlagen. Die Initiative ging verloren, und damit auch das Selbstbewußtsein der Streikenden. Die linken Parteien waren nicht in der Lage, auf den Ausverkauf des Streiks durch Legien zu reagieren, noch konnten sie eine Antwort auf seine Versuche, eine Arbeiterregierung zu bilden geben. Deshalb konnte die SPD die Initiative wieder übernehmen und bildete die Regierung nicht nach links, sondern nach rechts um. Die Ereignisse lösten eine massive Desillusionierung mit der SPD aus, aber auch sich ausbreitende Frustration. Die Rechte konnte deshalb bei der Reichstagswahl am 6. Juni 1920 hinzugewinnen, während die Regierungsparteien massiv Stimmen verloren. Am härtesten wurde die SPD getroffen: ihr Anteil sank von 37,1% auf 21,7%, während der Anteil der USPD von 7,6% auf 17,9% stieg. Eine Mehrheit der USPD schloß bald darauf der KPD an.

    Die Ereignisse des März 1920 in Deutschland bei der Abwehr des Kapp-Putsches ähnelten in bemerkenswerter Weise denen in Rußland im August 1917 bei Abwehr des Kornilow-Putsches. In Rußland führte dies zu einer massiven Stärkung der Bolschewiki, die die Mehrheit gewinnen und damit die Macht übernehmen konnten. Warum konnte die Linke in Deutschland nicht von den Erfolgen bei der Abwehr des Putsches profitieren, obwohl für sie die Rahmenbedingungen eher besser waren? Die revolutionäre Linke in Deutschland war damals gespalten. Ein Teil war in der USPD, die zwar eine Massenpartei darstellte, sich aber aufgrund der Gegensätze zwischen dem rechten und dem linken Flügel vor allem durch Schwankungen auszeichnete, und deshalb kaum in der Lage war, eine vorantreibende Rolle zu spielen. Die KPD war damals eben erst gegründet worden und zeichnete sich durch Unorganisiertheit und Unerfahrenheit aus, was noch durch die Ermordung erfahrener KommunistInnen wie Luxemburg und Liebknecht verschlimmert wurde. Die KPD hinkte, insbesondere in Berlin, meist den Ereignisse hinterher und es gelang ihr deshalb nicht eine Mehrheit für ihre Politik zu gewinnen (eine nennenswerte Ausnahme war die KPD in Chemnitz, die eine Mehrheit für ihre Politik gewinnen konnte und zu stärksten Arbeiterpartei wurde). Zudem war sie durch ihre starke Bindung an die russischen Bolschewiki diskreditiert, von denen sich große Teile der Linken auch außerhalb der SPD distanzierten.

    Die brutale Unterdrückung der Versuche der ArbeiterInnen, soziale und demokratische Emanzipation zu erkämpfen, und die gleichzeitige Ablehnung der Demokratie durch die Mehrheit der Bürgerlichen und der Generäle, führte dazu, dass die Weimarer Republik auf tönernen Füßen stand, was sich 1933 zeigen sollte.

    (von max, assistiert von Jack)

    Stern-Artikel zu dem Thema.
    Zuletzt geändert von Jack Crow; 05.04.2003, 20:20.

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      #47
      15. März 44 v.Chr.:
      Julius Cäsar wird ermordet


      An den Iden des März wird der römische Diktator im Senat von etwa 40 Verschwörern unter Führung von Marcus Junius Brutus und Gaius Cassius Longinus erstochen. Seine letzten Worte sind angeblich: „Tu quoque, Brute, fili mi?“ („Du auch, mein Sohn Brutus?“), bevor er mit 23 Stichwunden vor der Statue des Pompeius niedersinkt.

      Gaius Julius Cäsar, aus dem sich auf die Götter zurückführenden alten Geschlecht der Julier, begann seine politische Karriere 78 v. Chr. als Anhänger der Partei der Popularen, die mit den Optimaten um die Macht stritt. Mit seinen Ideen und rhetorischem Geschick gewann er dort Einfluss, und unterstützte Roms Expansion, indem er 74 v. Chr. eine Armee für einen Feldzug gegen den König von Pontus aufstellte. Er war zunächst treuer Verbündeter des Popularen-Oberhaupts Pompeius, und übernahm dessen Posten, als Pompeis 67 v. Chr. Rom verließ, um das Kommando über die Streitkräfte im Osten zu übernehmen.

      Cäsar verfolgte seine politische Karriere weiter, wurde 68 v. Chr. Quästor, 65 v. Chr. Ädil, 61 v. Chr. für ein Jahr Verwalter der Provinz Spanien, und strebte das höchste Amt der römischen Republik, das des Consuls an. Diesen Posten teilten sich jeweils zwei für ein Jahr gewählte Politiker, die Oberbefehlshaber der Armee waren, dem Senat vorsaßen und dessen Beschlüsse umsetzten, sowie den Staat in auswärtigen Angelegenheiten vertraten. Cäsar bildete mit seinem alten Freund Pompeius und Marcus Licinius Crassus, dem reichsten Mann Roms, eine politische Allianz – das sog. „Erste Triumvirat“ – und wurde 59 v. Chr. gegen den Widerstand der Optimaten zum Consul gewählt. Mit seiner umstrittenen Landreform gewann er die Bewunderung und Unterstützung vieler römischer Plebeier.
      58 v. Chr. begann Cäsar seine berühmten Feldzüge, mit denen er das römische Reich weithin ausdehnte. Er eroberte (entgegen anders lautenden Gerüchten ) ganz Gallien und Teile Britanniens, und erwarb sich dabei die bedingungslose Loyalität der ihm unterstehenden Truppen. Differenzen über sein Vorgehen und Neid über seine Erfolge, die ihm die Bewunderung des Volkes eintrugen, führten schließlich zum Auseinanderbrechen seiner Allianz mit Pompeius (Crassus war zwischenzeitlich bei einem Feldzug getötet worden).
      Der Senat, der fürchtete, der ehrgeizige Cäsar könnte seine Truppen zur Machtübernahme nutzen, unterstütze Pompeius und verlangte von Cäsar die Demobilisierung seiner Armee. Dieser wies dies zurück, und führte im Januar 49 v. Chr. seine Truppen von Gallien nach Italien, wobei er den Fluß Rubikon überquerte. Dieser bildete in der Republik die Grenze, über die kein Feldherr seine Truppen Richtung Rom führen werden durfte – als letzter hatte diese Regel der anschließende brutale Diktator Sulla verletzt. Mit dem Übertritt waren „die Würfel gefallen“, und der Bürgerkrieg begann.
      Cäsars Legionen erlangten schnelle Erfolge, und schlugen Pompeius´ Truppen in Italien, Spanien, und im August 48 v. Chr. bei Pharsalus in Griechenland. Pompeius floh nach Ägypten, wo er von einem Offizier des Pharaos ermordet wurde. Cäsar besetzte daraufhin Alexandria und begann seine Liebesbeziehung mit der durch ihn zur ägyptischen Herrscherin aufgestiegenen Kleopatra.

      Nach seinem Sieg im Bürgerkrieg wurde Cäsar zum Consul und Diktator (temporärer Alleinherrscher) ernannt, und konsolidierte mit mehreren Reisen durch die Provinzen des Reiches seine Macht - 46 v. Chr. besiegte er die letzten Anhänger des Pompeius in Africa bei Thapsus und 45. v. Chr. bei Munda in Spanien. Nach seiner Rückkehr nach Rom 45 v. Chr. wurde dem im Volk äußerst beliebte Herrscher der Titel Diktator auf Lebenszeit angetragen, den er jedoch zunächst ablehnte. Aus gutem Grund: In der Republik herrsche panische Angst vor einer Rückkehr der in der Frühzeit vertriebenen Könige (rex). Während seiner Herrschaft führte Cäsar u.a. den Julianischen Kalender ein, versorgte seine Veteranen mit Land, und plante neue Expansionen des Imperiums. Immer offensichtlicher wurde jedoch seine Missachtung der Republik – so ließ er seine Offiziere für kurze Zeiträume zu Consuln wählen und degradierte den Senat zu einem Debatierclub. Zudem sank sein Ansehen, nachdem er seine ägyptische Geliebte Kleopatra nach Rom geholt hatte. Nachdem er im Februar 44 v. Chr. doch den Titel “Diktator auf Lebenszeit” angenommen hatte, wirkte seine wiederholte Weigerung, sich von Gefolgsleuten zum König krönen zu lassen, als nur noch rein symbolische Handlung, hatte er jetzt doch faktisch die totalitäre Alleinherrschaft. Die Verschwörung seiner Gegner, die die Republik erhalten wollten, entfaltete sich nun ungehemmt.

      Als Initiator der Verschwörung gilt Cäsars´ alter Gegner Cassius, der schließlich auch den zunächst cäsartreuen Brutus überzeugen konnte, den er als „Gallionsfigur“ für die wiedererrichtete Republik brauchte. Die beiden sammelten weitere Verschwörer aus den Reihen des Senats um sich, insgesamt ca. 60 Männer, denen es jedoch mehrheitlich nicht um die Republik, sondern um eigene Machtinteressen ging. Der Plan war, Cäsar mitten im Senat zu ermorden, wie seinerzeit angeblich die Ermordung des zum Tyrannen entarteten legendären Stadtgründers Romulus. Die Attentäter nahmen an, ihre Tat würde vom Senat als Tyrannenmord und Rettung der Republik begrüßt werden. Caesars Leiche sollte in den Tiber geworfen werden, wie es einem Tyrannen geziemte. Seine Güter sollten vom Staat konfisziert, alle seine Maßnahmen und Gesetze für ungültig erklärt werden
      Es kam jedoch anders: Nach der Tat stürzte der Senat panikartig auseinander, und übertrug die Unruhe auf die Strasse. Die Verschwörer versuchten vergeblich, die Leute zu beruhigen, ihnen zu erklären, sie seien nun von einem Tyrannen befreit. Niemand sah auf ihre Filzhüte, die sie als Symbol für freigelassene Sklaven trugen, sondern vielmehr auf das Blut, das ihren Kleidern anhaftete. Die Freiheit, die die Mörder verkündeten, war eine Freiheit der Aristokratie, nicht des Volkes.
      Den Verschwörern gelang es nicht, die Regierungsgewalt in die Hände des Senats zurückzuführen. Sie mussten mit den cäsarischen Consuln Marcus Antonius und Lepidus Verhandlungen aufnehmen, und für ihre Amnestie Cäsars Gesetze als gültig anerkennen.
      Das durch Cäsars´ Tot entstandene Machtvakuum stürzte das Reich in einen weiteren blutigen Bürgerkrieg. Keiner der Mörder starb eines natürlichen Todes, Brutus und Cassius verübten 42 v. Chr. nach militärischen Niederlagen Selbstmord. Doch auch die zunächst verbündten Anhänger Cäsars – Octavianus, Cäsars Erbe, Antonius und Lepidus hatten sich 43 v. Chr. zum Zweiten Triumvirat zusammengeschlossen – bekämpften sich gegenseitig. Nach seinem Sieg über Antonius bei Aktion 31 v. Chr. wurde schließlich Octavianus römischer Alleinherrscher – und als Augustus der erste römische Kaiser.
      Zuletzt geändert von Jack Crow; 16.03.2003, 20:42.

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        #48
        16. März 1968:
        Massaker von My Lai


        Kurz nach Sonnenaufgang bricht eine etwa 80 Mann starke Abteilung US Soldaten der Charly Kompanie unter dem Kommando des vierundzwanzigjährigen Lieutenants William L. Calley mit Helikoptern vom Stützpunkt Chu Lai in Richtung des im nördlichen Südvietnam liegenden Dorfes My Lai auf. Mit dabei ist auch ein Pressefotograf der Armeezeitschrift „Stars & Stripes“, Ron Haeberle. Es scheint eine der vielen „Search & Destroy“-Missionen zu sein, mit denen die US-Truppen im Vietnamkrieg „Nester“ des Vietcong ausheben, oder die mit diesem sympathisierenden Bauern von ihrer Unterstützung abhalten wollen. Doch dieses Mal gehen die Soldaten noch brutaler als gewöhnlich vor. Obwohl kein Widerstand geleistet, und keine Vietcong-Truppen gefunden werden, eröffnen die Soldaten das Feuer auf unbewaffnete Zivilisten. Kelly und seine Leute treiben die Einwohner aus ihren Häusern, erschießen sie mit Maschinengewehrsalven oder lassen Handgranaten in den Erdlöchern detonieren, die der Bevölkerung gegen die pausenlos im Einsatz stehende amerikanische Luftwaffe und Artillerie Schutz bieten sollten.
        Insgesamt töteten die GI´s 507 Menschen, unter ihnen 107 Kinder, 70 Babys und 60 Greise. Der einzige Soldat, der sich bei dem Einsatz nicht eines Verbrechens schuldig machte, war der Aufklärungspilot Hugh Thompson, dem es sogar gelang, Vietnamesen zu evakuieren, und der später mit seinem Bericht zur Aufklärung des Geschehens beitrug.

        Nach dem Massaker händigte Haeberle der Armeeführung vierzig Schwarzweißfotos aus. 18 Bilder, die er auf einem Farbfilm gemacht hatte, behielt er für sich, veröffentlichte sie jedoch erst nach seinem Ausscheiden aus dem Armee-Pressedienst. Mit den "offiziellen" Fotos versuchte die Army zunächst, das Massaker als einen großen Sieg über den Feind darzustellen, mit einer glänzenden Bodycount-Bilanz von 128 zu 0. Die Berichte von Thompson und seiner Besatzung wurden vom Kommandeur der Einheit ignoriert, und die Angelegenheit vertuscht.

        Es dauerte über ein Jahr, bis die Aufklärung in Gang kam. Ende April 1968 kam der Soldat Roland Ridenhour nach Chu Lai. Er war gerade zwanzig Jahre alt und traf im Stützpunkt alte Freunde. Einer von ihnen, der in My Lai dabei war, erzählt ihm die ganze Geschichte. Ridenhour wollte es zunächst nicht glauben und befragte andere Soldaten der Kompanie. Angesichts von 12 übereinstimmenden Berichten war er schließlich davon überzeugt, dass da ein Massaker stattgefunden hatte. Am 29. März 1969 verfasste er einen Brief, den er an Kongressmitglieder, Senatoren, Verteidigungs- und Kriegsministerium sowie hohe Offiziere schickte, mit allen Namen der befragten Zeugen. Er erhielt nur drei positive Reaktionen, das Verteidigungsministerium sprach von einem "Brief, der Anspielungen enthält auf Gerüchte, die im Umlauf sind über angebliche Grausamkeiten seiner Kameraden". Schließlich wurden auf hartnäckigen Nachfragens von Ridenhour und wenigen anderen doch ernsthafte Untersuchungen eingeleitet, und Zeugen befragt. Viele Soldaten, darunter Calleys unmittelbarer Vorgesetzter, Captain Medina, verweigerten die Aussage, doch u.a. mit Hilfe der Aussagen Thompsons und dessen Besatzung wurde Lieutenant Calley im September vor Gericht gestellt, was AP meldete, aber von keiner Zeitung übernommen wurde.
        Schließlich wurde der Journalist Seymour Hersh von einem Freund auf die Sache aufmerksam gemacht, interviewte Calley und einige andere. Seinen ersten Bericht bot er Life, Look und anderen Magazinen an, keiner wollte ihn: Das alles sei doch alltäglich im Vietnamkrieg. Erst das eifrige Telefonieren eines Freundes, der eine kleine Nachrichtenagentur hatte, brachte den Durchbruch. Am 13. November erschien ein Artikel über die Verhaftung Calleys in 35 Zeitungen gleichzeitig (unter anderem in der New York Times). Jetzt kamen auch Haeberles Farbfotos in einem Bericht des Life-Magazins an die Öffentlichkeit, Beteiligte wurden im Fernsehen interviewt, und die Sache wurde weltweit bekannt. Die Den Haager Tageszeitung Het Vrije Volk schrieb: "Die Amerikaner massakrieren diejenigen, die sie beschützen wollten. Es ist die Bankrotterklärung der Politik der USA in Vietnam."

        Calley, zu lebenslänglicher Haft verurteilt, wurde nach drei Tagen auf persönliche Intervention Nixons aus dem Gefängnis entlassen. Keiner der sonst für das Massaker oder die Vertuschung verantwortlichen Personen wurde ansonsten zur Rechenschaft gezogen. Und der Soldat Ridenhour, der die Aufklärung initiiert hatte, wurde in Teilen der konservativen Presse als "Verräter, Dreckskerl, Agent von Hanoi, Kommunist, Jude und eine Schande für unsere Gesellschaft" beschimpft.
        My Lai ist heute eine Gedenkstätte. Die Überlebenden und ihre Nachkommen besuchen den jetzt unbewohnten Ort, um zu trauern.Am dreißigsten Jahrestag des Massakers besuchte Hugh Thompson My Lai , im Andenken an den 16. März 1968. Kein Soldat der Charly Company kehrte dorthin zurück, um Abbitte zu leisten. Weder während des Krieges, noch in jüngster Vergangenheit.

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          #49
          18. März 1962:
          Ende des Algerien-Krieges


          Am 18. März 1962 schließen Frankreich und die Führer der Front de Liberation Nationale (FLN) einen Friedensvertrag, der den siebenjährigen Algerienkrieg zwischen den beiden Parteien beendet, und das Ende von 130 Jahren französischer Kolonialherrschaft einleitet.

          Im späten Oktober 1954 war die FLN von einer Fraktion junger Algerischer Muslime als Guerilla-Organisation zur Erkämpfung der Unabhängigkeit von Frankreich gegründet worden. Während des nächsten Jahres führten sie mehrere blutige Aufstände durch, und drohten 1956 die von europäischen Siedlern bewohnten Kolonialstädte zu erobern. In Algerien lebten ca. 800.000 Franko-Algerier, die ein Viertel der landwirtschaftlich nutzbaren Fläche und fast die gesamte, allerdings wenig entwickelte, Industrie des Landes kontrollierten. Die neue französische Regierung unter Guy Mollet versprach, die muslimische Rebellion niederzuschlagen, und entsandte insgesamt fast 500.000 französische Soldaten nach Algerien.
          Um die Rebellen in ihrem Operationsgebiet zu isolieren entließ Frankreich die Nachbarländer Tunesien und Marokko, die ebenfalls Bestandteil des französischen Kolonialreiches in Westafrika gewesen waren, formal in die Unabhängigkeit, und befestigte ihre Grenzen zu Algerien mit Stacheldraht und elektrischen Zäunen. Als FLN-Führer im Oktober zu Gesprächen über den Unabhängigkeitskrieg nach Tunesien reisen wollten, lenkten französische Truppen ihr Flugzeug um und verhafteten die Männer. Als Antwort begann die FLN eine Serie von Terroranschlägen in der algerischen Hauptstadt Algier. General Jacques Massu, Kommandeur der französischen Fallschirmjägereinheiten, erhielt daraufhin außergewöhnliche Vollmachten für sein Handeln in der Stadt. Durch Foltermaßnahmen und Mordanschläge gelang es ihm, die FLN-Präsenz in Algier zu zerschlagen, und die Rebellen bis Ende 1957 in die ländlichen Gebiete zurückzuschlagen. Die FLN erhielt jedoch materielle Unterstützung von den arabischen Nachbarstaaten, die auch die 1958 in Kairo gebildete provisorische Regierung der algerischen Republik anerkannten.
          In Frankreich führten die Kontroversen über die Algerienpolitik und die hohen Kriegskosten zu innenpolitischen Spannungen. Um die französische Regierung unter Druck zu setzen, bildeten aufgebrachte Algerienfranzosen im Mai 1958 „Wohlfahrtsausschüsse" und forderten von Frankreich Garantien für einen Verbleib Algeriens beim Mutterland, sowie die Rückkehr von General Charles DeGaulle, der Frankreich nach dem 2. Weltkrieg geführt hatte, an die Macht. Am 1. Juni wurde DeGaulle schließlich von der Nationalversammlung als Premierminister eingesetzt und erhielt von ihr für sechs Monate außerordentliche Vollmachten sowie den Auftrag zur Ausarbeitung einer Verfassung für die Fünfte Republik. In der Hoffnung, die Unabhängigkeit Algeriens zu umgehen, bemühte sich de Gaulle um Verhandlungen. Ungeachtet einer Reihe von Anschlägen durch die Siedler-Organisation de l'Armée Secrète (OAS) hielt er am 8. Januar 1961 ein Referendum zur Einführung der Selbstbestimmung für Algerien ab, bei dem 75,2% der Franzosen mit „Ja" stimmten. Die folgenden Attentate der OAS beantwortete die FLN ihrerseits mit Terrorakten.
          Am 18. März 1962 wurde in Évian-les-Bains, Frankreich, schließlich der Friedensvertrag unterzeichnet, der die Unabhängigkeit Algeriens und die Abhaltung eines nationalen Referendums versprach. Das Abkommen gestattete Algerien die Bildung eines unabhängigen, souveränen Staates in den Grenzen der bisherigen französischen Verwaltung, räumte den Franzosen jedoch Ölkonzessionen sowie das Recht auf Atomversuche in der Sahara ein. Die in Algerien lebenden Europäer hatten die Wahl, nach Europa zurückzukehren, als Ausländer in Algerien zu bleiben, oder die algerische Staatsbürgerschaft anzunehmen. Am 1. Juli 1962 wurde das Abkommen von der algerischen Bevölkerung mit überwältigender Mehrheit angenommen. Von den ca. eine Millionen Europäern im Land verließ übergroße die Mehrheit Algerien und wurde in Frankreich „repatriiert“.
          In dem über sieben Jahre andauernden Krieg waren ca. 100.000 Rebellen und 10.000 französische Soldaten getötet worden, zudem hunderttausende muslimischer Zivilisten und europäischer Kolonisten. Die französischen Truppen waren zudem äußerst brutal vorgegangen, und hatte auch vor Folter nicht zurückgeschreckt. In Frankreich war der Krieg lange ein Tabuthema, und wurde bis 1999 offiziell als „Operation zur Aufrechterhaltung der Ordnung“ umschrieben.

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            #50
            29. März 1973:
            US-Streitkräfte ziehen sich aus Vietnam zurück


            Zwei Monate nach der Unterzeichnung des Vietnamesischen Friedensvertrages verlassen die letzten Kampftruppen Südvietnam, nachdem der Norden die angeblich letzten amerikanischen Kriegsgefangenen freigelassen hat. Die achtjährige direkte militärische Intervention der Vereinigten Staaten im Vietnamkrieg ist zu Ende. Etwa 7000 zivile Angestellte des US-Verteidigungsministeriums verbleiben jedoch noch in Saigon, um die südvietnamesische Regierung weiterhin im Kampf gegen den kommunistischen Norden zu unterstützen.

            1961 hatte US-Präsident John F. Kennedy erste größere Einheiten von militärischem Personal nach Südvietnam geschickt, um das schwache autokratische Regime gegenüber dem kommunistischen Nordteil des Landes zu stabilisieren. Drei Jahre später befahl sein Nachfolger Lyndon B. Johnson begrenzte Bombenangriffe auf Nordvietnam, und der US-Kongress authorisierte den Einsatz von Truppen. Die offensiven Erfolge der Nordvietnamesen ließen bis 1965 Präsident Johnson schließlich nur zwei Alternativen: die US-Intervention eskalieren zu lassen oder sich zurückzuziehen. Johnson beschloss ersteres, erhöhte die Anzahl der eingesetzten Soldaten auf 300.000 Mann und ließ die Luftwaffe die bisher größten Bombenangriffe der Geschichte fliegen.
            Während der nächsten Jahre führten die unabsehbare Länge des Krieges, die hohen amerikanischen Verluste, sowie die Verwicklung von US-Soldaten in Kriegsverbrechen (siehe Remember vom 16.03. ) zu einer verbreiteten Anti-Kriegsstimmung in der amerikanischen Bevölkerung. Die nordvietnamesische Tet-Offensive im Frühjahr 1968 zerstörte die letzten Hoffnungen auf einen schnellen und baldigen Sieg. Als Konsequenz kündigte Johnson an, nicht wieder für das Amt des Präsidenten zu kandidieren, und authorisierte den Beginn von Friedensverhandlungen.
            Im Frühjahr 1969, während die Proteste gegen den Krieg in den USA eskalierten, stieg die Stärke der US-Truppen auf den Höchststand von fast 550.000 Soldaten an. Der neue Präsident Richard Nixon begann zwar damit, diese Anzahl wieder zu reduzieren, verstärkte aber den massiven Bombenkrieg. In den frühen 70er Jahren weitete Nixon die Luft- und Boden-Operationen auf die Nachbarländer Kambodscha und Laos aus, um die kommunistische Guerilla-Armee des Vietcong von ihren Nachschublinien abzuschneiden. Diese völkerrechtswidrigen Aktionen brachten aber nicht nur geringe Erfolge, sondern stärkten auch die weltweiten Proteste gegen den Krieg.

            Im Januar 1973 kamen schließlich Repräsentanten der USA, Süd- und Nordvietnams sowie des Vietcong in Paris zusammen und unterzeichneten einen Friedensvertrag, der die direkte Militärintervention der Vereinigten Staaten in Vietnam beendete. Es wurde ein Waffenstillstand für ganz Vietnam vereinbart, der Rückzug der US-Truppen, die Freilassung aller Kriegsgefangenen, sowie die Wiedervereinigung des geteilten Landes. Die südvietnamesische Regierung sollte bis zur Abhaltung von Neuwahlen im Amt bleiben, und nordvietnamesische Truppen im Süden sollten weder weiter vorrücken, noch verstärkt werden.
            Die Vereinbarung stand jedoch faktisch auf tönernen Füßen, und diente den Amerikanern hauptsächlich dazu, ihr Gesicht zu wahren. Noch bevor die letzten US-Truppen am 29. März das Land verlassen hatten, wurde der Waffenstillstand gebrochen, und bis 1974 war der Krieg wieder im vollen Gange. Ohne die Unterstützung der USA stand das südvietnamesische Regime auf verlorenem Posten.
            Am 30. April 1975 wurden die letzten verbliebenen Amerikaner vom Dach der US-Botschaft in Saigon ausgeflogen, nachdem die Hauptstadt des Südens in die Hände der Nordvietnamesen gefallen war. Colonel Bui Tin, der später am Tag die Kapitulation des Südens entgegennahm, sagte: “You have nothing to fear; between Vietnamese there are no victors and no vanquished. Only the Americans have been defeated.” Der Vietnamkrieg war der längste und unpopulärste Krieg in der Geschichte der Vereinigten Staaten, und kostete 58.000 Amerikaner das Leben – die Vietnamesen hatten mehr als zwei Millionen Tote zu beklagen.
            Zuletzt geändert von Jack Crow; 29.03.2003, 01:46.

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              #51
              30. März 1867:
              Die Vereinigten Staaten kaufen Alaska von Russland


              Für die Summe von 7,2 Millionen Dollar (das sind ca. 5$ pro Quadratkilometer) unterzeichnen US-Außenminister William Seward und Edouard de Stoeckel für die Russen den Kaufvertrag. In der amerikanischen Öffentlichkeit wird diese Aktion der Regierung unter Präsident Andrew Johnson skeptisch gesehen und als Fehlinvestition betrachtet: Die 1,5 Millionen Quadratkilometer große Halbinsel im Norden wird als ziemlich wertlos angesehen.
              Am 18. Oktober wird die Übertragung offiziell, in Sitka wird die amerikanische Flagge gehisst. Alaska bekommt den Status eines US-Territories, ähnlich wie die Frontier-Gebiete im Westen. 1872 wandelt sich die Einstellung gegenüber der Neuerwerbung plötzlich drastisch: In der Nähe von Sitka wird Gold gefunden.

              Alaska war 1741 von dem dänischen Forscher Vitus Bering „entdeckt“ worden, als er im Auftrag des russischen Zaren Peter der Große die Nordost-Passage durch die Arktis nach Indien und China suchte. Bei der Rückreise von dieser Expedition wurde er vom Winter überrascht und verlor sein Schiff, die St. Peter, als er auf einer unbewohnten Insel Schutz suchte. Bering kam dort, ebenso wie ein großer Teil seiner Mannschaft, ums Leben. Die Überlebenden, die mit einem Zusammengezimmerten Boot die beschwerliche Rückkehr schafften, brachten eine Ladung Seeotterfelle mit nach Sibirien. Der beschriebene Tierreichtum löst einen russischen „Run“ auf Alaska aus. Auch Spanier und Engländer schicken Expeditionen nach Alaska. 1778 landet James Cook auf Vancouver Island und 1794 sichtet George Vancouver den Mt. Mc Kinley.
              1784 gründen die Russen auf Kodiak Island ihren ersten größeren Stützpunkt. Sie verschleppen viele der indianischen Ureinwohner (Alaska war seit ca. 20.000 v. Chr. von sibirischstämmigen Völkern über die zugefrorene Beringstrasse besiedelt worden. wichtige Gruppen sidn die Aleuten, Athapasken und Eskimos) und setzen sie zur Jagd auf Seeotter ein, deren Pelze in Russland und China mit riesigem Profit verkauft werden. 1789 gründete der Zar die Russisch-Amerikanische Gesellschaft, die unter Gouverneur Alexander Baranof den Anspruch auf die Herrschaft über ganz Alaska erhob. Tatsächlich blieb sie jedoch aufgrund der schwierigen klimatischen Bedingungen weitgehend an die Küsten gebunden. 1799 erhält die Gesellschaft das Pelzhandelmonopol für Alaska, 1804 wird Neu Archangelisk, das spätere Sitka, gegründet. Die Russen haben jedoch vermehrt mit Schwierigkeiten zu kämpfen: Zu häufigen Indianeraufständen und zunehmender Konkurrenz durch Briten und Amerikaner kommt die allmähliche Ausrottung der wertvollen Pelztiere. Die Niederlage im Krim-Krieg bringt das russische Zarenreich schließlich auch noch in Geldnot, so dass ab 1859 mit den USA (England wurde als Verhandlungspartner abgelehnt) über den Verkauf der Kolonie verhandelt wird. 1867 schließlich wechselt Alaska den Besitzer – ein scheinbar gutes Geschäft für die Russen.

              Doch nur fünf Jahre später trübt sich dieses Bild: Goldfunde 1872 in Sitka, 1880 am Gastineau Channel (was zur Gründung der heutigen Hauptstadt Alaskas Juneau führt), 1886 in Forty Mile, 1873 in Circle und v.a. 1896 am Bonanza Creek, einem Nebenarm des Klondike, führen Ende des 19. Jahrhunderts zu einem ungeheuren Goldrausch. In den folgenden Jahren ziehen 50.000 Abenteurer nach Norden, viele der am Klondike zu spät gekommenen Goldgräber ziehen weiter nach Alaska. 1912 wird Alaska zum Territorium mit Selbstverwaltung erklärt. Nach dem Ende des Goldrausches gewinnt Alaska als strategisch wichtige Position an Bedeutung: Zunächst im Zweiten Weltkrieg gegen Japan, dann im Kalten Krieg gegen die Sowjetunion. 1957 wird jedoch ein neuer Rohstoff entdeckt: Öl. 1959 wird Alaska schließlich zum US-Bundesstaat, dem 49sten. Die Ölfunde leiten eine neue Phase der Ausbeutung Alaskas ein, die die Umwelt verschmutzt und die Ureinwohner massiv bedrängt. Erst 1971 werden ihre Rechte teilweise anerkannt, erst 1981 umfangreiche Naturschutzgebiete eingerichtet. 1989 läuft der Öltanker Exxon Valdez auf ein Riff und löst die bis dato größte Ölkatastrophe Geschichte aus. Mehr als 40 Millionen Liter Rohöl fließen in den Prince William Sound und verseuchen binnen zwei Wochen 2000 km Küste. Bis heute hat sich das Gebiet nicht vollständig von den Folgen des Unglücks erholt. Und in jüngster Zeit lassen Pläne der in der Bush-Administration stark vertretenen Ölindustrie, die Bohrungen auf die Naturschutzgebiete auszuweiten, nichts Gutes für die Zukunft Alaskas ahnen.

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                #52
                2. April 1968:
                Kein Weg mehr zurück! Kaufhausbrandstiftung in Frankfurt!

                Heute vor 25 Jahren betraten Andreas Baader und Gudrun Ensslin kurz vor Ladenschluss das Kaufhaus Schneider in Frankfurt a.M.. Ihr legeres Outfit fiel unter den Angestellten auf, aber da die Beiden recht schnell das Geschäft wieder verließen machte man sich nichts daraus. Hätte man gewusst, das die Beiden soeben zwei Brandsätze auf Schränken platziert hatten, wäre man sicher anders verfahren, als einfach nur das Geschäft hinter den Beiden zu schließen. Am selben Tag wurde auch im Kaufhof ein Brandsatz gelegt, es konnte jedoch später nicht mit Sicherheit festgestellt werden, wer diese gelegt hatte, vermutlich waren es Thorwald Proll und Horst Söhnlein.
                Kurz vor Mitternacht bemerkte ein Passant einen Feuerschein im Kaufhaus Schneider und verständigte die Feuerwehr. Beinahe gleichzeitig ging bei der Deutschen Presseagentur folgender Anruf einer Frau ein: “ Gleich brennt's bei Schneider und im Kaufhof. Es ist ein politischer Racheakt."
                Die Feuerwehr rückte an und konnte beide Brände löschen, es wurde niemand verletzt, es entstand aber Sachschaden in Höhe von 673.304DM (282339DM im Kaufhaus Schneider, 390865 im Kaufhof).
                Am nächsten Tag bekam die Polizei einen Tipp über den Aufenthalt der vier Täter und konnte sie festnehmen. Baader& Co hatten bei einer Bekannten genächtigt (keiner den Vier wohnte in Frankfurt), vermutlich waren sie in der Nachbarschaft aufgefallen, wenn nicht sogar der Freund der Bekannten die Polizei alarmierte, da sie ihm suspekt erschienen.

                Bild vom Brandstiferprozess: v.l.n.r. Thorwald Proll, Horst Söhnlein, Andreas Baader und Gudrun Ensslin

                Im nachfolgenden Prozess wurde jeder der vier zu jeweils drei Jahren Haft verurteilt, was selbst für die Beobachter des Prozesses ein sehr hohes Strafmaß war. Während des Prozesses waren die vier vor allem durch ihr dauerndes Stören (z.B. Zigarre rauchen) oder durch Zwischenrufe (Proll: „Warum denn nur drei Jahre, ich will vier!“) aufgefallen.

                Am 14.5.1970 wurde Andreas Baader von Ulrike Meinhof und Kollegen aus der Haft befreit, dieses Datum gilt heute als Geburtsstunde der RAF, in welcher Baader und Ensslin den Oberbefehl hatten. Um die Wichtigkeit der Kaufhausanschläge zu unterstreichen sollte man sie als Zeugungsstunde ansehen.

                Was brachte Menschen dazu Kaufhäuser anzuzünden?
                Die Stimmung in der Linken des Landes war zu dem Zeitpunkt der Tat sehr angespannt. Die SPD, von der man politisch sehr viel erhofft hatte, war in der Großen Koalition und damit „nicht viel besser als die CDU“. Am 2. Juli 1967 war Benno Ohnesorg bei einer Demonstration von einem Polizisten erschossen worden (der Polizist wurde später freigesprochen), die USA bewarfen vietnamesische Dörfer mit Napalm und die Bild zeterte heftig gegen den linken Studentenführer Rudi Dutschke. Dieser wurde am 11.4., keine zwei Wochen nach den Kaufhausanschlägen, von einem rechten Radikalen mit zwei Schüssen in den Kopf schwer verletzt.

                Diese Ereignisse zeigen, wie ich finde, recht deutlich, dass die Stimmung in der BRD radikalisiert war. Gewalt wurde zumindest von manchen als legitimes Mittel angesehen, um auf die Probleme aufmerksam zu machen. Und genau das war der Sinn dieses Anschläge. Man wollte die Bevölkerung der Bundesrepublik auf die Geschehnisse und „kapitalistischen Verbrechen“ der USA in Vietnam aufmerksam machen.
                Die Gewalt müsse zu den Leuten gebracht werden, damit sich was ändert, das war die Maxime dieser Gruppe. Nur im Fernsehen zu sehen was passiert, reiche nicht, man brauche die Angst im Nacken, um sich gegen die wahren Verbrecher, also hier vor allem die USA, aber auch die deutschen Politiker, zu stellen.
                Dieses Konzept, das später den Namen „Stadtguerilla“ erhielt, gefährdete bei diesem Anschlag in Frankfurt noch keine Menschen, das sollte sich später noch ändern.

                Flugblatt der Kommune 1

                Warum nun ausgerechnet zwei Kaufhäuser? Am 24.5.1967 hatten Radikale in Brüssel ein Kaufhaus angesteckt, dabei starben 400 Menschen. Auf diesen Anschlag hin verteilte die Kommune1 Flugblätter (siehe Abbildung), die auf dieses Thema einging und auch in Deutschland Anschläge dieser Art prophezeite. Man kann davon ausgehen, das Baader, Ensslin, Proll und Söhnlein auch wegen dieser Flugblätter sich Kaufhäuser als Ziel aussuchten.

                (von notsch)

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                  #53
                  7. April 1919:
                  Bayerische Räterepublik wird ausgerufen

                  An diesem Tag wurde in München auf einer Versammlung, an der MSPD (Mehrheits-SPD)-Minister, Arbeiterräte und die Schwabinger "Kaffeehausanarchisten" teilnahmen, die Räterepublik ausgerufen.

                  Bayern war vor dem 1. Weltkrieg hauptsächlich landwirtschaftlich geprägt, erst die Kriegswirtschaft änderte etwas den Charakter von München. So baute Krupp eine Munitionsfabrik mit 6000 ArbeiterInnen auf, was bei 600 000 Einwohner eine beträchtliche Zahl war. Diese ArbeiterInnen kamen auch teilweise aus dem Norden und standen in einer viel radikaleren Tradition als bayerischen ArbeiterInnen. In der SPD dominierten vor dem Krieg die AnhängerInnen Eduard Bernsteins, also des reformistischen "rechten" Flügels. Im Krieg spaltete sich die USPD (Unabhängige-SPD) ab, deren bekanntester Politiker Kurt Eisner war, der wegen seiner Rolle in den großen Januarstreiks 1918 gegen den Krieg bekannt wurde.

                  Im November 1918 erfuhr die Antikriegsbewegung durch die Nachrichten von der Revolution in Österreich und den Matrosenaufständen einen neuen Aufschwung. Die MSPD und USPD riefen am 7.11. zu einem Generalstreik auf. An diesem beteiligten sich auch bewaffnete Matrosen und Soldaten, die von der Theresienwiese (Ort der Wiesn) unter der Führung von Eisner und des linken Bauernbundführers Ludwig Gandorfer loszogen, die Soldaten in den Kasernen dazu brachten sich dem Aufstand anzuschließen und schließlich vor dem Parlament den "Freistaat Bayern" proklamierten. Der König und die alten Regierung flohen. Die MSPD wurde von den Ereignissen total überrollt und mußte sich erstmal den Gegebenheiten beugen. Eine neue provisorische Regierung bestehend aus MSPD und USPD wurde eingesetzt, die den 8-Stunden-Tag und das Frauenwahlrecht einführte. Gleichzeitig entstanden bis zu 8000 Arbeiter-, Soldaten- und Bauernräte in jeder größeren Gemeinde und Stadt Bayerns. Der sozialistische Ursprung des "Freistaats Bayern" wird von der CSU heute natürlich total verdrängt.

                  Die provisorische Regierung unter Eisner stand auf tönernen Füßen. Eisner schwebte eine Kombination von Räten und Parlament vor. Die MSPD und die bürgerlichen Parteien wollten hingegen die Räte zerschlagen und eine parlamentarische Demokratie errichten. Die Mehrheit der Münchner ArbeiterInnen wollte hingegen eine Räterepublik. Die von der MSPD durchgesetzten Landtagswahlen am 13.1.1919 führten zu einer Niederlage der Linken. Die USPD erhielt nur 3% der Stimmen, die MSPD dagegen 33% die konservative Bayerische Volkspartei sogar 55%. Die KPD hatte die Wahl boykottiert. Eisner fügte sich der neuen Mehrheit und plante für die erste Sitzung am 21. Februar seinen Rücktritt als Ministerpräsident. Dazu sollte es nicht mehr kommen. Auf dem Weg zum Landtag ermordete der Leutnant Anton Graf von Arco-Valley den Ministerpräsidenten. Arco stand der rechtsradikalen Thule-Gesellschaft nahe, die auch an der Gründung der NSDAP beteiligt war. Zum Dank für diese Mordtat sollte Arco später zum Lufthansa-Direktor ernannt werden!

                  Der Mord radikalisierte die Münchner ArbeiterInnen weiter. Der MSPD-Vorsitzende Erhard Auer, der für den Mord verantwortlich gemacht wurde, wurde durch den Anarchisten Lindner schwer verletzt, das Parlament wurde auseinander getrieben. In München wurde ein Zentralrat der bayerischen Räte gebildet, der eine Art Regierung bildete und das Zusammentreten des Landtags verhinderte. Auf einem Kongreß der Räte konnte aber keine Entscheidung getroffen werden. Am 18. März wurde eine neue Regierung unter Johannes Hoffmann (MSPD) gebildet, der auch der Vorsitzende der Arbeiterräte Ernst Niekisch beitrat. Diese war aber machtlos und wurde zudem durch internen Meinungsverschiedenheiten über Sozialisierung der Industrie lahmgelegt.

                  Während sich die Versorgung der Bevölkerung immer mehr verschlechterte, stellten die Arbeiterräte in Österreich und die Ausrufung der Räterepublik in Ungarn am 22.3 eine Hoffnung dar. Vielen Arbeiter schien eine Reihe von Räterepubliken von Bayern bis Moskau möglich. Die sozialdemokratische Basis in Südbayern stimmte für eine Räterepublik, eine Versammlung der Räte in Augsburg am 4.4. schloß sich dem an.

                  Darauf wurde im Ministerium des rechten sozialdemokratischen Kriegsministers Schneppenhorst eine Versammlung einberufen, an der auch zahlreiche anarchistisch beeinflußte Künstler teilnahmen. Diese Versammlung beschloß am 7.4. die Bildung einer Räterepublik. Die KPD lehnte dies ab, da sie das ganze als Operetten-Räterepublik ansah und die Ausrufung für verfrüht hielt. Eugen Leviné, der die KPD in München neu organisierte, begründete die Ablehnung so:
                  Wir Kommunisten hegen das größte Mißtrauen gegen eine Räterepublik, deren Träger die sozialdemokratischen Minister Schneppenhorst und Dürr sind, die die ganze Zeit den Rätegedanken mit allen Mitteln bekämpft haben. Wir können uns es nur als einen Versuch bankrotter Führer, durch eine scheinbare revolutionäre Aktion den Anschluß an die Massen zu gewinnen, oder als bewußte Provokation erklären.
                  Wir wissen aus Beispielen in Norddeutschland, dass die Mehrheitssozialisten häufig bestrebt waren, verfrühte Aktionen ins Leben zu rufen, um sie desto erfolgreicher abwürgen zu können.

                  Eine Räterepublik wird nicht vom grünen Tisch proklamiert, sie ist das Ergebnis von ernsten Kämpfen des Proletariats und seines Sieges. Das Münchner Proletariat steht noch vor solchen entscheidenden Kämpfen.

                  Nach dem ersten Rausch wird folgendes eintreten: Die Mehrheitssozialisten würden sich unter den ersten besten Vorwand zurückziehen und das Proletariat bewußt verraten. Die USPD würde mitmachen, dann umfallen, anfangen zu schwanken, zu verhandeln und dadurch zum unbewußten Verräter werden. Und wir Kommunisten würden mit dem Blut unserer Besten eure Taten bezahlen ... Wir Kommunisten sind alle Tote auf Urlaub. Dessen bin ich mir bewußt.
                  Diese Räterepublik bestand nur auf dem Papier. Sie hatte keine Verbindung zu den lokalen Räten. Die MSPD-Mitglieder der Räteregierung, unter ihnen Schneppenhorst, setzten sich ab und organisierten in Bamberg mit der geflohenen Regierung Hoffmann Truppen um die Räte zu zerschlagen. Ihre Zustimmung zur Rätedemokratie scheint nur dadurch motiviert gewesen zu sein, die Verantwortung für die Versorgungsprobleme der KPD zuschieben zu können um diese effektiver bekämpfen zu können.

                  Die Räteregierung bestand nach dem Rückzug der MSPD aus dem expressionistischen Dichter Ernst Toller und anderen Mitgliedern von Eisners ehemaligen Künstlerstammtisch wie Erich Mühsam und Gustav Landauer. Ihr Kommissar für auswärtige Angelegenheiten wurde Dr. Lipp, der anscheinend psychisch gestört war und der Schweiz und Württemberg den Krieg erklärt hatte, da diese ihm keine Lokomotiven geliefert hatten. Er schrieb an Lenin:
                  Oberbayerns Proletariat ist glücklich siegreich... Aber der flüchtige Hoffmann hat die Schlüssel für meine Toilette im Ministerium mitgenommen.
                  Dieser Operetten-Rat hatte aber größere Probleme als Toilettenschlüssel. Hoffmann hatte über 8000 Soldaten zusammengezogen um München anzugreifen. Eine kleinbürgerliche, MSPD-nahe Einheit, die "Republikanische Schutzwehr" versuchte am 13.4. München zu besetzen. Dies wurde aber von Arbeitern und Soldaten unter der Führung des Matrosen Rudi Eglhofer vereitelt.

                  Dieser konterrevolutionäre Aufstand machte deutlich, wie groß die Gefährdung durch Regierung Hoffmann war und gleichzeitig wie schwach der Operetten-Rat der Künstler war. Die KPD wurde gedrängt eine wirkliche Räterepublik zu errichten. Obwohl ihr eigentlich die Hoffnungslosigkeit der Situation klar war, - das revolutionäre München stand in Bayern und deutschlandweit isoliert da - machte sich die KPD an den Aufbau der Zweiten Räterepublik. Am 14.4 wurde der Generalstreik ausgerufen, an dem sich auch Angestellte und untere Beamte beteiligten. Die Räte in den Betrieben wurde neu gewählt und auf diese der neue Vollzugsrat der Arbeiterräte gestützt. Das Bürgertum wurde entwaffnet, Nahrungsmittelvorräte und Autos der Reichen beschlagnahmt und die Banken unter die Aufsicht der Räte gestellt. Auch die Verwaltung wurde den Räten übertragen (in der Ersten Räterepublik der Künstler hatten noch die alten monarchistischen Beamten die Kontrolle gehabt). Eglhofer, der die Abwehr des Putsches am 13.4. organisierte, baute eine Rote Armee mit 15 000 Bewaffneten auf, die auch die Truppen Hoffmanns am 20.4. bei Dachau zurückschlagen konnten.

                  In einem offiziellen Bericht der Regierung Hoffman vom 23.4.19 wurde die Situation so geschildert:
                  Immer wieder konnte man in den Gesprächen auf der Straße hören, dass Bayern berufen sei, die Weltrevolution in Gang zu bringen, dass jetzt die ganze Welt auf Bayern sehe, usw. Die Sprecher waren oft ganz vernünftige Leute. Immer wieder wurde auch betont, dass Bayern von der Reichsregierung nichts wissen wolle.

                  Es wäre ein unglücklicher Irrtum, wenn geglaubt wird, dass in München eine ebenso klare Scheidung zwischen Spartakusleuten und anderen Sozialisten wie zum Beispiel in Berlin besteht. Denn auch die augenblickliche Politik der Kommunisten richtet ihr Augenmerk darauf, dass die gesamte Arbeiterschaft unter dem Schlagwort gegen den Kapitalismus und für die Weltrevolution zu einigen.
                  Das alles half aber nicht gegen die Isolation Münchens. Die Nahrungsmittelvorräte wurden immer knapper. Gleichzeitig begann eine Hetzkampagne von Seiten der Bürgerlichen und der MSPD. Toller und andere USPD-Mitglieder, die zwei Wochen zuvor die KPD gedrängt hatten die Regierung zu übernehmen, begannen die Kommunisten für die Probleme verantwortlich zu machen. Leviné, der Vorsitzende des Vollzugrates, versuchte die Räterepublik durch Verhandlungen zu beenden. Aber es war zu spät. Hoffmann hatte sich an Reichswehrminister Noske gewannt und bekam als Unterstützung 30 000 Mann starke Freikorpsverbände unter General Oven. Unter diesen auch die Brigade Erhardt, die später am Kapp-Putsch beteiligt war (siehe Remember vom 13. März 1920 )

                  Die Freikorps marschierten am 1. Mai 1919 in München ein. Sie veranstalteten ein furchtbares Massaker, dem auch vollkommen unbeteiligte zum Opfer vielen. Gerechtfertigt wurde dies mit der Erschießung von zehn Geiseln durch die Rote Armee während der Kämpfe. Die Geiseln waren hauptsächlich Mitglieder der antisemitischen Thule-Gesellschaft, einer der Vorläufer der NSDAP (Rudolf Heß, eine der Führer der Thule-Gesellschaft war leider nicht dabei). Nach dem Massaker wurden eine große Zahl von politischen Gefangen von den Militärs und später von der Regierung Hoffmann hingerichtet. Bezeichnend ist die Reaktion des Staates im Vergleich zu späteren rechten Putschen (Kapp-Putsch, Hitler-Putsch). Im Falle der Bayerischen Räterepublik wurden 2209 Menschen hingerichtet und die Überlebenden wurden zu zusammen 4092 Jahre verurteilt. Die Rechten hingegen wurde entweder gar nicht oder sehr mild bestraft. Die MSPD-Regierung Hoffmann blieb bis zum März 1920 im Amt. Aber es rächte sich, dass sie sich der rechtsradikalen Freikorps bediente. Die Rechte stütze sich auf diese bei dem Sturz der Regierung während des Kapp-Putsches und konnten sie auch danach halten. Die Niederschlagung der Bayerischen Räterepublik machte Bayern für die restliche Weimarer Republik zu einer Bastion der Rechten.

                  (von max)

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                    #54
                    12. April 1861:
                    Der amerikanische Bürgerkrieg beginnt


                    Am 12. April 1861 eröffneten Batterien der South Carolina – Miliz bei Charleston das Feuer auf Fort Sumter, eines von zwei noch von Bundestruppen besetzten Forts im Gebiet der aus der Union ausgetretenen Südstaaten. Major Anderson, Kommandant der Unionstruppen, kapitulierte einen Tag später. Die Besatzung des Forts erhielt freies Geleit in die Nordstaaten, und holte unter Salutschüssen die US-Flagge ein – während des Angriffs gab es keine Verluste, aber durch die vorzeitige Explosion einer Kanone während der Salutschüsse starb ein Unionssoldat. Trotz dieses glimpflichen Verlaufs bildete der Angriff den Auftakt für den verlustreichsten Krieg in der amerikanischen Geschichte – den amerikanischen Bürgerkrieg zwischen den Nordstaaten und den aus der Union ausgetretenen Südstaaten, die die Konföderierten Staaten von Amerika bildeten.

                    Der Konflikt hatte seine Ursache in den Gegensätzen zwischen den nördlichen Staaten mit freien Kleinbauern und einer beginnenden Industrialisierung und den südlichen Staaten mit einer hauptsächlich Baumwolle-Produzierenden Sklavenhaltergesellschaft.
                    In den nördlichen Staaten fand im 19. Jahrhundert ein grundlegender Wandel statt. Die Bevölkerung wuchs stark durch die Einwanderung aus Europa. Die Einwanderer versuchten als freie Bauern oder als Arbeiter ihren Lebensunterhalt zu verdienen. Die Bauern suchten Land im Westen, der für die Kapitalisten im Norden eine Expansionsmöglichkeit darstellte. Durch ein riesiges Eisenbahnnetz (größer als das der restlichen Welt zusammen) wurde die Landwirtschaft mit der kapitalistischen Wirtschaft verbunden und somit direkt in den Markt eingebunden.
                    Die Produktion von Baumwolle hatte der Sklaverei einen erneuten Aufschwung verschafft. Die Großgrundbesitzer der Südstaaten versuchten ihre Anbauflächen laufend zu vergrößern, um mit der wachsenden Nachfrage Schritt halten zu können. Der Erwerb von Florida von Spanien und Louisiana von Frankreich, sowie die Eroberungen von Texas von Mexiko reichten ihnen nicht aus. Dies führte zu Konflikten zwischen den Siedlern und den Sklavenhaltern bei der Eroberung des Westens. 1854 ging es in Kansas und den anderen neuen westlichen Territorien darum, ob in diesen Staaten die Sklaverei eingeführt werden sollte oder nicht. Dieser Konflikt führte zu der Gründung der Republikanischen Partei durch die Gegner der Sklaverei. Ein zusätzliches Konfliktfeld war die Frage der Zölle. Die Kapitalisten im Norden forderten Schutzzölle gegen britische Importe, während die Baumwoll-Plantagenbesitzer des Südens für Freihandel waren, da sie von den Aufträgen der britischen Textilindustrie abhängig waren.

                    Nachdem in der ersten Hälfte des Jahrhunderts in der Bundespolitik vor allem die Interessen der Sklavenhalter vertreten wurden, kündigte sich 1861 mit dem Wahlsieg Abraham Lincolns, dem Präsidentschaftskandidaten der Republikaner, ein Wandel an. Obwohl er persönlich ein Gegner der Sklaverei war, betonte er im Wahlkampf, dass er die Verhältnisse in den Südstaaten nicht ändern wollte. Die Gegner der Sklaverei (Abolitionisten) waren auch in den nördlichen Staaten und im Congress in der Minderheit, z.B. stimmten noch 1860 zwei Drittel der New Yorker gegen ein Wahlrecht für Schwarze. Lincoln gewann die Wahl nicht auf der Basis der Ablehnung der Sklaverei, sondern mit der Betonung der Interessen der freien Siedler, Handwerker und Arbeiter. Er erhielt in den nördlichen Staaten 54% der Stimmen und gesamt 40%. Er konnte die Regierung bilden, da sich die Demokraten über die Frage des Status von Kansas gespalten hatten.

                    Die Reaktion des Südens auf die Wahl Lincolns fiel heftig aus – im Januar 1861 erklärte South Carolina seinen Austritt aus den Vereinigten Staaten mit der Begründung, dass die USA ein Staatenbund seien, aus dem man sich jederzeit lösen könne. Neben der Sklaverei (aber mit dieser Frage natürlich zusammenhängend) war die Frage der Selbständigkeit der Bundesstaaten der zweite große Konflikt zwischen dem Norden und dem Süden. Dem Austritt South Carolinas folgten im Januar und Februar die Austrittserklärungen von Mississippi, Florida, Alabama, Georgia, Louisiana, und Texas, sowie die Austrittsdrohungen von Virginia, North Carolina, Tennesse, und Arkansas. Im Februar bildeten die sieben ausgetretenen Staaten die Konföderierten Staaten von Amerika, und erklärten Jefferson Davis zu ihrem Präsidenten. Gegenüber diesem Austritt („Sezession“) trat die Frage der Sklaverei in den Hintergrund: Lincoln erklärte, er werde die Sklaverei in den Staaten wo sie bestehe tolerieren, aber nicht die Selbständigkeit der Staaten.
                    Fort Sumter wurde zum Präzedenzfall, indem Lincoln beschloß, das Fort gegen die Forderungen South Carolinas zu halten, und Versorgungsschiffe losschickte. Nach dem Angriff vom 12. April traten auch Virginia, Tennesse, North Carolina und Arkansas der Konföderation bei, ihre Hauptstadt wurde Richmond, Va.


                    Militärisch war die Lage unübersichtlich, die zahlenmäßig kleine US-Armee gespalten: der Norden besaß wesentlich mehr Einwohner, die als Freiwillige in großer Zahl „zur Rettung des Vaterlandes“ aufbrachen, und die überlegene Kriegsindustrie – der Süden besaß die besseren Offiziere, da die Landadelfamilien im Süden eine lange Militärtradition pflegten. Lincoln drängte auf einen schnellen Sieg und eine Eroberung Richmonds, das nur in kurzer Entfernung von Washington lag. Doch der überhastete Angriff größtenteils untrainierter Truppen schlug fehl – die Konföderationstruppen, seit dem Frühjahr 1862 von Gen. Robert E. Lee kommandiert, schlugen die Unionstruppen mit den Schlachten von Seven Days und 2nd Bull Run/ Manassas sogar hinter den Grenzfluss Potomac zurück. Im Westen jedoch konnten die Nordstaaten Erfolge erringen, zudem gelang ihnen die Blockade der Atlantik-Küste. Auf lange Sicht war der Süden dem Norden an Menschen und Material hoffnungslos unterlegen – Präsident Davis setzte daher auf einen einzigen vernichtenden Schlag, der die Moral der Nordstaaten so zerschlagen sollte, dass diese die Existenz der Konföderation akzeptierte. Die Invasionsversuche der von Gen. Lee hervorragend kommandierten konföderierten Army of Northern Virginia in den Norden scheiterte jedoch 1862 bei Sharpsburg, Maryland. Auch die Hoffnung des Südens, aufgrund der ausbleibenden Baumwolllieferungen würden sich Frankreich und England auf die Seite der CSA schlagen, erfüllten sich nicht.
                    Der Sturm auf Ford Sumter hatte im Norden zunächst massenhafte Unterstützung für die Ideen der Abolitionisten ausgelöst. Aber Lincoln nutzte diese Stimmung nicht denn ihm ging es hauptsächlich um den Erhalt der USA und die Niederschlagung der Rebellion der Südstaaten. Er ernannte den Demokraten McClellan, der für die Sklaverei, aber auch für die Einheit der USA war, zum Oberbefehlshaber der Armee und machte Aufrufe zur Befreiung von Sklaven von lokalen Kommandeuren rückgängig. Sogar Sklaven, die zu den Nordstaatlern geflohen waren, wurden an die konföderierten Sklavenhalter ausgeliefert.
                    Der Abolitionist Wendell Phillips kritisierte Lincolns und McClellans Politik in einer berühmten Rede 1862 so:
                    Ich sage nicht, dass McClellan ein Verräter ist; aber ich sage, dass wenn er ein Verräter wäre, würde er sich genauso verhalten, wie er sich verhalten hat. Ich habe keine Angst um Richmond, McClellan wird sie nicht erobern. Wenn der Krieg in dieser Weise fortgesetzt wird, - ohne ein vernünftiges Ziel - dann ist er eine nutzlose Verschwendung von Blut und Gold [...] Lincoln [...] ist ein erstklassiger 2. Klasse-Mann.
                    Nach dem Rückzug von Lee´s Truppen nach Virginia befahl Lincoln Gen. McClellan wieder den Angriff auf Richmond, was dieser mit Hinweis auf den schlechten Zustand seiner Armee zunächst ablehnte. Er wurde daraufhin entlassen und durch willfährigere Generäle ersetzt, die sich jedoch vor allem durch Unfähigkeit auszeichneten: Der Angriff auf Virginia scheiterte jämmerlich, und Lee gelang im Sommer eine erneute Invasion in den Norden. Inzwischen versuchte Lincoln, die im Hintergrund stehende Sklavenfrage wirkungsvoller für den Krieg zu instrumentalisieren: Am 1.Januar 1863 verkündete er die Aufhebung der Sklaverei – zynischerweise galt dieses Gesetz aber nur für die abtrünnigen Südstaaten, während die in der Union verbliebenen Sklavenhalterstaaten davon unberührt blieben. Der erhoffte Massenaufstand schwarzer Sklaven im Süden blieb zwar aus, aber die Außenwirkung war immens – für Europa war dieser „Krieg gegen die Sklaverei“ nun ein moralischer, in dem man nicht für den Süden Partei ergreifen konnte. Im Juni 1863 wendete sich das Blatt auch militärisch zugunsten des Nordens – die Invasion Lee´s scheiterte in der berühmten Schlacht von Gettysburg, Pennsylvania. Von nun an befand er sich trotz einzelner Erfolge beständig auf dem Rückzug. Die Materialüberlegenheit der Unionstruppen wurde vom seit März 1864 neuen Oberkommandierenden Gen. Ulysses S. Grant gnadenlos ausgenutzt, anstatt auf überlegene Taktik zu setzen schickte er einfach immer mehr Soldaten in die Schlacht. Gleichzeitig startete im Westen Unions-General William T. Sherman einen groß angelegten Vernichtungsfeldzug, der auf seinem Weg zur Ostküste eine Schneise der Verwüstung hinterließ. In seinen Memoiren berichtet Sherman:
                    Ehe wir South Carolina verließen hatten sich meine Soldaten schon derart daran gewöhnt, alles auf der Marschroute zu zerstören, dass das Haus, in dem sich mein Hauptquartier befand, oft schon brannte, ehe ich es verlassen hatte
                    Am 9. April 1865 war es schließlich vorbei, Gen. Lee kapitulierte in dem kleinen Ort Appomattox Court House – Davis floh nach Westen, wurde aber gefasst. Eine offizielle Kapitulation der konföderierten Regierung fand nicht statt – die Konföderation besteht theoretisch also immer noch. In dem Krieg waren ca. 600.000 US-Bürger gefallen – mehr als in allen anderen Kriegen der USA zusammen.

                    Nach dem Sieg traten die Widersprüche innerhalb der Nordstaaten wieder klar zu Tage. Lincoln wurde am 14.April 1865 in Washington von dem fanatischen Südstaatler John Booth erschossen. Lincolns Vizepräsident und Nachfolger Andrew Jackson versuchte die Struktur der Südstaaten zu erhalten, wurde aber durch die erbitterte Opposition der Schwarzen, Abolitionisten, Armeeoffiziere der Besatzungstruppen im Süden und radikalisierter Republikaner gestoppt. Diese Koalition, unterstützt von den Kapitalisten im Norden, die den Westen kontrollieren wollten, gewann mit Ulysses S. Grant die Wahlen 1868 und setzte den Umbau des Südens durch. Die gewählten Regierungen der abtrünnigen Staaten wurden abgesetzt und durch Militärgouverneure ersetzt. 1866 hatten die Schwarzen offiziell das Bürger- und Wahlrecht erhalten. 20 Schwarze wurden in den Congress und zwei in den Senat gewählt. Allerdings wurde das Land der Großgrundbesitzer nicht aufgeteilt und den ehemaligen Sklaven wurde nur die Möglichkeit gegeben, auf Regierungsland, was oft schlechtere Qualität hatte, anzubauen. Dies zwang viele wieder für ihre alten Herren zu arbeiten, oder sich in Räuberbanden zu organisieren.
                    Die Verwüstungen des Krieges hatten die alte aristokratische Landbesitzer-Struktur des Südens weitestgehend zerstört. Aber die Plantagenbesitzer schlugen zurück. Sie bauten den Ku-Klux-Klan auf um Schwarze zu terrorisieren, so wurden im Mai 1866 46 Schwarze und zwei weiße Sympathisanten in Memphis, Tennessee ermordet. Aber so lange die Bundesarmee im Süden blieb, konnte der rassistische Terror nicht die Errungenschaften der Schwarze zunichte machen. Eine wichtige Rolle spielten dabei auch die 200.000 Schwarzen, die in der US-Armee gekämpft hatten und wußten, wie sie sich verteidigen konnten.

                    Inzwischen stieg die USA unter der Führung des kapitalistischen Nordens zu einer der führenden Wirtschaftsmächte auf, während die wirtschaftliche Bedeutung des Südens immer mehr abnahm. Die Kapitalisten im Norden hatten ihr Ziel erreicht, die Kontrolle über die USA zu erhalten, und zogen die Besatzungstruppen Mitte der 1870er Jahre aus dem Süden zurück. Die Plantagenbesitzer, die bis dahin gehindert wurden wieder politische Kontrolle im Süden zu übernehmen, nutzten diese Freiräume und ihre wirtschaftliche Macht und erzwangen mit dem rassistischen Ku-Klux-Klan-Terror die Rassensegregation. Schwarze (und auch viele arme Weiße) verloren das Wahlrecht. Ehemalige Großgrundbesitzer und der reaktionäre Stolz auf den standhaften „Old South“ schufen ein rassistisches Klima, was den Kapitalisten ermöglichte, weiße und schwarze ArbeiterInnen gegeneinander auszuspielen. Noch heute ist so, dass je stärker der Rassismus und damit der Gegensatz zwischen den ArbeiterInnen ist, umso niedriger der Lebensstandard aller ist.

                    Im Amerikanischen Bürgerkrieg wurde eine Form von Ausbeutung - die Sklaverei - in den USA zerstört, aber auch einer anderen zum Durchbruch verholfen: dem kapitalistischen Wirtschaftssystem, das sich nun ungehindert entfalten konnte.

                    (von max und Jack Crow)

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                      #55
                      16. April 1797:
                      Die Spithead-Meuterei

                      An diesem Tag meuterten die Matrosen der britischen Kanalflotte ("Channel Fleet") in Spithead - bestehend aus 16 Linienschiffen - und verweigerten den Befehl Admirals Lord Bridports zum auslaufen. Die Offiziere wurden an Land geschickt, und die Schiffe von Komitees der Matrosen kontrolliert. Mitten im Krieg mit dem revolutionären Frankreich war die gesamte Südküste Großbritanniens schutzlos, und die Hauptstütze der britischen Militärmacht lahmgelegt. Dies zwang die Admiralität, das Parlament und sogar den König, mit den Aufständischen zu verhandeln.

                      Der unmittelbare Anlaß für die Meuterei waren die untragbaren Konditionen an Bord der Schiffe. Die meisten Matrosen wurden durch Preßkommandos zum Dienst gezwungen. Die Löhne waren seit 1658 nicht mehr erhöht worden, wobei die 1790er Jahre durch Inflation geprägt waren. Die Versorgung mit Lebensmitteln und die sanitäre Versorgung war miserabel. Krankheiten und Unfälle waren häufig, z.B. starben während der Napoleonischen Kriege 13 mal mehr Seeleute an diesen "friedlichen" Ursachen als im Kampf (ein relativ typisches Phänomen v.a. auch in den Kolonialtruppen aller Mächte). Um die Disziplin unter diesen Bedingungen aufrecht zu halten, herrschte auf den Schiffen ein wahres Terrorregime, Bestrafungen für die Matrosen gingen von Auspeitschen mit der Neunschwänzigen Katze über das Kielholen und zur Todesstrafe durch Hängen.

                      Die Bedingungen an Bord waren aber nicht die einzige Ursache für die Meuterei. Die Amerikanische Revolution von 1776 und die Französische Revolution von 1789 sorgten für die weite Verbreitung von radikaler Ideen und Forderungen nach Freiheit, Gleichheit und Demokratie. Auf die Französische Revolution folgten Aufstände in Irland und die erfolgreiche Revolution der Sklaven in Haiti. Auch in Großbritannien verbreiteten sich die Ideen der Französischen Revolution, so wurde "The Rights of Men" (eine Forderung nach einer Verfassung basierend auf der Prinzipien der französischen Verfassung) von Thomas Pain massenhaft verkauft. Die Sieg der revolutionären französischen Armee gegen die österreichischen und preußischen Monarchien am 20. September 1792 wurde mit Demonstrationen in Sheffield, Manchester, Stockport, Birmingham, Coventry und Norwich gefeiert. Auch die ersten Ursprünge der britischen Arbeiterbewegung stammen aus dieser Zeit.

                      Das Problem der Matrosen war, dass auf Meuterei die Todesstrafe stand. Es hatte in den 1790er Jahren schon mehrere Meutereien gegeben. Neben der berühmten Meuterei auf der Bounty 1789, meuterten z.B. die Mannschaften der HMS Shark 1795 und der HMS Hermione 1797, und liefen zu den Franzosen bzw. Spaniern über (die Hermione wurde allerdings durch die HMS Surprise zurückerobert). Andere Meutereien, z.B. auf der HMS Cullodon im Januar 1794, wurden dagegen blutig niedergeschlagen.

                      Die Meuterei der Kanalflotte am Spithead-Ankerplatz von Portsmouth von 1797 war nicht einfach spontan, sondern wurde von Matrosen geführt und koordiniert, die Anhänger der damaligen revolutionären Ideen waren. Erste Versuche der Admiralität, die Meuterei durch leichte Zugeständnisse zu beenden, wurden von Valentine Joyce, einem der Anführer der Meuterei, verhindert. Dieser setzte die Forderung nach einer Amnestie, unterzeichnet vom König selbst, durch. Nach wochenlange Verhandlungen kapitulierte die Admiralität und die Regierung am 15. Mai und erfüllte die Forderungen - Erhöhung des Solds, Verbesserung der Versorgung mit Lebensmitteln, Entfernung von mehr als 100 Offizieren inklusive eines besonders verhaßten Vizeadmirals und eine Generalamnestie für alle beteiligten. Die Meuterei war also ein Sieg auf der ganzen Linie.

                      Aber sie blieb vorerst ein isolierter Erfolg. Eine folgende Meuterei in Nore an der Thames-Mündung mit weitergehenden politischen Forderungen endete mit dem Hängen der Anführer. Die Anhänger der Revolution gerieten in ganz Großbritannien Ende der 1790er in die Defensive und wurden brutal unterdrückt. Im Gegensatz zu Frankreich unterstütze die Mehrheit der Mittelklasse die Großgrundbesitzer bei der Erhaltung des Status quo. So blieb es an der entstehenden Arbeiterbewegung hängen das allgemeine Wahlrecht in Großbritannien zu erkämpfen, was aber erst nach dem 1. Weltkrieg gelang.

                      (von max)

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                        #56
                        19. April 1943:
                        Der Aufstand des Warschauer Ghettos


                        In den frühen Morgenstunden des 19.4.1943 umstellte die deutsche Armee das Warschauer Ghetto um es endgültig aufzulösen, und die Bewohner in die Vernichtungslager zu verschleppen. Ein Bataillon der Panzergrenadiere und eine Kavallerieabteilung der Waffen-SS, zwei Artillerieabteilungen und eine Pionierabteilung der Wehrmacht, eine Gruppe der Sicherheitspolizei, ein Bataillon der SS-Schule in Trawniki, sowie ukrainische und lettische Hilfstruppen griffen das Ghetto an. Aber die etwa 60 000 Juden, die bis zu diesem Zeitpunkt überlebt hatten, ergaben sich nicht einfach ihren Schicksal, sondern leisteten erbitterten Widerstand, obwohl sie nur ein paar Pistolen, Gewehre, Handgranaten, Molotowcocktails und ein einziges Maschinengewehr besaßen. Die Kämpfe dauerten zwei Monate bis Mitte Juni. Fast alle Juden wurden getötet, nur wenigen gelang die Flucht - von den ursprünglich 400 000 Juden in Warschau überlebten nur 200. Der bewaffnete jüdische Widerstand zerstörte den Nimbus der Unbesiegbarkeit der deutschen Besatzungsarmee und beflügelte den polnischen Widerstand.

                        Die Nazis teilten die Menschen im besetzten Europa nach ihren Nutzen für die Wirtschaft und gemäß der nationalsozialistischen Rassenideologie ein. In Polen gab es nach Ansicht der Nazis eine Übervölkerung, die der wirtschaftlichen Entwicklung im Weg stand und deshalb vernichtet werden sollte. Hitler war der Meinung, dass es in den von den Nazis kontrollierten Gebieten einen Überfluß an Arbeitskräften gab, so dass auf die Menschen keine Rücksicht genommen werden müßte und sie "verbraucht" werden könnten. Alle nicht arbeitsfähigen Menschen sollten vernichtet werden. Die Juden wurden von den Nazis zusätzlich als Bedrohung gesehen. Sie wurden mit dem russischen Bolschewismus gleichgesetzt, der in der Nazi-Ideologie für die Niederlage Deutschland im 1. Weltkrieg verantwortlich war und die größte Gefahr für das III. Reich darstellte. Was den Holocaust von anderen rassistischen Greueltaten unterscheidet, ist, dass die Menschen in einem industriellen, genau durchgeplanten Prozeß ermordet wurden.

                        Anfangs wurden Massenerschießungen durchgeführt, z.B. wurden in Babi Yar bei Kiew innerhalb von 48 Stunden 34 000 Juden im September 1941 umgebracht. Da dies als zu anstrengend für die Erschießungskommandos angesehen wurde, experimentierten die Nazis in Chelmo mit mobilen Gaskammern, in denen die Menschen durch Motorabgase umgebracht wurden. Motorabgase wurden auch bei den Massenmorden in den Vernichtungslagern Belzec und Treblinka verwendet. Die Perfektion dieser barbarischen Tötungsmaschinerie stellten dann die Gaskammern in Auschwitz dar, wo in einem industriellen Prozeß mit einem Fließband-artigen Verfahren die Menschen mit Zyklon B umgebracht und dann ihre Leichname (z.B. Haare) verwertet wurden. Ab Mitte 1942 wurden Juden aus allen besetzten Ländern in den Vernichtungslagern verschleppt und ermordet.

                        In den von den Nazis besetzten Gebieten bildete sich überall jüdische Widerstandsgruppen. Getragen wurden diese meist von linken politische Organisation, wie z.B. in Polen der sozialistische Bund, die Kommunistische Partei (PPR) und linken zionistische Gruppen, wie z.B. Dror und Haschomer Hazair (Szomry). Getrennt davon waren auch rechte zionistische Gruppen im Widerstand aktiv. Viele Juden waren bei den Partisanen in Polen und der UdSSR aktiv, die gegen die deutschen Besatzungstruppen kämpften. Neben dem Aufstand des Warschauer Ghettos, gab es auch bewaffneten Widerstand in den Ghettos von Minsk, Vilno und Bialystok. Auch in den KZs gab es Widerstandsgruppen, z.B. gelang es ihnen im Juni 1943 in Treblinka ein Teil der Gebäude und der Gaskammern zu zerstören: von 1000 Gefangenen konnten 500 entkommen. Im Oktober 1943 gelang zu dem ein Massenausbruch aus Sobibor. Auch am Warschauer Aufstand (1.8.44 bis 2.10.44) beteiligten sich jüdische Widerstandskämpfer.

                        Warschau war in den 1930er Jahren, mit Ausnahme vielleicht von New York, die am stärksten jüdisch geprägte Metropole der Welt. Hier lebten etwa 450 000 Juden. In Polen war damals Antisemitismus an der Tagesordnung, aber in den großen Städten weniger ausgeprägt.

                        Am 1.9.1939 überfielen die deutschen Truppen Polen. Warschau wurde ab dem 17.9. unablässig bombardiert, wobei 5818 Tonnen Bomben abgeworfen wurden. Im Vergleich dazu wurde Dresden im gesamten Krieg von 1989 Tonnen Bomben getroffen, was die Barbarei der Blitzkriege der Nazis deutlich macht. Warschau kapitulierte nach schweren Kämpfen am 28.9. Die Deutschen versprachen den Juden zunächst eine "faire" Behandlung. Aber sehr rasch folgte dann eine antisemitische Verordnung nach der anderen. So wurde den Juden beispielsweise verboten, mehr als 2000 Zloty zu besitzen. Besonders hart traf sie die Verordnung, gelbe Armbinden zu tragen, ein Zeichen der Demütigung und Unterdrückung. Die Warschauer Juden wurden schrittweise immer stärker terrorisiert. Mit der Errichtung des Ghettos am 2.10.1940 wurden Hunderttausende entwurzelt, zusammengepfercht und in einen Zustand unglaublicher Überfüllung, Krankheit und Verzweiflung gezwungen. Zehntausende fallen der Armut, dem Hunger oder Krankheiten, sowie dem allgegenwärtigen willkürlichen Terror der Nazis zum Opfer.

                        Schon sehr früh gelangten die jüdischen Widerstandsgruppen an Erkenntnisse über den Massenmord in Chelmo und die Vernichtungslagern Treblinka und Auschwitz. Die jüdischen Widerstandsgruppen verbreiten diese schreckliche Nachrichten, die anfangs von der Mehrheit der Menschen im Ghetto ignoriert wurden. Diese Nachrichten wurden auch zu den Alliierten geschickt. Diese handelten aber nicht, sie bombardieren weder die Gaskammern, die IG-Farben-Werke, noch die Eisenbahnstrecken, was von den Widerstandsgruppen gefordert worden war. Mit dem Beginn der Transporte in die Vernichtungslager am 22.7.42 setzte sich immer mehr die Erkenntnis durch, dass aktiver Widerstand notwendig war.

                        Im Dezember 1942 wurde eine gemeinsame Jüdische Kampforganisation (ZOB) gebildet, an der sich der Bund, die Kommunistischen Partei, die zionistische Arbeiterpartei Poale Zion, die linkszionistische Jugendbewegung Hechaluz und andere zionistische Jugendverbände beteiligten. Die unzureichende Bewaffnung der ZOB wurde über Kontakte zum polnischen Widerstand besorgt. Wegen dem Antisemitismus in einem Teil der Polnischen Heimatarmee ('Armia Krajowa', AK), war der jüdische Widerstand vor allem auf sozialistische und kommunistische Gruppen angewiesen. Die ZOB begann den bewaffneten Widerstand mit Attentaten auf jüdische Kollaborateure und Befreiung von Gefangenen.

                        Anfang 1943 beschloß der Reichsführer SS, das Warschauer Ghetto bis zum 15. Februar zu vernichten und die überlebenden Einwohner in die Vernichtungslager zu schicken. Ein erster Versuch am 18. Januar scheiterte an dem Widerstand der ZOB, die in Kämpfen über vier Tage die deutschen Truppen aus dem Ghetto vertrieben.

                        Es gab zu diesem Zeitpunkt noch etwa 60 000 Überlebende, von denen ein Großteil bei den Angriff und den Kämpfen im April bis Juni 1943 getötet wurden. Die deutschen Truppen waren nur in der Lage, das Ghetto zu erobern, indem sie die Häuser anzündeten und mit Artillerie zerstörten. Anschließend wurden die verbliebenen Bunker der ZOB angegriffen. Am 8. Mai wurde der Stabsbunker der ZOB mit Gasbomben attackiert, wobei die Mehrheit der Führung der ZOB umkam. Ein kleiner Teil der jüdischen Widerstandskämpfer gelang es durch die Kanalisation in den "arischen" Teil Warschaus zu entkommen, wo sie sich Ende 1944 auch am Warschauer Aufstand beteiligten. Denen, den es nicht gelang zu entkommen, leisteten bis noch bis Juni 1943 Widerstand.

                        Am zweiten Tag des Aufstands machte eine Kampfgruppe der kommunistisch-geführten Volksarmee ('Armia Ludowa') einen Entlastungsangriff am Rand des Ghettos. Aber ansonsten blieb der polnischer Widerstand während des Aufstands des Ghettos passiv. Der Aufstand des Warschauer Ghettos stellte aber ein Signal für den Widerstand in Polen gegen die Naziherrschaft vergleichbar mit der Schlacht um Stalingrad dar. Sowohl die Aktivität bewaffneter jüdischer, als auch polnischer Gruppen stieg an und gipfelte schließlich im Warschauer Aufstand am 1.8.1944. Dieser wurde von Stalin verraten, der den Vormarsch der russischen Truppen stoppte, bis es den deutschen Truppen gelungen war auch diesen Aufstand niederzuschlagen. Hier zeigte sich schon, wie später auch in Italien und Griechenland, dass die Alliierten planten, Europa nach der Kapitulation der Nazis aufzuteilen und von der jeweiligen Siegermacht unabhängige politische Bestrebungen zu unterdrücken

                        (von max)
                        Zuletzt geändert von Jack Crow; 20.04.2003, 23:45.
                        Republicans hate ducklings!

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                          #57
                          21. April 1918:
                          Der „Rote Baron“ wird abgeschossen


                          Bei der Verfolgung eines kanadischen Jagdflugzeugs bei Vaux-sur-Somme in Frankreich wird der berühmte deutsche Jagdflieger Manfred von Richthofen durch einenBrustdurchschuss tödlich getroffen. Bis heute ist umstritten, ob der tödliche Schuss, der den als „Roten Baron“ bekannten deutschen Piloten traf, von einem zweiten kanadischen Jagdflieger, oder von einem australischen Soldaten am Boden abgefeuert wurde.

                          Von Richthofen wurde im Mai 1892 als Sohn eines preußischen Majors in Breslau geboren. Wie sein Vater wurde Manfred, der militäraristokratischen Tradition gemäß, Offizier. Zu Beginn des ersten Weltkriegs 1914 diente er zunächst als Kavallerist an der Ostfront, wurde jedoch noch im gleichen Jahr an die Westfront versetzt. Im Frühjahr 1915 meldete er sich dort freiwillig für die neugeschaffene Fliegertruppe, und diente zunächst als Beobachter. Im August nahm er an seinem ersten Luftkampfeinsatz Teil, als Offizier an Bord eines Bombers. Nachdem er den berühmten deutschen Kampfflieger Oswald Boelcke (1891 – 1916) kennen gelernt hatte, unterzog er sich der Ausbildung zum Kampfpiloten. Im Anschluss wurde er Boelckes´ Staffel zugewiesen, und war nach dessen Tod 1916 schon der erfolgreichste Kampfflieger der Staffel. Zur Jahreswende 1916/ 17 zählte er bereits die meisten Abschüsse aller deutschen Piloten, und erhielt dafür 1917 den höchsten Orden, den Pour le Merite. Er erhielt mit der Jagdstaffel Nr. 11 sein eigenes Geschwader, und mit seinem neuen Flugzeug, einem rotlackierten Dreidecker vom Typ Fokker DR1, auch seinen berühmten Kampfnamen „Roter Baron“. Im April 1917 erzielte Richthofen seinen 50. Abschuss, und wurde dafür von Kaiser Wilhelm II empfangen und zum Oberleutnant und wenig später Rittmeister befördert. Der Erfolg als Jagdflieger machte ihn in der deutschen Bevölkerung ausgesprochen populär, und zum bevorzugten Objekt der Kriegspropaganda. In seinem nun nach ihm benannten Geschwader dienten die besten Piloten der deutschen Lufttruppe – darunter auch der spätere nationalsozialistische „Reichsluftfahrtminister“ Hermann Göring. Dem Beispiel Richthofens folgend bemalten alle Piloten des Richthofen-Geschwaders ihre Flugzeuge, was der Staffel den Namen „Bunter Zirkus“ eintrug. Bei den alliierten Fliegern war diese so gefürchtet, dass diese ein spezielles „Anti-Richthofen-Geschwader“ aufstellten.

                          Knapp einem Monat nach seinem 80. Abschuss im März 1918 wird Richthofen schließlich am 21. April bei einer Tiefflugverfolgung in feindlichem Luftraum abgeschossen. Er teilt damit das Schicksal der meisten der „Ritter der Lüfte“, deren Überlebensrate auf beiden Seiten angesichts fehlerhafter Technik und fehlenden Sicherheiten wie Fallschirmen außerordentlich gering war. Das elitäre Selbstverständnis der „Flieger-Asse“ gilt auch über Feindesgrenzen hinweg: Richthofen wird von seinen britischen Gegnern am 22. April mit vollen militärischen Ehren im französischen Bertangles begraben. 1925 wird seine Leiche schließlich exhumiert, und in einem Staatstrauerakt auf dem Berliner Invalidenfriedhof beigesetzt. Manfred von Richthofen war der erfolgreichste Kampfpilot des ersten Weltkriegs, und ist bis heute unter seinem Kampfnamen legendär.

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                            #58
                            24. April 1916:
                            Osteraufstand in Irland


                            An diesem Ostermontag begann in Dublin ein sechstägiger Aufstand irischer Nationalisten gegen die Briten. Etwa 1000 Kämpfer der militanten Irish Republican Brotherhood (IRB) und der gewerkschaftlichen Dublin Citizen Army unter James Connolly besetzten als Irish Republican Army (IRA) verschiedene Punkte der Stadt und richteten ihr Hauptquartier im neuen Hauptpostamt ein. Der Führer der IRB, Patrick Pearse, erklärte die Unabhängigkeit Irlands von Großbritannien und sich selbst zum Präsidenten.

                            Irland war schon lange Zeit unter britischer Herrschaft, und 1801 voll in das „Vereinigte Königreich von Großbritannien und Irland“ eingegliedert worden. Schon immer hatte es dagegen Widerstand gegeben, der jedoch bisher immer gescheitert war. Zudem war und ist die irische Bevölkerung in Katholiken und Protestanten gespalten. Die v.a. in der nördlichen Provinz Ulster (große Teile davon bilden heute Nordirland) ansässigen Protestanten plädierten für ein Verbleiben beim (protestantisch-anglikanischen) England, während die Mehrheit der von den britischen Machthabern diskriminierten Katholiken für die Unabhängigkeit war. 1823 wurde die erste Massenbewegung dafür gegründet, die Catholic Association, 1858 bildete sich die IRB, die ihre Ziele auch mit Gewalt durchsetzen wollte. 1870 konstituierte sich die Home Rule (Selbstverwaltungs)-Bewegung, die v.a. bei den Protestanten auf Ablehnung stieß, da sie um ihre Privilegien fürchteten. Die britische Regierung versprach zwar Schritte in Richtung der Home Rule, verwirklichte sie aber kaum. Überall im Land bildeten sich Untergrundzellen der IRB und der Irish Volunteers. Sie begrüßten den Kriegseintritt Großbritanniens gegen Deutschland, da sie erstens von der britischen Ablenkung, und zweitens von deutscher Unterstützung profitierten. Die Führer der IRB, Pearse, und der Gewerkschaft, Connolly, sahen 1916 endlich den Zeitpunkt für einen Aufstand gekommen, konnten den Führer der Volunteers, Eoin McNeill, jedoch nicht dafür begeistern. Auch bei den Deutschen suchte man weitere Unterstützung, und tatsächlich konnte der Gesandte Roger Casement Waffenlieferungen vereinbaren. Da die Briten jedoch über die deutschen Verschlüsselungscodes verfügten, erfuhren sie so von dem Vorhaben.
                            Am Montag vor Ostern trat der Militärrat (alles Mitglieder der IRB) in Dublin zusammen und erklärte sich zur Provisorischen Regierung der Republik Irland. Patrick Pearse wurde zum Präsidenten gewählt. Gleichzeitig wurde der Text der Unabhängigkeitserklärung verabschiedet. Bemerkenswert waren die unter Connolly's Einfluss hinzugenommenen Erklärungen über die Gleichheit aller Bürger einschließlich der Frauen.
                            Der von dieser Entwicklung überrumpelte McNeill stimmte schließlich der Rebellion doch noch zu, zog seine Unterstützung jedoch zurück, nachdem die britische Navy aufgrund ihrer Abhörinformationen die deutschen Versorgungsschiffe gestellt, und diese sich selbst versenkt hatten. Über Zeitungsartikel sagte McNeill Ostern den „Manöver“ genannten Aufstand ab. Die Radikalen waren jedoch von einer „Jetzt-oder-Nie“-Haltung beseelt, und beschlossen, den Aufstand auf Dublin begrenzt auch ohne die Unterstützung McNeills durchzuführen. sie erhofften sich eine Signalwirkung, die die Volunteers im restlichen Land mobilisieren sollte.

                            Abgesehen von kleinen Zwischenfällen funktionierte zunächst alles reibungslos. Die Briten wurden auf dem falschen Fuß überrascht. Viele Soldaten und Offiziere hatten wegen der Feiertage Urlaub, den restlichen war die Lage völlig unklar. Auf dem Dach der Hauptpost wurde der Union Jack durch eine grüne Flagge ersetzt, und Pearse erklärte die Unabhängigkeit. Gegen Nachmittag trafen die ersten britischen Truppenverstärkungen ein. Auf den Straßen begannen Plünderungen der armen Bevölkerung, da keine Polizei mehr auf den Strassen war. Trotz Unterstützung durch [Volunteers[/i]-Gruppen in Dublin blieb der erhoffte landesweite Aufstand jedoch aus, und die Rebellen isoliert. Einige der eingetroffenen britischen Soldaten begannen zu randalieren und wahllos auf Leute zu schießen. Der Hauptmann Bowen-Colthurst ließ den bekannten Pazifisten Sheehy-Skeffington und einige königstreue Reporter erschießenDie Truppen gingen jedoch noch nicht direkt gegen die Rebellen vor. Am Mittwoch kamen weitere Truppen an, zum Teil unter chaotischen Verhältnissen. Sie wurden von der Bevölkerung zu weiten Teilen gefeiert, weil diese wütend auf die Zerstörungen und die vielfältigen Behinderungen durch den Aufstand waren.
                            Erst am Donnerstag begann der groß angelegte Beschuss der Hauptpost. Viele Gebäude in der Nähe standen bereits in Flammen, und da die Feuerwehr nicht mehr kam, breitete sich das Feuer aus. Die Rebellen waren erschöpft, und die Munition begann ihnen auszugehen. Gleichzeitig gerieten sie unter immer stärkeren Druck der übermächtigen Briten, und sie mussten sich von einzelnen Vorposten zurückziehen. Am Abend explodierte eine Raffinerie und verschärfte die Feuersbrunst.

                            In der Nacht zum Freitag traf General Sir John Maxwell in Dublin ein. Er hatte bereits in Ägypten große Erfolge gefeiert, und der englische Kriegsminister Lord Kitchener persönlich hatte ihn ausgewählt. Er hatte 12.000 Soldaten unter seinem Kommando und überblickte sofort die für die Rebellen hoffnungslose Lage. Er befahl ein Ende der bisher verfolgten, eher vorsichtigen Strategie.
                            Der Freitag begann mit erneutem Bombardement, sobald genug Licht war. Die Soldaten beschossen vermehrt die Hauptpost mit Brandbomben. Die Lage war völlig aussichtslos, und man begann zu überlegen, wie man die Hauptpost evakuieren könnte. Am Abend wurden zuerst die hier gefangenen englischen Soldaten mit einer weißen Fahne freigelassen. Auf der Straße wurden sie von ihren eigenen Leuten beschossen. Dann machten sich die ersten Rebellengruppen unter starken Verlusten auf den Weg. Am Samstagmorgen kam es zu einem Massaker in der North King Street. Die Briten hatten hier hohe Verluste hinnehmen müssen. Briten wie Rebellen schlugen in den Häusern Wände ein, um vorwärts zukommen. Erstere gingen nicht gerade zimperlich mit den Einwohnern um, weil sie vermuteten, sie hielten Rebellen versteckt. Viele Leute, die weiße Fahnen trugen, wurden dabei erschossen.
                            Gegen 11 Uhr entschieden sich die Mitglieder der Provisorischen Regierung, die in der Moore Street Unterschlupf gefunden hatten, Kapitulationsverhandlungen aufzunehmen. Besonders Patrick Pearse, eigentlich Urheber von Sätzen wie "Das alte Herz der Erde musste mit dem roten Wein des Schlachtfeldes gewärmt werden", stimmte aus Sorge für die Dubliner Bevölkerung, die schon viel erlitten hatte, für die Aufgabe.
                            Um 15.30 Uhr übergab Pearse General Lowe, dem Generalkommandanten der britischen Armee in Irland, symbolisch seinen Säbel.
                            Als einziger der Rebellenführer war Michael O'Rahilly von den Volunteers ums Leben gekommen, der zunächst strikt gegen den Aufstand gewesen war. James Connolly war schwer verwundet. Die meisten Rebellen aus der Hauptpost verbrachten die Nacht unter erbärmlichen Bedingungen und schikaniert von britischen Offizieren auf dem Platz vor dem Rotunda Hospital.
                            Am Sonntag wurde der Kapitulationsbefehl in die anderen Stellungen der Rebellen überbracht. Die Gefangenen vom Rotunda wurden zur Richmond-Kaserne abgeführt. Auf dem Weg wurden sie von der wütenden Bevölkerung mit Schmutz beworfen. Auch die britischen Schikanen gingen weiter. Die Rebellen wurden in verschiedenen Kasernen und Gefängnissen inhaftiert oder gleich nach England deportiert.


                            Große Teile Dublins waren schwer beschädigt oder lagen in Trümmern. Viele Geschäfte waren geplündert. Barrikaden aus Straßenbahnwagen, Autos und Möbeln blockierten die Straßen. Tier- und Menschenleichen lagen überall. Die zahlreichen Feuer konnten erst nach und nach unter Kontrolle gebracht werden. General Maxwell wollte mit aller Härte ein für allemal gegen die irische Unabhängigkeitsbewegung vorgehen, und bekam freie Hand von Premierminister Asquith. Im ganzen Land wurden groß angelegte Razzien vorgenommen. Die Häuser von Rebellen wurden durchsucht, Angehörige festgenommen. Selbst Leute, die erklärtermaßen gegen den Aufstand und jede Form von Gewalt waren, wurden nicht verschont. Die meisten Protagonisten des Aufstands wurden durch Militärgerichte zum Tode verurteilt und erschossen. Der schwer verwundeten Connolly wurde zu diesem Anlass sogar auf einen Stuhl gebunden, da er nicht in der Lage war, zu stehen.
                            Die Welle der Erschießungen änderte die öffentliche Meinung in Irland, wie es von einigen britischen Politikern befürchtet worden war. Die Hingerichteten wurden zu Märtyrern, ehrenwerten Iren, die für ihr Land gestorben waren. Die Unterstützung für die Briten begann endgültig zu schwinden. William Butler Yeats schrieb:
                            All changed, changed utterly: A terrible beauty is born
                            1919 begann der Unabhängigkeitskrieg gegen Großbritannien, dem ein Bürgerkrieg folgte. Irland wurde selbständiges Mitglied des Commonwealth, der mehrheitlich protestantische Teil Ulsters verblieb jedoch als „Nordirland“ bei Großbritannien. Zunächst blieb Irland an Großbritannien v.a. wegen seiner wirtschaftlichen Abhängigkeit gebunden, auch unterhielt England Militärstützpunkte. Diese wurden erst 1937 aufgegeben, und erst nach dem Zweiten Weltkrieg erkannte Großbritannien die irische Verfassung an. Mit dem Ireland Act von 1949 garantierte die englische Regierung den Verbleib "Nordirlands" bei Großbritannien, solange eine Mehrheit dies wünscht – bis heute toben heftige auseinandersetzungen um diese Frage. Irland wurde formell zur Republik, tratt aus dem Commonwealth aus und in den Europarat ein. 1955 wurde Irland Mitglied der Vereinten Nationen.

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                              #59
                              25.April 1953:
                              Die Struktur der DNA wird publiziert


                              An diesem Tag veröffentlichte Nature den berühmten Artikel von James D. Watson and Francis H.C. Crick, indem die Struktur der Desoxyribunukleinsäure (DNA) als Doppelhelix beschrieben wurde. In dem Artikel wiesen die Autoren auch darauf hin, dass die Struktur einen Kopiermechanismus für das genetische Material beinhaltet.

                              Lange war es unklar, welche chemische Substanz der Erbträger ist. Lange wurde z.B. vermutet, dass Proteine (Eiweiß) das genetische Material darstellen würde. Erste Hinweise auf die Rolle der DNA gaben Experimente von Fred Griffith 1928 mit Pneumokokken (Verursacher von Lungenentzündung), von denen es virulente (d.h. krankheitserregende) und avirulente (harmlose) Stämme gibt. Virulente Stämme können, auch wenn sie abgetötet wurden, avirulente Stämme in virulente Stämme transformieren. 1944 zeigte Oswald Avery, zusammen mit seinen Kollegen Colin MacLeod und Maclyn McCarthy, dass DNA die chemische Substanz ist, die für die Transformation in virulente Stämme verantwortlich ist. Sie demonstrierten dies dadurch, dass sie zu avirulenten Stämmen die DNA der virulenten Stämme gaben.

                              Die Struktur der DNA wurde von einer Arbeitsgruppe im Cavendish-Labor in Cambridge aufgelöst. Watson und Crick konnten auf die Arbeit von Rosalind Franklin, Erwin Chargaff, Linus Pauling, Max Perutz und Maurice Wilkins aufbauen. Eine Röntgenstrahlaufnahme, die wahrscheinlich von dem Doktoranden von Franklin Raymond Gosling aufgenommen wurde, interpretierten Watson und Crick richtig.

                              Die Aufklärung der Struktur der DNA und die anschließende Aufklärung des genetischen Codes ermöglichten der Biologie einen massiven Aufschwung.


                              25. April 1974:
                              Nelken-Revolution in Portugal


                              Am Morgen des 25. April 1974 wurde das verbotene Lied "Grandola Vila Morena" von Zeca Afonso im Radio gespielt, was das Signal für einen Militärputsch darstellte. Panzer fuhren an den strategisch wichtigen Plätzen in Lissabon auf. Sobald es klar, dass die Truppen auf den Straßen Lissabons gegen das faschistische Regime gerichtet waren, wurden die Soldaten von den Bevölkerung gefeiert. Nelken wurden in den Gewehrläufe gesteckt und das Ganze wurde zu einer riesigen Feier und Demonstration der Freiheit.

                              1910 wurde in Portugal die Monarchie abgeschafft. Die folgende Periode war von politischer Instabilität gekennzeichnet. Zwischen 1911 und 1926 gab es 8 Präsidenten, 44 Regierungen und 20 Staatsstreiche und Revolutionen. Diese Periode wurde durch einen Militärputsch 1926 beendet, General Gomes da Costa übernahm die Macht, löste das Parlament auf und hob die Verfassung auf. Antonio de Oliveira Salazar wurde 1928 unter General Carmona, dem Nachfolger Costas, Finanzminister und setzte eine drakonische Wirtschaftspolitik durch. 1932 wurde Salazar Premierminister und verabschiedete 1933 wird eine neue Verfassung (?Estado Novo?, der ?Neue Staat?), die sich stark an das faschistische Italien anlehnte. Die Geheimpolizei PIDE unterdrückte jede Art von Opposition, unabhängige Gewerkschaften waren verboten und alle oppositionellen politischen Parteien konnten nur im Untergrund aktiv sein. Trotz guter Beziehungen zu Großbritannien blieb Portugal im 2. Weltkrieg neutral, unterhielt aber gleichzeitig auch gute Beziehungen zum faschistischen Spanien unter Franco. 1949 war Portugal ein Gründungsmitglied der NATO.

                              Nach einem Schlaganfall Salazars trat General Marcelo Caetano im September 1968 seine Nachfolge an. Portugal besaß zu dieser Zeit noch ein größeres Kolonialreich, das sich aber in der Auflösung befand. Die Kolonien in Indien wurden 1961 von indischen Truppen erobert. In Guinea-Bissau, Mocambique und Angola brachen Unabhängigkeitskriege aus, die Portugal nicht gewinnen konnte und die seine Wirtschaft überlasteten. Eine Fraktion des Militärs, die MFA (Movimento das Forcas Armadas) organisierte mit Unterstützung der Industriellen den Putsch vom 25.4.1974 und setze den konservativen General Spinola als neuen Regierungschef ein. Dieser war Kommandeur der Truppen in Guinea-Bissau gewesen und für seinen systematischen Terror berüchtigt, war aber zu der Meinung gekommen, dass Portugal die Kriege in Afrika nicht gewinnen könne.

                              Diese neue Freiheit bedeutete einen massiven Aufschwung für die Arbeiterbewegung. Eine Streikwelle erfaßte Portugal, die Werften Lisnave und Setnave, sowie andere Unternehmen wurden von den ArbeiterInnen besetzt und von Arbeiterkomitees kontrolliert. Die Forderungen der Streikenden gingen über ökonomische Forderungen hinaus. Eine Hauptforderung war ?saneamento?, die Entfernung der Faschisten aus den Unternehmen und dem Staatsapparat. Gleichzeitig gab es eine Welle von Landbesetzungen im Süden Portugals. Es entstand eine Art Doppelherrschaft, auf der einen Seite militante Arbeiter, die aber keine eigenständige Organisation (Räte) aufbauten, und auf den anderen Seite die Regierung der Militärs.

                              Das Militär war in verschiedene Flügel gespalten. Konservative, wie Spinoza ging es nur um die Beendigung der Kriege in Afrika. Sie waren auch nicht für sofortiges Ende der Kriege, sondern für einen Frieden, bei dem die Interessen der portugiesischen Konzerne gesichert wären. Die MFA, die für Putsch verantwortlich war, wollte eine Diktatur à la Nasser oder Castro, also eine Modernisierung der Gesellschaft gestützt auf den Staatsapparat. Ein Teil der Offiziere der MFA unterstütze die ArbeiterInnen. So stellte sich die COPCON unter dem Kommando von Otelo de Cavahlo, eine Einheit die eigentlich für die innere Sicherheit zuständig war, oft auf die Seite der streikenden ArbeiterInnen. Später bildete sich eine Organisation der einfachen Soldaten (SUV), die unter dem Einfluß der revolutionären Linken stand. Ihre Parolen auf den Demonstrationen waren ?Der Soldaten werden immer auf der Seite des Volkes sein? und ?Portugal wird kein anderes Chile sein? in Anlehnung an den Militärputschs Pinochets am 11.9.1973 in Chile.

                              Die meisten politischen Organisationen waren im Untergrund winzig. Am besten organisiert und am größten war die Kommunistischen Partei (PCP), die auch das Rückgrat der Opposition gegen Salazar und Caetano dargestellt hatte und deshalb einen guten Ruf hatte. Allerdings war die PCP eine typische stalinistische Partei, deren Ziel auch keine sozialistische Revolution, sondern ein Regime wie in den Ostblockstaaten war. Deshalb unterstützte sie die Politik Spinolas und trat der Regierung bei. Um sich für die Regierung zu empfehlen attackierte sie Streikende und unterstützte auch den Einsatz von Truppen gegen die ArbeiterInnen, weshalb sie auch an Unterstützung, insbesondere in Lissabon, verlor.

                              Die Politik der kommunistischen Partei begünstigte das Wachstum der revolutionäre Linken. Diese war aber zersplittert und folgte, wie der Mehrheit der revolutionären Linken in den 70ern, den Ideen Maos oder Che Guevaras. Die Maoisten (MRPP, AOC, UDP) kritisierten die Kommunistische Partei wegen ihrer Sozialfaschismustheorie hauptsächlich von rechts. Die Guevaristen (PRP) hatte eine bessere Einschätzung der Lage, beschäftigen sich aber hauptsächlich mit militärischen Aufstandsvorbereitungen und vernachlässigten die politische Überzeugungsarbeit. Es konnte sich in Portugal keine politische Kraft mit einen klaren Programm für eine sozialistische Revolution bilden.

                              Diese Vakuum auf der Linken versuchte die Sozialistischen Partei unter Mario Soares zu fühlen. Obwohl sie anfangs winzig war, konnte sie durch linke Rhetorik von der Unzufriedenheit mit der Kommunistischen Partei profitieren. Ihr Ziel war ein Kapitalismus mit bürgerlicher Demokratie. Sie wurde von der britische Labour Party, deutsche SPD und später auch vom CIA unterstützt und stellte schließlich für die Bürgerlichen die einzige Hoffnung dar. Die bürgerlichen Parteien waren selbst zu schwach um die Initiative zu ergreifen und versteckten sich deshalb anfangs hinter den Militärs und der Kommunistischen Partei, später hinter den Sozialisten. Die stärkste Partei der Bürgerlichen war die PPD, die sich als sozialdemokratisch bezeichnete.

                              Die Rechte versuchte in mehreren Putschen wieder an die Macht zu gelangen. Am 27. und 28. September 1974 organisierte Spinola eine Demonstration der ?Schweigenden Mehrheit? und verteilte an Faschisten Waffen. Diese Demonstrationen wurden aber von ArbeiterInnen und Soldaten gestoppt, die in Lissabon und Porto Barrikaden errichteten. Die MFA sah sich gezwungen angesichts der Massenmobilisierung den Kampf gegen die Putschisten zu unterstützen. Spinola mußte am 30.9. zurücktreten und wurde durch General Costa Gomes ersetzt.

                              Am 11.3. 1975 versuchte Spinola erneut durch einen Putsch für die Rechte die Macht zu erlangen. Er befahl Fallschirmjägern die Kasernen der leichten Artillerie (RAL-1), die den nördlichen Zugang nach Lissabon kontrollierten, anzugreifen. Auch ein Luftwaffenstützpunkt wurde von den Putschisten übernommen und von dort aus die Kasernen bombardiert. Das ganze war als Signal für einen allgemeinen Aufstand der Rechten gedacht. Das Ergebnis war aber eine Massenmobilisierung gegen den Putsch. In allen größeren Städten gab es Massendemonstrationen gegen den Putsch. In Lissabon wurden erneut von den Arbeitern Barrikaden errichtet, die Waffen aus den Polizeikasernen an die Bevölkerung verteilt und damit die Stadt kontrolliert. Die Fallschirmjäger, die für Spinola die Kasernen attackiert hatten, konnten von den Arbeitern und revolutionären Soldaten durch Diskussionen überzeugt werden, aufzugeben. Den Fallschirmjägern war von den Kommandeuren gesagt worden, dass sie für die Revolution kämpfen würden! Der Putsch bewirkte eine erneute Welle von Fabrikbesetzungen und damit einen Aufschwung für die Revolution.

                              Diese günstigen Bedingungen für eine erfolgreiche Revolution verstrichen aber ungenutzt. Viele ArbeiterInnen hatten sich daran gewöhnt, dass die linke Militärs sie bei Streiks verteidigen würden. Sie blieben selbst passiv und bauten keine eigenen Machstrukturen auf. Auch die revolutionäre Linke setzte illusionäre Hoffnungen auf die linken Offiziere in der MFA. Sie wollte zwar eine Rätedemokratie und konnte für diese Forderung auch große Demonstrationen organisieren. Aber statt die Umwandlung und Zusammenfassung der Arbeiterkomitees in den Fabriken zu Räten zu organisieren, warteten sie auf die linken Militärs in der MFA, dass diese Räte aufbauen sollten.

                              Obwohl die letzten Kolonien 1974 und 1975 unabhängig wurden, die Kolonialkriege als beendet wurden, waren die wirtschaftlichen Probleme ungelöst und schrien nach einer politischen Lösung. Besonders deutlich war dies in den verstaatlichten Unternehmen, die 60% der portugiesischen Wirtschaft ausmachten.

                              Die bürgerliche Rechte organisierte zwar Aufstände im landwirtschaftlich geprägten Norden Portugals, mußte aber angesichts der gescheiterten Putsche im September 74 und März 75 einsehen, dass sie über diesen Weg nicht an die Macht gelangen konnten. Deshalb konzentrierte sich die gesamte Unterstützung der Bürgerlichen und auch der anderen westlichen Regierungen auf die Sozialistische Partei von Mario Soares. Diese stellte sich als linke Alternative zur Kommunistischen Partei dar und warb für den portugiesischen Weg zum Sozialismus. Bei den Wahlen für eine konstituierende Versammlung am 25.4. 1975, dem Jahrestag der Nelken-Revolution, erhielten die Sozialisten 38% der Stimmen, während die bürgerlichen Parteien 34% und die Kommunisten 17% erhielten.

                              Am 24. November 1975 provozierte rechte Armeeoffiziere mit Unterstützung der Sozialisten einen linken Putsch, indem sie Otelo de Cavahlo, einem linken Mitgleid der MFA, als Chef des Lissaboner Militärbezirks absetzten. Die Fallschirmjäger, eine besonders radikalisierte Einheit, besetzte darauf am 25.11. Schlüsselpositionen in Lissabon. Aber die ganze Aktion war nicht koordiniert. Der Mehrheit der linken Offiziere kapitulierten oder stellten sich auf die Seite der Rechten, so dass wenige Hundert rechte Soldaten die linken Truppen kampflos entwaffnen konnten. Jetzt rächte sich, dass die Linke sich zu sehr auf die Armee konzentriert hatte und sich auf linke Offiziere verlassen hatte. Eine konzentrierte Aktion der Arbeiter, wie ein Generalstreik, aber auch schon größere Demonstrationen hätten die Rechte in die Flucht geschlagen. Die Rechte hatte an diesem Tag auch keinen wirklich großen Erfolg erzielt, nur ein Teil der linken Armee-Einheiten war entwaffnet worden. Die Rechte mußte sich immer noch hinter den Sozialisten verstecken. Aber da die Linke so sehr ihre Hoffnungen auf die MFA, anstatt auf die Stärke der Arbeiterbewegung, konzentriert hatte, wurde dies als die entscheidende Niederlage der Revolution empfunden.

                              Die Ereignisse in Portugal 1974/75 zeigen, dass diktatorische Regime von Innen ohne Hilfe von Außen gestürzt werden können, im Gegenteil das faschistische Portugal war damals ein Teil der NATO und genoß die Unterstützung der westlichen Regierungen. Es zeigt sich auch, dass sozialistische Revolutionen nicht auf die Erste Hälfte des 20. Jahrhunderts beschränkt waren. Aber die Revolution in Portugal ist, wie viele andere, nicht an den objektiven Bedingungen gescheitert, sondern an der Unfähigkeit der Revolutionäre.

                              (beides von max)

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                                #60
                                27. April 1987:
                                Milosevic schürt den serbischen Nationalismus

                                Bei einer Massenkundgebung im Kosovo (albanisch Kosova), die von Milosevic organisiert wurde, provozieren serbischen Geheimagenten Schlägereien mit lokalen albanischen Polizisten. Milosevic rief den Serben zu: "Niemand hat das Recht euch zu schlagen", steigerte damit die anti-albanische Hetze und verstärkte den serbischen Nationalismus. Ein Prozeß, der zu dem Zerfall Jugoslawiens, mehreren Kriegen und ethnischen Säuberungen führte, wurde in gang gesetzt.

                                Jugoslawien befand sich Ende der 1980er in einer schweren Wirtschaftskrise. Es gab eine Hyperinflation - der Dinar wurde 1988 um 1000% abgewertet -, einen starken Anstieg der Auslandsverschuldung und der Arbeitslosigkeit. Kosova war die ärmste Region Jugoslawiens, 1980 war das Durchschnittseinkommen nur 29% des jugoslawischen Durchschnitts. In Kosovs wurde nur Rohstoffproduktion gefördert, während es fast keine Entwicklung von Leichtindustrie gab.

                                Als Reaktion auf diese wirtschaftlichen Probleme gab es eine gemeinsame Streikwelle von alle Nationalitäten in Jugoslawien gegen die 'Rote Bonzen'. Die Zahl der Streiks stieg von 100 1983, auf 699 1985 und 1570 1987, als 365 000 ArbeiterInnen (etwa 10% aller ArbeiterInnen) beteiligt waren. Es waren zwei Entwicklungen aus dieser Krise möglich. Einerseits eine gemeinsame Verteidigung des Lebensstandards aller ArbeiterInnen in Jugoslawien gegen die Angriffe der herrschenden Bürokraten. Diese Entwicklung war aber dadurch behindert, dass sozialistische Ideen mit dem staatskapitalistischen System in Jugoslawien identifiziert wurde. Andererseits ein Schüren des Nationalismus und Rassismus von Seiten der Herrschenden um von den Problemen abzulenken und Sündenböcke zu präsentieren. Das Anheizen von Nationalismus mußte aber unter den Bedingungen in Jugoslawien zu einem Auseinanderbrechen führen, da die einzelnen Teilrepubliken relativ autonom waren und sich unter dem Eindruck der Krise weiter auseinander entwickelten. Die reicheren Teilrepubliken, Slowenien und Kroatien, meinten unabhängig besser dazustehen. Serbien, was in Bezug auf die wirtschaftliche Stärke zwischen der reicheren Republiken und den ärmeren Regionen, wie Bosnien-Herzogowina und Kosova stand, mehr bei einem Zerfall Jugoslawiens zu verlieren hatte.

                                Slobodan Milosevic, eine ehemaliger Banker, wurd 1986 zweiter Chef der serbischen Kommunisten und war der erste Spitzenpolitiker der jugoslawischen Kommunisten, die eine spezielle Form des Stalinismus, den Titoismus vertraten, der auf die nationalistische Karte setzte. Dies wurde später auch von den kroatischen und bosnischen Führern übernommen. 1986 wurde auch das berüchtigte Memorandum der serbischen Akademie der Wissenschaften veröffentlicht. Hier wurde ein angeblicher Genozid an den Serben im Kosova festgestellt (in Wahrheit eine Abwanderung von Serben wegen der Armut in der Region) und behauptet, dass die Serben in Jugoslawien benachteiligt wären. Dazu wurde Rassismus gegen die Kosovo-Albaner geschürt und behauptet, dass sie zu viele Kinder hätten und zu viel Sozialhilfe in Anspruch nehmen würden. Die Stimmung wurde zusätzlich durch einen rassistischen, anti-albanischen Roman, Der Fall Martinovic, mit Auflage von fast einer Million angeheizt, indem Albaner als primitive Bestien und Vergewaltiger dargestellt wurden.

                                Milosevic drängte Albaner aus kommunistischer Partei, so wurde der albanischen Parteichefs im Kosovo, Azem Vllasi, im November 1987 abgelöst. Auch inner-parteiliche serbische Rivalen und Kritiker entfernte Milosevic. Auf den von Milosevic organisierten Kundgebungen, wie auf der am 27.4.1987 und der am 28.6.89 zum zum Jahrestag einer Schlacht gegen die Türken auf dem Amselfeld, dominierten faschistische Tschetnik-Symbole und christliche-orthodoxe Symbole. Milosevic vertrat die Ideologie des großserbischen Nationalismus.

                                Gegen die zunehmende Unterdrückung der Albaner gab es Widerstand. So wurde im Februar 1989 ein Generalstreik, getragen von den Bergarbeitern in Trepca, organisiert, der aber brutal niedergeschlagen wurde. Albanische Gewerkschaftsaktivisten und Manager wurden verhaftet, im März wurde auch das kosovarische Parlament gezwungen die Autonomie faktisch aufzugeben. Im Juli 1990 wurde das Parlament endgültig aufgelöst. Die albanischen Parlamentarier beschlossen ein Gründung einer Republik Kosova innerhalb der Jugoslawischen Föderation. Aber Serben verhängten als Reaktion darauf einen Ausnahmezustand und allgemeines Streikverbot. Albanisch wurde als Amtssprache verboten, Unterricht an allen weiterführenden Schulen und der Universität nur in Serbisch gehalten. Nach einem erneuten Generalstreik im September 1990, der ebenfalls scheiterte, wurden albanische ArbeiterInnen und Staatsbedienstete entlassen.

                                Im September 1991 wurde die Unabhängigkeit Kosovas unter der Führung der LDK (Demokratische Bewegung des Kosova) unter Ibrahim Rugova ausgerufen, nach dem in einem Referendum sich 98,7% für die Unabhängigkeit ausgesprochen hatten. Die LDK versuchte einen Parallelstaat aufzubauen und passiven, friedlichen Widerstand gegen die Unterdrückung zu leisten. Der Versuch der LDK bei den europäischen Regierungen Unterstützung zu finden scheiterte.

                                1993 kam es zur Abspaltung der LKCK (Nationale Bewegung für die Befreiung des Kosova) von der LDK, die auch die ersten bewaffnete Aktionen durchführt. Zur gleichen Zeit entstand auch die UCK (Befreiungsarmme des Kosova) auf Initiative der linken LPK (Volksbewegung des Kosova).

                                Im Friedensvertrag von Dayton 1995 wurd die Unterdrückung der Albaner im Kosova vom Westen ignoriert, was das Scheitern der Strategie der LDK und Rugovas deutlich machte und dazu führte, dass die Pazifisten der LDK an Unterstützung verloren und die Zulauf zu den bewaffneten Guerilla-Verbänden verstärkte. Der Aufstand in Albanien im Frühjahr 1997 ermöglichte eine Bewaffnung der UCK. Diese intensiviert ihre militärischen Aktionen Ende 1997, was zum Ausbruch des Bürgerkrieg führte. Der UCK gelang es im April/Mai 1998 40% des Kosova zu kontrollieren. Eine Gegenoffensive der serbischen Armee führte zu großen Flüchtlingsströmen innerhalb des Kosova (ca. 350 000 im November 1998), während die europäischen Regierungen den albanischen Flüchtlingen Asyl verweigerten.

                                Die legitimen Forderungen der Kosovo-Albaner wurden aber von den westlichen Mächten instrumentalisiert. Diesen ging es um die Ausschaltung Serbiens, was sich dem Westen nicht komplett unterordnete und z.B. die Schuldentilgung an den Internationalen Währungsfond verweigerte. Die USA sahen dies auch als eine Möglichkeit Rußland und den europäischen Mächten ihre militärische Überlegenheit zu demonstrieren. Am 6.2. 1999 beginnen die Verhandlungen in Rambouillet, wo die westlichen Regierungen sowohl der albanischen, als auch der serbischen Seite ihre Bedingungen diktieren wollten. Die Albaner unterschreiben am 18.3. nach massiven Druck unter Protest von bekannten albanischen Politikern wie Adem Demaci (dem Mandela Kosovas). Die serbische Regierung verweigerte die Unterschrift, da der Vertrag von Rambouillet die Aufgabe der Souveränität ganz Jugoslawiens und die militärische Besetzung durch die NATO erlaubt hätte.

                                Am 24.3.1999 begann darauf der Angriff der NATO, der zu Tausenden Toten in der Zivilbevölkerung und massiven Zerstörungen der zivilen Infrastruktur wie Brücken, Kraftwerke, Wohnhäuser, Fabriken, Schulen und Wohnhäusern führte. Das Ergebnis des Krieges war, dass der Kosovo zu einem Protektorat der Westmächte wurde und diktatorisch von einem westlichen Statthalter regiert wird. Die Minderheit der Serben im Kosova wurde vertrieben.

                                Die Ereignisse bei dem Zerfall Jugoslawien haben wieder einmal gezeigt, welches Unglück und Leid Nationalismus und Rassismus bewirkt.

                                (von max)__________________

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