Gibt es heute noch Klassen? - SciFi-Forum

Ankündigung

Einklappen
Keine Ankündigung bisher.

Gibt es heute noch Klassen?

Einklappen
X
 
  • Filter
  • Zeit
  • Anzeigen
Alles löschen
neue Beiträge

    #16
    Da du auch diese Studie bzw. Aufsatz wohl kaum gelesen hast, kannst du das wohl nicht beurteilen.
    Republicans hate ducklings!

    Kommentar


      #17
      Um die Qualität dieser Aussage Wehlers müsste ich seine Primärquelle studieren, sein Aufsatz wird da kaum ausreichen. Aber diese Zahl ist in Übereinstimmung mit allem, was ich bisher gelesen habe. Im übrigen werde ich mich auf jede Quelle berufen, die mir sinnvoll erscheint. Es gibt genügend Fälle, dass Leute sinnvolle Aussagen treffen, auch wenn es insgesamt keine Übereinstimmung gibt. Und noch mehr Fälle, wo von Fakten berichtet werden, es aber keine Übereinstimmung bei der Interpretation gibt. Ich weise auch keine ideologischen/mentalitätsgeschichtlichen Strömungen in der Geschichtsbewertung zurück, sondern halte es nur notwendig die Entwicklung von Ideologien und Mentalitäten im Kontext zu stellen und sie nicht einfach als unabhängige Grösse zu sehen. Du kannst aber gerne erklären, warum es falsch ist, die Zahl Wehlers für meine Aussage zu verwenden oder sonst etwas zum Thema beitragen
      Resistance is fertile
      Für die AGENDA 3010! 30-Stunden-Woche mit vollem Lohnausgleich und 10 Euro gesetzlichem Mindestlohn!
      The only general I like is called strike

      Kommentar


        #18
        ja was den sonst. zwar nichtmehr diese 3 klassen heute sind das viel mehr unten angefangen mit dem "assoszialen Pack" (nicht das ich so darüber denke) die breite schicht der Arbeiter und dann noch die reichen "Bonzen" und da eben viele Schichten wie reiche bonzen die 2 Porsche als funcars besitzen und dann die bonzen die nur einen Mercedes fahren. Also es gibt sie noch gab sie und wird es eben immer geben.. Es sei den in ganz deutschland bekommt jeder das gleiche gehalt kauft das gleiche und wohnt auch noch gleich aber das gibt es nur wenn die Wasser bergauf fliesst...

        Kommentar


          #19
          @max: Entschuldige, ich habe es wohl falsch ausgedrückt. Ich meinte "jene Studie nicht gelesen" und nicht "diese Studie nicht gelesen".
          Republicans hate ducklings!

          Kommentar


            #20
            Der Klassenbegriff nach Marx kann heute nicht mehr angewendet werden, da es in der BRD nach VWL-Maßstäben kaum noch den Produktionsfaktor "Arbeit" gibt: Da selbst die einfachste Tätigkeit heute Bildung erfordert, verkauft jeder Arbeitnehmer heute einen produzierten Prod.-faktor (formally known as Humankapital).

            Sinngemäß teilt sich die Gesellschaft aber weiterhin in grobe Gebilde, auch wenn diese heute vielfältiger sind. Und auch die Vererbbarkeit von Besitz, Einfluß und Status kann wohl von niemanden bezweifelt werden, auch wenn es Ausnahmen gibt, die filmreif das "Proletariat" ruhig halten...
            Recht darf nie Unrecht weichen.

            Kommentar


              #21
              Original geschrieben von Narbo
              Der Klassenbegriff nach Marx kann heute nicht mehr angewendet werden, da es in der BRD nach VWL-Maßstäben kaum noch den Produktionsfaktor "Arbeit" gibt: Da selbst die einfachste Tätigkeit heute Bildung erfordert, verkauft jeder Arbeitnehmer heute einen produzierten Prod.-faktor (formally known as Humankapital).
              So stimmt das nicht. Erstens gibt es mehr als genug Tätigkeiten, für die es keinerlei nennenswerte Bildung braucht (z.B. die Mehrzahl der Tätigkeiten im Dienstleistungsektor) - und die Anzahl dieser Tätigkeiten wird durch die Ausweitung des Billiglohnsektors noch zunehmen. Auch die Reformen im Bildungswesen zielen daraufhin, dass die Bildung der Studenten reduziert wird (Bachelor-Studiengänge etc.). Die Wirtschaftsbosse fordern eben auch diese reduzierten Fachidiotenstudiengänge, verkürzte Schulzeiten etc, also weniger gebildete Arbeiter. Und zweitens: es war schon immer so, dass ein Arbeiter einen "produzierenden Produktionsfaktor" (sic) verkauft: Arbeit. Das Wort Humankapital ist eigentlich einer dieser abartigen Umschreibungen für einen Menschen und bedeutet nicht, dass ein Arbeiter etwas anderes als seine Arbeitskraft zu Verfügung stellt. "Humankapital" hat mit Kapital schliesslich nichts zu tun.

              Was ändert also die Bildung an dem Klassencharakter bzw. der Stellung der Arbeiter in der Produktion?
              Resistance is fertile
              Für die AGENDA 3010! 30-Stunden-Woche mit vollem Lohnausgleich und 10 Euro gesetzlichem Mindestlohn!
              The only general I like is called strike

              Kommentar


                #22
                Nope, eine strenge Trennung in Arbeit, Boden, Kapital (die drei Produktionsfaktoren) führt dazu, dass in den Industrieländern kaum noch jemand mit Arbeit sein Geld verdient. Ebenso wie eine chemisch kultivierte Ackerfläche keinen Boden, sondern Kapital darstellt. Und Humankapital ist sehr wohl eine Abart des Kapitals, welches jeglichen produzierten Produktionsfaktor (also auch die Tatsache, dass der Typ bei VW anner Maschine die Knöppe korrekt bedienen kann) meint. Die (Aus)Bildung erfordert schließlich einen Zeitraum, in welchem die Person nicht als Arbeiter zur Verfügung steht, sondern "veredelt" wird. Diese Opportunitätskosten sind mit dem Zeitraum zu vergleichen, in welchem eine Volkswirtschaft Produktionsmittel (Kapital) statt Konsummittel produziert.

                Ergo: Keine Arbeit, keine Arbeiter, kein marx'sches Klassensystem.
                Recht darf nie Unrecht weichen.

                Kommentar


                  #23
                  Es ist heute so, dass eine Mehrheit der Bevölkerung gezwungen ist, ihre Arbeitskraft zu verkaufen, sprich zu einer Ware zu machen (dies wird durch den Sozialstaat abgemildert, so dass diese nicht zu jedem Preis verkauft werden muss. Ein Grund, warum die Bosse den Sozialstaat vernichtet wollen). Da liegt daran, dass die Mehrheit über kein nennenswertes Vermögen verfügt und keinerlei Kontrolle über Produktionsmittel verfügt. Der Wert der Arbeit ergibt sich aus dem Wert der für die Reproduktion notwendigen Waren. Das geht von den Kosten für Kinder, (Aus)Bildung) bis zum Essen, Wohnen und Erholung (Urlaub, Hobbys). Bildung ist vergleichbar mit allen anderen Kosten für die Reproduktion der Arbeitskraft. Es stellt keinen neuen oder qualitativ besonderen Faktor da. Der Lohn (Preis) ist aber nicht identisch mit dem Wert der Arbeit. Das liegt daran, dass man/frau gezwungen ist die Arbeitskraft zu verkaufen. Das ungleiche Machtverhältnis zwischen Kapitalisten und Arbeiter führt dazu, dass die Arbeiter nur ein Teil des Gegenwerts für ihre Arbeit erhalten, sie also zeitweise kostenlos arbeiten. Den Rest (Mehrwert) eignet sich der Kapitalist an. Der Mehrwert ist die Quelle für den Profit. Arbeit ist also die einzige Quelle für Profit (wobei auch Kapitalisten sich den Profit anderer Kapitalisten aneignen, z.B. von Konzernen die Rohstoffe produzieren oder von Zulieferkonzernen). Der Lohn schwankt zusätzlich durch Angebot und Nachfrage von Arbeitskräften (worüber die bürgerlichen Vulgärökonomen so viel Tamtam machen) und die aktuellen gesellschaftlichen Kräfteverhältnisse. So können unter ungünstigen Bedingungen die Bosse die Löhne unter den für die Reproduktion der Arbeitskraft notwendigen Wert drücken, was im Klartext Hunger und Elend bedeutet. Genauso können gesellschaftlich günstige Bedingungen (z.B. hoher gewerkschaftlicher Organisationsgrad) dazu führen, dass der die Löhne über diesem Wert liegen. Die Kosten für die Reproduktion sind auch keine konstante Grösse, sondern sind z.B. abhängig von den Bedürfnissen. Heute gehört hierzu in den Industrieländern ein gewisser technischer Standard (Waschmaschine, TV etc.).

                  Kapital ist nicht einfach Geld. In früheren Gesellschaftsformen diente Geld als Tauschmittel. Es wurde verkauft, um für den Konsum kaufen zu können. Bei Kapital ist es anders, es wird gekauft um verkaufen zu können. Es dient für den Kapitalisten nicht dazu seine Bedürfnisse zu befriedigen, sondern um die Reichtümer zu vermehren. Dies geschieht durch Aneignung von Mehrwert. Der Teil, den der Kapitalist für seine eigenen Bedürfnisse verwendet, ist für den Produktionskreislauf verloren, er wird unproduktiv vernichtet. (Bei Arbeitern wird der Verbrauch für die eigenen Bedürfnisse produktiv verwendet, da er zu Regeneration der Arbeitskraft dient).

                  Bildung bedeutet nicht, dass ein Arbeiter von Kapital lebt. Er/sie lebt immer noch vom Verkauf der Arbeitskraft. Mit einer entsprechenden (Aus)Bildung kann lediglich der Wert der Arbeit erhöht werden (da mehr für die Reproduktion entsprechender Arbeitskräfte ausgegeben werden muss), was unter günstigen Bedingungen zu höheren Einkommen führt. Unter ungünstigen Bedingungen, z.B. den heutigen Zuständen in der Grundlagenforschung, ist es aber schon schwer durchschnittliche Einkommen zu erhalten. Mal abgesehen davon führt die längere Ausbildungszeit sowieso dazu, dass auch höhere Einkommen relativiert werden, da diese auf einen kürzeren Zeitraum verteilt sind.

                  Im übrigen führt der technologische Fortschritt nicht dazu, dass mehr gebildetere Arbeitskräfte notwendig sind. Genau das Gegenteil ist der Fall. Durch die Automatisierung (wozu auch PCs zählen) und Arbeitsteilung können komplexe Produkte durch Angelernte geschaffen werden, während früher dafür entsprechende Kenntnisse und handwerkliche Fähigkeiten notwendig waren.
                  Resistance is fertile
                  Für die AGENDA 3010! 30-Stunden-Woche mit vollem Lohnausgleich und 10 Euro gesetzlichem Mindestlohn!
                  The only general I like is called strike

                  Kommentar


                    #24
                    Eigentlich ist jegliche Antwort überflüssig, da wir offensichtlich für Begriffe verschiedene Definitionen verwenden, darüber hinaus unterschiedliche Meinungen haben (was dennoch nichts daran ändert, dass ich Dir sinngemäß bereits zugestimmt habe):

                    Original geschrieben von max
                    Bildung ist vergleichbar mit allen anderen Kosten für die Reproduktion der Arbeitskraft. Es stellt keinen neuen oder qualitativ besonderen Faktor da.
                    Arbeit in (dem mir bekannten) volkswirtschaftlichen Sinne ist dem physikalischen sehr Nahe. Es geht um körperliche Einflußnahme im Produktionsprozeß (z.B. Holzhacken, Schraube drehen). Sobald hierüber hinaus größere Bildung ("wie bediene ich die große Baumfäll-Maschine") notwendig ist, verfügt der Beschäftigte über Kapital/Produktionsmittel, wodurch seine Tätigkeit erst möglich wird.

                    Original geschrieben von max
                    Kapital ist nicht einfach Geld.
                    Kapital ist in keinem Fall Geld, sondern beschreibt in dem hier vorliegenden Themenbereich den Produktionsfaktor "produzierte Produktionsmittel", also um beim Beispiel von oben zu bleiben die Axt des Holzfällers.

                    Wie gesagt, ist aber Jacke wie Hose, denn inhaltlich stimme ich Dir zu. Lediglich die Begrifflichkeiten passen imho nicht, sodass im marxschen Sinn keine Klassengesellschaft mehr vorliegen kann. Selbst wenn Du stundenlang zutreffend über die soziale Schieflage schreibst, wird sich daran nichts ändern, außer dass Du mir ausführlich Sachverhalte schilderst, die mir bekannt sind
                    Recht darf nie Unrecht weichen.

                    Kommentar


                      #25
                      Hmm, wenn du eine viel engere Definition von Arbeit, als die von Marx, wählst, kannst du schwer behaupten, dass es im marxschen Sinne keine Klassengesellschaft gibt.

                      Wenn ich dich richtig verstanden habe, gibt es deshalb deiner Meinung nach keine Klassen mehr, weil Arbeiter durch Bildung zu Kapitalbesitzern wurden. Also sind Arbeiter ohne berufsrelevante Bildung noch Mitglieder der Arbeiterklasse? Oder wenn es möglich wäre "externe Gedächtnisse" zu verwenden, also dass die Bildung à la Software (oder Matrix) in einen Menschen geladen wird und sich dieses "externe Gedächtnis" im Besitz der Kapitalisten befände, würde wieder eine Arbeiterklasse existieren?

                      Allerdings gab es eigentlich nie Tätigkeiten, die überhaupt keine Bildung erfordert haben. Die also wirklich rein physikalisch waren. Selbst ein Galeerensklave musste lernen zu rudern und die entsprechenden Befehlen zu befolgen. Wo ist hier die Trennung zwischen Arbeit und Bildung als Produktionsmittel? Was ist, wenn es einfacher ist und es weniger Kenntnisse erfordert eine Baumfäll-Maschine zu bedienen, als eine Axt zu handhaben? Es ist braucht auf jeden Fall weniger Kenntnisse einen PC als Beschäftigter in einem Sweat-Shop herzustellen, als selber vor 35 Jahren einen zu basteln und dabei alle Einzelteile selbst herzustellen. Selbst für pure Schreibjobs braucht es heute mit einem PC weniger Kenntnisse, als früher mit der Schreibmaschine (wenn Dinge wie Layout berücksichtigt werden). Wo fängt dann überhaupt Bildung an? Reicht die Fähigkeit zu lesen schon aus?

                      Ich brauche überhaupt keine ewigen Vorträge über soziale Ungerechtigkeiten zu halten. Die Frage ist, wie heute die Gesellschaft funktioniert. Und da sehe ich keinen Grund, Arbeit so eng zu definieren, dass Arbeit, die Bildung erfordert, schon keine Arbeit mehr ist. Womit ich jetzt nicht sagen will, dass Arbeitskräfte keine "Produktionsfaktoren" sind und aus der Sicht des Kapitalisten kein Kapital darstellen. Aber es ist ebenso, dass der Kapitalist von diesem Kapital lebt und nicht der Arbeiter. Der lebt von dem Verkauf seiner Arbeitskraft.
                      Resistance is fertile
                      Für die AGENDA 3010! 30-Stunden-Woche mit vollem Lohnausgleich und 10 Euro gesetzlichem Mindestlohn!
                      The only general I like is called strike

                      Kommentar


                        #26
                        Original geschrieben von max
                        Wenn ich dich richtig verstanden habe, gibt es deshalb deiner Meinung nach keine Klassen mehr, weil Arbeiter durch Bildung zu Kapitalbesitzern wurden. Also sind Arbeiter ohne berufsrelevante Bildung noch Mitglieder der Arbeiterklasse? Oder wenn es möglich wäre "externe Gedächtnisse" zu verwenden, also dass die Bildung à la Software (oder Matrix) in einen Menschen geladen wird und sich dieses "externe Gedächtnis" im Besitz der Kapitalisten befände, würde wieder eine Arbeiterklasse existieren?
                        Quasi

                        Natürlich ist mir bewusst, dass jede Arbeit eine gewisse Vorkenntnis erfordert, aber die Trennung der Produktionsfaktoren macht dies in dieser Weise notwendig. Ansonsten würden Arzt und Anwalt auch unter den "Arbeiter"-Begriff fallen, sobald diese nicht selbstständig sind. Zwar ging Marx von einer Proletarisierung des Mittelstandes aus, aber an dieser Stelle wird klar, dass man Bildung als Kapital betrachten muss. Nur die Trennlinie zu ziehen ist recht schwierig, aber imho überschreitet jeder Beruf und die meisten Jobs diese imaginäre Grenze.

                        Zur heutigen gesellschaftlichen Situation: Zwischen Ganz-Arm und Ganz-Reich gibt es eine Vielzahl von Schichten, "Ständen" oder wie immer man es nennen will, die nach Herkunft, Bildung und individueller Biografie unterschiedlich sind. Die grobe Tendenz geht aber wieder hin zur Zweiteilung, da der "klassische Sozialstaat" aufgrund immanenter Probleme zerbricht.
                        Recht darf nie Unrecht weichen.

                        Kommentar


                          #27
                          Original geschrieben von Narbo
                          Natürlich ist mir bewusst, dass jede Arbeit eine gewisse Vorkenntnis erfordert, aber die Trennung der Produktionsfaktoren macht dies in dieser Weise notwendig. Ansonsten würden Arzt und Anwalt auch unter den "Arbeiter"-Begriff fallen, sobald diese nicht selbstständig sind.
                          Bildung ist aber auch kein sinnvolles Kriterium für die Charakterisierung der gesellschaftlichen Stellung von angestellten Ärzten und Anwälten. Es sind sicher Vorstandsvorsitzende zu finden, die über keinen akademischen Abschluss verfügen, aber "Angestellte" ihres Unternehmens sind. Genauso gibt es promovierte Vertreter, die eindeutig der Arbeiterklasse angehören. Es stimmt zwar, dass eine privilegierte soziale Stellung den Zugang zu Bildung enorm erleichtert. Aber es stimmt nicht, dass eine bessere Bildung automatisch eine privilegierte soziale Stellung nach sich zieht.

                          Die entscheidende Frage für die Charakterisierung der Klassenzugehörigkeit von angestellten Anwälten und Ärzten ist ihre Stellung im Produktionsprozess. Leben sie von ihrer eigenen Arbeit? Oder sind sie am Mehrwert, den andere produzieren, beteiligt? Dabei ist ihre Bildung, die Tatsache, ob sie angestellt oder selbständig sind und ihre eigene Meinung von ihrer Klassenzugehörigkeit vollkommen egal. Die Frage ist auch nicht einfach zu beantworten, da eigentlich eine wissenschaftliche Untersuchung notwendig ist.

                          Heute existiert auf jeden Fall ein Grossteil der alten Mittelschichten (Überreste von Klassen aus vorkapitalistischer Zeit) nicht mehr, auch wenn es noch ein paar selbständige Handwerker etc. gibt. Dafür hat sich im Kapitalismus eine neue Mittelschicht gebildet. Diese sind Angestellte, die am Mehrwert beteiligt werden um sich ihre Loyalität sichern. Nur gibt es eine Tendenz, dass auch diese neue Mittelschichten proletarisiert werden. Das ist z.B. bei einem Teil der Bürokratie in Konzernen (ja, der Kapitalismus braucht Bürokraten um überhaupt zu funktionieren!) und Staat heute schon der Fall. Auch Lehrer und viele wissenschaftliche Angestellte gehören heute mehrheitlich der Arbeiterklasse an. Obwohl diese Berufe Universitätsabschlüsse erfordern, ermöglichen sie keinen höheren Lebensstandard als z.B. der von Facharbeitern. Dazu existiert auch bei diesen Berufen eine "Reservearmee" (Marx Begriff für Arbeitslose), also arbeitslose Akademiker, die dazu benutzt werden um Druck auf Beschäftigen, sprich deren Löhne, Arbeitszeiten etc., auszuüben. Da wiederum bewirkt, dass sich z.B. die Lehrer, die früher eindeutig Angehörige der Mittelschichten waren, gewerkschaftlich organisieren und klassische Kampfmethoden der Arbeiterklasse (z.B. Streiks) verwenden.

                          Die heutigen Anhörigen der Mittelschichten leben in einer widersprüchliche Position. Einerseits besitzen sie Privilegien, weshalb sie dazu tendieren die Einstellungen der herrschenden Klasse zu übernehmen. Andererseits haben sie nur eine eingeschränkte Kontrolle über ihre Arbeit und ihr Lebensstandard ist durch die wirtschaftliche Dynamik gefährdet. Die kleinen selbständigen "Unternehmer" stehen in Konkurrenz zu Grosskonzernen (z.B. den Supermarktketten) bzw. sind von Aufträgen dieser abhängig (z.B. Zulieferer, Werbeleute). Im letzteren Fall versuchen die Grosskonzerne den kleinen Unternehmen ihre Bedingungen zu diktieren und z.B. die Preise, die sie zahlen, zu senken. Die angestellten Teile der Mittelschichten stehen in Zeiten wirtschaftlicher Probleme unter dem gleichen Druck wie Angehörige der Arbeiterklasse Verschlechterungen bei Löhnen und Arbeitszeiten zu akzeptieren. Sprich ihre Privilegien werden durch die Bourgeoisie bedroht.

                          Es gibt weder nach oben zu den Kapitalisten, noch nach unten zur Arbeiterklasse eine klare Grenze der Mittelschichten. Die Mittelschichten stellen deshalb auch keine wirkliche, unabhängige Klasse da. Diese fehlenden klare Grenzen dienen auch der Übertragung der Ideologien der herrschenden Klassen in die Arbeiterklasse (z.B. der Neoliberalismus) und vermitteln die Illusion der sozialen Mobilität ("vom Tellerwäscher zum Millionär"). Viele Angehörige der Mittelschichten haben selbst die Illusion, dass sie in die herrschende Klasse aufsteigen können, was aber nur eine kleine Minderheit schafft (höchstens 17% der Spitzenfunktionäre der Wirtschaft stammt aus dieser Gruppe, siehe erstes Posting hier). Die Mehrheit gelangt nie in solche Positionen.

                          Politisch schwanken die Mittelschichten zwischen den beiden Hauptklassen (Grossbürgertum, Arbeiter), sie sind selten zu einer unabhängigen politischen Rolle in der Lage. In den frühen 20er tendierten grosse Teile der Mittelschichten zu den Arbeiterparteien. 1933 bildeten sie die Basis für die Nazis und machten sich im Endeffekt damit zum Werkzeug für die Durchsetzung der Interessen der Kapitalisten (Zerschlagung der Arbeiterparteien, Eroberungspolitik). Heute werden sie von den bürgerlichen Parteien, zu denen heute auch die ehemaligen linken Parteien (SPD, Grüne, teilweise PDS) gehören, umworben ("Politik für den Mittelstand", "neue Mitte" etc.). Was nicht bedeutet, dass diese Parteien auch wirklich etwas zu bieten haben, da sie nichts gegen die kapitalistische Dynamik machen können. Was natürlich die ganzen opportunistischen Karrieristen nicht daran hindert Mitglied in diesen Parteien zu werden, wo sie z.B. in der SPD die alten Gewerkschafter und andere "Überzeugungstäter" verdrängen. Wie leben heute also in einer Situation, in der eigentlich nur die Bourgeoisie über eigene politische, klassenbewusste Organisationen verfügt und auch versucht diesen Vorteil umzusetzen ("Sparpolitik" = Umverteilung zu den Reichen). Weder die Mittelschichten (was angesichts deren Heterogenität nicht überraschend ist), noch die Arbeiterklasse verfügen über unabhängige politische Interessensvertretungen, die aber dringend notwendig wären um sich gegen die Angriffe von oben wehren zu können.
                          Resistance is fertile
                          Für die AGENDA 3010! 30-Stunden-Woche mit vollem Lohnausgleich und 10 Euro gesetzlichem Mindestlohn!
                          The only general I like is called strike

                          Kommentar


                            #28
                            In der New York Times gibt es eine Serie über Klassen in den USA. Gezeigt wird u.a., dass die soziale Herkunft der wichtigste Faktor für die soziale Stellung ist und nicht nur die soziale Ungleichheit zugenommen hat, sondern auch die soziale Mobilität abgenommen hat. Sehr interessant ist dabei, dass die Mehrheit der US-Amerikaner aber genau der gegenteiligen Meinung sind – also die Realität verzerrt wahrnehmen. Dies dürfte auch der Fall in Europa sein und dürfte sich auch in der Selbsteinordnung der meisten Menschen wiederspiegeln.

                            Siehe: Class in America: Shadowy Lines That Still Divide
                            Resistance is fertile
                            Für die AGENDA 3010! 30-Stunden-Woche mit vollem Lohnausgleich und 10 Euro gesetzlichem Mindestlohn!
                            The only general I like is called strike

                            Kommentar


                              #29
                              Es gibt schon noch Klassen und Klassenkampf. Und wenn man gleich von Leuten die einen nicht kennen gefragt wird was man für einen Beruf ausübt und was man für einen Wagen fährt sieht man wie oberflächlich das denken ist.

                              Die Mittelschicht wird abnehmen wenn die Wirtschaft keinen Auschwung erfährt. Besondere Zuwächse wird es in der Unterschicht geben.

                              Noch ist die Mittelschicht zumindest in Deutschland am größten.

                              Kommentar


                                #30
                                Keine Klassen, kann ich nur lachen!!!
                                Arm und Reich, im Westen. Im Osten Ärmer und Reicher.
                                ! Planet Thüringia ein Besuch lohnt sich !
                                " Die Götter sind Außerirdische!"
                                Mache das Beste aus deiner Vergangenheit!
                                Thüringen das Grüne Herz Deutschlands.

                                Kommentar

                                Lädt...
                                X