Verfassungsreferund im Italien, 04.12.2016 - SciFi-Forum

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Verfassungsreferund im Italien, 04.12.2016

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    Verfassungsreferund im Italien, 04.12.2016

    Wie es ja aus allen Medienkanälen schallt, findet heute in Italien ein Referendum über eine ganze LATTE an Verfassungsreformen im wunderbaren Land Italien durch. Angestoßen wurden diese von dem Premierminister Matteo Renzi, der in seiner spritzig-quirligen Art mal einen ordentlichen Ruck durch das Land gehen lässt.

    Nachdem ich mich mit Hilfe der unfehlbaren Wikipedia zum großen Experten für Verfassungsrecht- und reform in Italien emporgebildet habe, steht meine Meinung fest: Im Großen und Ganzen ein sinnvolles Paket, ich würde dafür stimmen! Zwar sehe ich den Sinn mancher Elemente nicht (warum z.B. nur das Abgeordnetenhaus in Zukunft Krieg erklären dürfen soll; Matteo plant doch nicht etwa die Grunst der Stunde einer lahmen Bundeswehr zu nutzen, um sich Bayern zurückzuholen? ), aber dass der Senat ordentlich eingedampft wird, finde ich gut. Ich verstehe ganz und gar nicht den Sinn dieses absolut symmetrischen Zweikammernsystems. Eine zweite Kammer macht für mich dann Sinn, wenn sie durch einen unterschiedlichen Wahlmodus ins Amt kommt und/oder andere Personengruppen vertritt und/oder andere Kompetenzen hat. Bei zwei vollkommen identischen Kammern hingegen kann ich keinen Mehrwert erkennen.

    Diskutiert, ihr Maden!

    #2
    Ok, als schleimige Made, die trotz der Autorität der heiligen Wiki es nicht zum Experten für italienische Politik gebracht hat, warte ich diesbezüglich noch mit einem Kommentar, bis jemand zufällig meine Meinung wiedergibt, und dann kann ich mit Genialität glänzen und einfach zustimmen. Genial, was?

    Was mir aber gerade aufstösst, ist, dass es in Rom ebenfalls bereits Geschrei wegen potentiellen Wahlbetruges gibt. Dh, es ist weniger das Geschrei, was mich stört (man gewöhnt sich ja daran), sondern der Grund: Haben die dort tatsächlich klassische Bleistifte in den Wahlkabinen ausgelegt? http://diepresse.com/home/politik/au...ert-Wahlbetrug

    Kopf => Tischplatte
    .

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      #3
      Schade, war wohl nix.

      Das Gejammer über die Bleistifte kann ich allerdings nicht verstehen. Hier in Deutschland habe ich bisher auch immer mit dem in der Wahlkabine ausgelegten Bleistift gewählt. Das ist auch absolut legal:

      Zitat von bundeswahlleiter.de
      Gemäß § 50 Absatz 2 Bundeswahlordnung soll in der Wahlzelle ein Schreibstift bereitliegen. Als Schreibstifte im Sinne des Wahlrechts gelten Bleistifte (die nicht dokumentenecht sein müssen), Farbstifte, Kopierstifte, Tintenstifte, Kugelschreiber, Faserstifte, Filzstifte und ähnliche. Eine Verletzung der Grundsätze des Wahlrechts ist dadurch nicht zu befürchten. Die einzelnen Wahlvorstände sind mit Mitgliedern der verschiedensten Parteien besetzt und die Auszählung der abgegebenen Stimmen ist öffentlich, so dass eine Manipulation durch Dritte ausgeschlossen ist.
      Bestehen bei Wahlberechtigten dennoch Bedenken, so spricht nichts gegen die Benutzung eines eigenen, mitgebrachten Schreibstiftes, etwa eines Kugelschreibers.
      Die Präfekturen in Italien haben, laut Presse, zwar anscheinend dokumentenechte Stifte erhalten, womöglich aber auch bereits vorhandene Stifte aus den letzten Jahren ausgegeben. Ob das rechtmäßig war, geht aus den Artikeln die ich gesehen habe allerdings nicht eindeutig hervor.
      1966 Star Trek 2005

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        #4
        Wirklich schade um Renzi. Ich mochte den Kerl irgendwie.

        Gestern ist mir aber doch noch ein extrem bescheuerter Teil der Reformen aufgefallen: Nämlich dass die Partei, die die relative Mehrheit im Parlament bekommt, auch immer automatisch die absolute Mehrheit kriegt. Das ist wirklich grandioser Mumpitz und nicht nur undemokratisch, sondern acuh politisch dumm. War das in derselben Abstimmung mit drin wie die Verfassungsreform oder waren das getrennte Voten?

        Kommentar


          #5
          Zitat von SF-Junky Beitrag anzeigen
          Gestern ist mir aber doch noch ein extrem bescheuerter Teil der Reformen aufgefallen: Nämlich dass die Partei, die die relative Mehrheit im Parlament bekommt, auch immer automatisch die absolute Mehrheit kriegt. Das ist wirklich grandioser Mumpitz und nicht nur undemokratisch, sondern acuh politisch dumm. War das in derselben Abstimmung mit drin wie die Verfassungsreform oder waren das getrennte Voten?
          ja, das war Teil der "Reform".

          Das bisherige Wahlrecht von 2005 enthielt eine ähnliche Regelung. Die stärkste Parteienkoalition – und nicht eine einzelne Partei, wie im neuen Gesetz – erhielt einen Regierungsbonus, der ihr die Mehrheit sicherte. Silvio Berlusconi hatte es eingeführt, um seine Mehrheit zu zementieren. Es wurde unter dem Namen „Porcellum“ (Schweinerei) bekannt.

          Es wurde am 4 Dezember 2013 von italienische Verfassungsgericht (italienisch Corte costituzionale) für verfassungswidrig erklärt, weil es den Wählerwillen zu stark verzerre.

          Neben dem Regierungsbonus beanstandete das Gericht auch die starre Reihenfolge auf den Wahllisten, dank der die Parteien, und nicht die Wähler, bestimmen, wer ins Abgeordnetenhaus einzieht.
          In dieser zweiten Frage macht das neue, „Italicum“ genannte Wahlrecht jetzt Zugeständnisse an die Verfassung. Die Parteien können nur noch den ersten Listenplatz festlegen, während die Wähler die Möglichkeit haben, zwei Präferenzstimmen abzugeben, um die Reihenfolge der Kandidaten zu bestimmen.

          Damit hat Italien kein gültiges Wahlgesetz, auf dessen Grundlage Neuwahlen stattfinden könnten.

          Ein weiterer Teil der "Reform" war der Versuch Volksinitiativen zu erschweren.

          Diese sollten künftig dreimal so viele Unterschriften erfordern wie bisher, nämlich 150.000 statt 50.000; für ein Abrogatives Referendum (um ein beschlossenes Gesetz zu verhindern) wären künftig 800.000 statt bisher 500.000 Unterschriften nötig.

          Persönliche Anmerkung: Die "Berichterstattung" in Deutschland über das Referendum in Italien
          war wie immer unter aller Kanone, geprägt von absoluter Ahnungslosigkeit und Meinungsmache.

          Italien hat massive Probleme, aber die Verfassung echt eines der geringsten Probleme.

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            #6
            Zitat von Alius Beitrag anzeigen
            Persönliche Anmerkung: Die "Berichterstattung" in Deutschland über das Referendum in Italien
            war wie immer unter aller Kanone, geprägt von absoluter Ahnungslosigkeit und Meinungsmache..
            Das habe ich mir schon gedacht, als heute einige Zeitungen orakelten, eine neue Bankenkriese oder sogar der Austritt Italiens aus der EU könnte kommen.

            Nach dem, was Du schreibst, ist es meiner Meinung nach gut, dass die Wähler die Reform abgelehnt haben.
            Zitat von Alius Beitrag anzeigen
            Damit hat Italien kein gültiges Wahlgesetz, auf dessen Grundlage Neuwahlen stattfinden könnten.
            Und was passiert jetzt?
            *Behandle einen Stein wie eine Pflanze, eine Pflanze wie ein Tier und ein Tier wie einen Menschen.*
            *Alles was einmal war, ist immer noch, nur in einer anderen Form.*
            Indianische Weisheiten
            Ich bin nicht kaffeesüchtig, aber wenn ich irgendwann einmal verbrannt werde, werde ich vermutlich nicht zu Asche zerfallen, sondern zu Kaffeesatz! ;)

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              #7
              Zitat von Noir Beitrag anzeigen
              Und was passiert jetzt?
              Das ist eine gute Frage.

              Die nächsten Wahlen in Italien müssen spätestens Mitte 2018 stattfinden.
              Bis dahin ist hoffentlich ein neues Wahlrecht beschlossen worden.

              In Deutschland hatten wir das gleiche Problem.
              Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hat eine Frist gesetzt, bis wann ein verfassungskonformes Wahlrecht zu erlassen ist.
              Der Bundestag hat die Frist verschlafen und schlechte Arbeit abgeliefert..
              Das BVerfG hat die neue Regelung für verfassungswidrig erklärt.
              Der Bundestag hat nochmal ein überarbeitetes Wahlgesetz beschlossen.

              Man stelle sich vor, es wären in dem Zeitraum Neuwahlen notwendig gewesen..

              Das BVerfG greift, wenn der Gesetzgeber wieder mal pennt, gern auf Vollstreckungsanordungen zurück.

              Anknüpfungspunkt ist § 35 BVerfGG:

              Das Bundesverfassungsgericht kann in seiner Entscheidung bestimmen, wer sie vollstreckt; es kann auch im Einzelfall die Art und Weise der Vollstreckung regeln.

              Intressant ist, dass nach dem Wortlaut von § 35 („in seiner Entscheidung“) so etwas eigentlich nur in dem Urteil selber geht.
              Das BVerfG stört sich daran allerdings schon seit Jahrzehnten überhaupt nicht und ist der Meinung, dass ihm auch nachträgliche Anordnungen auf dieser Basis erlaubt sind.
              Und wird so zum Ersatz"gesetzgeber".

              Das Urteil zum Asylbewerberleistungsgesetz ist ein gutes Beispiel dafür:


              Wie die Rechtsituation in Italien ist, kann ich nicht beurteilen, von (Verfassungs-)Recht in Italien hab ich keine Ahnung.
              Das überlasse ich unseren großen Experten für Verfassungsrecht- und reform in Italien: SF-Junky.

              Zitat von SF-Junky Beitrag anzeigen

              Nachdem ich mich mit Hilfe der unfehlbaren Wikipedia zum großen Experten für Verfassungsrecht- und reform in Italien emporgebildet habe, steht meine Meinung fest:

              Diskutiert, ihr Maden!

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                #8
                Zitat von Alius Beitrag anzeigen
                Persönliche Anmerkung: Die "Berichterstattung" in Deutschland über das Referendum in Italien
                war wie immer unter aller Kanone, geprägt von absoluter Ahnungslosigkeit und Meinungsmache.
                Dass die Berichterstattung sehr flach ist, ist mir auch aufgefallen. Wo kriegt man denn bessere Informationen her. Und bitte nicht NachDenkSeiten.


                Italien hat massive Probleme, aber die Verfassung echt eines der geringsten Probleme.
                Mal davon abgesehen, dass eine Reform des politischen Systems dort schon seit sehr langer Zeit für nötig erachtet wird und auch seit über 30 Jahren immer wieder versuche dazu unternommen worden sind, soll es schon vorgekommen sein, dass Regierungen in der Lage sind, sich um mehrere Probleme gleichzeitig zu kümmern.

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