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    #31
    Da besteht ganz definitiv ein Unterschied.
    England, bzw. Großbritannien, wie es seit 1707 genannt wird, besaß ja schon lange vor der Kolonialzeit ein eigenständiges staatliches Gebilde.

    Deutschland besaß eben jenes nicht, erst seit 1871 gibt es ein staatliches Gebilde, dass sich Deutschland nennt. Du musst dir das wie ein Mehrfamilienhaus vorstellen, das "Deutschland" heisst. Und darin gibt es Appartements - drin wohnen die Bayern, die Sachsen, die Österreicher, die Preussen etc. drin = Zustand vor 1871.
    Jedes dieser Appartements hat natürlich einen eigenen "Hausvorstand", eine eigene "Haushaltskasse" und muss auch mal die Treppe putzen (okay, ich strapazier die Metapher über).

    Anders: Ein "Deutschland" als Staat gab es nicht. "Deutschland" war ein Gebiet in Mitteleuropa, in dem deutschsprachige Menschen in verschiedenen staatlichen Gebilden und Herrschaftsformen lebten.
    Und aus jenem Grunde kann am Österreich bis zumindest diesem Zeitpunkt als genauso "deutsch" bezeichnen, wie Bayern oder Preussen oder auch Oldenburg.

    1866 fiel die Entscheidung, welche Großmacht im "deutschen Haus" die Führungsrolle übernehmen wird und unter welchem "Kommando" sich ein Deutschland konstituieren wird. Von jenem Zeitpunkt an entwickelte sich Österreich aus Deutschland heraus - ein Prozess, der erst nach dem 2. Weltkrieg wirklich beendet war.

    Dass Österreich eine eigenständige Politik verfolgt hat und ein eigenständiger Staat war, habe ich doch gar nicht abgestritten. Das sind ja auch zwei verschiedene Paar Schuhe.
    Ich habe auch gar nichts dagegen, dass Mozart heute als Österreicher bezeichnet wird. Nur historisch ist es leider nicht korrekt.

    endar
    Republicans hate ducklings!

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      #32
      Nur eine kleine Anmerkung, da endar hier schön die Zeit des deutschen Bundes erwähnt hat. In diesem Sinne finde ich es ignorant wenn man sich an der ersten Strophe der Nationalhymne hochzieht. Sicher sie ist im Kontext mit dem Nationalsozialismus heraus nicht mehr vertretbar... wenn man sie aber aus ihrer Zeit heraus versteht dann sieht man darin ganz klar den Wunsch auf einen geeinten Raum der deutschsprachigen Gebiet (von dem Main bis an die Mosel, von der Etsch bis an den Belt) und auch das "Deutschland, Deutschland über alles" ist im historischen Kontext kein Aufruf zur Erhöhung des Staates. Immerhin existierte der da ja noch gar nicht.
      Passte nur grade schön zur Ausführung endars. Zurück zum Thema...

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        #33

        Nun, die erste Strophe der Nationalhymne ist natürlich nationalistisch gemeint, das sagt ja der Text.
        Der Nationalismus des 19ten Jh. war allerdings noch demokratisch geprägt, was sich in der dritten Strophe zeigt. Insofern stellen "Nation" und "Freiheit", bzw: "Rechte" keinen Widerspruch dar.

        Sie ist also nicht tatsächlich überhöhend nationalistisch gemeint.

        Und der Clou. Komponiert wurde die Melodie von einem Österreicher, nämlich von Haydn auf den Text "Gott erhalte Franz den Kaiser". Dass Deutschland eine österreichische Melodie als Nationalhymne hat, erklärt sich ja auch aus dem Sachverhalt, dass Deutschland und Österreich keinen Widerspruch darstellten.

        endar
        Republicans hate ducklings!

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          #34
          Wo wir grade beim Thema der Nationalhymnen sind:
          Besonders lustig ist die des Zweiten Deutschen Kaiserreichs.
          Die hat schlichtweg die Melodie von der britischen übernommen, da wohl grade kein Komponist verfügbar war !
          “Are these things really better than the things I already have? Or am I just trained to be dissatisfied with what I have now?”― Chuck Palahniuk, Lullaby
          They have nothing in their whole imperial arsenal that can break the spirit of one Irishman who doesn't want to be broken - Bobby Sands
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            #35
            Originalnachricht erstellt von endar
            Da besteht ganz definitiv ein Unterschied.
            England, bzw. Großbritannien, wie es seit 1707 genannt wird, besaß ja schon lange vor der Kolonialzeit ein eigenständiges staatliches Gebilde.
            okay, ich gebe zu, dass hier ein Unterschied besteht. Ich wollte nur etwas übertrieben zum Ausdruck bringen, dass z.B. Mozart meiner Ansicht nach schon als "Österreicher" durchgehen kann, auch wenn Salzburg damals noch nicht zu Österreich gehörte bzw. Ö noch nicht in der heutigen Form existierte, weil er im Gebiet des heutigen Ö geboren wurde und hauptsächlich lebte.

            Anders: Ein "Deutschland" als Staat gab es nicht. "Deutschland" war ein Gebiet in Mitteleuropa, in dem deutschsprachige Menschen in verschiedenen staatlichen Gebilden und Herrschaftsformen lebten.
            Und aus jenem Grunde kann am Österreich bis zumindest diesem Zeitpunkt als genauso "deutsch" bezeichnen, wie Bayern oder Preussen oder auch Oldenburg.
            Ja, ich streite gar nicht ab dass es Deutschland unter diesem Namen damals noch gar nicht gab. Aber Österreich bzw. seinen Vorläufer gab es damals schon (eines der "verschiedenen staatlichen Gebilde in dem deutschsprachige Menschen lebten") - und damit hatte es IMHO wie ich geschrieben habe bereits eine eigenständige Existenz (obwohl man sich über den Ausdruck "eigenständig" vielleicht streiten kann). Aber du hast vermutlich recht, dass es damals Ö. vermutlich mit vielen anderen "staatlichen Gebilden" die heute in D. liegen unter dem Namen "deutsch" zusammen gefasst wurde.

            Dass Österreich eine eigenständige Politik verfolgt hat und ein eigenständiger Staat war, habe ich doch gar nicht abgestritten.
            Auf welche Zeit beziehst du das jetzt? Wenn du dich auf die Zeit vor dem 1. WK beziehst sind wir uns offensichtlich eh einig. - Aber du hattest ja in einem früheren Post geschrieben, dass du Ö. erst nach dem 2 WK als wirklich eigenständig betrachtest.
            Schöne Grüße
            Atona
            PS: Ich will hier nicht zu patriotisch wirken (bin ich normalerweise gar nicht ), ich wollte einfach nur meine Meinung darstellen.
            tempus fugit

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              #36
              Originalnachricht erstellt von Atona
              Aber du hattest ja in einem früheren Post geschrieben, dass du Ö. erst nach dem 2 WK als wirklich eigenständig betrachtest.
              Dass die "kleindeutsche Lösung", die 1871 verwirklicht wurde, "Deutschland" heisst, bzw. "Deutsches Reich" hiess und nicht "Großpreussen" oder so , kann schon zu Begriffsverwirrungen führen

              Naja, wenn du es so interpretiert hast, dass ich das Zwischenkriegsösterreich als einen Vasallenstaat angesehen habe, so hast du mich mißverstanden oder ich habe es einfach schlecht formuliert. Es gab halt vorher starke "Heim ins Reich" Bedürfnisse, besonders nach dem WW1 und nicht nur 1938. Das habe ich gemeint.
              Ich meine also "eigenständig" nicht im völkerrechtlichen Sinne, sondern mehr von der Mentalitätsebene. Für die Zeit vor dem WW1 gilt es für beide Seiten gleichermaßen, da ist ja der "Blankoscheck" Wilhelms II. ein gutes Beispiel. Man bezog sich gegenseitig aufeinander. Nach dem Krieg war das Kräfteverhältnis natürlich ein grundsätzlich anderes und die Österreicher erinnerten sich, dass sie eigentlich "Deutsche" waren, zumindest bis 1871 und das Thema des "Anschlusses" (Helmut Kohl hätte es bestimmt "Wiedervereinigung" genannt. ) wurde erst ab 1945 von den tragenden politischen Kräften in beiden Ländern als "erledigt" im Reißwolf der Geschichte entsorgt.

              Und noch was zu Salzburg. Salzburg kam ja 1806 und dann nochmal 1810 (oder so) an Bayern. Wenn es dort geblieben wäre, wäre Mozart heute ein Bayer. So ist das mit den Zuschreibungen, bzw. den nationalen Heiligtümern und die Regionen zwischen Deutschland und Österreich, bzw. Deutschland und Frankreich wechselten ja oft mal den Besitzer.
              Mozart selbst jedenfalls hat sich als Deutscher betrachtet und nicht als Österreicher, was, wie gesagt, auch Unsinn gewesen wäre. So steht es in seinen Briefen. Er hat aber auch in einer Zeit gelebt, in der diese Sorte von "Zugehörigkeit" noch nicht die Rolle gespielt hat, die es nach 1789 gespielt hat. Kant wird ja auch nicht zum Russen, nur weil er in Königsberg gewohnt hat und das heute zu Russland gehört.
              Wie dem auch immer sei, eins jedenfalls mochte Mozart wohl überhaupt nicht: und das war Salzburger zu sein.

              mit Gruss ins schöne Wien, wo ich leider noch gar nicht war
              endar
              Republicans hate ducklings!

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                #37
                @endar
                Diese Dinge wie Mentaltät sind IMHO wohl jetzt im nachinein sehr schwer zu beurteilen. Du hast aber natürlich recht, dass es in der Zeit nach der Gründung Ds in Ö starke Bestrebungen zum Anschluss gegeben hat.
                Was mir nur ursprünglich etwas missfallen hat, war das (IMHO) der Eindruck entstehen konnte, Ö wäre nach dem 2. Weltkrieg (oder nach der Entsehung des deutschen Reiches) "aus dem Nichts", als "zufälliges Restprodukt" entstanden (was der langen Tradition Ös nicht entsprechen würde) aber inzwischen, weiß ich eh, dass du das nicht so gemeint hast.
                Vielen Dank für deine Erleuterungen zu manchen Details die bisher über meine Wissen hinausgingen! (immer ein interessantes Gespräch wo man noch etwas lernen kann!)
                Schöne Grüße aus Wien in das schöne (äh *nachschau*) Oldenburg, in dem ich leider auch noch nicht war
                Atona
                tempus fugit

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                  #38

                  Zur Mentalität.
                  Unter Mentalität versteht man Vorstellungswelten. Sie sind natürlich schwer faßbar zu machen und der Begriff birgt seine Problematik. Eigentlich muss er stets aufs Neue definiert werden. Er stammt aus Frankreich und kam zur Zeit der Dreyfuss-Affäre das erste Mal auf.

                  Dennoch ist es nicht unmöglich, sich auf die Suche einer zeitspezifischen Mentalität zu machen, bzw. nach "Mentalitäten" für Teilbereiche für Tod, Liebe, Gesundheit, Arbeit etc.
                  Ich persönlich finde das sogar ziemlich spannend.

                  Wenn man sich auf die Suche nach einer Form der deutschen "politischen Mentalität" im 20ten Jh macht, welche ich hier mit "Grundüberzeugung" übersetzen würde, so kann man Briefe, Bücher, Parlamentsreden, Zeitungsveröffentlichungen etc. als Belege heranziehen.

                  Was Deutschland anbetrifft, so hat die politische "Mentalität" nach dem WW2 grundsätzlich verändert. In den 50ern und besonders in den 60ern Jahren ist eine deutliche Demokratisierung der Gesellschaft zu verzeichnen.
                  Ich nehme mal an, dass es in Österreich ähnlich war.

                  endar
                  Republicans hate ducklings!

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                    #39
                    Danke für deine Erläuterungen zum Begriff Mentalität, auch wenn ich tatsächlich die Bedeutung dieses Wortes schon vorher gekannt habe , obwohl ich die Entstehung nicht so genau beziffern hätte können.
                    Ja, ich kann mir gut vorstellen, dass der Versuch die Denkweisen und Einstellungen früherer Zeiten nach zu vollziehen bzw. aus den Zeugnissen und Ereignissen dieser Zeiten zu rekonstruieren sehr interessant ist. Ich wollte ja auch keineswegs behaupten es wäre nicht möglich; ich sagte lediglich es sei in dem vorherigen Fall wohl nicht so leicht. Aber gerade die Dinge die "nicht leicht" sind, sind ja häufig die interessantesten.
                    tempus fugit

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                      #40

                      Dass du dir was unter dem Begriff "Mentalität", wie die meisten Menschen etwas vorstellen kannst, das habe ich auch gar nicht in Zweifel gezogen.

                      In Bezug auf die politische Mentalität des 19ten, 20ten Jahrhunderts, das ist nicht besonders schwer. Jedenfalls nicht, wenn man den Versuch unternimmt, die Einstellung von sozialen Unterschichten im Mittelalter zum Tod heraus zu bekommen und dieser mit monastischer zu vergleichen.
                      DAS ist schon schwerer, als auf die politische Stimmung oder politische Grundvorstellungen Bezug nehmen zu wollen. Menatalität gehört auch eigentlich in die Sozialgeschichte und nicht unbedingt in die politische Geschichte und Menatlität umgreift immer den gesellschaftlichen Konsens im Miteinander, der niemals ausgesprochen wird.
                      Es gibt auch schichten und gruppenspezifische Mentalitäten und normalerweise müssen immer erläutert werden, was drunter zu verstehen, deswegen tat ich das.

                      Aber in einer Schriftzeit, wie sie spätestens Mitte des 19ten Jh. um sich griff, wird das immer leichter. Ich hab selbst einige aufschlußreiche Bücher aus dem späten Kaiserreich, bzw. aus der Weimarer Republik.
                      Noch/natürlich nicht alle gelesen.

                      gruß, endar
                      Republicans hate ducklings!

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                        #41
                        Originalnachricht erstellt von endar

                        ...
                        Es gibt auch schichten und gruppenspezifische Mentalitäten und normalerweise müssen immer erläutert werden, was drunter zu verstehen, deswegen tat ich das.

                        okay, schon gut

                        Aber in einer Schriftzeit, wie sie spätestens Mitte des 19ten Jh. um sich griff, wird das immer leichter. Ich hab selbst einige aufschlußreiche Bücher aus dem späten Kaiserreich, bzw. aus der Weimarer Republik.
                        Noch/natürlich nicht alle gelesen.
                        Gut, wenn du als Fachmann meinst, dass das gar nicht so schwer ist, dann werde ich das glauben. Und es ist ganz bestimmt ein interessantes Beschäftigungsgebiet. Also viel Spaß beim Lesen!
                        Schöne Grüße
                        Atona
                        PS: Dein Avatar gefällt mir
                        tempus fugit

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                          #42
                          Sagt mal, findet ihr es eigentlich wahrscheinlich, dass alle Staaten nach dem WW3 wieder ihre Gebiete zurückerhalten haben, ohne das sie verschwinden?
                          Es ist ziemlich egal was hier steht, es liest ja eh keiner ;)

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                            #43
                            Ich nicht.
                            Es ist ziemlich egal was hier steht, es liest ja eh keiner ;)

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