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Eliten und soziale Ungleichheit

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    #91
    Auf spiegel.de habe ich einen interessanten Beitrag von Matthias Matussek gefunden: "Wie ich aus Versehen ein Linker wurde".
    Krise des Konservativen: Wie ich aus Versehen ein Linker wurde - SPIEGEL ONLINE - Nachrichten - Kultur

    Der früher als konservativ bekannte Journalist beschreibt darin, warum er heute links ist. Als ausschlaggebenden Grund für seinen Wandel nennt Matussek die herablassende Haltung der konservativen Elite gegenüber den kleinen Leute.

    Matussek trifft dabei den Nagel auf den Kopf. Ich zitiere einige besonders schöne Passagen:
    ...
    Der konservativen Intelligenz ist die Welt ein süffisantes Glossenthema. Man sensibilisiert sich allmählich für ihren verkicherten Tonfall. Sie hält sich die Welt auf Armeslänge wie den stinkenden Hering aus Schweden, die "Surströmming"-Konserve, die man besser unter Wasser öffnet, wie uns die "Frankfurter Allgemeine" unter einem entsprechenden Foto auf einer Titelseite im August erklärt.
    ...
    Dem Konservativismus, mit dem ich groß geworden bin, wäre über diese Blasiertheit der Kragen geplatzt. Er hatte mit der Bergpredigt zu tun. Er fand, dass uns das Elend der anderen angeht, dass Eigentum verpflichtet. Er hätte die gigantische Umverteilung der vergangenen zehn Jahre - den Rückgang der Reallöhne um 4 Prozent, die Steigerung der Unternehmensgewinne um 60 Prozent - als Skandal gesehen. Eigentlich muss Gregor Gysi nur diese Zahlen nennen und ansonsten den offiziellen Armutsbericht der Bundesregierung hoch- und runterbeten, und der Konservativismus, den ich kennengelernt habe, hätte ihm grimmig zugestimmt.
    ...
    Wir indes erleben, wie der konservative Klassenkampf von oben total geworden ist, ökonomisch genauso wie mental. Er hat Werte zertrümmert, radikaler, als es die Linke je vermocht hätte. Er hat ein kaltschnäuziges System geschaffen, das dem abgehängten Rest der Gesellschaft nach unten zuruft: Strengt euch gefälligst an.

    Der Konservativismus, wie ich ihn kennengelernt habe, hätte sich nicht damit begnügt, den Armen Faulheit vorzuwerfen. Mein CDU-Vater, der das "C" sehr ernst nahm, hat die damals sogenannten Asozialen - sehr zum Leidwesen meiner Mutter - nach Hause eingeladen. Er hätte Solidarität gefordert. Dagegen entfuhr Wirtschaftsminister Karl-Theodor zu Guttenberg jüngst der Satz, der mittlerweile emblematisch die psychosoziale Verdrängungsstrategie der Konservativen beschreibt: "Derjenige, der um sechs Uhr aufsteht, muss besser entlohnt werden als der, der sich um elf aus dem Bett quält." Jeder ist seines Glückes Schmied? Bullshit. Es gibt mittlerweile viele, die um sechs aufstehen und trotzdem nicht wissen, wie sie ihre Familie über die Runden bringen sollen, und Guttenberg und die ständig gutgelaunten Ackermanns und die konservative Elite, die die Kanzlerin zu sich einlud, wissen es.

    Nichts gegen die Einladung der Kanzlerin, aber alles gegen diese Gästeliste und ihre Symbolik. Das Essen fand bereits im April vergangenen Jahres statt, doch es löste erst jetzt Empörung aus. In der kollektiven Imagination wirkt es wie eine vorweggenommene Siegesfeier des konservativen Milieus. Banker, Fabrikanten, konservative Journalisten und mittendrin eine von allen Überzeugungen entkernte Kanzlerin.

    Für die publizistische "konservative Elite" wird alles da draußen, da unten zum Witz, besonders die Empörung des linken Gegners. Sie hält sich am liebsten im Schwebezustand der Ironie auf. Sie lacht die Ausgesperrten aus.
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      #92
      Ein interessanter Kommentar:

      Die armen Millionäre

      Warum sich unsere Geldelite beharrlich mit dem Mittelstand verwechselt


      Selbst die obersten zehn Prozent der Steuerzahler führen im Durchschnitt nur 23,8 Prozent ihres Einkommens ab, wie im Armuts- und Reichtumsbericht nachzulesen ist.

      Sogar Multimillionäre rechnen sich gekonnt arm. Das DIW hat einmal die Steuerlast der 450 reichsten Deutschen untersucht, die 2002 im Durchschnitt jeweils 22 Millionen Euro an Einkünften erzielten. Das erstaunliche Ergebnis: Selbst diese Superreichen zahlten durchschnittlich nur 34 Prozent an Einkommensteuern - "und damit deutlich weniger als den gesetzlichen Steuersatz". Denn für sie gibt es vielfältige Freibeträge, Abzugsbeträge und andere Vergünstigungen, die sie steuersparend zu nutzen wissen.

      Da ist jeder Normalbürger stärker belastet. Denn inzwischen sind nicht mehr die Steuern das Problem, sondern die Sozialabgaben. Selbst die Armen werden nicht geschont: Bei einem alleinstehenden Geringverdiener machen Steuern und Sozialabgaben inzwischen 47,3 Prozent der Arbeitskosten aus, hat die OECD ausgerechnet. Die Multimillionäre kommen vergleichsweise billig davon. Zur Sicherheit sei es wiederholt: Sie führen nur 34 Prozent ihres Einkommens ab. Die Umverteilung funktioniert also bestens - von unten nach oben.
      Passend dazu wird die Umverteilungspolitik zu den Reichen in der Regel als Politik für den Mittelstand bezeichnet....
      Resistance is fertile
      Für die AGENDA 3010! 30-Stunden-Woche mit vollem Lohnausgleich und 10 Euro gesetzlichem Mindestlohn!
      The only general I like is called strike

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        #93
        Das Problem ist , daß man sich zu schnell an den Wohlstand gewöhnt - jemand mit sicherem Job und 2000 Euro Netto ist nicht arm dran aber diese Person pflegt meist einen hohen Standard - neue Autos , neue Fernseher , teure Hobbies , immer neue und 'gute' Kleidung und Schuhe usw. .
        Da wird es verdammt schwierig auf Dieses oder Jenes zu verzichten....manche Spielereien sind völlig überflüssig - ich selbst kaufe Kleidung , Handy , Möbel nur gebraucht , ist billiger
        und erfüllt den Zweck !
        Ich achte beim Einkaufen auf den Preis ohne aber unnötig herumzugeizen ...

        Wenn jeder Mensch nur etwas mehr auf das Wohl anderer achten würde , würde es den anderen 'Unteren' 20 Prozent schon besser gehen....
        Und einen kleinen Luxus darf man ja behalten - bei mir sind das ein Wohnwagen zum Campen und bestimmte Sonnenbrillen .
        Man muss noch Chaos in sich haben, um einen tanzenden Stern gebären zu können.
        Also sprach Zarathustra (nietzsche)

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          #94
          Zitat von avatarius+solarius Beitrag anzeigen
          Das Problem ist , daß man sich zu schnell an den Wohlstand gewöhnt - jemand mit sicherem Job und 2000 Euro Netto ist nicht arm dran
          Du sprichst hier von einer Gruppe, deren Lebensstandard überwiegend in den letzten Jahrzehnten ebenfalls gesunken ist.

          Was du als Luxus bezeichnest, wäre heute leicht als Standard für alle möglich, wahrscheinlich sogar mehr. Nur leisten wir uns eine "Elite", die viel zu teuer ist - und die Folge ist eben steigende Armut, sinkender Lebensstandard für die meisten und eine unterfinanzierte Infrastruktur. Dringend notwendige Projekte wie der Umbau der Wirtschaft auf eine klimaneutrale Energiequelle werden nicht angegangen - lieber werden die Steuern für die "Elite" gesenkt, die aber das Geld eben nicht entsprechend investieren - sondern sogar weniger investieren.
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            #95
            Zitat von max Beitrag anzeigen
            Passend dazu wird die Umverteilungspolitik zu den Reichen in der Regel als Politik für den Mittelstand bezeichnet....
            34% von 22.000.000€ sind immer noch mehr als 47% von 1.800€. (Übrigens sind die 34% nur die Einkommensteuer, und in den 47% sind die Sozialabgaben und der Arbeitgeberanteil auch mit drin - fair gerechnet ist das nicht.)

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              #96
              Das Problem sind ja nicht die Superreichen sondern die etwa 50 Prozent der Deutschen mit Familie , sicherem Job und starkem Konsumverhalten...diese Menschen füchten sich eher vor einem sozialen Abstieg als die sehr viel haben oder gerade so hinkommen mit dem Geld .

              Außerdem ist Wohlstand und Reichtum auch relativ...ich habe ein Auto , einen Wohnwagen , 2 'bewohnbahre Zimmer , eine verhältnismäßig niedrigbezahlte Arbeit mit guter Umgebung , 4 Paar Schuhe und ein paar gute Freunde - damit bin ich glücklich .
              Wenn ich richtig spartanisch denken würde könnte ich von 200 Euro pro Monat leben - von 200 Euro könnte man in Afrika oder Indien eine Großfamilie ernähren - und wir haben immerhin noch eine günstige Krankenversorgung , Schule und oft sogar saubere Luft ( in Singapur unvorstellbar !)
              Uns Deutschen müßte es bprächtig gehen - selbst wenn man keiner Arbeit nachgeht !
              Man muss noch Chaos in sich haben, um einen tanzenden Stern gebären zu können.
              Also sprach Zarathustra (nietzsche)

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                #97
                Bei den direkten Steuern von Umverteilung von unten nach oben zu sprechen ist Unsinn. Selbst wenn jeder den exakt gleichen Prozentsatz abgeben müsste, hätte diese Steuer eine progressive Wirkung.
                Hier geht es nur darum wie stark eine Umverteilung von oben nach unten stattfindet und ob man die verstärken oder abschwächen möchte.

                Das Gegenbeispiel haben wir jedoch bei indirekten Steuern, die zwar keinen regressiven Tarif haben, allerdings auf Grund des unterschiedlichen Konsumierverhaltens eine regressive Wirkung entfalten.

                EDIT: Oops, Ich seh grad hier gehts ja eigentlich um die Bemessungsgrundlage. Da müsste man jetzt im Detail wissen wie genau die einzelnen Vorschriften aussehen, mit denen sie das zu versteuernde Einkommen senken und welchen eigentlichen Sinn sie erfüllen, wie sie ohne Nebenwirkungen geändert werden könnten...
                Zuletzt geändert von newman; 30.10.2009, 21:29.

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                  #98
                  Zitat von Pyromancer Beitrag anzeigen
                  34% von 22.000.000€ sind immer noch mehr als 47% von 1.800€. (Übrigens sind die 34% nur die Einkommensteuer, und in den 47% sind die Sozialabgaben und der Arbeitgeberanteil auch mit drin - fair gerechnet ist das nicht.)
                  Sozialabgaben (des "Arbeitgebers") und Arbeitergebenanteil werden nicht auf die Einkommen der Reichen erhoben, sondern sind faktisch Teile der Steuern und Abgaben, die auf die Löhne erhoben werden und enthalten im Endeffekt Lohnelemente (wenn es z.B. um die Rente geht). Im Bereich dieser Lohnelemente gab es auch bekanntlich besonders deutliche Kürzungen für "Arbeitnehmer", z.B. eben die starke Absenkung der Rentenansprüche für die heute Arbeitenden. Reiche zahlen natürlich selbst keine Sozialabgaben.

                  Natürlich ist es in absoluter Summe mehr, aber insgesamt findet eben trotzdem eine Umverteilung von unten nach oben statt - primär durch die Umverteilung der Steuerlast (da nur mit der Einkommenssteuer zu argumentieren, wie manche es machen, ist eigentlich peinlich), aber natürlich gibt es viele direkte und indirekte Subventionen. Hartz IV ist inzwischen übrigens ein Kombi-Lohn und damit in Teilen eine indirekte Subvention von "Arbeitgebern".

                  Zitat von avatarius+solarius
                  Das Problem sind ja nicht die Superreichen sondern die etwa 50 Prozent der Deutschen mit Familie , sicherem Job und starkem Konsumverhalten...diese Menschen füchten sich eher vor einem sozialen Abstieg als die sehr viel haben oder gerade so hinkommen mit dem Geld .
                  Diese Leute erleben einen sozialen Abstieg! Diese Leute sind nicht das Problem, da sie nicht für die Armut und ihre eigenen Lohnkürzungen verantwortlich sind. Das Geld fliesst auch nicht zu ihnen, sondern zu einer kleinen Minderheit von Reichen. Im letzten Aufschwung hat nur eine kleine Minderheit ihre Einkommen steigern können - und das waren nun mal die Reichen, u.a. auf Kosten der 50%, die du hier nennst.

                  Die Teilung der Gesellschaft in "Unterschicht" (Arme) und "Mittelschicht" (inkl. der Reichen) ist totaler Blödsinn. Sowohl in Bezug auf die Lebensumstände, die soziale Stellung als auch in Bezug auf die jeweilige Macht ähneln sich nun mal die Lebensumstände der meisten "Arbeitnehmern" nun mal deutlich mehr denen der schlecht bezahlten "Arbeitnehmer" und den Arbeitslosen als den Reichen.
                  Zitat von avatarius+solarius
                  Uns Deutschen müßte es bprächtig gehen
                  Es müsste ihnen allen prächtig gehen, wenn man die pro Kopf vorhandenen Ressourcen anschaut. Es würde den meisten aber sehr viel besser gehen, wenn wir nicht in einer Klassengesellschaft leben würden, in der eine Minderheit sich immer mehr bereichert und verursacht, dass der Lebensstandard der meisten Menschen sinkt.

                  Zitat von newman
                  Bei den direkten Steuern von Umverteilung von unten nach oben zu sprechen ist Unsinn. Selbst wenn jeder den exakt gleichen Prozentsatz abgeben müsste, hätte diese Steuer eine progressive Wirkung.
                  Wenn man isoliert nur die Lohn- und Einkommenssteuer betrachtet, mag man zu dieser Einschätzung kommen. Aber das ist auch ein vollkommen verfehlter Ansatz. Man muss dazu die Verbrauchssteuern, Abgaben, Gebühren, Selbstbeteilungen und Leistungskürzungen im Sozialbereich, Gesundheitswesen, Bildungswesen und Renten einrechnen - und wie eben die Finanzierung des Staats, der Sozialsysteme und der Infrastruktur in den letzten Jahrzehnten verändert wurde. Und es sollte ja wohl spätestens seit der letzten Krise bekannt sein, dass Reiche massive staatliche Unterstützung erhalten und sehr wohl selbst auf den Staat angewiesen sind, ohne den der Kapitalismus schon längst kollabiert wäre.
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                    #99
                    Zitat von max Beitrag anzeigen
                    Natürlich ist es in absoluter Summe mehr, aber insgesamt findet eben trotzdem eine Umverteilung von unten nach oben statt - primär durch die Umverteilung der Steuerlast (da nur mit der Einkommenssteuer zu argumentieren, wie manche es machen, ist eigentlich peinlich), aber natürlich gibt es viele direkte und indirekte Subventionen. Hartz IV ist inzwischen übrigens ein Kombi-Lohn und damit in Teilen eine indirekte Subvention von "Arbeitgebern".
                    Mal sehen, ob ich das richtig verstehe:
                    Der Reiche zahlt jedes Jahr ein paar Millionen Euro an den Staat.
                    Der Harz-IV-Empfänger kriegt jedes Jahr ein paar Tausend Euro vom Staat.

                    Gibt denn nicht auf diese Weise der Reiche dem Armen Geld? Das ist doch eine Umverteilung von oben nach unten, oder?

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                      Zitat von Pyromancer Beitrag anzeigen
                      Mal sehen, ob ich das richtig verstehe:
                      Der Reiche zahlt jedes Jahr ein paar Millionen Euro an den Staat.
                      Der Harz-IV-Empfänger kriegt jedes Jahr ein paar Tausend Euro vom Staat.

                      Gibt denn nicht auf diese Weise der Reiche dem Armen Geld? Das ist doch eine Umverteilung von oben nach unten, oder?
                      Nein. Du vergisst ein paar einfache Punkte.

                      1.) dank der Politik der letzten Regierungen sind die Einkommen aus Gewinnen und Vermögen netto stärker als brutto gestiegen - während das bei den "Arbeitnehmern" umgedreht war (deren Reallöhne dazu gesunken sind) und die Einkommen derer, die von Sozialleistungen leben, ebenfalls real gesunken sind. D.h. wir haben hier durch die Politik schon mal eine Umverteilung zugunsten der Reichen.

                      2.) die Reichen tragen zur Finanzierung der Sozialsysteme so gut wie nichts bei. Einerseits müssen sie keine Sozialabgaben zahlen, andererseits macht der Anteil der Steuern auf Einkommen aus Gewinnen und Vermögen heute nur noch einen kleinen Teil der Steuereinnahmen aus - dank der Politik der letzten Regierungen, die eben die Steuern auf solche Einkommen deutlich gesenkt bzw. ganz abgeschafft haben, während andererseits die Verbrauchssteuern massiv erhöht wurden und die Lohnsteuern über die kalte Progression ebenfalls wohl deutlich erhöht worden sein dürften.

                      3.) Erhalten die Reichen direkt und indirekt selbst massive Hilfe vom Staat. Wie gesagt: der Kapitalismus wäre ohne staatliche Unterstützung in den letzten Jahrzehnten wohl mehrfach zusammengebrochen. Alleine zur Stützung des Finanzsystems wurden ja mehrere Billiarden aufgebracht. Dazu kommen aber noch zahlreiche direkte und indirekte Subventionen etc.
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                        Zitat von max Beitrag anzeigen
                        Die Teilung der Gesellschaft in "Unterschicht" (Arme) und "Mittelschicht" (inkl. der Reichen) ist totaler Blödsinn. Sowohl in Bezug auf die Lebensumstände, die soziale Stellung als auch in Bezug auf die jeweilige Macht ähneln sich nun mal die Lebensumstände der meisten "Arbeitnehmern" nun mal deutlich mehr denen der schlecht bezahlten "Arbeitnehmer" und den Arbeitslosen als den Reichen.
                        Ich nehme das etwas anders wahr. Die Arbeitnehmer sitzen meines Erachtens nicht alle im selben Boot, sondern wir haben es eher mit einer Polarisierung innerhalb der Arbeitnehmerschaft zu tun.
                        Auf der einen Seite stehen die Abgehängten, also z.B. Arbeitslose, unfreiwillige Teilzeitangestellte, dauerhaft befristet Beschäftigte, Leiharbeiter, Scheinselbständige, Praktikanten und reguläre Arbeitnehmer mit mieser Entlohnung und schlechten Arbeitsbedingungen (z.B. Mitarbeiter von LIDL). Es ist aber nicht zu übersehen, dass es auch einen beträchtlichen Teil von Arbeitnehmern gibt, deren Lebens- und Arbeitsbedingungen sich nicht (oder nur kaum) verschlechtert haben oder von der positiven Wirtschaftsentwicklung auch noch profitiert haben: leitende Angestellte, Beamte oder unbefristet beschäftigte Arbeiter und Angestellte in Großbetrieben. Das sind überwiegend Beschäftigte, die über ein Einkommen verfügen, was regelmäßige Urlaubsreisen sowie den Kauf von Fahrzeugen und hochwertigen Produkten ermöglicht. Von der fehlenden Lebensperspektive und dem asketischen Lebensstil der oben genannten Gruppe bekommen die überhaupt nichts mit. Wer nicht am eigenen Leib spürt, was es bedeutet, arbeitslos zu sein oder permanent von Arbeitslosigkeit betroffen zu sein, in ständiger Unsicherheit leben zu müssen und Stigmatisierung zu erfahren, der kann sich überhaupt nicht vorstellen, wie so ein Leben aussieht und wie man unverschuldet in so eine Situation geraten kann. Und diese privilegierten Arbeitnehmer identifizieren sich daher sehr stark mit den Unternehmern und beginnen, selbst unternehmerisch zu denken.
                        Meine Schwester hat vor kurzem Praktikum in einem Steuerbüro gemacht und da wurde ihren Angaben zufolge irgendwann am Mittagstisch das Thema diskutiert, dass Arbeitslose in unserer Statt ermäßigten Eintritt in Freibad erhalten. Eine Mitarbeiterin soll sich dann sehr über die Arbeitslosen aufgeregt haben, weil diese Menschen ins Freibad gehen anstatt sich zu bewerben. Von Solidarität und gemeinsam in einem Boot sitzen, war da keine Spur. Eine solche Aussage ist symptomatisch dafür, dass innerhalb der Arbeitnehmerschaft eine klare Trennlinie existiert.
                        Mein Profil bei Last-FM:
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                          Zitat von Largo Beitrag anzeigen
                          Ich nehme das etwas anders wahr. Die Arbeitnehmer sitzen meines Erachtens nicht alle im selben Boot, sondern wir haben es eher mit einer Polarisierung innerhalb der Arbeitnehmerschaft zu tun.
                          Was du schilderst sind die typischen Auswirkungen der Hetze gegen Arme, wie sie von Leuten wie Mißfelder, Clement, Sarrazin & Co kommt. Leute, deren Löhne überwiegend selbst gesunken sind, werden dazu gebracht, weiter nach unten zu treten - und gleichzeitig brav nach oben zu buckeln.

                          Das ist im Endeffekt die andere Seite der Medaille von dem oben zitierten Fall: dort bezeichnen sich vielfache Millionäre als Teil des Mittelstands. Es geht um eine Ideologie, die eine Spaltung zwischen der "Unterschicht" und dem "Mittelstand" propagiert, um von der eigentlichen Spaltung der Gesellschaft in Klassen abzulenken. "Arbeitnehmer", die sich über angebliche Privilegien von Arbeitslosen aufregen, sind schon mal davon abgelenkt, dass ihr Boss ihnen regelmässig den Lohn kürzt.

                          Wenn aus ideologischen Gründen Teile der Arbeiterklasse aufeinander losgehen, ist dies für die Herrschenden (und die Regierenden) immer praktisch. Da ist es egal, ob es um Rassismus, Sozialdarwinismus, Sozialneid (eigentlich sehr ironisch, wenn Arbeitslose von Leuten beneidet werden, die teilweise deutlich mehr haben) etc. geht. Die Funktion ist - egal ob diese Positionen von oben bewusst geschürt oder nur aus Dummheit vertreten werden - gleich: nach oben wird brav gebuckelt, nach unten getreten. Das bringt Leute dazu, sich freiwillig unterzuordnen und die eigenen Interessen nicht zu verteidigen.

                          Kürzungen beim Arbeitslosengeld führen ja z.B. dazu, dass insgesamt die Löhne unter Druck kommen und sinken - weil es ja mehr Leute gibt, die bereit sind, für wenig zu arbeiten.
                          Zitat von Largo Beitrag anzeigen
                          Wirtschaftsentwicklung auch noch profitiert haben: leitende Angestellte, Beamte oder unbefristet beschäftigte Arbeiter und Angestellte in Großbetrieben. Das sind überwiegend Beschäftigte, die über ein Einkommen verfügen, was regelmäßige Urlaubsreisen sowie den Kauf von Fahrzeugen und hochwertigen Produkten ermöglicht. Von der fehlenden Lebensperspektive und dem asketischen Lebensstil der oben genannten Gruppe bekommen die überhaupt nichts mit.
                          Die Gruppe, die von der Wirtschaftsentwicklung profitiert hat, ist überraschend klein - z.B. wurden die Löhne und Gehälter im öffentlichen Dienst im Durchschnitt im Vergleich zur Privatwirtschaft stärker gesenkt und die Rechte (z.B. nur noch befristete Verträge) stärker eingeschränkt, wovon auch die meisten Beamten (diese natürlich nicht in Bezug auf die Verträge) betroffen sind. Es gibt Leute, die immer noch nicht verstanden haben, dass sich die Zeiten geändert haben und meinen, dass es mit ihrem Lebensstandard bergauf ginge - während er real sinkt und sie selbst teilweise auch noch der Meinung sind, dass ihre Löhne zu hoch seien, weil sonst ihre Unternehmen ja nicht wettbewerbsfähig seien!
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                            Zitat von Largo Beitrag anzeigen
                            Gerecht wäre das vielleicht dann, wenn die Stellung des Einzelnen in der Gesellschaft das Resultat individueller Leistung wäre, d.h. wenn die Formel "Jeder ist seines Glückes Schmied" Gültigkeit hätte.
                            Es gibt jedoch zwei entscheidene Probleme:
                            Dein Beitrag ist jetzt schon etwas älter. Ich schrieb, dass ein Ingenieur, der sich nicht anpassen kann oder irgendwelche Fehler in seinem Leben gemacht hat, selbst schuld ist, wenn er in der Gosse landet. blablub

                            Du prangerst berechtigterweise Missstände in unserer Gesellschaft an. Ich aber behaupte, dass es keinerlei Gerechtigkeit gibt, deswegen muss ich darauf beharren diesen Begriff nicht so leichtfertig zu benutzen (jaaa, "Gerechtigkeit" ist beliebt, aber nur für die, die sich ungerecht behandelt fühlen und dazu gehören auch reiche Menschen )

                            Man wird das Leben der Menschen niemals so auslegen können, dass sie wirklich eine faire Form der Gerechtigkeit erfahren, es sei denn man interveniert dermaßen, dass die menschliche Gesellschaft in die ethische Fragwürdigkeit abdriftet.

                            Kommentar


                              Zitat von max Beitrag anzeigen
                              Die Gruppe, die von der Wirtschaftsentwicklung profitiert hat, ist überraschend klein - z.B. wurden die Löhne und Gehälter im öffentlichen Dienst im Durchschnitt im Vergleich zur Privatwirtschaft stärker gesenkt und die Rechte (z.B. nur noch befristete Verträge) stärker eingeschränkt, wovon auch die meisten Beamten (diese natürlich nicht in Bezug auf die Verträge) betroffen sind. Es gibt Leute, die immer noch nicht verstanden haben, dass sich die Zeiten geändert haben und meinen, dass es mit ihrem Lebensstandard bergauf ginge - während er real sinkt und sie selbst teilweise auch noch der Meinung sind, dass ihre Löhne zu hoch seien, weil sonst ihre Unternehmen ja nicht wettbewerbsfähig seien!
                              Ja, klar. Aber es gibt dennoch gewaltige Unterschiede innerhalb der Arbeitnehmerschaft. Vielen geht es (noch) so gut, dass sie selbst keine oder nur geringfügige Einschränkungen erfahren. Die können sich weiterhin Immobilien, teure Autos, Reisen und andere kostbare Dinge leisten. Da entsteht ein völlig anderes Problembewusstsein als bei Menschen, deren Lebensstandard sich massiv verschlechtert hat. Damit meine ich keine Beamten, die plötzlich 2 Stunden im Monat unbezahlt länger arbeiten müssen, sondern Menschen die als Hartz-IV-Empfänger oder Leiharbeiter ihr Dasein am Rande der Gesellschaft fristen. Diese Kluft hat sich vor allem in den letzten 10 Jahren stark geöffnet. Insofern ist es aus meiner Sicht heute mehr denn je angebracht, sprachlich zwischen Unter- und Mittelschicht zu differenzieren. Verglichen mit der heutigen Situation war das oben beschriebene Gefälle in den 60er und 70er Jahren in der BRD (und in der DDR sowieso) schon fast überwunden. Jetzt entstehen Spannungen zwischen denen, die drin sind, und denen, die draußen sind. Diese neue Konfliktlinie könnte den klassischen Konflikt zwischen Arbeit und Kapital ablösen oder in den Hintergrund treten lassen.

                              Zitat von Adm.Hays Beitrag anzeigen
                              Du prangerst berechtigterweise Missstände in unserer Gesellschaft an. Ich aber behaupte, dass es keinerlei Gerechtigkeit gibt, deswegen muss ich darauf beharren diesen Begriff nicht so leichtfertig zu benutzen
                              Gerechtigkeit ist ein soziales Konstrukt, an dem wir uns orientieren und unser Handeln ausrichten. Vor allem der Sozialstaat und das Rechtswesen basieren auf der Idee der Gerechtigkeit und verhindern dadurch, dass die Gesellschaft auseinanderfällt und das Recht des Stärkeren herrscht. Nur weil man Gerechtigkeit nicht sehen oder anfassen kann, so wie ein physisches Objekt, heißt es nicht, dass Gerechtigkeit überhaupt nicht existiere. Das ist übrigens bei allen Normen und Werten so.
                              Aber eigentlich geht es hier in diesem Thread nicht im den Begriff "Gerechtigkeit" und die Semantik, die dahintersteckt. Ich wollte mit diesem Thread auf den Umstand hinweisen, dass unverschuldet in Arbeitslosigkeit und andere Problemlagen geratene Menschen von Teilen der Elite verhöhnt werden. In Sachsen gibt es zur Zeit z.B. ca. 20.000 offene Stellen, aber 250.000 Arbeitslose (auf Bundesebene gibt es ein ähnliches Missverhältnis). Da kann man schlecht argumentieren, die Arbeitslosen sollen sich mal gefälligst mehr anstrengen und flexibler sein, so wie es weite Teile der Elite behaupten. Das hat mit dem Thema "Gerechtigkeit" erstmal nichts zu tun - hier findet vielmehr eine Täuschung in ungeheurem Ausmaß statt.
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                                Zitat von Adm.Hays Beitrag anzeigen
                                Man wird das Leben der Menschen niemals so auslegen können, dass sie wirklich eine faire Form der Gerechtigkeit erfahren, es sei denn man interveniert dermaßen, dass die menschliche Gesellschaft in die ethische Fragwürdigkeit abdriftet.
                                Kannst du das vielleicht etwas genauer Ausführen? Kommt mir so vor als hättest du hier einfach mal ein paar Allgemeinplätzchen in den Raum geworfen.
                                Disclaimer: Meine Post sind meist nicht als Absolute zu vestehen, sondern sollen nur einen weiteren Blickwinkel bieten.
                                "Wer hat uns verraten? - Sozialdemokraten!" - Alte Volksweisheit
                                "The man who trades freedom for security does not deserve nor will he ever receive either." - Benjamin Franklin

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