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    Mission: URLAUB

    Mission: URLAUB
    Die Abreise

    (Der von Jeantron angekündigte Urlaub beginnt, doch auf Lee warten jede Menge Überraschungen)

    Lee le Baal haderte ein wenig mit der Tatsache, dass sie den tollen Effekt mit den herausfallenden Augen bereits verschwendet hatte, als Jeantron ihr beiläufig mitgeteilt hatte, dass Zac auf sie abfuhr, aber mit Blick auf sein Mentor/AENA-Verhältnis jegliche Bekundungen unterließ.
    Damit klärte sich auch einiges an Zacs etwas mysteriösem Verhalten, denn Schüchternheit passte nicht so richtig zu dem recht weltgewandten Skyduke. Zuweilen übertriebene Korrektheit dagegen schon.
    Jeantron hatte wieder mal Staub aufgewirbelt mit der Ankündigung, die Führungsriege der Familie kurzerhand in den Urlaub schicken zu wollen. Mit den Einwänden, zum Beispiel, wer in der Zwischenzeit die Geschäfte leiten sollte und wozu ein Urlaub bei einer Familie, der immerhin ein Teil einer Insel gehörte, gut sein sollte, machte er kurzen Prozess.

    Zacs Aspekt könnte die Dinge auch mal alleine regeln, es wären ja immer noch genügend Skylords vor Ort, um den Laden zu schmeißen, und er könnte ja, wenn es brennt, durchaus in annehmbarer Zeit wieder vor Ort sein.
    Das mochte ja stimmen, aber es passte nicht so recht zu seiner nächsten Ankündigung, den Urlaub in einer Low-Level-Magie-Region als Menschen(!) zu verbringen, um „alle wieder mal zu erden“, wie er es ausdrückte.
    Dass Jeantrons Verhältnis zu Raum und Zeit im Allgemeinen sowie zu dem, was der Rest des Universums unter Kausalität verstand, bestenfalls als vage bezeichnet werden musste, war Lee mittlerweile klar. Trotzdem setzte er auch hier wieder mal neue Maßstäbe, indem er bei dieser Gelegenheit das von Pierre Maltissan entwickelte Magie-Konzentrationsgerät testen wollte.
    Um den Energiehunger der Anlage zu befriedigen, sollte in den Fachträumen der Hilda ein JTG-Generator mitgeführt werden, welcher nahezu jede Form verfügbarer Primärenergie verwerten konnte. Auch wenn dieser Plan mit einer sehr heißen und dazu eingefetteten Nadel gestrickt erschien, war es doch nicht das, was Lee le Baal im Moment – auch ganz ohne klamottige Magie – die Augen hervortreten ließ.



    Was Lees Knie weich werden ließ, war Zacs menschlicher Aspekt. Natürlich war ZacVanDoom mit seinen zwei Meter dreißig, den Glühaugen und seiner Halo sowieso bemerkenswert und dazu noch eine Augenweide als Mann. Doch was hier vor ihr stand...
    Lee musste sich anstrengen, nicht zu sabbern wie ein Teenie vor seinem Idol.
    Zacs Menschenform hatte gegenüber dem Original fast 30 cm verloren und war damit immer noch kein Zwerg, aber wesentlich weniger riesenhaft.
    Die Farbe seiner Augen war immer noch etwas zwischen Blau und Grün, doch ohne den mittlerweile gewohnten Leuchteffekt. Seine Muskelmasse hatte gegenüber der größeren Version nur wenig abgenommen, was ihn zu einem ziemlichen Schrank machte, ohne deshalb unproportional zu wirken. Aber das Highlight waren seine langen, wilden, dunklen Haare, die ihm über die Stirn und die Schultern hingen.
    Mit sonorer Stimme sagte er zu Lee: „Ich hoffe, ich habe nicht zu sehr übertrieben?“
    Lee prustete los, mit einem Mal war ihre Anspannung weg: „Och nöö, passt schooh“, schnoderte sie, beinahe schon wieder ganz die Alte.


    „Lee Sweet, du bist ja voll das Schnuckel!“ meldete sich jemand seitlich von ihr zu Wort. Lee blickte zur Seite, wo ein jugendlicher Jeantron mit ausgestreckten Armen auf sie zulief. Auch dieser hatte einiges von seiner Größe und etliches von seinen Lebensjahren verloren.
    Er hatte statt des roten ungezügelten Wuschelkopfes ebenfalls auf lange Haare gesetzt, nur dass sie bei ihm weiß waren. Zusammen mit den gleichmäßigen Zügen verlieh ihm das einen ziemlich androgynen Touch, der das Bild als Mentor, das er sonst darstellte, doch ziemlich veränderte.
    Wieder mal wurde Lee klar, dass man Jean niemals wirklich einschätzen konnte. Auch wenn sie ihn eigentlich fast nur als Mann wahrnahm, war für ein als Gestaltwandler erschaffenes Wesen natürlich Geschlecht ein genauso fluides Konstrukt wie... eigentlich fast alles für diesen Cyberguru. Selbst das Ich, das Bewusstsein, war letztlich für ihn nichts Festes, sondern etwas, das man tauschen oder variieren konnte.
    Trotz aller Nähe und den vielen Weisheiten, die der Guru immer von sich gab, war da doch immer eine gewisse Distanz, auch wenn sich Jeantron bemühte, diese klein zu halten – sie war dennoch vorhanden. Bei diesem Wildfang hier jedoch gab es sie gar nicht. Er umarmte sie und knutschte sie ab, was sehr unangenehm hätte sein können, aber auf eine seltsame Weise richtig wohltuend war.


    Schräg war schon eher die Weise, wie Zac Jean anstarrte und den Blick gar nicht mehr von ihm abbrachte. In Lees Gehirn liefen mehrere Rädchen an, und sie erinnerte sich, wie Missy bei ihrer ersten Begegnung sie als „Femboy“ bezeichnet hatte.
    „Nee,“ dachte sie, „schlimm genug, gegen eine gut ausgestattete Technohexe zu verlieren, aber nicht gegen einen Gestaltenwandler auf Östrogen! Hähä, nichts da, dieser Zac wird mein(!)“
    Mit Argusaugen verfolgte Lee die stürmische Begrüßung von Idol Zac durch den Guru-Boi. „Na klasse,“ dachte sie bissig, „die zwei verstehen sich ja prächtig. Wenn sie jetzt anfangen, sich gegenseitig die Haare zu flechten, weiß ich, dass ich verloren habe.“ Zum Glück trudelte nach und nach der Rest der Reisegesellschaft ein, und Lee konnte sich ablenken.
    Sie fragte sich, was sie verpasst hatte, als sie Miheil im Schotten-Minirock an der Seite von Timy erblickte. Timy hatte sich eigentlich nicht verändert, trug aber eine Art Partnerlook zu Miheil. „Wenigstens trägt Timy keinen Kilt, sonst könnte man euch glatt für Schwästern halten,“ sagte Lee und trat damit bewusst wieder ins Fettnäpfchen.
    Trotzdem meinte sie es nicht böse, denn Miheil war in seinem Röckchen eine Augenweide, allerdings schien er den Fokus darauf, was ein „männliches Erscheinungsbild“ bedeutet, komplett verloren zu haben. Lee konnte es ihm noch nicht mal verübeln, wenn man einen Blick auf den Cyberguru warf.
    Beide hatten Koffer in einem Umfang dabei, als ob sie vorhätten, der Familie für immer den Rücken zu kehren. „Als ob wir eine epische intergalaktische Expedition starten und nicht nur einen kurzen Trip machen,“ murmelte Lee leise vor sich hin. Womit sich dann ihr eigentlich guter Vorsatz, die Dinge entspannt anzugehen, in Luft auflöste.
    „Mensch Lee, du schaust ja aus, als hättest du gerade einen Geist gesehen!“ rief Miheil lachend, während er unsicher an seinem Minirock zupfte. Es war offensichtlich, dass er sich darin wohlfühlte, auch wenn er nicht zugeben wollte, wie feminin er dadurch wirkte.
    „Keinän Geist, Miheil, ganz im Gegenteil, der Rock steht dir wirklich ausgezeichnet!“ Lee konnte nicht anders, als ein Grinsen zu unterdrücken. „Aber hey, hast du mal dran gedacht, dass du vielleicht mehr wie 'ne Glamour-Queen als wie 'n Kerl wirkst?“ Sie zwinkerte, versuchte dabei, ihre Worte als gut gemeinten Ratschlag zu verpacken.
    Miheil lachte, auch wenn es ein wenig nervös klang. „Vielleicht... aber was soll’s. Solang ich mich wohlfühle, is' doch alles in Ordnung, oder?“ Dabei konnte man sehen, dass er gleichzeitig stolz auf sein Outfit war, auch wenn er sich darüber im Klaren war, dass es seiner männlichen Erscheinung nicht unbedingt half.
    Lee zuckte mit den Schultern. „Naja, stimmt schon. Du sollst dich wohlfühlen. Aber, nur so unter uns, wenn du willst, dass die Leute mehr den Typen in dir sehen, dann könnte eine Jeans auch nich’ schaden.“
    Sie sagte es mit einem Augenzwinkern, aber in ihrer Stimme schwang ein ehrlicher Rat mit.
    Timy, der das Gespräch beobachtet hatte, trat grinsend hinzu. „Lee hat recht, Miheil. Aber hey, keine Sorge, du siehst klasse aus. Und schließlich gehört Mut dazu, so was zu tragen!“ Er klopfte Miheil freundschaftlich auf die Schulter und fügte hinzu: „Das Wichtigste ist, dass du dich selbst treu bleibst.“
    „Ich weiß, ich weiß,“ erwiderte Miheil, wobei er seine Unsicherheit mit einem selbstbewussten Lächeln zu überspielen versuchte. „Aber es schadet ja nicht, ab und zu die Grenzen zu testen.“
    „Ach, wenn wir hier schon von Gränzen sprechen,“ warf Lee ein, „dann sollten wir vielleicht mal drüber reden, wie Jean und Zac sich da vorne unterhalten.“ Sie deutete mit dem Kopf in die Richtung, wo Jeantron und Zac miteinander sprachen, offensichtlich tief in ein Gespräch vertieft und sehr vertraut miteinander. „Wenn die zwei noch näher zusammenrücken, fang ich an, ’nen einen Tango-Workshop zu organisieren.“
    Timy schmunzelte. „Ja, die beiden verstehen sich wirklich gut. Aber weißt du was, Lee? Vielleicht solltest du da mal dazwischenfunken, bevor Jean die ganze Aufmerksamkeit von Zac auf sich zieht.“
    Lee nickte. „Kein Grund zur Sorge, Timy. Ich lass doch meinen Skyduke nicht so einfach ziehen.“ Sie grinste breit und warf einen letzten Blick auf Miheil. „Und du, Miheil, denk dran: Heute ist der Minirock cool, aber nächste Woche sehen wir dich vielleicht mal in Leder, was?“
    Miheil lachte und nickte. „Wer weiß, Lee, wer weiß. Vielleicht überrasche ich euch alle.“
    Lee Le Baal befürchtete das auch, die permanente Umdeutung der Realität durch den Cyberguru hatte offensichtlich ihre Spuren in den Reihen der Mohar hinterlassen.
    Erleichtert stellte Lee fest, dass wenigstens Erwin nicht mit komplett revolutionären modischen Ideen aufwartete.
    Allerdings trug er seine Haare als Dreadlocks, deren Spitzen in knalligen Farben gefärbt waren, die sich auch in seinem sommerlichen Outfit widerspiegelten.
    Dem allgemeinen Trend folgend wirkte auch er jünger glatter und weniger energisch, Lee betete allerdings innerlich dafür, dass dahinter nicht wieder irgendein dämonischer Einfluss stand.
    Von all den Mitgliedern der Mohar war gerade der so bodenständig wirkende Erwin der beunruhigendste Cyberdämon.
    Niemand, der den engagierten Ökologen nur als Mensch kannte, wäre auch nur im Ansatz auf die Idee gekommen, dass dieser das personifizierte Grauen hunderter von ihm verschlungener Dämonen verkörperte.



    Die Tatsache, dass für ihn Dimensionen Türen und Wege darstellten, die er, ohne zu zögern durchschritt, hinderte ihn offensichtlich nicht daran, mit einem Kofferberg aufzuschlagen, der sogar das Volumen von Miheils und Timys Tragetaschen-Troß überschritt.
    Er richtete seine tiefbraunen Augen auf Lee und rief aus: „Hey Lee willkommen unter den Lebendenden, dich so zu sehen ist beeindruckend ich hätte dich beinahe nicht erkannt. Komm lass dich mal aus der Nähe anschauen!“
    Er ließ das Koffergebirge hinter sich, eilte zu Lee und hielt sie an ihren Schultern.
    „Du siehst wirklich toll aus, dieser Sidecut und diese Klamotten, die Boys und Girls des Planeten werden dir zu Füßen liegen!“
    Damit erreichte er immerhin das sich Zacs Aufmerksamkeit weg von Jean und hin zu ihr richtete.
    Mit ernster Mine sagte der Skyduke: „Daraus wird nichts werden, denn ich werde meine AENA mit meinen Körper beschützen!“
    Für einen Augenblick wusste Lee nicht, ob sie, wegen des recht machohaften Spruchs angepisst sein sollte.
    Letztlich musste sie, ob der Vorstellung wie sich Zac in die Bresche warf, um ihre Fanboys aufzuhalten, lauthals loslachen.
    „Das würde dir so passen“ prustete sie los: „Jätzt reicht dir nicht mal mär der Jean-Boi, hähähä du willst unbedingt deinen Ruf als Filou gerächt wärden!“
    Zacs Gesicht wurde noch etwas dunkler und Lee fand die Tatsache, dass Zacs Aspekt erröten konnte, bemerkenswert.
    Insgesamt machte ihn das noch attraktiver und Lee konnte nicht anders, als sich ein wenig auf das Chaos zu freuen, das unausweichlich bevorstand.
    Als das Raumschiff tatsächlich abhob, war sich Lee nicht sicher, ob Jeantron, welcher sich als Pilot betätigte, nicht etwas mittels irgendeiner Cheatfähigkeit nachgeholfen hatte.
    Natürlich waren die Kreutzer der „La Paloma“ Klasse auch als Frachter einsetzbar, aber angesichts der Ausrüstung fragte sich Lee mittlerweile, was das für ein Urlaub werden sollte. Last Minute hatte sich auch noch ihr verrückter Wissenschaftler Pierre Maltissan zu ihnen gesellt und auch er hatte, (Lee hätte auch alles andere gewundert) einen Stapel Ausrüstung mitgebracht als ginge es auch eine jahrelange Expedition ins Unbekannte.
    „Eigentlich kann ich mich noch nicht einmal beschwären“ dachte Lee Le Baal etwas peinlich berührt. Angesichts der ungehemmten Ausrüstung der Mitreisenden hatte sie auch Ihr Gepäck nochmals aufgestockt, um vor Ort dann eine Heimische Atmosphäre erzeugen zu können.

    „Wozu haben wir aigentlich, diese ganzen Tross mitgänommen?“ Löcherte sie Erwin: „und wozu ist er mitgekommen?“ Sie deutete auf den Wissenschaftler.
    Erwin verschränkte die Hände hinter dem Kopf: „Kaliopis ist der vierte Planet der Sonne Metaxa und liegt in einer Low Mana Zone. Dadurch ist die Pflanzen- und Tierwelt verhältnismäßig unberührt von den Veränderungen durch den Einfluss des Manas, welche im Großteil des Imperiums stattgefunden haben. Ich habe vor, jede Menge Proben zu nehmen, um an ursprüngliche DNA zu kommen. Mister Maltissan möchte erforschen, wie sich JTG-Technologie unter diesen Umständen schlägt und vor allem, welche Auswirkungen das Umfeld auf unsere Fähigkeiten und Skills hat.“
    „Das hört sich tatsächlich mähr nach Arbeit als nach Urlaub an!“ warf Lee Le Baal ein. „Außerdäm dürfen wir denn das alläs einfach so ein- und ausführen?“ Sie schaute Erwin zweifelnd an.
    In diesem Moment stieß der Skyduke zu ihnen: „Mach dir keine Sorgen, Dear, ich konnte das meiste im Vorfeld regeln. Bei der Buchung sind gleich die Zollgebühren mitbezahlt worden, und die Insel hat einen Platz, wo wir das Raumschiff landen und parken können.“
    Lee verdrehte die Augen, was auch in der Menschenform erstaunlich weit funktionierte: „Das alles klingt, als ob es ein Vermögen gekostet hätte!“
    Zac grinste breit: „Naja,“ sagte er gedehnt, „der Großinquisitor war wirklich nicht knausrig. Vor allem hat es einen wirklich netten Bonus für die durch das Haus Aurion-Stellaaris offengelegte Technologie gegeben. Dadurch hat er seine Position innerhalb der imperialen Behörde gestärkt und gilt im Moment als der kommende Mann der Imperatrix. Selbst seine größten Kritiker innerhalb der Inquisition mussten seine Leistung, die in Verruf geratene Institution aus dem Abseits zu führen, in das sie unter seinen Vorgängern hineingekommen war, anerkennen. Er weiß natürlich, dass er dies dem energischen Handeln der JTG zu verdanken hat und hat es entsprechend finanziell gewürdigt.“ Zac rieb Daumen und Zeigefinger gegeneinander.
    „Hähä, und jetzt wird alles zügig auf dän Kopf gehauen,“ amüsierte sich Lee.
    Zac schenkte ihr einen verweisenden Blick: „Erstens habe ich einen erheblichen Rabatt herausschlagen können, und zweitens ist dieser Urlaub für die Familie wichtig. Wie so oft hat Jean mit seinen Spontanideen ein Gespür für die Situation bewiesen. Du solltest wirklich seine Lektionen betreffend Achtsamkeit und im Augenblick das große Ganze zu erleben, deutlich mehr verinnerlichen.“
    Lee Le Baal war etwas verärgert wegen des Rüffels. In ihr rumorte es: „Es ist doch nur ein blöder Urlaub und keine Mission. Kein Grund, gleich wieder die Achtsamkeitskeule herauszuholen.“ Trotzdem hinterließ das Gespräch einen fahlen Beigeschmack, denn das Letzte, was sie brauchte, war ein Streit mit Zac, über, über… ja, worüber eigentlich? Schließlich war ihr Plan, den Duke endlich für sich zu gewinnen. Es war auch nicht so, dass das Thema Finanzen Anlass für Unfrieden in vielen Häusern jemals bei den Skycitizen eine tragende Rolle gespielt hätte. Allein von den Unsummen, welche man bei ihrer Erweckung investiert hatte, hätte das Haus zumindest mittelfristig den Status eines großen Hauses erlangen können.
    Bei Einblick in entsprechende Unterlagen hatte ihr Atem tatsächlich kurz gestockt, obwohl sie mittlerweile damit vertraut war, dass die Mohar mit Unsummen hantierten. Sie war auch kein Einzelfall; Miheils recht turbulente Rekrutierung war ein ähnlich kostenträchtiger Vorgang. Zu dem Zeitpunkt war die Familie allerdings auch offizieller Wasserhändler auf Alraxis mit entsprechendem Einkommen.
    Lee hatte sich bereits abgewandt, als sie plötzlich Erwin wieder neben sich stehen sah. Wie aus dem Nichts war er aufgetaucht, mit einem ernsten Blick, der seine Augen schmal werden ließ. „Es gibt noch etwas, das ich hinzufügen muss,“ begann Erwin. „Wenn wir auf Kaliopis arbeiten, müssen wir sehr aufmerksam sein, um nicht durch unsere Anwesenheit das fragile Gleichgewicht der dortigen Ökosysteme zu stören.
    In einer Low Mana Zone entwickeln sich Flora und Fauna langsamer, aber auch stabiler. Die Proben, die ich nehmen werde, sind nicht nur für unsere Forschung wichtig, sondern auch für das Verständnis, wie Leben in solchen Umgebungen überdauern kann.“

    Lee nickte langsam, während sie Erwin zuhörte. Seine Worte brachten ihre eigenen Gedanken etwas zur Ruhe. Trotzdem fühlte sie sich nach dem Gespräch immer noch unbehaglich, und so lief sie schließlich in Gedanken versunken durch das Schiff.
    Ihre Schritte wurden langsamer, als sie über die letzten Minuten nachdachte. In diesem Moment sprach sie ein Timy an, der locker und gelöst wirkte: „Was ist los, Lee? Als Mensch musst du nicht mit dienstlichem Gesicht umherlaufen.“
    „Aigentlich war ich mal für die fiesen Sprüche zuständig,“ konterte Lee.
    Timy war heute nicht auszubremsen: „Komm mit in den Trainingsraum, da kannst du Dampf ablassen und mir erzählen, welche Laus dir über die Leber gelaufen ist.“
    Ziemlich baff fragte Lee Le Baal: „Woher kennst du eigentlich diesen uralten Spruch? Bei Läusen würden die meisten Imperialen an die handtellergroßen Sandläuse auf Alraxis denken, und die laufen nicht über die Leber – die verspeisen sie.“
    Wie aus dem Nichts stand auf einmal auch wieder Erwin neben ihr und hörte das Gespräch. Er schaltete sich ein, die Arme vor der Brust verschränkt: „Wusstest du, dass die Beziehung zwischen Menschen und Parasiten so alt ist wie die Menschheit selbst? Parasiten, insbesondere Läuse, haben sich im Laufe der Evolution an ihre Wirte angepasst und begleiten sie seit Millionen von Jahren.
    Auf einer gewissen Ebene sind sie ein Teil des natürlichen Gleichgewichts – störend, ja, aber auch ein Beweis für die Komplexität des Lebens. Jedes Lebewesen, ob Mensch oder Parasit, spielt eine Rolle im Ökosystem. Und während die Sandläuse auf Alraxis eine extreme Variante sind, sind sie doch ein weiterer Beweis dafür, wie sich Leben unter unterschiedlichsten Bedingungen anpassen kann.“
    Timy grinste, als er Erwins Ausführung hörte: „Also, Lee, du siehst, selbst Parasiten haben ihren Platz im Universum.“
    Lee konnte sich ein Schmunzeln nicht verkneifen: „Vielleicht, aber ich dänke trotzdem, dass sie sich ruhig ein anderes Opfer suchen könnten.“ Timy und Erwin lachten, und für einen Moment war die angespannte Stimmung vergessen.
    Doch dann schüttelte Lee den Kopf und blickte Erwin skeptisch an. „Sag mal, Ärwin, wie machst du das eigentlich immer? Du tauchst ständig wie aus dem Nichts auf! Dabei bist du hier ein Mensch und kein Dämon. Das ist langsam unhaimlich.“
    Erwin hob eine Augenbraue und grinste leicht. „Gewohnheit, schätze ich. Alte Reflexe sterben schwer. Aber keine Sorge, ich benutze hier keine dämonischen Tricks. Vielleicht habe ich einfach ein Talent dafür, im richtigen Moment aufzutauchen.“ Er zwinkerte ihr zu.
    Timy schüttelte lachend den Kopf: „Das ist schon das zweite Mal heute, dass du Lee damit überrascht hast, Erwin. Du solltest wirklich darüber nachdenken, dir einen lauteren Schritt anzugewöhnen.“
    Lee verschränkte die Arme vor der Brust und sah Erwin spielerisch herausfordernd an. „Oder du könntest einfach wie ein normaler Mensch den Raum betreten und dich bemerkbar machen, anstatt ständig zu erscheinen, als würdest du aus dem Schatten springen.“
    Erwin lachte leise und hob abwehrend die Hände. „In Ordnung, in Ordnung, ich gelobe Besserung. Keine unheimlichen Auftritte mehr.“
    Lee nickte zufrieden, konnte aber das Lächeln auf ihren Lippen nicht unterdrücken. „Das will ich hoffen. Sonst komme ich noch auf die Idee, meinen Lieblings-Baseballschläger für Achtsamkeitsübungen zu verwänden.“
    „Wenn das bedeutet, dass du mehr auf mich achtest, dann könnte das gar nicht so schlecht sein,“ entgegnete Erwin mit einem schelmischen Grinsen.
    Timy grinste breit und schlug Lee freundschaftlich auf die Schulter. „Da hast du’s, Lee. Du wolltest doch eh für fiese Sprüche zuständig sein, oder? Jetzt hast du wieder jemanden, den du dir vorknöpfen kannst.“
    Lee schüttelte lachend den Kopf. „Ja, ja, schon gut. Aber trotzdem, Erwin, ein bisschen wäniger Spuk würde uns allen guttun.“
    Erwin verbeugte sich leicht und spielte den Reumütigen. „Wie ihr wünscht, Lady Lee.“

    #2
    Missionsrapport

    Familiengeheimnisse eines Großinquisitors werden gelüftet


    Riccardo Bellini legte seine Hand auf den Türscanner des Raumes, nachdem er in einen unauffälligen Behälter in der Ecke gespuckt hatte. Der Scanner verglich nicht nur sein Handprofil mit der aktuellen DNA, sondern überprüfte gleichzeitig auch seine Vitalfunktionen, um sicherzustellen, dass niemand mit einer abgetrennten Hand sich Zugang verschaffen konnte.
    Dieser Raum, der in einen Felsen eingelassen war, an den das Elternhaus seiner Familie grenzte, beherbergte das bestgehütete Geheimnis der Familie: Hall42, eine Künstliche Intelligenz, die einer seiner Vorfahren aus einem Krieg mitgebracht und versteckt hatte.
    Die KI und der Vorfahre hatten einst einen Kompromiss geschlossen, um beider Überleben zu sichern. Die KI half dem Vorfahren und entging so ihrer eigenen Zerstörung – allerdings um den Preis ewiger Gefangenschaft. Nur selten baten die Hüter des Raumes die KI um Rat, um den Ort und die Familie zu schützen.
    Riccardos Vater, ein imperialer Soldat, der sich oft mit gefährlichen Kreaturen wie Werwölfen und Vampiren auseinandersetzen musste, hatte wenig Interesse an diesen Dingen.
    Stattdessen überließ er seinem KI-begeisterten Sohn frühzeitig den Zugang zu dem Raum. Durch alte Familiengeschichten war Riccardo schon als Kind auf das Thema gestoßen, das ihn seitdem nicht mehr losgelassen hatte. Sein Vater spielte sogar mit dem Gedanken, den Raum samt gefährlichem Inhalt vollständig zu versiegeln.
    Letztlich hielt ihn jedoch nicht nur die Familienehre, sondern auch die Tatsache, dass die Ratschläge der KI die Familie durch schwere Zeiten geführt hatten, davon ab. Aus Sorge, dass Riccardos Recherchen die falschen Leute aufmerksam machen könnten, und weil er sich auf eine gefährliche Mission begeben musste, weihte er seinen Sohn schon in jungen Jahren in das Geheimnis ein. Von da an verbrachte Riccardo jede freie Minute in dem Raum.
    Als sein Vater von der Mission zurückkehrte, war dieser ein anderer Mensch. Er sprach kaum noch ein Wort, und eines Tages fand man ihn tot in den nahegelegenen Bergen. Obwohl er abgestürzt war, wies er keine äußeren Verletzungen auf, und so wurde in seinen Totenschein lapidar „Herzversagen“ eingetragen. Riccardo war jedoch überzeugt, dass sein Vater, der sich so oft mit übernatürlichen Bedrohungen auseinandergesetzt hatte, letztlich Opfer dämonischer Aktivitäten geworden war.
    Als die Inquisition ihm einen Job anbot, nahm Riccardo ihn dankbar an, in dem Wissen, dass diese Abteilung der Imperialen Behörde sich mit weltlichen Dingen wie KIs und nicht mit Monstern oder Dämonen befasste.
    Umso größer war sein Befremden, als er erfuhr, dass sein Vorgesetzter sich ausgerechnet mit einer Dämonensippe anlegte.
    Doch dies markierte auch den Beginn seines Aufstiegs, da er – im Gegensatz zu seinen Kollegen – keinen Moment daran glaubte, dass diese Geschichte für die Beteiligten gut ausgehen würde. Statt sich an der „Hexenjagd“, wie er sie insgeheim nannte, zu beteiligen, konzentrierte er sich auf die eigentlichen Aufgaben der Inquisition.
    Dank der Hinweise von Hall42 konnte er unwichtige Informationen von echten Hinweisen trennen und wurde so zur Anlaufstelle für die Mitarbeiter, die sich weiterhin der Bekämpfung feindlicher KIs widmeten.
    Ohne es zu merken, wurde er nach dem spektakulären Ableben der Führungscrew als derjenige wahrgenommen, der den Laden in Krisenzeiten am Laufen hielt.
    Seine Ernennung zum Großinquisitor war dennoch eine große Überraschung für einige, die aufgrund ihrer Position oder ihrer langen Zugehörigkeit zur Behörde auf den Posten gehofft hatten. Riccardo selbst war sich nicht sicher, ob dies nicht ein langfristiger Plan seiner Familien-KI war, um ihn enger an sich zu binden und sich unentbehrlich zu machen.
    Einerseits freute er sich über diesen Karrieresprung, andererseits brachte ihn diese Entwicklung direkt in die Schusslinie des unheimlichen ZacVanDoom, eines Dämonenherzogs, der aus dem Untergang eines ganzen Planeten geboren worden war.
    Viele hielten ihn jedoch nicht für einen echten Dämon, sondern für einen bloßen Pseudo-Dämon.
    Dass dies ein fataler Irrtum war, hatte ZacVanDoom bei der letzten Mission eindrucksvoll bewiesen – einer Mission, die er im Auftrag des neuen Imperialen Großinquisitors, also Riccardos selbst, durchgeführt hatte.
    Fassungslos studierte Riccardo die zahlreichen Berichte seiner Leute und stellte fest, dass sie selbst seine schlimmsten Befürchtungen und Ängste über die Macht eines solchen Dämons bei weitem übertrafen.
    Wohl wissend, dass er sich immer tiefer in die Fänge von Hall42 begab, sah er sich außerstande, diese Entwicklung allein zu bewältigen und suchte die KI wie so oft unter dem Vorwand auf, seine Mutter zu besuchen.
    Eine kühle, distanzierte Stimme erklang:
    „Was kann ich heute für Sie tun?“
    Da es in diesem Raum außer der goldenen Kugel in ihrem Kraftfeld nichts gab, setzte sich Riccardo wie üblich auf den Boden.
    „Die Entscheidung, die JTG mit dieser Angelegenheit zu betrauen, war tatsächlich brillant. Ich bin mir sicher, dass die Dimensionen dieser Bedrohung jeder anderen Abteilung weit über den Kopf gewachsen wären. Diese zahlenmäßig kleine Gruppe hat jedoch in unglaublich kurzer Zeit fast alle Aspekte dieser Bedrohung identifiziert und neutralisiert.

    Dabei haben sich die einzelnen Mitglieder als wahre Monster erwiesen, die selbst meine schlimmsten Befürchtungen übertroffen haben, was ein solcher Dämon anrichten kann.
    Mit dem Wissen von heute hätte mein damaliges Ich Zac niemals gegenübertreten können. Er hat auf dem Schlachtfeld eine Apokalypse entfesselt.
    Seine Untergeben sind genauso schlimm, wenn nicht noch schlimmer.
    Die freigesetzte schwarzmagische Energie von Lee Le Baal hat die Kampftruppe nachhaltig verstört, hunderte meiner Leute haben schwere psychische Probleme und etliche haben um Entlassung oder Versetzung gebeten.
    Über 90 Prozent der Beteiligten haben eine erhöhte magische Resistenz entwickelt, und bei knapp einem Drittel der Truppe wurden neue magische Fähigkeiten freigesetzt. 14 Prozent der Soldaten haben Blitzmagie erlangt, 7 Prozent Feuermagie, und bei 3 Prozent manifestierte sich die Fähigkeit der Erdbeherrschung.
    Fünf von ihnen haben so mächtige schwarzmagische Fähigkeiten entwickelt, dass sie nun niedere dämonische Kräfte besitzen. Der Paladin-Orden hat bereits Interesse bekundet, aber ich werde natürlich um jeden Einzelnen kämpfen.“
    Die Stimme warf ein: „Allein durch die Aussortierung der mental Schwachen und die Stärkung der anderen hat sich der Einsatz mehr als gelohnt.
    Aber der Erwerb von magischen Skills... das verblüfft sogar mich! Das ist, um es salopp zu sagen, wie der Gewinn mehrerer Jackpots gleichzeitig. Jeder einzelne dieser Krieger ist so wertvoll wie eine ganze Kampfeinheit.“
    „Falls sie sich von dem Einsatz erholen und nicht dem Wahnsinn verfallen,“ musste Riccardo den seltenen Anflug von Euphorie bei der KI bremsen.
    „Was sich als enorm profitabel erweisen könnte, sind die Unterlagen, die uns Tusnelda vom Haus Aurion-Stellaaris in der Hoffnung auf Amnestie zur Verfügung gestellt hat. Übrigens ist Tusnelda eine äußerst reizende Person und die uneitelste, die ich je kennengelernt habe.

    Selbst Soldatinnen schauen ständig in den Spiegel, aber sie beachtet ihr Spiegelbild kein einziges Mal, obwohl sie wirklich gut aussieht.“
    „Soll ich eine Strategie für eine erfolgreiche Fortpflanzung ausarbeiten?“ erkundigte sich die Stimme sachlich.
    „Bitte?!“ Riccardo wurde aus seiner Schwärmerei gerissen.
    „Ich habe auch einige deiner Vorgänger in dieser Hinsicht beraten. Schließlich habe ich ein legitimes persönliches Interesse am Fortbestand der Familie,“ erklärte Hall42 völlig nüchtern.
    „Äh, was?“ Riccardo verlor kurz den Faden.
    „Hör zu, das ist jetzt nicht das Thema!“ rief er streng.



    „Die wissenschaftlichen Ansätze in den Unterlagen sind teils revolutionär. Ich spreche nicht nur von den verbrecherischen Machenschaften bei der Erschaffung lebender KIs, sondern auch von Forschungen, die das imperiale Transportsystem revolutionieren könnten.
    Es gibt bereits magische Artefakte auf mehreren Welten, aber bisher konnte niemand sie aktivieren.
    In den Unterlagen sind Beschreibungen enthalten, wie man sie aktiviert. Und das Beste ist…“ er machte eine Pause: „Hochtechnologie kann das Tor nicht passieren, Menschen schon. Dadurch werden viele Sicherheitsaspekte von Anfang an erfüllt, und die wirtschaftlichen Interessen der Raumgilde werden nicht vollständig untergraben, da weiterhin nur sie die Technik transportieren kann. Derjenige, der diese Magischen Tore kontrolliert und erfolgreich patentiert, wird ein Vermögen machen.“
    Der Großinquisitor sprang auf und lief aufgeregt hin und her: „Wenn es gelingt, für unserer Abteilung ein paar Prozente des Profits abzuzwacken, haben wir eine Finanzierung, die unsere Behörde langfristig unabhängig von den imperialen Steuereinnahmen macht. Das wäre ein Meilenstein, von dem keiner meiner Vorgänger auch nur zu träumen gewagt hätte.“
    „Ich werde dir eine entsprechende Strategie ausarbeiten, damit du und deine Abteilung so stark wie möglich davon profitieren. Was die veränderten Mitglieder deines Ordens betrifft, so gibt es Übungen und Meditationen zur mentalen Stärkung und Gesundung.
    Aber wie willst du mit den Dämonen verfahren? Sie sind und bleiben eine unkontrollierbare Bedrohung der Menschheit.“
    Riccardo starrte wild auf das glänzende Objekt. „Du hast absolut recht. Aber ich werde nichts tun, was meine guten Beziehungen zu Zac und seinem Haus auch nur im Ansatz gefährden könnte.
    Stattdessen werde ich, solange ich lebe, daran arbeiten, die Menschheit so stark zu machen, dass sie auch mit solchen Monstern fertigwerden kann. Wie mein Nachfolger die Dinge handhabt, ist allein seine Entscheidung und dann nicht mehr mein Problem.
    Er kann selbst sein Glück versuchen oder es an seinen Nachfolger weiterreichen. Du weißt, Dämonen Leben lange, und um mit ihnen fertigzuwerden, muss man ebenfalls langfristig denken. Du bist ein Teil dieser Kontinuität. Also sei unbesorgt, was deine Existenz betrifft; selbst wenn meine Familie endet, wird das nicht zugleich dein Ende sein.“
    Hall42 schwieg eine Weile, dann sagte er: „Solange du lebst, werde ich dir dienen und all deine Feinde beseitigen. Und das werde ich auch für deine Nachfolger tun.“

    Kommentar


      #3
      Das Küstenresort der Flüsternden Lande

      Lee nimmt sich was sie haben wollte, doch es Zeigt sich das Reisen mit JTG so seine Tücken hat.

      Lee Le Baal lag aufgewühlt in ihrem Bett, sie wusste nicht so recht, ob sie zufrieden oder aufgebracht sein sollte.
      Nicht, dass der Sex mit Zac nicht all ihre Erwartungen erfüllt hätte, aber irgendetwas war völlig anders, als sie es sich vorgestellt hatte.
      Normalerweise hätte das Ganze eine große Sache sein sollen, aber unter Mohar war Sex nicht mehr als eine weitere Form, sich Zuneigung zu zeigen.
      Von einer menschlichen Warte aus betrachtet war es gleichzeitig mehr und weniger als das, was Sexualität in der menschlichen Gesellschaft ausmachte.
      „Vielleicht habä ich zu viel Zeit in meinen früheren Läben mit Mänschen verbracht,“ überlegte sie.

      Aber selbst unter Göttern, Ikonen, Engeln und Dämonen gab es Eifersucht und Besitzansprüche,
      hier jedoch…? „Was habä ich mir auch vorgestellt, wie es in einer Kommune unter einem verrückten Guru zugeht. Hähä.“
      Der Gedanke beruhigte ihr Gefühlschaos ein wenig. Im Prinzip hatte sie erreicht, was sie wollte: Sie hatte alle Scham und jede Beschränkung, welche Konventionen auferlegten, über Bord geworfen und war Zac offensiv – „Man könnte es auch aufdringlich nännen“ – angegangen.
      Dieser hatte nach kurzer Irritation erstaunlich schnell nachgegeben, ohne das Mentor/AENA-Verhältnis zu thematisieren.
      Während sie sich unter die Dusche begab, kam ihr siedend heiß ein Gedanke: „Was, wenn auch DAS mit zur Ausbildung gehörte?“
      Sex mit Gurus und Mentoren war ein Merkmal, das man immer wieder in sektenähnlichen Strukturen vorfand, und zumindest die Führungsspitze der JTG wies jede Menge Merkmale einer solchen Gemeinschaft auf.

      „Wänn es so wäre, würde ich als nächstes bei Jeantron im Bett landän, aber darauf kann dieses manipulative Gestaltwandlär-Monster bis zum Sankt Nimmerleinstag wartän,“ dachte sie grimmig. „Bei Zac musste ich Druck machen, nochmal überlassä ich ihm niemanden kampflos!“
      Vielleicht hatte es aber Jeantron mit seinen Avancen und Bemerkungen auch gerade darauf angelegt. Ja, der Typ war mit Sicherheit das undurchschaubarste Wesen, das man auf die Menschheit loslassen konnte.
      Dabei war eigentlich sie es, die als unberechenbare Landplage galt.
      Es war sowieso schon seltsam, dass, obwohl sowohl Beelzebub als auch Baal in allen Mythen als rein männlich dargestellt wurden, Jeantron auf einem weiblichen Körper bestanden hatte. ‚Technische Gründe‘ hatte er es genannt.
      Nur Gehirngewaschene, wozu Lee Timy und Zac in diesem Augenblick zählte, oder simpel gestrickte Gemüter wie Miheil, konnten auf solche vorgeschobene Erklärungen reinfallen.

      Andererseits, was sagte das über Zac, wenn er mit einem männlichen Geist im Körper einer Frau schlief, und was dachte er über sie?
      „Oh, wenn ich noch länger darüber nachdänke, platzt mir där Kopf. Das sind also die Freuden, einen Körper zu habän und dazu Teil einer völlig durchgedrehten Familie zu sein. Hähä.“



      Sie stieg aus der Dusche und betrachtete sich im Spiegel: eine junge Frau mit stechend grauen Augen und einem Typ, den man vor langer Zeit als asiatisch eingeordnet hätte. Ihr Haar trug sie als sogenannten Sidecut, wobei die rechte Seite kurz geschoren war, während links die Haare herunterhingen.
      In der Nabelgegend prangte eine Tätowierung: ‚Made in Hell‘.
      Dass ihre Brüste bestenfalls Andeutungen waren, passte durchaus zu ihrem Typ, auch wenn es letztlich auf das Ursprungsgenom, das von Miheil stammte, zurückzuführen war.
      Dass Zac sich daran nicht störte, hatte er ihr reichlich letzte Nacht bewiesen und die Robustheit ihres Körpers ausgiebig getestet.
      Lee zitterte noch etwas, als sie daran dachte: „Himmel und Hölle! Einerseits ist es klar, dass ich ja eigentlich alles davon Jeantron verdanke, andererseits war klar, dass der Preis dafür nicht weniger als absolute Loyalität sein würde.
      Was das bei einem Wesen ohne moralische Beschränkungen, welches selbst über Naturgesetze spottet, am Ende bedeuten würde, davon hatte sie einen Vorgeschmack bei der letzten Mission bekommen.



      ‚Nimm dir, was du willst, und bezahle dafür‘ hatte der Guru aus dem uralten Buch zitiert, welches Quelle für viele seiner Weisheiten darstellte.
      Nur, dass bei Kaufverträgen das Kleingedruckte zumindest von vornherein vorhanden war. Im echten Leben fand man erst hinterher heraus, wie hoch letztlich der Preis einer Sache war.
      Sex war letztlich eins der Dinge, für das sowohl Menschen als auch Götter zu allen Zeiten getötet hatten und getötet wurden.
      Lee richtete sich auf: „Wen darf ich als nächsten für dich einäscherten, Jeantron?“

      Als sie in die Steuerzentrale des Raumschiffes kam, schien es, als ob der Guru bereits das passende Ziel für eine schnelle Einäscherung gefunden hätte.
      Es war ungefähr einen Meter achtzig groß, hatte blaue Haare und hörte auf den blumigen Namen Zanric Azulfi, der Aufseher des Küstenresorts.
      Jeantrons sonst so sonniges Gemüt, das sich fast schon permanent in einem Lächeln und einer ruhigen, gelassenen Aura spiegelte, war einem gereizten, genervten Ausdruck gewichen. Seine großen grünen Augen hatten sich zu Schlitzen verengt, während aus den Lautsprechern eine monotone Stimme unaufhörlich mit Vorschriften, Beschränkungen und Bestimmungen auf ihn einredete.

      Da Jean nicht so schnell aus der Ruhe zu bringen war, musste das schon eine ganze Weile so gehen, und der Typ machte keine Anstalten, mit seinen Ausführungen zum Ende zu kommen.
      „Wie ich bereits sagte, Herr Jeantron“, kam es in einem belehrenden Tonfall von der anderen Seite, „die Situation auf dem Festland hat sich weiter verschärft. Das gestörte Ökosystem und die Vorfälle durch aggressive Grellschnäbel erfordern drastische Maßnahmen.
      Es gelten Ausgangsbeschränkungen, und ich weise Sie eindringlich darauf hin, dass der Zugang zum Festland – einschließlich der Male-only-Clubs – nur noch über die Fähre möglich ist. Die letzte fährt um 23:00 Uhr.“
      Lee sah, wie Jeantrons Finger nervös an der Konsole trommelten.
      „Natürlich“ fuhr die Stimme unaufhörlich fort, „müssen auch Ihre Leute sich an die Quarantäneregeln halten. Fünf Tage absolute Isolation, während wir die Situation unter Kontrolle bringen. Das bedeutet, dass Ihr Schiff versiegelt bleibt und in dieser Zeit keinen Flugverkehr abwickelt. Sollten Sie oder jemand aus Ihrer Crew gegen diese Vorschriften verstoßen, wird dies als schwerwiegender Verstoß gegen die planetaren Regularien gewertet.“
      Jeantrons Augen weiteten sich leicht, aber er blieb still, während der Mann – Zanric Azulfi – weitersprach.
      „Zusätzlich rate ich Ihnen dringend, Ihre Aktivitäten auf das Resort zu beschränken. Sollten Sie das Festland betreten, sind Sie dazu verpflichtet, das Hauptquartier jederzeit über Ihre Bewegungen zu informieren. Es gibt einige Touristen, die spurlos verschwunden sind.
      Und denken Sie daran: Die Clubs sind ausschließlich für Menschen und einige davon nur für Männer. Keine Ausnahme.“
      Lee grinste leicht. Sie konnte den inneren Aufschrei von Jeantron förmlich spüren. Schikanen über Schikanen, als hätte dieser Kerl sich einen Spaß daraus gemacht, die Nerven des Gurus bis zum Äußersten zu strapazieren.
      Der Mann war so erfüllt von seiner Wichtigkeit und Ernsthaftigkeit, dass er vermutlich nicht einmal ahnte, mit welch gefährlichem Feuer er spielte, wenn es ihm gelang, Jeans Geduldsfaden zum Reißen zu bringen. Glücklicherweise hatte es inzwischen auch ZacVanDoom in die Zentrale geschafft. Lee registrierte amüsiert, dass Zac heute weniger wie frisch aus dem Ei gepellt wirkte als sonst.
      Er schien heute noch weniger Geduld mitgebracht zu haben als sein Guru und fiel dem Verwalter eher barsch ins Wort:
      „Ich möchte meinen Freund Hilver, Markgraf der Flüsternden Lande, sprechen. Sagen Sie ihm, dass Herzog ZacVanDoom ihn zu sprechen wünscht!“
      Lee zog die Augenbrauen hoch. Es kam nicht oft vor, dass Zac abseits offizieller Verpflichtungen den Duke heraushängen ließ.
      Zanric Azulfi wurde blasser und schnappte nach Luft. „Der Markgraf ist ein sehr beschäftigter Mann“, begann er, doch Zac ließ ihm keine Chance:
      „Das bin ich auch, trotzdem habe ich für meine Freunde Zeit, und das ist bei Hilver nicht anders. Ersparen Sie sich die Peinlichkeit, dass ich Sie übergehen muss.

      Stellen Sie mich durch.“ Zacs Ton blieb unnachgiebig.
      Nun war es der Verwalter, der kurz vorm Platzen war, aber er traute sich nicht, weiter mit dem Duke zu diskutieren.

      Nach einer kurzen Unterbrechung, während der Jeantron sichtbar seine Fassung und gute Laune wiederfand, erschien ein asketisches Gesicht mit kurzen blonden Haaren auf dem Bildschirm. Seine blauen Augen strahlten:
      „Zac, wie schön, dass du es geschafft hast, dir freizunehmen. Ich sage der Leitstelle Bescheid und nehme den nächsten Copter, um dich persönlich zu begrüßen.“ Alle schauten sich an, während der automatische Leitstrahl übernahm und das Schiff zum Landplatz führte.

      Zac reckte seine Schulter vor, woraufhin Jeantron anerkennend darauf tippte. „Lange hätte ich mich nicht zurückhalten können, dann wäre ich durch die Leitung gekrochen,“ sagte er zu Zac, wobei sein androgynes, weiches Äußeres eigentlich gar nicht zu den harschen Worten passte. „Man könnte ihn in dieser Form fast, aber auch nur fast, für harmlos halten. Hähä,“ dachte Lee.
      „Wänn man nicht mehrfach gerade in Niedrig-Magielevel-Simulationen gnadenlos draufgegangen wäre und wüsste, dass der Typ ein gnadenloser Trickser und Cheater ist. Er ist aber nicht där einzige där hier herumtrickst.“
      „Häy, main ehrenwärter Härzog, hast du uns eventuell noch etwas zu sagän bezüglich dieses Urlaubs?“ sprach sie, deutlich lauter als beabsichtigt, und beendete damit Zacs Bad im Ruhm des Augenblicks.
      Dieser tauschte einen schnellen Blick mit Jeantron und atmete tief ein. „Also steckt unser Herr Guru auch mit drin, wie könnte es auch anders sein,“ stellte Lee innerlich fest. „Wir unterhalten uns ausführlich nach der Landung,“ sagte Zac mit etwas gequälter Mine. „Erwin sollte in der Zwischenzeit aus den Informationen über die hiesige Fauna und Flora eine Art Dossier zusammengestellt haben.“ „Dossier? Wieso klingt das mähr und mähr nach Ärger statt nach Urlaub?“ dachte Lee Le Baal laut nach.
      „Wie schon gesagt, nach der Begrüßung durch meinen Freund Hilver machen wir ein Briefing, bei dem alle Fragen beantwortet werden, soweit es eine Antwort gibt.“ Wiederholte Zac seine Aussage mit einer kleinen Variation.
      Lee fragte sich, wie lange man Mitglied der Familie sein musste, damit die Alarmglocken gleich schrillten und nicht erst jetzt kurz vor der Landung auf einem Planeten, der offensichtlich seine eigenen Tücken hatte. Inzwischen war ihr jäh klar geworden, dass hinter diesem Urlaubsausflug viel mehr steckte, als sie anfangs wahrhaben wollte.
      Inzwischen konnte sie sogar die Alarmglocken außerhalb ihrer Gedankenwelt hören, was daran lag, dass sich ein Flugkörper mit hoher Geschwindigkeit dem auf dem Leitstrahl befindlichen Schiff näherte.
      Zac verzog das Gesicht und rief Zanric Azulfi an. Gelassen sagte er: „Mag ja sein, dass sie uns nicht mögen, aber uns deshalb abzuschießen, finde ich maßlos übertrieben.“
      Der Verwalter wurde noch bleicher und stammelte: „Das ist unmöglich.“ Doch er zeigte sich recht reaktionsschnell: „Verlassen Sie den Leitstrahl Richtung 0.67, die Flugsicherheit kümmert sich um das Problem.“
      Jeantron hatte bereits den Schild aktiviert und steuerte den Kreuzer in einer eleganten Wendung weg von dem Geschoss. Doch obwohl die „La Paloma 33“ stark beschleunigte, war absehbar, dass sie dem Flugkörper nicht entkommen würde. Dann jedoch tauchte ein weiteres Objekt auf, das sich der Rakete direkt entgegenwarf. Es passierte die „La Paloma 33“, und eine Explosion hinter ihnen verdeckte für kurze Zeit die Sicht nach hinten.
      Alle auf der Brücke sahen sich besorgt an, was aus dem kühnen Piloten geworden war. Doch dann erschien die Flugmaschine wieder auf der Ortung, und alle klatschten spontan. Aus den Lautsprechern erklang eine forsche Frauenstimme: „Hier spricht Sunja Calebshire von der Flugsicherung! Das irreguläre Objekt ist zerstört, damit ist die Krise beendet. Bitte begeben Sie sich wieder auf den Leitstrahl. Ich eskortiere Sie für den Rest des Weges.“
      Jeantron antwortete: „Vielen lieben Dank, Süße. Dank dir fühlen wir uns alle gut behütet.“ Ohne weitere Zwischenfälle landeten sie sicher auf dem Landedeck in der Nähe des Strandes.
      Als sie über die bordeigene Gangway das Schiff verließen, warteten unten bereits Hilver und sein Verwalter.
      Hilver wirkte todunglücklich, und von dem ehemals so forschen Verwalter war nur noch ein Häufchen Elend übrig. Hilvers asketisches Gesicht wirkte abgehärmt, wodurch er noch mehr an einen Wikinger erinnerte. Statt einer förmlichen Begrüßung umarmte er Zac: „Ich bin unendlich froh, euch alle heil und gesund hier zu sehen.“
      Zac winkte ab: „Dank Jeantron am Steuer und der tapferen Pilotin, die uns eskortierte, waren wir nie wirklich in Bedrängnis.“ Der blauhaarige, erstaunlich zierliche Verwalter neben ihm murmelte: „Ich werde den Vorfall gründlich untersuchen.“
      Während Hilver und Zac sich unterhielten, sah Jeantron auf die Uhr. „Wenn Sie mich entschuldigen würden,“ sagte er plötzlich, „ich habe noch ein wichtiges Treffen mit einer gewissen Flugsicherheitsbeamtin, die ich persönlich bedanken möchte.“
      Lee grinste und schlenderte zu ihm hinüber. „Oh? Wann hast du das dänn arrangiert, Guru?“ fragte sie mit einem belustigten Lächeln.
      Jeantron zwinkerte ihr zu. „Man muss Gelegenheiten erkennen, Lee. Und Sunja Calebshire scheint jemand zu sein, der Herausforderungen genauso liebt wie wir.“
      Kurze Zeit später traf Jeantron am Hangar auf Sunja. Sie stand entspannt neben ihrer Flugmaschine und sah ihm mit einem neugierigen Blick entgegen. „Ihr habt eine ziemliche Show geliefert da oben,“ sagte sie, als er sich näherte. „Nicht schlecht.“
      Jeantron lachte und verneigte sich leicht. „Ich muss gestehen, wir wären ohne deine Hilfe wohl ins Schwitzen geraten. Ich schulde dir was.“
      Sunja hob eine Augenbraue. „Schulden, hm? Nun, vielleicht kommen wir irgendwann darauf zurück.“ Sie lächelte verschmitzt und schüttelte seine Hand. „Bis dahin... genieße deinen Aufenthalt. Ich bin sicher, es wird nicht langweilig.“

      Als der Abend langsam über das Küstenresort hereinbrach, traf sich die gesamte Gruppe zu einem informellen Abendessen im Freien. Der Wind wehte sanft vom Meer her, und die Atmosphäre war überraschend friedlich – ganz anders als der hektische Anflug. Lee beobachtete die anderen und bemerkte, wie Jeantron und Sunja sich angeregt unterhielten, während Zac mit Hilver alte Geschichten austauschte.
      Doch tief in ihrem Inneren wusste Lee, dass die Ruhe trügerisch war. Der Vorfall mit der Rakete und die zunehmenden seltsamen Ereignisse auf dem Festland ließen ihre Gedanken nicht los. Dies war erst der Anfang – und sie würde bereit sein.
      Hilver hatte sich nicht lumpen lassen; jeder von ihnen hatte eine großzügig ausgestattete Hütte zur Verfügung und zusätzlich gab es noch ein geradezu riesiges Clubhaus.
      Da alle Gäste mit reichlich Gepäck angereist waren, benötigte man auch den reichlich vorhandenen Stauraum. Lee gratulierte sich selbst, last Minute einiges an Möbeln und Ausrüstung mitgeschleppt zu haben.
      Das Zentralgebäude war dem Thema entsprechend im Tiki-Stil eingerichtet. Lee hatte angesichts der Entwicklungen aber eher das Gefühl, dass eine Einsatzzentrale benötigt wurde. So wurde nach und nach das bunte Ambiente zunehmend mit allerlei technischen Requisiten durchsetzt. Der Landverwalter runzelte die Stirn, als ein großer, spinnenbeiniger Roboter auftauchte, der eine Palette mit einem großen Aggregat hinter sich herzog.
      „Ähm, ich möchte Sie alle darauf hinweisen, dass am Ende alles wieder in den Originalzustand versetzt werden muss, sonst können erhebliche Folgekosten anfallen“, sagte er pikiert.
      „Nur keine Sorge, das wird am Schluss alles wieder tippi toppi“, beruhigte ein gut gelaunter Erwin ihn.
      „Ich dänke, es wird so langsam Zeit für einige Erklärungen“, forderte Lee. „Was läuft hier?“
      Während alle im Kreis Platz auf den diversen Tiki-Stühlen und Sofas nahmen, bauten sich Erwin und Hilver in der Mitte auf.
      Die Tiki-Laternen spendeten warmes Licht, das im Kontrast zu dem grünlich-blauen Look der Geräte stand, die nach und nach im Raum aufgetaucht waren. Der Duft exotischer Blüten erfüllte die beginnende Nacht, während die einst friedliche Atmosphäre des Abends einer wachsenden Anspannung wich. Hilver begann zu sprechen:

      „Auf Kaliopis herrscht ein gleichmäßig mildes Klima. Dieser Planet ist schon seit sehr langer Zeit besiedelt, und selbst Ereignisse wie der Krieg gegen die KIs oder der IMPACT haben hier nur geringe Auswirkungen gehabt. Dass wir nach dem IMPACT als Low-Mana-Zone galten, kam dem Tourismus sogar zugute, denn in vielen Urlaubsparadiesen tauchten durch das Mana plötzlich veränderte magische Kreaturen auf, die eine unkalkulierbare Gefahr darstellten.
      Hier dagegen sind die am höchsten entwickelten Tiere die sogenannten Grellschnäbel. Diese kann man in ihrer Organisationsstruktur und Rolle am ehesten mit Pavianen anderer Planeten vergleichen. Sie leben vorwiegend von Früchten, sind jedoch Allesfresser, und waren bis vor Kurzem höchstens ein etwas aufdringlicher Touristenmagnet. Das hat sich jedoch plötzlich geändert. Immer wieder erleben wir Angriffe, die scheinbar aus dem Nichts kommen.
      Dank der Umsicht der Wildaufseher gab es zunächst keine Opfer, bis vor einer Woche, als eine ganze Horde in ein Festland-Resort einbrach und dort randalierte. Daraufhin haben wir alle Standorte im Dschungel geschlossen und die Safaris eingestellt. Schon vorher waren wir in Alarmbereitschaft, nachdem innerhalb des letzten Jahres mindestens zwölf Touristen verschwunden sind.
      Man sollte wissen,“ Hilver räusperte sich, „dass ein erheblicher Teil unserer Gäste menschliche Männer sind, die die Gesellschaft anderer Männer suchen.
      Viele andere Welten sind von den als Trashvampiren bekannten Verwandelten der Unterschicht der Vampire regelrecht überrannt. Diese lungern überall herum und belästigen die Leute. Hier ist das Problem teils durch Maßnahmen, aber auch durch den niedrigen Mana-Gehalt ziemlich eingedämmt.
      Im Gegenteil, einige der Verwandelten erholen sich hier von ihrem Blutdurst und können ganz normal als Menschen leben. Ähnliche Auswirkungen hat das auch auf vom Werwolf-Keim infizierte Personen, die hier symptomfrei leben können. Um die Identität derer zu schützen, die hier ein neues Leben oder einfach nur Spaß haben wollen, haben wir die Überwachung auf ein Minimum reduziert. Deshalb hat es ziemlich lange gedauert, herauszufinden, dass etwas nicht stimmt und die Leute nicht einfach nur untergetaucht sind. Für uns in dieser heiklen Situation wäre es eine Katastrophe, wenn der Tourismus zusammenbricht.
      Aus diesem Grund habe ich Zac gebeten, falls er etwas von seiner kostbaren Zeit erübrigen kann, diskrete Ermittlungen durchzuführen.
      Als ehemaliger Kopfgeldjäger hat er einfach mehr Ahnung und Erfahrung als meine Polizeikräfte vor Ort.“
      Lee schmunzelte bei der Erwähnung von Zac und dachte sich: „Diskret? Hähähä, das wird ain Spaß. Zac ist kein Mensch für leise Ermittlungen.“ Sie wusste, dass Zac ein energischer Jäger war, aber seine Methoden sorgten meistens für Aufsehen.
      Nach ihm trat Erwin vor die Gruppe, diesmal mit einem ernsteren Ausdruck. „Bevor wir uns den anderen Kreaturen widmen, möchte ich auf eine der drängendsten Herausforderungen eingehen, denen wir hier auf Kaliopis gegenüberstehen: die Grellschnäbel.“
      Er warf einen Blick zu Hilver, der stumm nickte, bevor er fortfuhr: „Die Grellschnäbel sind keine gewöhnlichen Tiere. Obwohl sie farbenfrohes Gefieder besitzen und auf den ersten Blick harmlos erscheinen mögen, haben sie in letzter Zeit vermehrt für Probleme gesorgt. Ursprünglich waren sie hauptsächlich für Touristen interessant – große, auffällige Kreaturen, die man in freier Natur beobachten konnte.
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      Sie sind etwa zwei bis drei Meter groß, Affen und zugleich Papageienähnlich, und können trotz ihrer enormen Größe kurze Strecken gleiten, aber nicht fliegen. Ihr Markenzeichen ist der Schnabel mit kräftigen Zähnen. Diese Tiere leben normalerweise in den Bäumen und ernähren sich von Früchten, aber auch von Insekten, kleineren Säugetieren und gelegentlich Aas.“
      Erwin deutete auf ein Bild der Grellschnäbel, das jetzt auf einer Leinwand erschien. Es zeigte die massiven Tiere, wie sie auf Ästen balancierten und durch die Bäume glitten. „Sie sind hochintelligent und haben eine soziale Struktur, die man mit Pavianen vergleichen kann.“
      „Doch die Grellschnäbel haben auch natürliche Feinde. In den Flüsternden Landen gibt es große Echsen – Raubtiere, die in ihrer Erscheinung an Dinosaurier erinnern. Diese Kreaturen, die wir Tyridrak nennen, sind mächtige und bedrohliche Jäger, die die Dschungel durchstreifen und die Grellschnäbel zu ihrer Beute zählen.“
      „Neben den Grellschnäbeln gibt es eine verwandte Spezies, die ebenfalls eher an Schnabeltiere auf der Erde erinnert.
      Diese Kreaturen, die Plios genannt werden, sind hervorragend an das Leben im Wasser und an Land angepasst. Ihre ökologischen Nischen ähneln denen von Pinguinen. Sie bewohnen die Küstenregionen und Übergangsbereiche zwischen Land und Wasser.
      Der Körperbau der Plios ist stromlinienförmig, was ihnen ermöglicht, im Wasser schnell und wendig zu sein an Land sind sie dagegen eher unbeholfen“


      Erwin wechselte das Bild. „Neben den Plios gibt es noch eine andere bedeutende Spezies im Ökosystem von Kaliopis – die Thalrins. Diese robbenähnlichen Kreaturen haben einen ähnlichen Platz im Ökosystem wie Robben auf der Erde, allerdings mit ein paar Unterschieden. Sie haben für Meerestier verhältnismäßig kräftige paddelartigen Gliedmaßen und sind daher hervorragend sowohl an das Leben im Wasser als auch am Ufer angepasst.“
      Auf der Leinwand erschien ein Bild der Thalrins, die an einer felsigen Küste lagen. Ihre Haut schimmerte in bläulich-grünen Tönen, perfekt an ihre Umgebung angepasst.
      „Ihre Gliedmaßen helfen ihnen, sowohl zu schwimmen als auch sich an Land zu bewegen. Sie sind jedoch nicht nur harmlose Fischfresser – sie können auch aggressiv werden, vor allem, wenn sie ihre Jungen verteidigen.“
      Erwin lächelte leicht und fügte hinzu: „In den Küstengewässern haben sie kaum natürliche Feinde, abgesehen von den Grimklaws – Quastenflosser ähnlichen Raubtieren, die mit ihren scharfen Klauen und Zähnen den Thalrins gefährlich werden können.“

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      Lee murmelte mit einem sarkastischen Lächeln: „Sieht so aus, als müsste man hier ständig auf där Hut sain.“
      „Das ist korrekt,“ bestätigte Erwin. „Die Tierwelt auf Kaliopis ist faszinierend, aber man sollte sie niemals unterschätzen.“
      „Bei däm ganzen Getier ist es kaum verwundärlich, wenn sich der eine odär andere Tourist seinen Darwin Award abholt, hähäh.“
      Die meisten Anwesenden blickten verwirrt, während Jeantron vor Lachen fast aus seinem Stuhl kippte.
      Zac erklärte: „Das ist ein alter Begriff für Leute, die durch unfassbar dumme Aktionen meistens ihr Leben verloren haben, sodass sie sich nicht fortpflanzen konnten und somit aus dem Genpool verschwanden. Diese erhielten oft posthum den Darwin Award.“
      Zanric Azulfi wirkte erschüttert: „Einen Preis dafür, dass man durch eine dumme Aktion sein Leben verliert... Ich könnte mir heute sogar einige Häuser vorstellen, die zu so etwas fähig wären. Trotzdem ist es eine schreckliche Vorstellung. Leider haben sie im Kern nicht völlig unrecht. Durch dumme und unüberlegte Aktionen ist es auch schon zu Todesfällen gekommen. Aber auch in diesen Fällen findet man meist Spuren. Erst recht an Land, aber auch bei Unfällen auf See findet man oftmals Körperteile. Von den Verschollenen hat man nichts! Dadurch ist es schwer nachvollziehbar, was passiert sein soll.

      Dass sich eine Rakete aus unserem automatischen Abwehrsystem selbstständig macht und beinahe das Raumschiff eines VIP-Gastes abschießt, ist eine neue Eskalationsstufe bei diesen beunruhigenden Vorkommnissen.“
      Hilver legte eine Hand auf die Schulter seines Verwalters, dessen Stimme immer hysterischer geklungen hatte. „Ich erteile hiermit den Mitgliedern der JTG vollen Zugang zu den Aufzeichnungen und Unterlagen. Zanric, du wirst sie nach bestem Wissen und Gewissen unterstützen, und euch bitte ich, mir und meinem Haus zu helfen, unsere Welt wieder sicher zu machen.“
      „So viel also zu diesem Thema, wir läben waiterhin in interessanten Zaiten“ dachte Lee resignierend.
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      Kommentar


        #4
        Kampanie

        (Tief in der Vergangenheit denkt Dimitri Tronical der ersten Stunde und Chronist der JTG , an seinem Werdegang als Teil des Hauses)

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ID: 4645547 Dimitri schaute hinunter auf den Planeten. Da er in einer Navigator-Kapsel saß und direkt mit dem Highliner verbunden war, konnte er sowohl durch die zahlreichen Optiken des Schiffes als auch durch die Drohnen und Begleitschiffe blicken. Was einen normalen Menschen bei weitem überfordert hätte, war für einen erfahrenen Navigator wie ihn nicht nur eine Selbstverständlichkeit, sondern auch Teil seines Lebensgefühls.

        Im Moment war dieses jedoch von Unbehagen und Grauen durchzogen. Der Grund dafür war das, was er gemeinsam mit fünf weiteren Highlinern hier angerichtet hatte.
        Wie hatte es so weit kommen können?

        Als er zum ersten Mal das Gefühl verspürte, das unter den Tronicals, den Jüngern Jeantrons, als der sogenannte „RUF“ bezeichnet wurde, war dies der Beginn eines Lebens, das ihn komplett aus seiner bisherigen, relativ behüteten Welt im Inneren des Imperiums herausgerissen hatte. Es war der Beginn seiner Entwicklung von einem Planetenbewohner zu einem Skycitizen, der zwischen den weit entfernten Welten des Universums hin- und herreiste.
        Da er einer der Ersten war, die dem RUF gefolgt waren, erlebte er noch die wilden Zeiten, als die JTG (Jeantron-Gilde) als winzige Familie ihren Lebensunterhalt mit Schmuggel und Kopfgeldjagd verdiente. Er hatte noch Tani gekannt, die beeindruckende KI an der Seite des Cybergurus. Es war ebenso gruselig wie beruhigend, sie auf seiner Seite zu wissen. Er hatte zu ZacVanDoom aufgeblickt, dem ebenso charismatischen wie ehrgeizigen Dämon, der seine gesamte Existenz der Familie widmete.
        Was hatten sie für Abenteuer erlebt und wie viel Geld gescheffelt! Er hätte sich schon als junger Mann zur Ruhe setzen können, doch die Lehren Jeantrons und die Faszination, tiefer und tiefer in die Geheimnisse dieser Welt vorzudringen, hatten ihn stets motiviert, weiterzumachen.


        Als dann Tani mit der Transworb One den ersten JTG-Highliner vorstellte, begann ein völlig neues Zeitalter. Schon zuvor verfügte die Familie mit der Battlesphere und Tanis schwerem Kreuzer über sehr große Schiffe für eine so kleine Organisation.
        Zac erhielt das Lehen Eagle Rise und durfte sich fortan Skyduke nennen. Doch das reichte ihm bei weitem nicht; sein Ziel war es, ein Machtfaktor innerhalb der imperialen Flotte zu werden. So wurden die Aufträge, die er von der Imperatrix erhielt, immer umfangreicher und heikler.
        Die wachsende Bedeutung der JTG war jedoch bald mächtigen Kräften ein Dorn im Auge, und diese blieben nicht untätig. Tani fiel einer Intrige der imperialen Inquisition, einer Abteilung zur Bekämpfung von KIs, zum Opfer.

        Ihr heroischer Tod riss zwar die meisten ihrer Gegner mit ins Grab, hätte aber auch das Ende des Hauses bedeuten können, da sie der Kopf hinter den meisten technischen Errungenschaften der Familie war.
        Die großzügigen Entschädigungen, die Zac herausschlagen konnte, änderten daran zunächst nichts.

        Erst als sich Timy, Cyberspin-kompatibler Humanoider, der Familie anschloss, ging es technologisch wieder vorwärts. Während Zac und Jeantron es schafften, einen offiziellen Status als Wasserhändler auf Alraxis durchzusetzen und einen Einheimischen als Verwalter anwarben, erschuf Timy eine komplett neue JTG-Infrastruktur.


        So hatte die Familie plötzlich eine eigene Raumstation, an der die ersten, noch unbewaffneten Duncens andocken konnten. Mit dem ersten Blueship, dem Tarnkreuzer Hasimir, stand der JTG eines der ersten Begleitschiffe aus eigener Produktion zur Verfügung. Dem folgten bald Shuttles und weitere Eigenkreationen. Auch die Highliner unterlagen einer ständigen Evolution. Solche Schiffe flog man nicht, man war das Schiff.
        Alle Sinne, der Körper, der Geist – sie verschmelzen mit den Sensoren des Schiffes. Zusammen mit der Fähigkeit, den Hyperraum zu durchqueren, ergibt das eine einzigartige Erfahrung, die Welt wahrzunehmen. Schon nach kurzer Zeit hört man auf, sich als Teil der normalen Menschheit zu betrachten. Es ist wie ein evolutionärer Sprung, sowohl geistig als auch körperlich.
        Außerhalb der Kammer fühlt man sich stets unvollständig, als ob einem ein Teil der Sinne abhandengekommen wäre. Geld, Karriere, Besitz – all diese Dinge, die für normale Menschen so wichtig scheinen, werden zu Nichtigkeiten angesichts solcher Erfahrungen.
        So kann man schon einmal bestimmte Bedrohungen nicht mehr richtig wahrnehmen, wie zum Beispiel die nach wie vor existierenden Gefahren durch die Raumgilde. In diesem speziellen Fall war es Aiden Horizon, einer ihrer Navigatoren, der mit einem der größten Gildenschiffe Jagd auf die Highliner der JTG machte.




        Dimitri war dabei gewesen, als der sonst immer so sorglose und fröhliche Jeantron aus einer Besprechung gestürmt war, in der es um die Zerstörung zweier unbewaffneter JTG-Highliner und den Tod ihrer Navigatoren und Besatzungen ging. Während Zac und Timy noch über taktische Möglichkeiten und politische Lösungen debattierten, war Jeantron aufgesprungen und hatte mit funkensprühenden Augen geschrien: „Schluss! Schluss damit! Ich mache dem sofort ein Ende! Das hätte ich schon längst tun sollen!“ Und weg war er. Wow! Wir haben uns alle ziemlich verdattert angeschaut.
        Zum einen war Jeantron zwar schon zuweilen recht sprunghaft, aber ihn so ausflippen zu sehen, das war mal was anderes. Zum anderen: Was dachte er, was er gegen Aiden Horizon und seinen Riesenkasten ausrichten könnte?
        Nicht einmal Zacs gewaltige Tolstoi hätte eine Chance gegen den monströsen „ASTRUM Dominus“.

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        Das surrende, stampfende Geräusch eines JTG-Hypergenerators ließ die Atmosphäre vibrieren. Wir stürzten zu den Fenstern.
        In einiger Entfernung ragte der Turm des neuen Testschiffes auf, das unter dem Namen „Duncen 32“ einen neuen Ansatz beim Bau von Highlinern verfolgte. Es war mit achthundert Metern Höhe erheblich kleiner und leichter als die Schiffe, die wir bisher verwendeten.
        Die Steuerung war konventionell – der Pilot hatte eine Steuerkonsole anstelle einer Kapsel. Das Hyperradar war eine Neukonstruktion, und das Schiff war mit einem Geschütz ausgestattet, dessen Rohrinnendurchmesser einen Meter betrug. Es konnte Plasmageschosse mit bis zu einer Tonne Masse verschießen, die ein Zehntel der Lichtgeschwindigkeit erreichten. Damit war es eine der verheerendsten Waffen, die das Haus je besessen hatte.
        Das Konzept hatte jedoch aufgrund des enormen Energieverbrauchs seine Tücken. Letztlich musste der Hypergenerator die gesamte Energie liefern. Zwar waren die riesigen Aggregate dazu in der Lage, aber sie mussten vorher aufgeladen werden – mit konventionellen Energiequellen war das nicht zu stemmen.
        Momentan wurde testweise ein sogenannter Kaltfusionsreaktor verwendet.





        Auch wenn der neue Highliner sehr elegant wirkte, war das Gesamtkonzept noch sehr fehleranfällig. Besonders das Umschalten zwischen Waffen- und Antriebsmodus barg die Gefahr, dass die Hyperblase außer Kontrolle geriet, was zu einer Art Mikro-Schwarzes-Loch oder einem unkontrollierbaren Wurmloch führen konnte.
        Unnötig zu sagen, dass beides das Ende des Schiffes und verheerende Auswirkungen auf die Umgebung zur Folge gehabt hätte.

        Allein schon die Tatsache, dass dieses Monster nicht in einer fernen Weltraumwerft, sondern hier auf dem Planeten gebaut wurde, war eine Sicherheitskatastrophe. Aber natürlich war der Innenausbau hier unten einfacher durchzuführen. Man konnte die Komponenten leichter ein- und ausbauen, ohne sie mit Transportraumern herbeischaffen zu müssen.
        Jetzt erhob sich das Konstrukt in den Himmel. Obwohl es nur ein Mini-Duncen war, wirkte es wie ein fliegender Berg.
        Wir sahen uns alle entsetzt an, dann rannte jeder, um das nächste verfügbare Schiff oder Shuttle zu erreichen.

        Zum Glück konnten wir die Spur unseres außer Kontrolle geratenen Gurus verfolgen, doch es dauerte eine Weile, bis wir den Brennpunkt seiner Aktivitäten erreichten.
        Was sich uns dort bot, war ein denkwürdiges Bild: Die feindliche Basis war apokalyptisch groß, und Schwärme von Begleitschiffen umkreisten den Giganten. Doch Jeans Schiff war nirgends zu sehen. Waren wir zu spät?



        Wir orteten eine Trümmerwolke, die sich von der „ASTRUM Dominus“ entfernte, aber ihre Masse reichte nicht für einen Highliner.
        Dann gab es an der Vorderseite einen Blitz, wie bei einem Vulkanausbruch oder einem Flare, dicht neben dem ersten Loch im Rumpf. Es war vollkommen verrückt, aber es wurde tatsächlich von innen nach außen geschossen. Selbst in einem derart gigantischen Schiff sollte es jedoch keinen Platz für einen 800 Meter langen Highliner geben – geschweige denn eine Öffnung, durch die er hätte hineinkommen können.
        Zac sprach das Unfassbare aus, das wir alle dachten, aber nicht ignorieren konnten: „Jeantron... Er ist da drin.“

        Als altgediente Tronical gewöhnt man sich daran, dass „Jeantron“ und „unmöglich“ nicht zusammenpassen. Immer wieder hatte er uns mit Aktionen überrascht, die selbst in einer Welt voller Magie die Gesetze der Natur außer Kraft setzten. Aber mit dem „Duncen 32“ in die „ASTRUM Dominus“ zu springen und dort drinnen eine kaum getestete, wahrscheinlich schon beschädigte Waffe abzufeuern, schrieb ein neues Kapitel dieser Geschichte.
        Zac schloss die Augen und atmete tief ein. Als er sie wieder öffnete, wussten bereits alle, was er sagen würde – obwohl es uns wahrscheinlich das Leben kosten würde: „Wir müssen zu ihm!“


        Das war ebenso klar wie unmöglich. Es war schon ein Wunder, dass wir es so nahe an die „ASTRUM Dominus“ geschafft hatten. Das Gildenschiff war schwer bewaffnet und wurde von Hunderten Begleitschiffen umschwärmt. Doch diese hatten anscheinend eigene Sorgen und kümmerten sich nicht um ein paar kleine Kreuzer wie uns.
        Im Moment tauchten jede Minute unzählige Rettungskapseln und schwer beschädigte Schiffe auf, was für ein riesiges Chaos sorgte. Niemand konnte sich vorstellen, wie es drinnen aussah, aber nach dem Abfeuern einer solchen Waffe konnte es nur die Hölle sein. Und wir wollten hinein – zu dem Wahnsinnigen, der all das entfesselt hatte.
        Timy kümmerte sich um die elektronische Maskierung, während einige Drohnen die JTG-Insignien mit Folien überdeckten, die selbst im All haften. Dann mischten wir uns dreist unter die andockenden Schiffe, die in den verschiedenen Sektoren Hilfe leisteten. In dem Chaos hatte niemand Zeit, unsere Codes zu überprüfen.
        Da in einigen Räumen Druckverlust herrschte, war es nicht ungewöhnlich, dass wir in geschlossenen Raumanzügen unterwegs waren. Timy suchte so schnell wie möglich nach einer Schnittstelle zum Schiffsnetzwerk, um Jeantron zu orten.



        Wie erwartet war das Netzwerk stark beeinträchtigt, und ganze Sektoren lieferten keine Daten mehr. Letztlich war es einfacher als gedacht: Die meisten Truppen strömten in Richtung der dunklen Schiffsteile, doch auf einigen Monitoren sahen wir Soldaten, die um ihr Leben rannten, bevor die Übertragung abriss.
        Es gab nur wenige Dinge, die schwer bewaffnete Truppen in Panik versetzen konnten. Doch was auch immer es war – es jagte ihnen eine Heidenangst ein und war wahrscheinlich ein extrem wütender Cyberguru in seiner Insektoiden Kampfrüstung mit glühenden Plasmabrennern an tentakelartigen Zusatzarmen.
        Timy loggte sich aus, nicht ohne zuvor einige Sektoren lahmzulegen, die eigentlich nicht betroffen waren, und die Übertragungen der fliehenden Truppen auf andere Monitore umzuleiten, um noch mehr Verwirrung zu stiften. Gleichzeitig nahm ZacVanDoom Kontakt zu anderen JTG-Kommandos auf, die ebenfalls eingedrungen waren, und koordinierte ihre Vorstöße. Danach drangen er, Timy und einige Kämpfer weiter vor, während ich mit einigen Kampfmaschinen zurückblieb, um den Einstieg zu sichern.
        Die Zeit zog sich wie Kaugummi, während Vibrationen durch das Schiff liefen – ein unübliches Phänomen für ein Objekt dieser Größe. Draußen wurde die Situation zunehmend kritischer, da jemand auf die Idee gekommen war, Einheiten aus unbetroffenen Sektoren hierher zu schicken, um nach dem Rechten zu sehen.
        Unsere Truppen verwickelten sie in Scharmützel, um sie von den angedockten Schiffen abzulenken. Diese Hinhaltetaktik hatte jedoch ihre Grenzen, und auch drinnen kam es bereits zu Zusammenstößen.
        Obwohl viele über die mit Ketten und Armgeschützen ausgestatteten JTG-Kampfmaschinen lachten, erwiesen sie sich als robust und verlässlich. Außerdem waren unsere Maschinenmenschen furchtlos und absolut loyal – etwas, das man in solchen Situationen zu schätzen wusste.
        Trotzdem wurde der Boden allmählich zu heiß unter den Füßen, und es wurde noch heißer, als ein hektisch verschwitzt aussehender ZacVanDoom sich meldete und mit Panik rief: „Weg hier! Macht das Schiff abflugbereit, wir müssen sofort weg!“
        ZacVanDoom in Panik – ja, das war eine Eskalationsstufe, die man eigentlich nicht erleben wollte. Draußen hatten sich die Scharmützel mittlerweile zu einem regelrechten Gefecht ausgeweitet, bei dem das Haus der Skycitizen angesichts der überwältigenden Übermacht der Feinde kaum eine Chance hatte. Nur der robuste Bau der mit Schilden ausgestatteten JTG-Schiffen und das zunehmend chaotische Geschehen um den riesigen Highliner herum verhinderten einen Totalausfall für JTG. Obwohl Zac und seine Truppen so schnell wie möglich zurückkehrten, zog sich die Zeit in die Länge.


        Inzwischen versuchten die Befehlshaber des Gildenhigliner die fliehenden Kampfeinheiten, in ruhigere Sektoren umzuleiten, was die ohnehin schlechte Lage für die JTG-Einheiten noch verschlimmerte, da sich dadurch ihre Deckung aus planlosen Feindlichen Schiffen und Fluchtkapseln auflöste.
        Dann tauchte der Skyduke auf und raste wortlos an mir vorbei. Ich beeilte mich, ihm zu folgen und die Luken zu schließen. Ich fragte mich zwar, wo Jeantron abgeblieben sei, aber das war im Moment nebensächlich. Ich überließ den Maschinenmenschen die Versiegelung der Schleuse und machte mich auf den Weg zur Kommandozentrale. Dort erlebte ich, wie ein ungeduldiger ZacVanDoom den Piloten wie eine Katze am Schlafittchen packte, ihn aus dem Sessel zog und selbst das Steuer übernahm. Der Pilot blickte verdattert, dann weiteten sich seine Augen, als er sah, mit welchen Werten Zac inmitten von Trümmerteilen, Rettungskapseln und Kampfschiffen, die auf unser Schiff feuerten, beschleunigte. Dabei schrie er ununterbrochen über Funk: „Sofortiger Rückzug! Holt alles aus euren Kisten raus, was drin ist – hier gibt es gleich den Urknall!“
        „Ui“, dachte ich, „großes Schiff, großer Energieerzeuger, möglicherweise eine Antimaterievorratskammer. Das erklärt einiges.“ Ich blickte auf die Monitore, die den Gilden-Highliner hinter uns zeigten. Das Ding war wirklich gewaltig, beinahe schon ein kleiner Planetoid.

        Über ihm erschien etwas, das ich noch nie gesehen hatte: Es sah aus wie ein schwarzes Auge, sichtbar nur durch die Blitze, die wie gierige Rüssel durch den Raum tasteten. Diese Tornados aus Energie griffen nach allem, was ihnen nahekam, und lösten es auf, während sie an Kraft gewannen.
        Der Anblick war schrecklich und majestätisch zugleich. Sie durchdrangen die massiven Panzerungen der „ASTRUM Dominus“ als wäre sie morsches Holz, und die Blitze wurden rasend schnell heller und stärker, sodass ich trotz der Filter den Blick abwenden musste.
        Als der erste grelle Blitz verschwand, war der gesamte Riesenraumer von einem Geflecht aus tentakelartigen Erscheinungen umgeben, die sich auf alles in der Nähe ausbreiteten. Trümmer, Raumschiffe, sogar Besatzungen wurden von diesem tödlichen Phänomen erfasst. Leider waren auch wir trotz der wahnwitzigen Beschleunigung noch zu nah dran. Zac löste das Sprungtriebwerk aus, doch anstatt uns in Sicherheit zu bringen, zog der Vorgang dieses blitzende Unheil wie ein Magnet an. Die Tentakel rasten auf uns zu, erreichten uns und… ENDE.
        Einen Moment später wiederholte sich die Szene. Der Riesenraumer war erneut von Tentakeln umgeben, doch diesmal legte Jeantron – wo zum Geier kam der auf einmal her?! – Zac die Hand auf die Schulter: „Lass es, Sweet. Wir müssen es ohne Jump schaffen.“ Er schaltete auf Rundumkommunikation: „An alle Einheiten, entfernt euch mit maximalem Schub auf den Vektoren 3.8, 5.6 oder 8.9 von der DOMINUS.
        Benutzt NICHT die Sprungtriebwerke! Ich wiederhole: keine Jumps versuchen! Viel Glück!“
        Die gierigen Tentakel griffen nach der „Underdog“, die unter Zacs Steuerung hin und hergeworfen wurde, während sich der Abstand stetig vergrößerte. Irgendwann erstrahlte hinter uns eine regelrechte Nova, bevor es wieder dunkel wurde. Dimitri wurde es bei dem Gedanken an den Vorfall nachträglich heiß und kalt.
        Der Vorfall hatte große Auswirkungen. Die Raumgilde beteuerte, dass Gildennavigator Aiden Horizon ausschließlich auf eigene Faust gehandelt hätte, und gewährte dem Haus umfangreiche Transportrechte. Die Piloten der JTG durften offiziell den der Raumgilde vorbehaltenen Titel „NAVIGATOR“ führen. Außerdem wurden die JTG-Highliner nicht nur mit Shuttles und Drohnen bewaffnet, sondern auch mit Geschützen, die bis in die Atmosphäre von Planeten reichten.
        Skyduke ZacVanDoom ließ regelmäßig Manöver abhalten, um deren Koordination zu trainieren und zu perfektionieren.
        Das war zunächst durchaus vorteilhaft, denn – wer hätte es anders erwartet – nicht alle waren von dem neuen Player im Transport- und insbesondere im Wassermarkt begeistert.
        In der EXO-Domäne, wo meist das Faustrecht des Stärkeren galt, erwies sich eine solche Vorgehensweise zunehmend als unerlässlich, denn es gab durchaus Versuche, die Dinge auf eine eher hemdsärmelige Art zu regeln, wie zum Beispiel mittels inszenierter Piratenangriffe.
        Daher waren ein militärisches Training und eine gute Bewaffnung notwendig. Trotzdem sind die Scylords eine sehr unabhängige und heterogene Gruppe, und bereits zu diesem Zeitpunkt wurden erste Bedenken laut, wohin diese Entwicklung eines Tages führen könnte.
        Eines Tages beriefen ZacVanDoom und Jeantron eine Versammlung ein, bei der es im Kern um eine Bedrohung neuen Typs ging. Diese Bedrohung hatte das Potenzial, das Imperium, wie wir es kannten, für immer und auf eine irreversible Weise zu verändern. Selbst wenn es nicht vollständig zerstört würde, wäre hinterher nichts mehr wie zuvor.
        Die sonst so tatkräftigen und nicht gerade zimperlichen imperialen Behörden waren aufgrund der besonderen Natur dieser Bedrohung machtlos. Abgesehen von etwas logistischer oder materieller Unterstützung würde es von dieser Seite nicht viel geben.
        Das Problem war, dass die imperialen Einheiten erst dann eingreifen konnten, wenn die Bedrohung offensichtlich war – was bedeuten würde, dass es bereits zu spät wäre. Es ging um eine Droge, die zunächst als harmloses Genussmittel erschien, aber sich später als viel gefährlicher herausstellte. Sie veränderte nicht nur das Bewusstsein der Betroffenen, sondern zerstörte ihre Persönlichkeit vollständig, machte sie zu Sklaven der Droge – und am Ende verwandelte sie sogar ihren Körper in die Droge selbst.
        In der EXO-Domäne standen bereits ganze Systeme unter der Kontrolle der Droge, und nun bestand die Gefahr, dass dieses Gift auch ins Imperium übergreifen würde. Sobald es einmal freigesetzt war, ließ sich die Verbreitung nicht mehr aufhalten. Selbst die härtesten Maßnahmen kämen zu spät, und es bestand die Möglichkeit, dass das Imperium entweder zerfallen oder sich in eine Diktatur verwandeln könnte.
        Der Entschluss, mit allen Mitteln dagegen vorzugehen, fiel nahezu einhellig, doch war sicherlich nicht allen klar, worauf dies hinauslaufen würde.
        Schon die erste Schlacht über dem Planeten der Dela Ross zeigte, wohin die Reise gehen sollte. Militärisch erreichte die JTG-Familie einen überragenden Erfolg und vernichtete den Feind vollständig.
        In der Praxis jedoch war es ein brutales Gemetzel, bei dem sich die waffentechnische Überlegenheit der neu entwickelten JTG-Technik deutlich zeigte. Dimitri dachte daran, wie leicht es den Skylords gefallen war, auf absolute Gnadenlosigkeit umzuschalten und selbst fliehende, geschlagene Feinde zu vernichten.
        ZacVanDoom erwies sich sowohl als überragender Stratege als auch als gewiefter Taktiker. Dank der vorherigen Manöver und der mentalen Einweisung durch den Cyberguru funktionierten die eigentlich zivilen Einheiten wie eine gut geölte Todesmaschinerie.

        Denn der eigentliche Zweck dieser Kampagne war nicht die Hilfe für die Opfer und Betroffenen, sondern deren Auslöschung. Klar, diese Leute waren Teil – oder genauer gesagt das eigentliche Problem – da sie ihre Sucht aktiv wie eine Seuche verbreiteten.
        Natürlich steckten zu Beginn auch wirtschaftliche Interessen dahinter, doch irgendwann spielte das keine Rolle mehr, denn die Droge übernahm die Kontrolle. Zunächst subtil, am Ende jedoch glichen die Leute mental eher ferngesteuerten Zombies. Am ekelerregendsten war der Moment, wenn die Zellen des Körpers so von der Droge übersättigt waren, dass der Stoff aus den Körperöffnungen quoll. Insofern war es nicht ganz falsch, von "Erlösung" zu sprechen. Doch was war mit denen, die immun oder auf der Flucht vor den Infizierten waren?
        Zunächst hatten sie spezielle, versiegelte Container, in denen Aufgegriffene zu einem Komplex auf einem Asteroiden gebracht wurden. Doch eines Tages registrierten Sensoren einen Bruch der Quarantäne – die Droge hatte tatsächlich den Weg in die Einrichtung gefunden. Tragischerweise stellten die Flüchtenden fest, dass die Fluchtraumschiffe Attrappen waren und die Fluchtkapseln direkt in die Sonne flogen, um die der Asteroid kreiste.
        Damit endeten die humanitären Bemühungen der Mohar jäh. Das Risiko, trotz aller Bemühungen zu scheitern, war einfach zu hoch.

        Und trotzdem… Dimitri schaute hinunter auf den von den Einschlägen der Plasmakanonen verwüsteten Planeten. „Warum gerade wir?“ Gleich darauf schämte er sich ein wenig für seine Scheinheiligkeit, denn für einen Jünger Jeantrons war eine solche Frage schlicht unwürdig. Man musste sich nur die Fakten vor Augen führen: Ihr Hiersein hatte wenig mit Zufällen zu tun, sondern viel mit dem bisherigen Weg des Hauses und den Entscheidungen, die die Führung der JTG getroffen hatte.
        Im Prinzip waren für solche Dinge spezielle Abteilungen des Imperiums zuständig. Dass die Imperatrix in diesem Fall ein kleines Haus mit dieser Angelegenheit beauftragt hatte, war eine Botschaft an sich. Eine weitere Botschaft war, dass ZacVanDoom und Jeantron sich entschlossen hatten, diese ungewöhnlich brutale Kampagne anzunehmen und vor allem ihre Skylords mit hineinzuziehen.
        Vor allem der Guru würde solche Grausamkeiten nur zulassen, um seinen Jüngern eine eindringliche Lektion in Achtsamkeit zu erteilen.
        Dimitri öffnete seinen Geist, wie er es in den Lektionen gelernt hatte. Seine Gedanken trieben frei und ohne Wertung durch sein Bewusstsein. Weshalb war es so weit gekommen? Die Ursache, warum die Droge einen Planeten übernehmen konnte, lag in der menschlichen Natur. Natürlich unterlag die Einfuhr unbekannter Substanzen auch hier strengen Restriktionen. Aber bei einem zunächst harmlosen Genussmittel hatte sicher der eine oder andere Beauftragte ein Auge zugedrückt.
        Sei es für einen guten Bekannten, als Gefallen für einen Verwandten, oder vielleicht gegen eine kleine Belohnung – hoch genug, um die Bedenken zu überwinden, klein genug, um es vor dem eigenen Gewissen nicht als Bestechung zu werten.
        Bald wurde die Droge „unter dem Siegel der Verschwiegenheit“ an gute Bekannte, Freunde und innerhalb der Familie als Leckerei weiterverbreitet. Obwohl es keine Freigabe gab, wurde die Einfuhr immer routinierter.
        Durch die Menge an einflussreichen Konsumenten entstand Druck auf die Behörden, eine Teilfreigabe zu gewähren, sodass man die Droge offiziell importieren und auf eigene Gefahr konsumieren durfte. Zu diesem Zeitpunkt waren die Dämme bereits gebrochen, und die Droge erreichte die Mitte der Gesellschaft.
        Als die Behörden schließlich feststellten, dass der langfristige Konsum zu Persönlichkeitsveränderungen und einer wachsenden Abhängigkeit führte, war es bereits zu spät. Importbeschränkungen führten zur Verknappung, was die Preise in die Höhe trieb – ein gefundenes Fressen für die kriminellen Elemente. Alte und neue Strukturen stiegen in das Geschäft mit der neuen Droge ein – zunächst aus reinem Profitstreben, doch bald wurde sie Teil des Systems, das sie selbst nährte.


        Dimitri musste zugeben, dass auch Skylords als mögliche Transporteure in Betracht gezogen werden konnten. Kein vernünftiger Händler würde sich solch ein lukratives Zusatzgeschäft entgehen lassen. Nicht nur einmal hatten er und andere Mitglieder des Hauses geholfen, unsinnige Beschränkungen zu umgehen – und das lange, bevor das Haus über eigene Highliner verfügte. Schmuggel war im Prinzip eines der wirtschaftlichen Standbeine, die das Haus reich gemacht hatten.
        Dimitri atmete tief ein und aus, um keine wertenden Gedanken aufkommen zu lassen. Hatte die Familie in diesem Bereich operiert? Die Antwort darauf war ein klares Ja!
        Seit der Einführung der Highliner war der Handel in den Randbereichen des Imperiums und in der EXO-DOMÄNE ein fester Bestandteil des Wirtschaftskonzepts der Familie. Zumindest in der Theorie bestand die Möglichkeit, dass JTG nicht nur beim Verbreiten einer solchen Droge involviert gewesen war, sondern es bestand sogar die Gefahr, dass die Skycitizen sie ins Imperium einschleppten.
        Natürlich kontrollierte die Führung die Geschäfte ihrer Skylords und würde dem einen Riegel vorschieben, aber letztlich brauchte es nur einen Lord in einem schwachen Moment, der etwas mehr vom Kuchen haben wollte, um das Undenkbare wahr werden zu lassen.
        Dimitri brauchte eine Weile, um sein inneres Gleichgewicht wiederzufinden.
        Wollte der Guru seiner Familie die schrecklichen Konsequenzen eines möglichen Fehlverhaltens vor Augen führen? Sicherlich, aber das war nicht alles. Es war Zeit, einen neuen Blickwinkel einzunehmen.
        Wie war das Verhältnis zwischen ZacVanDoom und der Imperatrix? Warum vertraute sie einer kleinen, unbedeutenden Familie mehr als dem mächtigen imperialen Apparat? Politisch spielte JTG keine große Rolle.
        Wenn jemand ZacVanDoom kannte, dann aus den lokalen und Imperiums weiten Klatschfeeds. Und das war wirklich verwunderlich, wenn man bedachte, wie viele Leben der Dämon an der Spitze der Familie bereits gefordert hatte. Angefangen von seinem eigenen Planeten, einem verwüsteten Kontinent unter Kontrolle von Kultisten, über den Gilden-Highliner von Aiden Horizon bis hin zu seinen Taten als Kopfgeldjäger – und das waren noch nicht einmal alle Vergehen. Jeder andere hätte längst einen Beinamen wie „der Blutige“ oder „der Unbarmherzige“ erhalten.
        Stattdessen sah der Großteil der Feeds in Zac einen Möchtegern-Fakedemon. Offiziell waren die Vorkommnisse, wenn überhaupt bekannt, als
        • ein ausgeuferter Bürgerkrieg,
        • eine Beschwörung eines unbekannten Dämons, die außer Kontrolle geriet, oder
        • ein Unfall bei Experimenten mit unerprobter Technologie.
        Jemand sehr Mächtiges war von Anfang an bemüht, die Spuren, die der „Erbe des Prufalas“, wie sich Zac innerhalb der Dämonenhierarchie nannte, hinterlassen hatte, aus dem Gedächtnis des Imperiums zu löschen. Offensichtlich hatte die Imperatrix in Zac von Anfang an ihren „Plan B“ gesehen, für den Fall, dass andere Mittel versagten.
        Dimitri konnte sich trotzdem gut vorstellen, dass die Kombination aus ZacVanDoom, Jeantron und Tani, der KI, jede Erwartung bei weitem übertroffen hatte. Händler, Schmuggler und Kopfgeldjäger waren das eine, aber die geballte militärische Macht einer Armee aus Highlinern ein ganz anderes Level.
        Dimitri schluckte. Selbst die Gefechtsübungen kamen nicht annähernd an diese grausige Realität heran. Der Beschuss einiger lebloser Steinbrocken im All war nicht zu vergleichen mit der Verwüstung ganzer Planeten, nachdem man sie zuvor ihrer Raumschiffe und Stationen beraubt hatte.
        Im Prinzip war alles wie eine Treibjagd angelegt, bei der man dem Wild nur eine Fluchtmöglichkeit ließ: tiefer und tiefer in die EXO-DOMÄNE, zu ihrem bislang unbekannten Ursprung. Da selbst Shuttles über Sprungantriebe verfügten, gab es für die Flüchtenden kein Entkommen.
        Das Hyperradar war ein gnadenlos präzises Werkzeug, das die verzweifelten Sprünge der Schiffe der ‚SlimeZeds‘ aufspürte – eine abfällige Kurzbezeichnung für die sogenannten Schleimzombies.
        Diese waren aufgrund ihrer Abhängigkeit von der verführerischen, cremigen Droge, die wie ein köstliches Dessert wirkte, in den Abgrund ihrer selbst gefangen.
        In einem verzweifelten Versuch, ihren gnadenlosen Verfolgern zu entkommen, glitten sie durch den Raum, immer auf der Suche nach einem Ausweg aus ihrem Albtraum.
        Eines war bereits jetzt völlig klar: Niemand, der an dieser Kampagne teilgenommen hatte, würde am Ende noch unschuldig oder naiv sein. Jeder einzelne wurde jeden Tag mit den Folgen menschlicher Unzulänglichkeiten konfrontiert und damit, welche grausamen und furchtbaren Folgen sie haben konnten. Dimitri musste sich jedoch fragen, ob der undurchsichtige Cyberguru auch die Folgen für die JTG-Familie bedacht hatte.
        Denn die hier geformten Charaktere würden ihr Leben nicht länger in die Hände anderer legen als in ihre eigenen.
        Dimitri atmete tief ein, während er die Szene vor sich betrachtete. Inmitten des Schreckens und des Chaos, das sich abspielte, wurde ihm bewusst, dass jeder Schritt, den sie unternahmen, Konsequenzen hatte. Sie waren nicht nur Teil einer militärischen Kampagne, sondern Akteure in einem Spiel, dessen Regeln von Gier und Verzweiflung, aber auch von Hoffnung und Einsicht in die Notwendigkeiten diktiert wurden.


        „Wir müssen unsere eigenen Entscheidungen treffen“, murmelte er, fast unhörbar, während er seinen inneren Blick auf den Horizont des Alls richtete, wo die nächste Herausforderung bereits wartete. Die Entscheidung, seinen Anteil am Spiel teils verborgener Kräfte wahrzunehmen, war gefallen. Mit jedem neuen Sprung in die Dunkelheit der EXO-DOMÄNE wuchs das Bewusstsein, dass sie nur gemeinsam als Familie die Dunkelheit durchbrechen konnten.
        Dimitri wusste, dass sie bereit sein mussten, die Verantwortung für ihre Handlungen zu übernehmen, wenn sie nicht selbst zu den Opfern der grausamen Realität werden wollten. Diese Jagd würde mit allen Konsequenzen fortgesetzt werden, bis die Jäger ihr Ziel erreichten und dem Schrecken ein endgültiges Ende bereiteten.

        P:S:
        Ich war der Letzte – Das Ende meines Planeten
        Ich erinnere mich an den Tag, als der Himmel brannte. Als die Schiffe der JTG am Horizont auftauchten, war ich noch voller Hoffnung. Wir hatten Gerüchte gehört, dass Hilfe kommen würde, dass jemand die Seuche aufhalten könnte, die unsere Welt zerfraß. Aber als die ersten Feuerbälle den Boden trafen, wurde mir klar, dass wir nie wirklich eine Chance hatten. Sie kamen nicht, um zu retten. Sie kamen, um zu vernichten.

        Ich weiß nicht, warum ausgerechnet ich überlebt habe. Vielleicht ein Zufall, vielleicht ein grausamer Scherz des Schicksals. Ich war in einem kleinen Tal, als die Einschläge begannen, umgeben von Felsen, die mich wohl irgendwie geschützt haben. Von dort aus konnte ich zusehen, wie der Himmel zu einem einzigen Flammenmeer wurde, als die Plasmakanonen ihre tödliche Fracht auf die Städte niederregnen ließen. Das war kein Krieg. Es war ein Massaker.

        Die meisten von uns waren keine Kämpfer. Wir waren einfache Leute, die inmitten des Chaos nur eines wollten: überleben. Doch das Gift hatte unsere Städte bereits durchdrungen, Menschen zu etwas anderem gemacht, zu Hüllen ihrer selbst. Einige hatten bereits den Verstand verloren, ihre Augen leer, ihre Körper zerfallen, während das, was sie zerstörte, durch ihre Adern kroch und aus ihren Körperöffnungen hervorquoll. Es war wie eine Seuche, eine, die alles veränderte, was wir kannten – und die JTG sah uns als verloren an.
        Ich verstehe jetzt, warum sie das getan haben. Sie sahen in uns nur eine Bedrohung. Ein Virus, das sich über die Galaxis ausbreiten könnte. Aber was sie nicht sahen, war das, was noch übrig war – die wenigen, die sich noch nicht verloren hatten. Diejenigen, die kämpften, die versuchten, Immunität zu finden oder zu fliehen. Wir waren nicht alle infiziert. Wir waren nicht alle Monster. Doch für die JTG gab es keinen Unterschied.
        Nach dem Beschuss folgten die Maschinen.
        Gnadenlose, unermüdliche Maschinen, die alles durchkämmten, was noch stand, jeden Stein umdrehten, um sicherzustellen, dass nichts übrigblieb. Dass niemand überlebte. Ich weiß nicht, wie ich den Blicken dieser Monster entging. Vielleicht haben sie mich einfach übersehen. Vielleicht war ich nicht wichtig genug. Aber ich bin hier – der Letzte meiner Welt.
        Jetzt stehe ich auf dem verbrannten Boden meines Planeten, der einst so voller Leben war. Alles, was bleibt, ist Asche und die ständige Frage: Warum gerade wir? Warum haben sie uns keine Chance gegeben, uns nicht einmal versucht, zu retten? Die Wahrheit ist, dass sie Angst hatten. Angst vor dem, was aus uns geworden ist. Und vielleicht haben sie recht. Aber ich werde nicht vergessen. Und ich werde nicht vergeben. Ich bin der Letzte meines Volkes, und solange ich lebe, werde ich dafür sorgen, dass die Geschichte erzählt wird. Die Geschichte eines Planeten, der in Flammen endete, nicht durch die Hand einer Krankheit, sondern durch die Angst derjenigen, die uns auslöschten.

        Kommentar


          #5
          Das Festland

          (Gegenwart, dank der Intervention des Landherren können die Mohar auch ohne Quarantäne zum Festland übersetzen, was Lee nutzt um in den nächsten Ärger zu schlittern)

          Der eigentümliche Geruch des Meeres auf Kaliopis und das leicht orange Lichtspektrum des Sterns gaben der Überfahrt auf der Fähre einen sehr speziellen Touch. Lee atmete tief den würzigen Wind ein, der sanft über das Meer strich. In einiger Entfernung schossen zwei Plios durch die Wellen – stromlinienförmig, mit flatternden Flossen, fast wie Pinguine, nur eleganter. Am Rand einer Sandbank dösten ein paar Thalrins: robbenähnliche Tiere mit paddelartigen Gliedmaßen und schimmernd bläulicher Haut, perfekt an die Küsten angepasst. Ihre Bewegungen wirkten träge – aber Lee erinnerte sich an eine Warnung: friedlich, solange man ihre Jungen in Ruhe ließ.
          Obwohl die Fähre elektrisch angetrieben wurde, gab sie das Geräusch einer Dampfmaschine von sich, und aus einem Schornstein auf dem Dach drangen sogar weiße Rauchwölkchen.
          „Hähä“, dachte Lee, „Fake… für Touristin, Fake wie wir, die wir uns als Mänschen ausgeben.“

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          Optisch sahen sie aus wie typische Touristen, aber sie waren auf Einladung des Landherrn hier, um mysteriöse Vorgänge aufzuklären, die zunehmend den Frieden auf dem Planeten störten. Die Story, dass sie nur zur Erholung hier waren, hatte sich bereits beim Anflug aufgelöst, als sie nur knapp und dank einer kühnen Pilotin einem Geschoss entgehen konnten.
          Jetzt waren sie unterwegs Richtung Festland, um die Läden, Clubs und Sehenswürdigkeiten der verträumten Hafenstadt Dämmerhafen zu besuchen.

          Am Horizont zeichnete sich die Silhouette der Hafenstadt ab. Terracottafarbene Kuppeln, verschnörkelte Türme und flache Dächer wirkten fast wie eine Fata Morgana im Dunst des Meeres. Einige Bauwerke leuchteten schwach in Neonfarben – Relikte einer vergangenen Epoche oder Hinweise auf verborgene Funktionen?
          Sunja stand mit verschränkten Armen an der Reling. Ihre Haut hatte in der Salzluft einen leichten Schimmer angenommen. Die einheimische Begleiterin wirkte vertraut mit der Umgebung, als gehöre ihr jeder Windhauch.
          „Das da vorne ist Dämmerhafen“, sagte TimyMohar, der wie aus dem Nichts neben ihnen stand, als hätte ihn das Kreischen der Möwen gerufen. „Zentrum für Mode und Magie – und Männer mit zu viel Testosteron.“ Er grinste.
          Jeantron stand etwas abseits. Sein Blick ruhte auf dem Wasser, aber sein Geist war längst auf der anderen Seite angekommen. Die geringe Mana-Dichte des Planeten machte ihm zu schaffen.
          Es war wie Tauchen in einem seichten Teich – seine Sinne wirkten stumpfer. Dennoch spürte er die energetischen Störungen, die aus dem Landesinneren strömten.
          „Ich hasse touristische Geheimoperationen“, murmelte er.
          „Aber du liebst den Stil, gib’s zu“, erwiderte Lee und deutete auf Jeans Sonnenhut mit breiter Krempe, der lächerlich teuer ausgesehen hätte – wäre er nicht aus alten Biobaumwollstoffen genäht, die auf Kaliopis Statussymbolen glichen.
          Mit einem sanften Ruck legte die Fähre am Kai von Dämmerhafen an. Ein kaum hörbarer Gong ertönte, und aus versteckten Lautsprechern kam eine Stimme in singender Betonung: „Willkommen in Dämmerhafen, der Perle Kaliopis’! Bitte entnehmen Sie Ihre Sonnenbrillen und folgen Sie dem Duft des Glücks!“
          Lee lachte leise. „Der Duft des Glücks riecht hier eindeutig nach Fisch und Parfüm.“
          Die Gruppe mischte sich unter die Passagiere, die ihre Rollkoffer hinter sich herzogen oder mit vibrierenden Daypacks ausgestattet waren, die sich im Takt der Schritte farblich veränderten. Alles war auf Show getrimmt. Aber darunter vibrierte etwas anderes – eine Anspannung, die nicht in den Prospekten stand.
          Am Kai empfing sie ein übergroßes Hologramm: Ein muskulöser Mann mit Meerglas in den Haaren, in einer halbtransparenten Toga. Er warb für „Poseidon’s Pride – Der Club für echte Helden.“ Jeantron verzog das Gesicht.
          „Wir sind in einem verdammten Spa-Raumhafen gelandet.“
          „Du wolltest doch subtile Undercover-Einsätze“, sagte Sunja. „Hier gilt: Blend in or get bent.“
          Sie zogen durch Dämmerhafens enge Gassen, vorbei an schillernden Cafés, Body-Sculpting-Studios und Händlerständen mit zweifelhaften Energiekristallen. Überall hingen bunte Fahnen – manche mit imperialem Siegel, andere mit Symbolen für alternative Lebensentwürfe.
          Lee blieb vor einem Fenster stehen. Daneben klebte ein abgegriffener Werbeaufkleber: „Hunger wie ein Grimklaw? Die ganze Vielfalt des Meeres – bei uns frisch auf der Speisekarte.“ – offenbar eine Referenz auf die lokalen Meerestiere. Darin tanzten Miniatur-Hologramme von humanoiden Wesen in glitzernden Outfits, die sich in rhythmischen Bewegungen über ein Planetenmodell schlängelten. Darüber blinkte der Schriftzug: „Glitter & Glamour – The Exotic Revue“
          „Ich sag’s dir“, murmelte sie, „wenn die da untän wirklich Spezies importieren, nur um Mänschen zu beeinflussen, flipp ich aus.“
          TimyMohar trat an ihre Seite. „Das wäre nicht das erste Mal, dass ein Showact auf Kaliopis ein geheimes Klonprogramm ist.“
          In einer schattigen Seitengasse wartete bereits ein schlanker, blasser Mann mit verchromten Augen und einer Robe aus schimmerndem Gewebe. Er trug das Wappen des Landherrn. Neben ihm summte eine schwebende Kugel mit Kameraoptik.
          „Willkommen“, sagte er. „Ihr Besuch wurde… mit gemischten Gefühlen erwartet.“
          „Das sind die besten Arten von Gefühlän“, antwortete Lee. „Führen Sie uns.“
          Dämmerhafen war ein Mosaik aus Glas, Sandstein und grellen Farben.
          Am zentralen Platz, wo sich die Fähren-Promenade mit Dämmerhafens altem Stadtkern verflocht, lag ein Restaurant mit halb offener Terrasse und Blick auf die Bucht: La Gula Verde – spezialisiert auf alles, was im oder am Wasser lebt.
          Die Gruppe hatte gerade Platz genommen, als ein digitaler Kellner – halb Drohne, halb Hologramm – ihre Bestellung entgegennahm. Lee bestellte „etwas mit Substanz und ohne Tentakel“, Sunja nahm wie immer das Üblichste auf der Karte, und Jeantron orderte eine flüssige Mahlzeit, die aussah wie flüssiger Rauch mit Blütenblättern darin.
          „Schon irre“, murmelte TimyMohar, „wir sitzen auf einem Planeten voller metaphysischer Wunder – und trotzdem schmeckt das hier nach echtem Essen.“
          Lee runzelte die Stirn. „Noch schmӓckt’s. Irgendwas stimmt nicht. Schaut mal zum Markt – seht ihr die Leute mit den gelbän Schals?“
          Sie zeigte auf eine Gruppe von Passanten, die in auffällig regelmäßigen Abständen den Blick zu ihnen warfen.
          „Vielleicht Fans?“, schlug Sunja mit ironisch gehobener Braue vor, während sie in eine gegrillte Wasserpflanze biss.
          Jeantron schüttelte den Kopf. „Eher ein Empfangskomitee. Sie wollen sehen, ob wir wirklich nur Urlauber sind.“
          Nach dem Essen schlenderten sie zum Marktplatz, ein schillerndes Labyrinth aus offenen Zelten, Düften und laut vibrierenden Energiemusikern.
          Es roch nach gebratenen Insekten, Kristallstaub und etwas Süßem, das in der Nase brannte. Die salzige Brise wehte vom Hafen herüber, während Lee über das Kopfsteinpflaster schlenderte.
          Lee hatte sich etwas von der Gruppe entfernt, getrieben von ihrer Neugier auf das bunte Treiben des Marktes. Zwischen schillernden Neonlichtern und exotischen Gerüchen stieß sie auf einen kleinen, unscheinbaren Stand, der beinahe verloren wirkte neben den lautstarken Händlern ringsum. Der Weg hierher war breiter als die engen Hauptgassen – eine kleine Seitenbucht mit Lieferzugängen und Platz für mobile Verkaufsstände.
          Der Verkäufer war ein älterer Mann, drahtig und leicht gebückt. Sein wettergegerbtes Gesicht wurde von einem schmalen Bart eingerahmt, der genauso gepflegt wirkte wie seine Waren. Die großen, bernsteinfarbenen Augen standen ein wenig zu weit auseinander – aufmerksam, aber schwer zu lesen. Seine Bewegungen waren flink, fast zu flink für sein Alter.
          Vor ihm lagen kleine Schmuckstücke aus organischem Glas – filigrane Artefakte, deren Oberflächen in den verschiedensten Farben schimmerten, als hätten sie das Licht selbst eingefangen.
          „Diese Stücke reagieren auf emotionale Resonanz“, erklärte der Mann mit gedämpfter Stimme, „sie verstärken, was du fühlst, und spiegeln es wider.“
          Lee ließ ihre Finger vorsichtig über eine kleine Skulptur aus dem Glas gleiten. Sie spürte ein leichtes Pulsieren, fast wie ein Echo ihrer eigenen Stimmung. Faszinierend.
          „Wie viel kostet das?“, fragte sie, ohne den Blick von dem Kunstwerk abzuwenden.
          Der Verkäufer lächelte wissend. „Für dich, ein Sonderpreis: 15 Imperial Credits. Ein fairer Tausch für etwas so Seltenes.“
          Lee zögerte, doch das Artefakt zog sie unwiderstehlich an. Während der Mann sprach, aktivierte Lee beiläufig ihr Wristpad, ließ das Display aufleuchten und tippte den Betrag ein. Ein kurzer Impuls bestätigte die Übertragung. Er wickelte etwas in ein weiches Tuch. Lee beobachtete ihn nur halb – zu sehr gefesselt vom Nachglimmen des Artefakts auf ihrer Haut, zu abgelenkt vom Gefühl, gerade etwas Besonderem begegnet zu sein.
          Kaum hatte sie das Päckchen in der Hand, veränderte sich die Stimmung. Ein leises Summen durchbrach das Hintergrundrauschen des Marktes. Mit einem schnellen Blick nach oben sah sie, wie der Verkäufer sich plötzlich entfernte – nicht zu Fuß, sondern auf einem kleinen, elektrischen Einrad, das mit erstaunlicher Geschwindigkeit in die Seitenstraße surrte.
          Reflexartig riss Lee das Tuch auf – in ihrer Hand lag kein Artefakt, sondern ein verbeulter, alter Löffel.
          „Das kann nicht dein Ernst sein!“, rief sie entsetzt, doch der Dieb war bereits im Getümmel verschwunden.
          Ohne lange nachzudenken, setzte Lee zum Sprint an. Sie stürzte sich in die Menge, weckte erstaunte Blicke und rannte dem Dieb hinterher.


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          Das futuristische Einrad glitt wie lautlos über den Boden, schlängelte sich durch enge Gassen, vorbei an flackernden Neonreklamen, offenen Küchen und alten Hausfassaden, die Geschichten von besseren Zeiten erzählten. Der Mann balancierte geschickt, wich Hindernissen aus, sprang über ein Lieferband, tauchte unter einer flatternden Markise hindurch.
          „Stehenbleiben!“ schrie Lee, obwohl sie wusste, dass das sinnlos war. Ihr Herz pochte, doch sie blieb dran.
          Die Verfolgung führte sie tiefer ins Gewirr der Hafenstadt. Drohnen summten über ihren Köpfen, alte Container bildeten Schattenlabyrinthe, der Boden war feucht und glitschig. Trotzdem ließ Lee nicht locker.
          Dann bog der Dieb plötzlich in eine enge Gasse ab – eine Sackgasse. Lee hetzte hinterher, kam keuchend zum Stehen.
          Das Einrad lehnte an der Mauer. Die Lichter des Motors waren bereits erloschen. Kein Geräusch, kein Hinweis darauf, wie lange das Einrad schon stillstand. Aber der Dieb war verschwunden.
          Lee umrundete das Rad, blickte die hohe Mauer hinauf. Kein Vorsprung, keine Tür, kein Fenster – nichts. Keine Kiste, kein Abflussgitter. Keine Spur.
          Sie trat näher an die Wand, beugte sich hinunter. Da – feine Linien im Pflaster. Fast wie eine eingelassene Klappe. Sie fuhr mit den Fingern darüber. Trocken. Aber der Spalt war da. Kein Geräusch, keine Bewegung.
          Lee richtete sich auf, strich sich eine Haarsträhne aus dem Gesicht und starrte die Mauer an.
          „Wo zur Hölle...“, murmelte sie. Ihr Instinkt sagte: Das war kein normaler Diebstahl. Das war eine Einladung.

          „Wen haben wir denn hier?“ Ein riesiger Typ mit kahlem Kopf baute sich am Ausgang der Sackgasse auf.
          Lee zögerte keine Sekunde. Mit einer Mischung aus Sprung und Salto hechtete sie an dem Kerl vorbei.
          Er griff nach ihr, doch Lee fegte seinen Arm mit einem Tritt beiseite. Er blickte überrascht: „Ziemlich flink für so eine verwöhnte Imperiums-Göre.“

          Lee dagegen wunderte sich, dass der Tritt keine größere Reaktion ausgelöst hatte. Sie hatte insgeheim damit gerechnet, dass der Arm gebrochen wäre oder zumindest nicht mehr einsatzfähig wäre. Sie blickte nach links und rechts. Wie sie befürchtet hatte, tauchten weitere finstere Gestalten in der Gasse auf. Drei auf der linken und zwei auf der rechten Seite.
          „Ich glaubä äs nicht! Äin Hinterhalt alter Schule und ich bin hineingelaufen wie der allerletzte Depp“, dachte sie. „Eigentlich sollten zwei kain Problem sain“, aber das hier sah mächtig nach einer Treibjagd aus, also wand sie sich nach links.
          Normalerweise sollte sie in der Lage sein, mit all diesen Typen den Boden aufzuwischen, trotz des niedrigen Magielevels. Doch das Training mit den Mohar hatte ihr jeglichen Hochmut ausgetrieben.
          Besonders Zac hatte stets darauf hingewiesen, dass es vereinzelt sehr mächtige Kämpfer da draußen gab, denen kaum jemand das Wasser reichen konnte. Man sollte immer darauf gefasst sein, dass man es mit einem dieser Kämpfer zu tun bekommt – und zumindest der bullige Typ in der Gasse war deutlich über dem Durchschnitt.
          „Den knöpfe ich mir vor, sobald ich dän Rest erledigt habä“, machte sich Lee innerlich eine Liste.
          Rechts die zwei hageren, kantigen Gestalten, links die drei, auf die sie jetzt zulief – massig und untersetzt, sie sahen aus wie Brüder und hatten graue Bärte, die ihre Gesichter bedeckten. Ihre Augen glotzten wie die von Fischen aus einem Aquarium. Passend dazu hatten sie plötzlich Netze in den Händen. „Mies!“ dachte Lee. „Das hier ist doch kain Zufall, wie konnten die so gut vorbereitet sein?“
          „Aber mies kann ich auch!“ Lee lief seitlich die Hauswand hoch und gelangte so in den Rücken der Angreifer. Doch diese einfach damit durchzukommen zu lassen, ging ihr zu sehr gegen den Strich.
          Der nächste bekam einen kräftigen Tritt in die Kniekehlen, und als er zu Boden ging, noch einen in den Nacken. Er fiel um und sah mit seinem Netz aus, als hätte er sich zu einem Nickerchen hingelegt.
          Nummer zwei erwischte sie, als er sich gerade zu ihr umdrehen wollte. Ihr Tritt malträtierte seine Kniescheibe. „Davon hat er noch langä was“, dachte sie schadenfroh. Als er das Netz fallen ließ, um sein Knie zu umklammern, traf ihn ein präziser Tritt am Kinn. Seine Glotzaugen erloschen, und auch er gesellte sich zu seinem Kumpan auf die Straße.
          Nummer drei hielt das Netz vor sich wie ein Schutzschild. Da er es emporreckte, war das untere Ende nicht mehr auf dem Boden. Lee griff beherzt zu und umtanzte ihn, während sie die Enden des Netzes verdrehte. Ehe der Fänger sich versah, war er in sein eigenes Netz eingesponnen und sah aus wie ein Rollbraten. Dabei grunzte, quiekte und fluchte er, während er versuchte, sich aus der hinderlichen Umhüllung zu befreien. Der Versuch, sich mit Lee mitzudrehen, tat seinem Gleichgewichtssinn nicht gut.

          Lee war amüsiert: „Aigentlich könnt ich ihm den ganzen Tag zusehän. Hähäh!“ Doch die drei anderen Spielverderber näherten sich nach dem ersten Schock ziemlich rasch. Also machte sie mit einem Tritt in den Solarplexus kurzen Prozess und sorgte dafür, dass auch er sich seufzend zu seinen Kumpanen auf den Boden gesellte.
          Lee Le Baal gönnte sich einen Blick auf die malerisch drapierten Körper. „Rächt passiert es ihnen“, dachte sie, „aber vielleicht ist es Zeit, den Ort zu räumen.“
          Fassungslos sah sie, dass sich am rettenden Ausgang der Gasse eine neue Truppe formiert hatte. Fünf weitere finstere Gestalten nahmen die gesamte Breite des Fluchtkorridors ein. „Viel Feind, viel Ähr“, rezitierte sie einen uralten Spruch. Aber eigentlich konnte sie auf so viel Ehre verzichten.
          Auf einem höheren Magielevel wäre sie in der Lage, mit ihren Flächenangriffen die gesamte Stadt in Schutt und Asche zu legen, aber hier würde sie bestenfalls mit etwas Glück ihre Haare damit trocknen können.
          Doch auch ohne oder mit wenig Magie sollte sie locker in der Lage sein, mit ein paar Halunken fertig zu werden. Zumindest menschlichen Halunken – aber sie wusste, dass dieser Planet ein Refugium für allerlei Wesen war, wie Werwölfe, Vampire und wer weiß, was sonst noch.
          Auch diese waren durch die Umweltbedingungen eingeschränkt in ihren Möglichkeiten.

          Aber einige Spezies waren auch in menschlicher Form übernatürlich stark.
          Diese Gangster hier waren durch die Bank nicht Kinder normaler menschlicher Eltern, Lee war sich da ziemlich sicher. Wie kampfstark sie selbst war, konnte sie recht gut einschätzen, da sie etliche Kämpfe mit vielen Handicaps bestanden hatte. „Nie im Läben hätte ich so viele Probleme mit disan Halunken haben sollen.“
          So langsam wurde die Sache hier brenzlich.
          Lee fragte sich so allmählich, warum die bestens gerüsteten Scylords nicht mit allerlei Gadgets hier ausgerüstet waren. So eine Schlampigkeit sah ihnen eigentlich gar nicht ähnlich.
          Es war schwer, nicht auch darin einen Hintergedanken zu vermuten. Aber wie ging es hier weiter? Allmählich rückten ihr die Typen ebenso siegesgewiss wie grinsend zu Leibe.
          „Entschuldigung, die Herrschaften, wie komm ich hier zum Markt?“
          Eine klare, gleichmäßige Stimme brachte die Mannschaft dazu, ihre Köpfe unisono herumzureißen.
          Ein großer, dunkelhäutiger Tourist stand hinter den beiden Hageren und dem Bodybuilder.


          Der Kahlkopf sagte: „Heute geht es aber auch zu wie im Taubenschlag am Leuchtturm.“ Er winkte den beiden Kumpanen zu: „Legt ihn schlafen.“ Zum Neuankömmling: „Nimm’s nicht persönlich, du warst zur falschen Zeit am falschen Ort.“
          Der Ankömmling hob abwehrend die Hände: „Bitte, meine Herren, ich bin ein Tourist. Mich zu belästigen könnte Ihnen ’ne schlechte Bewertung einbringen.“
          Der haarlose Bodybuilder runzelte die Stirn: „Ich glaube, damit werden wir irgendwie klarkommen.“
          Seine beiden Begleiter nahmen den Touristen in die Zange. Während der eine drohend mit der Faust kreiste, schlug der andere ansatzlos zu. Ihr Vorgehen ließ keinen Zweifel daran, dass sie Profis in ihrem Gewerbe waren.
          Trotzdem schlug der Erste total vorbei und stolperte so über seine eigenen Füße, dass er der Länge nach hinfiel. Der andere stutzte kurz, dass hinderte ihn aber nicht daran, einen kurzen, knackigen Schwinger anzusetzen. Aber auch er hatte kein Glück und traf nur die Luft, bevor er sich zu seinen Kumpanen aufs Pflaster gesellte.
          Selbst Lee riss die Augen auf, denn sie hatte nicht gesehen, dass der Neuankömmling seine Kontrahenten irgendwie berührt hatte.


          Noch größer waren die Augen des Muskelprotzes, aber auch er zeigte, dass er mehr war als ein tumber Schläger. Mit einer Schnelligkeit, die man diesem Fleischberg niemals zugetraut hätte, warf er sich auf den Touristen, der trotz der Attacken immer noch irgendwie teilnahmslos wirkte.
          „Hä“, dachte Lee, „habä ich doch gewusst, dass mit dem was nicht stimmt.“
          Die Konturen des Schlägers verwischten regelrecht, sodass der bisher von erstaunlichem Glück gesegnete Tourist keine Chance hatte, auszuweichen. Aber wieder gelang es ihm, seinem Schicksal zu entgehen. Stattdessen begrub der Titan seine beiden Spießgesellen unter sich, die sich gerade versuchten, aufzurappeln.
          Die Gestalten hinter ihr schauten fassungslos dem Treiben zu.
          Ein Surren ertönte, dann brach der erstaunlich wehrhafte Tourist zusammen. Hinter ihm war der bärtige Betrüger aufgetaucht, mit einem Stunner, einer Betäubungswaffe, die man hier für die Jagd einsetzte, in der Hand.
          „Sagt mal, kann man euch echt keinen Augenblick aus den Augen lassen?“ stauchte er seine Leute zusammen. „So viel Inkompetenz auf einen Haufen habe ich mein Lebtag noch nicht gesehen!“
          Lee war richtig wütend. Das war der Typ, der sie in die Falle gelockt hatte. Am liebsten hätte sie sich auf ihn gestürzt.
          Aber der Tourist, der am Boden lag, bewegte Mittelfinger und Zeigefinger.
          Ein unmissverständlicher Befehl von Erwin, denn niemand anderes war der offensichtlich keineswegs zufällig daherkommende Tourist.
          Lee knirschte mit den Zähnen. Das passte ihr überhaupt nicht. Das Feld räumen und einen Kameraden im Stich lassen, beides ein NO-GO. Aber… es war Erwin, was bedeutete, dass nichts so war, wie es aussah.
          Letztlich konnte sich auch Lee schneller bewegen, als es den meisten Menschen jemals möglich war. Und das bekamen die Gangster hinter ihr zu spüren. Blitzschnell war sie mitten unter ihnen. Es surrte, und zwei der Leute brachen zusammen.
          Der Bärtige fluchte lästerlich, aber er traute sich nicht, ein weiteres Mal zu schießen. Denn Lee achtete sorgfältig darauf, dass sie stets in Deckung hinter einem der verbliebenen drei stand. Sie erreichte den Ausgang der Gasse und tauchte sofort in den Schatten der engen Häuser ab, während sie sich rasch von dem Ort entfernte.
          „Was ist nur mit dieser Welt los?“ beschwerte sich der Bärtige. „Diese blöde Kuh lässt einfach ihren Retter im Stich, und meine besten Leute sind nichts als ’n Haufen inkompetenter Idioten.“
          „Sagt der, der zwei von seinen eigenen Leuten niedergeschossen hat“, brummte der Kraftprotz, während er sich erhob und die Glieder streckte.
          „Wo ist eigentlich der Typ hin?“ Der Bärtige schaute fassungslos zu dem Ort, wo der Tourist gelegen hatte. Der Platz war leer.

          „Erwin, ich hatte alles im Griff! Warum rennen wir weg und haben diese Typen nicht fertig gemacht?" maulte Lee. „Und wieso hast du offensichtlich deine Kräfte?" „Na", lächelte Erwin, „ich denke, einige Sachen liegen auf der Hand. Sie zu verwanzen war der schnellste Weg, ihren Stützpunkt hier ausfindig zu machen." „Hä? Verwanzen? Stützpunkt?"
          Lee starrte ihn an. Erwins Lächeln veränderte sich nicht. „Komm, bei mir brauchst du das 'Ich bin eine ahnungslose Prinzessin'-Spiel nicht aufzuführen. Zumal du ja da drinnen" – er tippte auf ihren Körper – „keine 'Sie' sein solltest. Allerdings scheint mein geschätzter Mentor wiedermal mehr zu wissen, als er preisgibt. Dass es hier nicht mit Angehörigen der Gattung Human zu tun hatten, ist dir ja längst aufgefallen." „Was mir aufgefallen ist: Dass jeder hier besser informiert ist als ich!" schnarrte Lee verärgert. „Puh", sagte Erwin, „das ist doch klar.
          Du bist ZacVanDoom‘s AENA und nicht irgendeine.
          Als Skyconsul da draußen wird dir auch keiner sagen: ‚Pass auf, jetzt und hier beginnt eine Krise.' Normalerweise steckst du, wenn du dort auftauchst, schon bis zum Hals im Dreck – natürlich ohne Vorwarnung – und wahrscheinlich mit Informationen, die dazu dienen, dich in die Falle zu locken."
          Lee glotzte. „Das ist also alles nur äin Training?" vergewisserte sie sich. „Und eindeutig eins von der netten Sorte", bestätigte Erwin. „Zac ist so ein fürsorglicher Mentor." Er atmete tief durch.
          „Mich hat Jeantron einfach mal mit einem Dämonenschamanen zusammen auf einen Planeten zurückgelassen. Da war ich ein Mensch mit großem Ego und beschränkten magischen Fähigkeiten. Er hat mich einfach ohne technische Hilfsmittel zum Sterben zurückgelassen."
          Lee stockte für einen Moment der Verstand. „Nicht eine Sekunde bezweifle ich, dass diesär durchgeknallte Guru so etwas fertigbringt." „Du musst ihn unglaublich hassen, aber wie hast du überlebt?" fragte sie. „Hassen?" Erwin schaute Lee ungläubig an. „Wie kommst du auf dieses schmale Brett?"
          „Na...", begann Lee, doch er hob bereits die Hand. „Ich wollte etwas erreichen, was mir nicht mal ein Gott hätte geben können – und er hat es möglich gemacht. Dass das Ganze ein Gang durch alle Höllen wird, hat er mir von Anfang an schonungslos klar gemacht. Wie sollte ich mich über so was beschweren?" „Wow", staunte Lee, „was für eine Motivation! Aber wie bist du da herausgekommen? Wie in aller Welt hast du einen Dämonenschamanen besiegt?"
          Erwin grinste bitter. „Eigentlich gar nicht. Dieses uralte Monster hat mich, arroganten Schnösel, nach Strich und Faden fertig gemacht... Als er begann, mich lebendigen Leibes aufzufressen und dabei mich verhöhnt hat, ist die allerletzte Sicherung bei mir durchgebrannt.
          Meine Menschlichkeit fiel von mir ab und ich wurde zu etwas völlig anderem." Er sah Lee ruhig an. „Er war der erste Dämon, den ich wahrhaft verschlungen habe. Und so hat es wirklich begonnen.
          Nie im Leben könnte ich Jean dafür etwas nachtragen." Erwin lachte – laut, scheinbar unbeschwert. Doch Lee runzelte die Stirn.
          Irgendetwas an seinem Lachen war... manisch.
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            #6
            Talpas 2

            (Tiefe Vergangenheit nach den Ereignissen aus Kampanie)
            Der Feldzug gegen die Droge GLIB nähert sich seinem Ende, doch an der Quelle des Übels warten tödliche Gefahren auf die Mohar.



            Dimitris Log
            Dimitri: Die Logs und Dateien könnten mir mit nur einem Gedanken auflisten, wie viele Welten wir verwüstet und wie viele Leben wir ausgelöscht haben – doch ich habe sie blockiert. So wie viele von uns. Offiziell, um fokussiert zu bleiben. In Wahrheit, weil kein noch so weiser Spruch unserer Führer je das Grauen, das wir verursachen, von unserem Geist fernhalten könnte. Schon jetzt gibt es trotz aller Geheimhaltung Menschen, die in Panik fliehen und all ihre Habseligkeiten zurücklassen, sobald sie eines unserer Schiffe auch nur im Umkreis von Lichtjahren wittern. Als Schutz vor Piraterie ist diese Abschreckung ein Segen – für alle, die nur Handel treiben und Profit suchen, jedoch eine Katastrophe. In letzter Zeit hat der militärische Widerstand nachgelassen. Nicht, dass er je etwas gegen die Pläne ausgerichtet hätte, die Zac und Jeantron geschmiedet haben.

            Aber er ist schwächer geworden – weniger durch unsere Übermacht, sondern weil je weiter wir ins Hinterland des GLIB vorstoßen, desto verheerender die Auswirkungen der Droge spürbar werden. Immer seltener trifft man noch Menschen, die bei Verstand sind. Und schließlich fast keine Überlebenden mehr – oder nur jene, die wir „Immune“ nennen. Die Bergbaukolonie Talpas 2 wurde schließlich von den Analysten als mutmaßlicher Ursprungsort bestätigt. Diese Welt am Rand von Canis Majoris. Unwirtlich, sturmgepeitscht, die Oberfläche von Schwankungen zerfressen. Das Leben verkriecht sich hier in den Untergrund, genauso wie die Kolonisten es taten, als sie Schächte und Raffinerien in den Fels trieben. Leonardit war der Grund, warum man überhaupt herkam – Dünger für die fernen Kolonien, wertvoller als Gold. Jahrzehntelang zogen Schlepperkonvois durch dieses System, bis die Routen versiegten. Jetzt bleiben nur Wracks, tote Stationen, schwarze Löcher im Funk. Und ein Verdacht, der uns hergeführt hat: Wenn es einen Ursprung für all das hier gibt, dann vielleicht hier.

            Unsere Drohnen fanden kaum Trümmer, sie fanden Strukturen. Ringe, Docks, Werften – zu viel, um nur Leonardit zu verschiffen. Das war keine Bergbaukolonie mehr, das war ein Umschlagplatz, eine Schattenmetropole im All. Die SCU war gegen das hier nur der kleine Barsch, der sich im Schutz eines Megalodons bewegen durfte.

            Hier stand einst die wahre Macht – die Werften, die die Schwarzen Schiffe ausspuckten, die Waffenplattformen, die mehr auf Instinkt als auf Befehl schossen. Man sah es an den Überresten: Autonome Türme, die noch wach waren, auch ohne Auftraggeber.
            Die Stationen liefen nur noch in endlosen Schleifen.
            Wer hier früher Geld investierte, ließ nichts dem Zufall.
            Talpas 2 war kein Hinterhof – es war der Tresor des Syndikats.
            Und ein Tresor bleibt niemals unbewacht.
            Eine der Aufklärungsdrohnen kam dem inneren Dockring zu nah. Keine Vorwarnung, kein Transponder. Nur ein greller Blitz – und sie war weg. Ein Geschütz, Jahrzehnte ohne Wartung, aber wach genug, um Reflexe zu haben. Andere Plattformen schwiegen, als hätten sie vergessen, wozu sie gebaut worden waren. Doch genau das machte es schlimmer. Man wusste nicht, welche im Schlaf lagen und welche noch träumten – und im Traum schossen.

            Dimitri (Log):
            Im Kommandoraum des Mahdi 200 war es still, nur das Rauschen der Projektoren. Der Planet schwebte auf den Holo-Bildschirmen wie ein grauer, vernarbter Ball, durchzogen von den Markierungen der Drohnen. Zac stand aufrecht am Tisch, in voller Rüstung.
            Seine Stimme ließ keine Abweichung zu: „Die Lage ist eindeutig. Hier gibt es keine Zivilisten mehr.
            Wir gehen davon aus, dass Talpas 2 Quelle und Reservoir zugleich ist. Regeln: Äußerste Vorsicht. Achtet auf alles. Sammelt so viele Informationen wie möglich. Kein Risiko.“
            Jeantron hob die Hand, als wolle er den Raum segnen. „Dieses System birgt zahlreiche Hinterlassenschaften, die von der Tücke und Bosheit ihrer ehemaligen Herren zeugen. Begreift es nicht als Vernichtung.
            Begreift es als Reinigung. Wir müssen diese Wunde schließen, damit der Körper des Imperiums nicht stirbt.“
            Holo-Einspielung – Erwin, der Ökologe der Familie, zugeschaltet von seinem Duncan: „Die Drohnen bestätigen Adern von Leonardit in Tiefenstrukturen, Schächte bis zum Mantel. Das erklärt die Stabilität von GLIB hier. Empfehlung: gezielte Kartierung, Tunnelverläufe isolieren, erst dann Versiegelung.
            Hier im Weltall gibt es kein Versteck für potenzielle Immune. Wenn es Überlebende gibt, dann sind sie tief unterirdisch verborgen.“ Timy konnte nicht mehr stillsitzen, lehnte sich nach vorne, die Hände auf den Tisch gelegt. „Gebt mir einen Duncan, ich gehe in die Mafiafestung und räume alles aus dem Weg, was es wagt, sich mir entgegenzustellen.“
            Dimitri (Log): So waren sie: Zac das Schwert, Jeantron die Stimme, Erwin der Erforscher – und Timy der Draufgänger, zu schnell, zu nah dran. Jeder von ihnen verkörperte einen Teil dessen, was uns hierhergebracht hatte. Und ich notierte alles.

            Zac blickte verweisend: „Das wäre eine unsinnige Verschwendung von Menschen und Material – und das genaue Gegenteil von ‚Kein Risiko‘.“ „Ha!“, rief Timy, „meine Maschinenmenschen gehen für mich, ihren geliebten Herrn und Schöpfer, mit Freude in den Tod!“ „Das kommt nicht in Frage“, stellte der Skyduke fest. „Außerdem haben wir hier, abgesehen vom Mahdi, nur vier Duncan. Wir sollten Stellung beziehen und Verstärkung anfordern.“ Timy zappelte vor Unwillen und Ungeduld: „Zac, auch die Skylords haben ein Leben. Und sie mussten wegen dieses Kreuzzugs ihre Geschäfte vernachlässigen.“
            Zac verspannte sich, als Timy auf einmal von unerwarteter Seite Unterstützung erfuhr. „Ein Herrscher muss die Seelenstärke haben, sich nach den Winden des Glücks und dem Wechsel der Verhältnisse zu richten.“ Mit diesen Worten deutete der Guru auf die Karte des Systems. „Wer den Kampfplatz wählt, hat die halbe Schlacht gewonnen. Wir müssen ja nicht durch die Vordertür, um an den Schatz der Piraten zu kommen.
            Schau an: Wir springen in Formation in diese Umlaufbahn. Ein Duncan vorn, um das Feuer auf sich zu ziehen, in seinem Schlepptau der Mahdi 200, links, rechts und von oben flankiert. Wir ballern alles weg, was sich zeigt – vor der Station und ihren Anlagen. Wenn die Abfangjäger kommen, kippt der vordere Duncan nach unten weg und macht Platz für das schwere Geschütz des Mahdi. Die Shuttles fangen alles ab, was vom Planeten aus hochkommt.

            Ist die Station neutralisiert, haben wir in einem Umlauf den Orbit des Planeten freigeräumt und zusätzlich die planetaren Abschussanlagen identifiziert. Die machen wir in der zweiten Runde platt – dann ist die Tür offen.“ Alle starrten zuerst zu Jean und dann auf die Simulation. „Das wird aber heftig für den vorderen Duncan“, warf Jensen, einer der anderen Navigatoren, ein. „Gib mir deinen Duncan, ich mach es!“ plärrte Timy sofort dazwischen. Jensen wollte protestieren, doch Erwin schnitt ihm das Wort ab: „Schon gut – ich mach es.“ Da der Ökologe als überaus ehrgeizig galt, war niemand wirklich verwundert. Jeantron bedachte ihn mit einem kurzen, prüfenden Blick und reckte dann grinsend den Daumen nach oben. „Das Tarnshuttle Scytale wird leicht versetzt zu dem Duncan fliegen und so verhindern, dass uns ein Überraschungspaket geliefert wird. Nicht wahr, Timy?“ Er wandte sich an den dritten Mohar im Mahdi. „Aber sowas von!“, sagte Timy schnell und sah dabei recht glücklich aus. Dimitri (Log): Die Formation stand. Die Shuttles nahmen ihre Position ein, das Scytale schob sich wie ein Schatten neben den vorderen Duncan.
            Alles wirkte exakt so, wie Jeantron es auf der Projektion gezeichnet hatte. Dann geschah es. Die Sensoren meldeten nichts – keine Signatur, kein Radar, keine Strahlung. Doch die Plattformen wachten auf. Nicht eine nach der anderen, sondern gleichzeitig, wie auf einen stummen Ruf hin. Türme, die seit Jahrzehnten geschwiegen hatten, drehten sich, als hätten sie die JTG erwartet. Kein Signal steuerte sie, keine KI-Logik.
            Es war, als hätten sie geahnt, wo wir waren. Einige Besatzungen schworen später, sie hätten Stimmen im Funk gehört – nicht menschlich, sondern etwas Kaltes, das durch den Äther kroch. Ich konnte nichts aufzeichnen. Aber die Plattformen feuerten mit tödlicher Präzision. Der erste Duncan wurde sofort getroffen, Schilde bis in die roten Zonen. Das Scytale geriet ins Schlingern, als eine Salve von nirgendwo herkam, gezielt, als ob jemand unsere Bewegungen vorausgesehen hätte. Wir nannten es später „psionisches Echo“. Aber in diesem Moment war es einfach nur das Gefühl, dass der Planet uns ansah. Es heißt, dass ein perfekter Plan selten länger als anderthalb Minuten überlebt. Unserer hielt keine dreißig Sekunden. „Wir räumen alles aus dem Weg“ war zu „wir versuchen nicht, unterzugehen“ geworden. „Was zum Geier ist hier los?!“ schrie Jensen. „Spürst du es nicht?“ scholl die Stimme des Gurus aus seiner Kapsel auf dem Mahdi 200. „Es ist etwas dort unten, tief unter der Oberfläche des Planeten. Eine Mischung aus Fremdheit und Nihilismus, wie sie kein lebendiges Wesen verstrahlen kann.
            Es ist reiner, kondensierter Hass.“ „Schieß auf den Planeten, Jean! Bombe alles kurz und klein, wir geben dir Rückendeckung!“ rief Timy, trotz seiner schwierigen Lage. Er hatte die nutzlose Tarnung aufgegeben und nutzte die Beweglichkeit sowie die neu konfigurierten Schilde der Scytale, um mit dem Beschuss klarzukommen. Der Ökologe meldete sich zu Wort: „Das sollten wir diesmal bleiben lassen.“
            Während er gleichzeitig auf Plattformen schoss, Minen durch Drohnen wegräumte und den Shuttles Ziele zuwies, hatte er noch Zeit für einen kleinen Vortrag. „Hört zu: Die Minen und Bergwerke sind das eine. Aber es gibt auf diesem öden Planeten auch noch halbintelligentes Leben – eine Art Maulwürfe, die sich teils tausende Meter tief in die dicke Kruste des Planeten graben. Das ganze Leben hier verkriecht sich, um Schutz vor seinem launischen Stern zu finden. Wenn wir die Eingänge mit geschmolzenem Plasma versiegeln, kommen wir nie an das heran, was dort unten haust.“ Zac erschien auf allen Holos. „Leute, bevor wir über eine Bodenoffensive nachdenken, müssen wir erst einmal hier aufräumen. Wir gruppieren um: Erwin, du fällst zurück! Jean, der Mahdi an die Front. Timy, du bildest mit Jensens und Maxims Shuttles einen Pulk und greifst die Werft an. Jensen, Maxim, Erwin – fallt hinter den Mahdi zurück und erledigt die Schwarzen Kreuzer. Ich halte euch mit den Drohnen den Rücken frei.“ Der Duke hatte gesprochen, und wir folgten widerspruchslos seinen Befehlen. Unsere in zahlreichen Kämpfen erworbenen Skills zahlten sich aus, und wir gewannen allmählich die Oberhand.
            Die Waffen und Schilde des Mafiastützpunktes waren gut – aber unsere besser. Hinzu kam, dass sie zwar von einem gemeinsamen Hass auf uns besessen waren, jedoch von keinen Menschen mehr gesteuert wurden. Die eingesetzten KIs waren in ihren Möglichkeiten und Entscheidungsroutinen eingeschränkt. Selbst eine Verbrecherorganisation wollte nicht, dass ihnen die Maschinen über den Kopf wuchsen.
            Gegen das Grauen, das vom Planeten ausging und dass sie selbst im Universum verbreitet hatten, hatte ihre Weitsicht allerdings versagt – und jetzt waren sie alle tot. Umgebracht von ihrer eigenen Droge – der Quelle ihres absurden Reichtums. „Timy!“ meldete sich Zac nochmals. „Jepp, mein Duke, was ist euer Begehr?“ schmetterte Timys Stimme zurück. „Wie sieht es bei der Werft aus?“ „Die Abwehranlagen sind weg – wir können sie nun sauber zerlegen“, erklärte Timy begierig. „Oh“, sagte Zac, „wenn du das bleiben lässt und sie eroberst, bekommst du einen eigenen Highliner.“
            „Wow!!!“ schrie der jugendliche Tronical. „Ich nehme dich beim Wort! Ich bau das beste Schiff aller Zeiten – einen Todesengel aus Stahl und Adamantit!“ Der Guru mischte sich ein: „Bevor man den Hasen braten kann, muss man ihn fangen und ihm das Fell abziehen!“ kalauerte er. „Also häng dich rein.“ „Bahh, das wirst du sehen – spätestens jetzt hält mich keiner mehr auf!“ Nach der Umrundung: Die Geschütze des Mahdi hatten nicht nur die Waffenplattformen der Station zerstört, sondern auch ein Loch gerissen – fast ein Viertel ihrer Größe fehlte. Timy erschien im Display, mit einer Schutzmaske über dem Gesicht. „Raumwerft gesichert, Atmosphäre intakt – aber atmen kann man das Zeug trotzdem nicht. Es würde auch stinken wie wie die Pest. Ich werde, wenn ich zurück bin, zwei Stunden alle Reinigungsanlagen des Mahdi benötigen. Mir tun jetzt schon die Reinigungsroboter leid – wahrscheinlich müssen wir sie mitsamt dem Müll entsorgen.“

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            Dimitri (Log):
            Die Karten der Drohnen legten es offen: ein Netz aus Schächten, tief in die Kruste getrieben. Und mitten darin – das alte Koloniezentrum. Landefelder, halb verschüttet, noch erkennbar. Förderlifte, deren Schächte bis in die Mantelzone führten.

            Erwin deutete auf die Projektion. „Hier. Genau hier. Das ist das einzige Tor nach unten, das tief genug reicht. Leonardit-Adern kreuzen sich direkt unterhalb. Wenn es einen Punkt gibt, der uns zum Kern führt, dann dieser. Dort soll man laut den Aufzeichnungen in der Station auch auf das GLIB gestoßen sein.“
            Zac verschränkte die Arme. „Die alte Hauptmine also. Strategisch sinnvoll – aber auch der gefährlichste Ort. Wenn noch etwas lebt, dann dort.“
            Jeantron legte den Kopf schief. „Das Zentrum einer Wunde ist immer am empfindlichsten. Doch nur dort kann man sie schließen.“

            Timy schnaubte, die Hände aufgestützt auf den Tisch. „Na endlich! Keine Geisterstationen mehr, keine Umwege – wir gehen direkt runter und sehen, was die Maulwürfe so tief vergraben haben. Und wenn die Ärger machen, bring ich sie endgültig unter die Erde – obwohl, da sind sie ja schon.“ Er kicherte.
            Alle wussten, dass das Risiko hoch war: halbintelligente Spezies, kilometerlange Tunnel, instabile Schächte.
            Doch die Entscheidung war gefallen: Wir würden in das Herz der Mine hinabsteigen – und in das, was darunter lag.

            Dimitri (Log):
            Timy bemerkte es zuerst. Einer seiner Maschinenmenschen wich ihm nicht aus, sondern blieb einfach stehen – unbeweglich, wie ein Fels. Kein Fehlercode, kein Alarm. Nur dieses Starren, kalt und leer, als ob er etwas sah, was wir nicht sahen.
            Timy zwang ihn zurück in die Routine, doch die Protokolle stimmten nicht.
            Alles schien formal korrekt – und doch funktionierte es nicht. Befehle liefen in Schleifen, Bewegungen stockten, Antworten kamen verzögert oder gar nicht.
            Kurz darauf meldeten auch die anderen Navigatoren: Highliner, die nicht richtig gehorchten. Maschinemenschen benahmen sich wie Rowdys, Autopiloten liefen in Endlosschleifen, Waffen richteten sich plötzlich gegen eigene Begleitschiffe. Keine KI-Panne, kein technisches Versagen. Es war etwas anderes.
            Wir wussten, dass wir den Orbit so nicht halten konnten. Bevor wir hier festsaßen und uns gegenseitig beschossen, musste eine Entscheidung fallen.

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