Mission: URLAUB
Die Abreise
(Der von Jeantron angekündigte Urlaub beginnt, doch auf Lee warten jede Menge Überraschungen)
Lee le Baal haderte ein wenig mit der Tatsache, dass sie den tollen Effekt mit den herausfallenden Augen bereits verschwendet hatte, als Jeantron ihr beiläufig mitgeteilt hatte, dass Zac auf sie abfuhr, aber mit Blick auf sein Mentor/AENA-Verhältnis jegliche Bekundungen unterließ.
Damit klärte sich auch einiges an Zacs etwas mysteriösem Verhalten, denn Schüchternheit passte nicht so richtig zu dem recht weltgewandten Skyduke. Zuweilen übertriebene Korrektheit dagegen schon.
Jeantron hatte wieder mal Staub aufgewirbelt mit der Ankündigung, die Führungsriege der Familie kurzerhand in den Urlaub schicken zu wollen. Mit den Einwänden, zum Beispiel, wer in der Zwischenzeit die Geschäfte leiten sollte und wozu ein Urlaub bei einer Familie, der immerhin ein Teil einer Insel gehörte, gut sein sollte, machte er kurzen Prozess.
Zacs Aspekt könnte die Dinge auch mal alleine regeln, es wären ja immer noch genügend Skylords vor Ort, um den Laden zu schmeißen, und er könnte ja, wenn es brennt, durchaus in annehmbarer Zeit wieder vor Ort sein.
Das mochte ja stimmen, aber es passte nicht so recht zu seiner nächsten Ankündigung, den Urlaub in einer Low-Level-Magie-Region als Menschen(!) zu verbringen, um „alle wieder mal zu erden“, wie er es ausdrückte.
Dass Jeantrons Verhältnis zu Raum und Zeit im Allgemeinen sowie zu dem, was der Rest des Universums unter Kausalität verstand, bestenfalls als vage bezeichnet werden musste, war Lee mittlerweile klar. Trotzdem setzte er auch hier wieder mal neue Maßstäbe, indem er bei dieser Gelegenheit das von Pierre Maltissan entwickelte Magie-Konzentrationsgerät testen wollte.
Um den Energiehunger der Anlage zu befriedigen, sollte in den Fachträumen der Hilda ein JTG-Generator mitgeführt werden, welcher nahezu jede Form verfügbarer Primärenergie verwerten konnte. Auch wenn dieser Plan mit einer sehr heißen und dazu eingefetteten Nadel gestrickt erschien, war es doch nicht das, was Lee le Baal im Moment – auch ganz ohne klamottige Magie – die Augen hervortreten ließ.
Was Lees Knie weich werden ließ, war Zacs menschlicher Aspekt. Natürlich war ZacVanDoom mit seinen zwei Meter dreißig, den Glühaugen und seiner Halo sowieso bemerkenswert und dazu noch eine Augenweide als Mann. Doch was hier vor ihr stand...
Lee musste sich anstrengen, nicht zu sabbern wie ein Teenie vor seinem Idol.
Zacs Menschenform hatte gegenüber dem Original fast 30 cm verloren und war damit immer noch kein Zwerg, aber wesentlich weniger riesenhaft.
Die Farbe seiner Augen war immer noch etwas zwischen Blau und Grün, doch ohne den mittlerweile gewohnten Leuchteffekt. Seine Muskelmasse hatte gegenüber der größeren Version nur wenig abgenommen, was ihn zu einem ziemlichen Schrank machte, ohne deshalb unproportional zu wirken. Aber das Highlight waren seine langen, wilden, dunklen Haare, die ihm über die Stirn und die Schultern hingen.
Mit sonorer Stimme sagte er zu Lee: „Ich hoffe, ich habe nicht zu sehr übertrieben?“
Lee prustete los, mit einem Mal war ihre Anspannung weg: „Och nöö, passt schooh“, schnoderte sie, beinahe schon wieder ganz die Alte.
„Lee Sweet, du bist ja voll das Schnuckel!“ meldete sich jemand seitlich von ihr zu Wort. Lee blickte zur Seite, wo ein jugendlicher Jeantron mit ausgestreckten Armen auf sie zulief. Auch dieser hatte einiges von seiner Größe und etliches von seinen Lebensjahren verloren.
Er hatte statt des roten ungezügelten Wuschelkopfes ebenfalls auf lange Haare gesetzt, nur dass sie bei ihm weiß waren. Zusammen mit den gleichmäßigen Zügen verlieh ihm das einen ziemlich androgynen Touch, der das Bild als Mentor, das er sonst darstellte, doch ziemlich veränderte.
Wieder mal wurde Lee klar, dass man Jean niemals wirklich einschätzen konnte. Auch wenn sie ihn eigentlich fast nur als Mann wahrnahm, war für ein als Gestaltwandler erschaffenes Wesen natürlich Geschlecht ein genauso fluides Konstrukt wie... eigentlich fast alles für diesen Cyberguru. Selbst das Ich, das Bewusstsein, war letztlich für ihn nichts Festes, sondern etwas, das man tauschen oder variieren konnte.
Trotz aller Nähe und den vielen Weisheiten, die der Guru immer von sich gab, war da doch immer eine gewisse Distanz, auch wenn sich Jeantron bemühte, diese klein zu halten – sie war dennoch vorhanden. Bei diesem Wildfang hier jedoch gab es sie gar nicht. Er umarmte sie und knutschte sie ab, was sehr unangenehm hätte sein können, aber auf eine seltsame Weise richtig wohltuend war.
Schräg war schon eher die Weise, wie Zac Jean anstarrte und den Blick gar nicht mehr von ihm abbrachte. In Lees Gehirn liefen mehrere Rädchen an, und sie erinnerte sich, wie Missy bei ihrer ersten Begegnung sie als „Femboy“ bezeichnet hatte.
„Nee,“ dachte sie, „schlimm genug, gegen eine gut ausgestattete Technohexe zu verlieren, aber nicht gegen einen Gestaltenwandler auf Östrogen! Hähä, nichts da, dieser Zac wird mein(!)“
Mit Argusaugen verfolgte Lee die stürmische Begrüßung von Idol Zac durch den Guru-Boi. „Na klasse,“ dachte sie bissig, „die zwei verstehen sich ja prächtig. Wenn sie jetzt anfangen, sich gegenseitig die Haare zu flechten, weiß ich, dass ich verloren habe.“ Zum Glück trudelte nach und nach der Rest der Reisegesellschaft ein, und Lee konnte sich ablenken.
Sie fragte sich, was sie verpasst hatte, als sie Miheil im Schotten-Minirock an der Seite von Timy erblickte. Timy hatte sich eigentlich nicht verändert, trug aber eine Art Partnerlook zu Miheil. „Wenigstens trägt Timy keinen Kilt, sonst könnte man euch glatt für Schwästern halten,“ sagte Lee und trat damit bewusst wieder ins Fettnäpfchen.
Trotzdem meinte sie es nicht böse, denn Miheil war in seinem Röckchen eine Augenweide, allerdings schien er den Fokus darauf, was ein „männliches Erscheinungsbild“ bedeutet, komplett verloren zu haben. Lee konnte es ihm noch nicht mal verübeln, wenn man einen Blick auf den Cyberguru warf.
Beide hatten Koffer in einem Umfang dabei, als ob sie vorhätten, der Familie für immer den Rücken zu kehren. „Als ob wir eine epische intergalaktische Expedition starten und nicht nur einen kurzen Trip machen,“ murmelte Lee leise vor sich hin. Womit sich dann ihr eigentlich guter Vorsatz, die Dinge entspannt anzugehen, in Luft auflöste.
„Mensch Lee, du schaust ja aus, als hättest du gerade einen Geist gesehen!“ rief Miheil lachend, während er unsicher an seinem Minirock zupfte. Es war offensichtlich, dass er sich darin wohlfühlte, auch wenn er nicht zugeben wollte, wie feminin er dadurch wirkte.
„Keinän Geist, Miheil, ganz im Gegenteil, der Rock steht dir wirklich ausgezeichnet!“ Lee konnte nicht anders, als ein Grinsen zu unterdrücken. „Aber hey, hast du mal dran gedacht, dass du vielleicht mehr wie 'ne Glamour-Queen als wie 'n Kerl wirkst?“ Sie zwinkerte, versuchte dabei, ihre Worte als gut gemeinten Ratschlag zu verpacken.
Miheil lachte, auch wenn es ein wenig nervös klang. „Vielleicht... aber was soll’s. Solang ich mich wohlfühle, is' doch alles in Ordnung, oder?“ Dabei konnte man sehen, dass er gleichzeitig stolz auf sein Outfit war, auch wenn er sich darüber im Klaren war, dass es seiner männlichen Erscheinung nicht unbedingt half.
Lee zuckte mit den Schultern. „Naja, stimmt schon. Du sollst dich wohlfühlen. Aber, nur so unter uns, wenn du willst, dass die Leute mehr den Typen in dir sehen, dann könnte eine Jeans auch nich’ schaden.“
Sie sagte es mit einem Augenzwinkern, aber in ihrer Stimme schwang ein ehrlicher Rat mit.
Timy, der das Gespräch beobachtet hatte, trat grinsend hinzu. „Lee hat recht, Miheil. Aber hey, keine Sorge, du siehst klasse aus. Und schließlich gehört Mut dazu, so was zu tragen!“ Er klopfte Miheil freundschaftlich auf die Schulter und fügte hinzu: „Das Wichtigste ist, dass du dich selbst treu bleibst.“
„Ich weiß, ich weiß,“ erwiderte Miheil, wobei er seine Unsicherheit mit einem selbstbewussten Lächeln zu überspielen versuchte. „Aber es schadet ja nicht, ab und zu die Grenzen zu testen.“
„Ach, wenn wir hier schon von Gränzen sprechen,“ warf Lee ein, „dann sollten wir vielleicht mal drüber reden, wie Jean und Zac sich da vorne unterhalten.“ Sie deutete mit dem Kopf in die Richtung, wo Jeantron und Zac miteinander sprachen, offensichtlich tief in ein Gespräch vertieft und sehr vertraut miteinander. „Wenn die zwei noch näher zusammenrücken, fang ich an, ’nen einen Tango-Workshop zu organisieren.“
Timy schmunzelte. „Ja, die beiden verstehen sich wirklich gut. Aber weißt du was, Lee? Vielleicht solltest du da mal dazwischenfunken, bevor Jean die ganze Aufmerksamkeit von Zac auf sich zieht.“
Lee nickte. „Kein Grund zur Sorge, Timy. Ich lass doch meinen Skyduke nicht so einfach ziehen.“ Sie grinste breit und warf einen letzten Blick auf Miheil. „Und du, Miheil, denk dran: Heute ist der Minirock cool, aber nächste Woche sehen wir dich vielleicht mal in Leder, was?“
Miheil lachte und nickte. „Wer weiß, Lee, wer weiß. Vielleicht überrasche ich euch alle.“
Lee Le Baal befürchtete das auch, die permanente Umdeutung der Realität durch den Cyberguru hatte offensichtlich ihre Spuren in den Reihen der Mohar hinterlassen.
Erleichtert stellte Lee fest, dass wenigstens Erwin nicht mit komplett revolutionären modischen Ideen aufwartete.
Allerdings trug er seine Haare als Dreadlocks, deren Spitzen in knalligen Farben gefärbt waren, die sich auch in seinem sommerlichen Outfit widerspiegelten.
Dem allgemeinen Trend folgend wirkte auch er jünger glatter und weniger energisch, Lee betete allerdings innerlich dafür, dass dahinter nicht wieder irgendein dämonischer Einfluss stand.
Von all den Mitgliedern der Mohar war gerade der so bodenständig wirkende Erwin der beunruhigendste Cyberdämon.
Niemand, der den engagierten Ökologen nur als Mensch kannte, wäre auch nur im Ansatz auf die Idee gekommen, dass dieser das personifizierte Grauen hunderter von ihm verschlungener Dämonen verkörperte.
Die Tatsache, dass für ihn Dimensionen Türen und Wege darstellten, die er, ohne zu zögern durchschritt, hinderte ihn offensichtlich nicht daran, mit einem Kofferberg aufzuschlagen, der sogar das Volumen von Miheils und Timys Tragetaschen-Troß überschritt.
Er richtete seine tiefbraunen Augen auf Lee und rief aus: „Hey Lee willkommen unter den Lebendenden, dich so zu sehen ist beeindruckend ich hätte dich beinahe nicht erkannt. Komm lass dich mal aus der Nähe anschauen!“
Er ließ das Koffergebirge hinter sich, eilte zu Lee und hielt sie an ihren Schultern.
„Du siehst wirklich toll aus, dieser Sidecut und diese Klamotten, die Boys und Girls des Planeten werden dir zu Füßen liegen!“
Damit erreichte er immerhin das sich Zacs Aufmerksamkeit weg von Jean und hin zu ihr richtete.
Mit ernster Mine sagte der Skyduke: „Daraus wird nichts werden, denn ich werde meine AENA mit meinen Körper beschützen!“
Für einen Augenblick wusste Lee nicht, ob sie, wegen des recht machohaften Spruchs angepisst sein sollte.
Letztlich musste sie, ob der Vorstellung wie sich Zac in die Bresche warf, um ihre Fanboys aufzuhalten, lauthals loslachen.
„Das würde dir so passen“ prustete sie los: „Jätzt reicht dir nicht mal mär der Jean-Boi, hähähä du willst unbedingt deinen Ruf als Filou gerächt wärden!“
Zacs Gesicht wurde noch etwas dunkler und Lee fand die Tatsache, dass Zacs Aspekt erröten konnte, bemerkenswert.
Insgesamt machte ihn das noch attraktiver und Lee konnte nicht anders, als sich ein wenig auf das Chaos zu freuen, das unausweichlich bevorstand.
Als das Raumschiff tatsächlich abhob, war sich Lee nicht sicher, ob Jeantron, welcher sich als Pilot betätigte, nicht etwas mittels irgendeiner Cheatfähigkeit nachgeholfen hatte.
Natürlich waren die Kreutzer der „La Paloma“ Klasse auch als Frachter einsetzbar, aber angesichts der Ausrüstung fragte sich Lee mittlerweile, was das für ein Urlaub werden sollte. Last Minute hatte sich auch noch ihr verrückter Wissenschaftler Pierre Maltissan zu ihnen gesellt und auch er hatte, (Lee hätte auch alles andere gewundert) einen Stapel Ausrüstung mitgebracht als ginge es auch eine jahrelange Expedition ins Unbekannte.
„Eigentlich kann ich mich noch nicht einmal beschwären“ dachte Lee Le Baal etwas peinlich berührt. Angesichts der ungehemmten Ausrüstung der Mitreisenden hatte sie auch Ihr Gepäck nochmals aufgestockt, um vor Ort dann eine Heimische Atmosphäre erzeugen zu können.
„Wozu haben wir aigentlich, diese ganzen Tross mitgänommen?“ Löcherte sie Erwin: „und wozu ist er mitgekommen?“ Sie deutete auf den Wissenschaftler.
Erwin verschränkte die Hände hinter dem Kopf: „Kaliopis ist der vierte Planet der Sonne Metaxa und liegt in einer Low Mana Zone. Dadurch ist die Pflanzen- und Tierwelt verhältnismäßig unberührt von den Veränderungen durch den Einfluss des Manas, welche im Großteil des Imperiums stattgefunden haben. Ich habe vor, jede Menge Proben zu nehmen, um an ursprüngliche DNA zu kommen. Mister Maltissan möchte erforschen, wie sich JTG-Technologie unter diesen Umständen schlägt und vor allem, welche Auswirkungen das Umfeld auf unsere Fähigkeiten und Skills hat.“
„Das hört sich tatsächlich mähr nach Arbeit als nach Urlaub an!“ warf Lee Le Baal ein. „Außerdäm dürfen wir denn das alläs einfach so ein- und ausführen?“ Sie schaute Erwin zweifelnd an.
In diesem Moment stieß der Skyduke zu ihnen: „Mach dir keine Sorgen, Dear, ich konnte das meiste im Vorfeld regeln. Bei der Buchung sind gleich die Zollgebühren mitbezahlt worden, und die Insel hat einen Platz, wo wir das Raumschiff landen und parken können.“
Lee verdrehte die Augen, was auch in der Menschenform erstaunlich weit funktionierte: „Das alles klingt, als ob es ein Vermögen gekostet hätte!“
Zac grinste breit: „Naja,“ sagte er gedehnt, „der Großinquisitor war wirklich nicht knausrig. Vor allem hat es einen wirklich netten Bonus für die durch das Haus Aurion-Stellaaris offengelegte Technologie gegeben. Dadurch hat er seine Position innerhalb der imperialen Behörde gestärkt und gilt im Moment als der kommende Mann der Imperatrix. Selbst seine größten Kritiker innerhalb der Inquisition mussten seine Leistung, die in Verruf geratene Institution aus dem Abseits zu führen, in das sie unter seinen Vorgängern hineingekommen war, anerkennen. Er weiß natürlich, dass er dies dem energischen Handeln der JTG zu verdanken hat und hat es entsprechend finanziell gewürdigt.“ Zac rieb Daumen und Zeigefinger gegeneinander.
„Hähä, und jetzt wird alles zügig auf dän Kopf gehauen,“ amüsierte sich Lee.
Zac schenkte ihr einen verweisenden Blick: „Erstens habe ich einen erheblichen Rabatt herausschlagen können, und zweitens ist dieser Urlaub für die Familie wichtig. Wie so oft hat Jean mit seinen Spontanideen ein Gespür für die Situation bewiesen. Du solltest wirklich seine Lektionen betreffend Achtsamkeit und im Augenblick das große Ganze zu erleben, deutlich mehr verinnerlichen.“
Lee Le Baal war etwas verärgert wegen des Rüffels. In ihr rumorte es: „Es ist doch nur ein blöder Urlaub und keine Mission. Kein Grund, gleich wieder die Achtsamkeitskeule herauszuholen.“ Trotzdem hinterließ das Gespräch einen fahlen Beigeschmack, denn das Letzte, was sie brauchte, war ein Streit mit Zac, über, über… ja, worüber eigentlich? Schließlich war ihr Plan, den Duke endlich für sich zu gewinnen. Es war auch nicht so, dass das Thema Finanzen Anlass für Unfrieden in vielen Häusern jemals bei den Skycitizen eine tragende Rolle gespielt hätte. Allein von den Unsummen, welche man bei ihrer Erweckung investiert hatte, hätte das Haus zumindest mittelfristig den Status eines großen Hauses erlangen können.
Bei Einblick in entsprechende Unterlagen hatte ihr Atem tatsächlich kurz gestockt, obwohl sie mittlerweile damit vertraut war, dass die Mohar mit Unsummen hantierten. Sie war auch kein Einzelfall; Miheils recht turbulente Rekrutierung war ein ähnlich kostenträchtiger Vorgang. Zu dem Zeitpunkt war die Familie allerdings auch offizieller Wasserhändler auf Alraxis mit entsprechendem Einkommen.
Lee hatte sich bereits abgewandt, als sie plötzlich Erwin wieder neben sich stehen sah. Wie aus dem Nichts war er aufgetaucht, mit einem ernsten Blick, der seine Augen schmal werden ließ. „Es gibt noch etwas, das ich hinzufügen muss,“ begann Erwin. „Wenn wir auf Kaliopis arbeiten, müssen wir sehr aufmerksam sein, um nicht durch unsere Anwesenheit das fragile Gleichgewicht der dortigen Ökosysteme zu stören.
In einer Low Mana Zone entwickeln sich Flora und Fauna langsamer, aber auch stabiler. Die Proben, die ich nehmen werde, sind nicht nur für unsere Forschung wichtig, sondern auch für das Verständnis, wie Leben in solchen Umgebungen überdauern kann.“
Lee nickte langsam, während sie Erwin zuhörte. Seine Worte brachten ihre eigenen Gedanken etwas zur Ruhe. Trotzdem fühlte sie sich nach dem Gespräch immer noch unbehaglich, und so lief sie schließlich in Gedanken versunken durch das Schiff.
Ihre Schritte wurden langsamer, als sie über die letzten Minuten nachdachte. In diesem Moment sprach sie ein Timy an, der locker und gelöst wirkte: „Was ist los, Lee? Als Mensch musst du nicht mit dienstlichem Gesicht umherlaufen.“
„Aigentlich war ich mal für die fiesen Sprüche zuständig,“ konterte Lee.
Timy war heute nicht auszubremsen: „Komm mit in den Trainingsraum, da kannst du Dampf ablassen und mir erzählen, welche Laus dir über die Leber gelaufen ist.“
Ziemlich baff fragte Lee Le Baal: „Woher kennst du eigentlich diesen uralten Spruch? Bei Läusen würden die meisten Imperialen an die handtellergroßen Sandläuse auf Alraxis denken, und die laufen nicht über die Leber – die verspeisen sie.“
Wie aus dem Nichts stand auf einmal auch wieder Erwin neben ihr und hörte das Gespräch. Er schaltete sich ein, die Arme vor der Brust verschränkt: „Wusstest du, dass die Beziehung zwischen Menschen und Parasiten so alt ist wie die Menschheit selbst? Parasiten, insbesondere Läuse, haben sich im Laufe der Evolution an ihre Wirte angepasst und begleiten sie seit Millionen von Jahren.
Auf einer gewissen Ebene sind sie ein Teil des natürlichen Gleichgewichts – störend, ja, aber auch ein Beweis für die Komplexität des Lebens. Jedes Lebewesen, ob Mensch oder Parasit, spielt eine Rolle im Ökosystem. Und während die Sandläuse auf Alraxis eine extreme Variante sind, sind sie doch ein weiterer Beweis dafür, wie sich Leben unter unterschiedlichsten Bedingungen anpassen kann.“
Timy grinste, als er Erwins Ausführung hörte: „Also, Lee, du siehst, selbst Parasiten haben ihren Platz im Universum.“
Lee konnte sich ein Schmunzeln nicht verkneifen: „Vielleicht, aber ich dänke trotzdem, dass sie sich ruhig ein anderes Opfer suchen könnten.“ Timy und Erwin lachten, und für einen Moment war die angespannte Stimmung vergessen.
Doch dann schüttelte Lee den Kopf und blickte Erwin skeptisch an. „Sag mal, Ärwin, wie machst du das eigentlich immer? Du tauchst ständig wie aus dem Nichts auf! Dabei bist du hier ein Mensch und kein Dämon. Das ist langsam unhaimlich.“
Erwin hob eine Augenbraue und grinste leicht. „Gewohnheit, schätze ich. Alte Reflexe sterben schwer. Aber keine Sorge, ich benutze hier keine dämonischen Tricks. Vielleicht habe ich einfach ein Talent dafür, im richtigen Moment aufzutauchen.“ Er zwinkerte ihr zu.
Timy schüttelte lachend den Kopf: „Das ist schon das zweite Mal heute, dass du Lee damit überrascht hast, Erwin. Du solltest wirklich darüber nachdenken, dir einen lauteren Schritt anzugewöhnen.“
Lee verschränkte die Arme vor der Brust und sah Erwin spielerisch herausfordernd an. „Oder du könntest einfach wie ein normaler Mensch den Raum betreten und dich bemerkbar machen, anstatt ständig zu erscheinen, als würdest du aus dem Schatten springen.“
Erwin lachte leise und hob abwehrend die Hände. „In Ordnung, in Ordnung, ich gelobe Besserung. Keine unheimlichen Auftritte mehr.“
Lee nickte zufrieden, konnte aber das Lächeln auf ihren Lippen nicht unterdrücken. „Das will ich hoffen. Sonst komme ich noch auf die Idee, meinen Lieblings-Baseballschläger für Achtsamkeitsübungen zu verwänden.“
„Wenn das bedeutet, dass du mehr auf mich achtest, dann könnte das gar nicht so schlecht sein,“ entgegnete Erwin mit einem schelmischen Grinsen.
Timy grinste breit und schlug Lee freundschaftlich auf die Schulter. „Da hast du’s, Lee. Du wolltest doch eh für fiese Sprüche zuständig sein, oder? Jetzt hast du wieder jemanden, den du dir vorknöpfen kannst.“
Lee schüttelte lachend den Kopf. „Ja, ja, schon gut. Aber trotzdem, Erwin, ein bisschen wäniger Spuk würde uns allen guttun.“
Erwin verbeugte sich leicht und spielte den Reumütigen. „Wie ihr wünscht, Lady Lee.“
Die Abreise
(Der von Jeantron angekündigte Urlaub beginnt, doch auf Lee warten jede Menge Überraschungen)
Lee le Baal haderte ein wenig mit der Tatsache, dass sie den tollen Effekt mit den herausfallenden Augen bereits verschwendet hatte, als Jeantron ihr beiläufig mitgeteilt hatte, dass Zac auf sie abfuhr, aber mit Blick auf sein Mentor/AENA-Verhältnis jegliche Bekundungen unterließ.
Damit klärte sich auch einiges an Zacs etwas mysteriösem Verhalten, denn Schüchternheit passte nicht so richtig zu dem recht weltgewandten Skyduke. Zuweilen übertriebene Korrektheit dagegen schon.
Jeantron hatte wieder mal Staub aufgewirbelt mit der Ankündigung, die Führungsriege der Familie kurzerhand in den Urlaub schicken zu wollen. Mit den Einwänden, zum Beispiel, wer in der Zwischenzeit die Geschäfte leiten sollte und wozu ein Urlaub bei einer Familie, der immerhin ein Teil einer Insel gehörte, gut sein sollte, machte er kurzen Prozess.
Zacs Aspekt könnte die Dinge auch mal alleine regeln, es wären ja immer noch genügend Skylords vor Ort, um den Laden zu schmeißen, und er könnte ja, wenn es brennt, durchaus in annehmbarer Zeit wieder vor Ort sein.
Das mochte ja stimmen, aber es passte nicht so recht zu seiner nächsten Ankündigung, den Urlaub in einer Low-Level-Magie-Region als Menschen(!) zu verbringen, um „alle wieder mal zu erden“, wie er es ausdrückte.
Dass Jeantrons Verhältnis zu Raum und Zeit im Allgemeinen sowie zu dem, was der Rest des Universums unter Kausalität verstand, bestenfalls als vage bezeichnet werden musste, war Lee mittlerweile klar. Trotzdem setzte er auch hier wieder mal neue Maßstäbe, indem er bei dieser Gelegenheit das von Pierre Maltissan entwickelte Magie-Konzentrationsgerät testen wollte.
Um den Energiehunger der Anlage zu befriedigen, sollte in den Fachträumen der Hilda ein JTG-Generator mitgeführt werden, welcher nahezu jede Form verfügbarer Primärenergie verwerten konnte. Auch wenn dieser Plan mit einer sehr heißen und dazu eingefetteten Nadel gestrickt erschien, war es doch nicht das, was Lee le Baal im Moment – auch ganz ohne klamottige Magie – die Augen hervortreten ließ.
Was Lees Knie weich werden ließ, war Zacs menschlicher Aspekt. Natürlich war ZacVanDoom mit seinen zwei Meter dreißig, den Glühaugen und seiner Halo sowieso bemerkenswert und dazu noch eine Augenweide als Mann. Doch was hier vor ihr stand...
Lee musste sich anstrengen, nicht zu sabbern wie ein Teenie vor seinem Idol.
Zacs Menschenform hatte gegenüber dem Original fast 30 cm verloren und war damit immer noch kein Zwerg, aber wesentlich weniger riesenhaft.
Die Farbe seiner Augen war immer noch etwas zwischen Blau und Grün, doch ohne den mittlerweile gewohnten Leuchteffekt. Seine Muskelmasse hatte gegenüber der größeren Version nur wenig abgenommen, was ihn zu einem ziemlichen Schrank machte, ohne deshalb unproportional zu wirken. Aber das Highlight waren seine langen, wilden, dunklen Haare, die ihm über die Stirn und die Schultern hingen.
Mit sonorer Stimme sagte er zu Lee: „Ich hoffe, ich habe nicht zu sehr übertrieben?“
Lee prustete los, mit einem Mal war ihre Anspannung weg: „Och nöö, passt schooh“, schnoderte sie, beinahe schon wieder ganz die Alte.
„Lee Sweet, du bist ja voll das Schnuckel!“ meldete sich jemand seitlich von ihr zu Wort. Lee blickte zur Seite, wo ein jugendlicher Jeantron mit ausgestreckten Armen auf sie zulief. Auch dieser hatte einiges von seiner Größe und etliches von seinen Lebensjahren verloren.
Er hatte statt des roten ungezügelten Wuschelkopfes ebenfalls auf lange Haare gesetzt, nur dass sie bei ihm weiß waren. Zusammen mit den gleichmäßigen Zügen verlieh ihm das einen ziemlich androgynen Touch, der das Bild als Mentor, das er sonst darstellte, doch ziemlich veränderte.
Wieder mal wurde Lee klar, dass man Jean niemals wirklich einschätzen konnte. Auch wenn sie ihn eigentlich fast nur als Mann wahrnahm, war für ein als Gestaltwandler erschaffenes Wesen natürlich Geschlecht ein genauso fluides Konstrukt wie... eigentlich fast alles für diesen Cyberguru. Selbst das Ich, das Bewusstsein, war letztlich für ihn nichts Festes, sondern etwas, das man tauschen oder variieren konnte.
Trotz aller Nähe und den vielen Weisheiten, die der Guru immer von sich gab, war da doch immer eine gewisse Distanz, auch wenn sich Jeantron bemühte, diese klein zu halten – sie war dennoch vorhanden. Bei diesem Wildfang hier jedoch gab es sie gar nicht. Er umarmte sie und knutschte sie ab, was sehr unangenehm hätte sein können, aber auf eine seltsame Weise richtig wohltuend war.
Schräg war schon eher die Weise, wie Zac Jean anstarrte und den Blick gar nicht mehr von ihm abbrachte. In Lees Gehirn liefen mehrere Rädchen an, und sie erinnerte sich, wie Missy bei ihrer ersten Begegnung sie als „Femboy“ bezeichnet hatte.
„Nee,“ dachte sie, „schlimm genug, gegen eine gut ausgestattete Technohexe zu verlieren, aber nicht gegen einen Gestaltenwandler auf Östrogen! Hähä, nichts da, dieser Zac wird mein(!)“
Mit Argusaugen verfolgte Lee die stürmische Begrüßung von Idol Zac durch den Guru-Boi. „Na klasse,“ dachte sie bissig, „die zwei verstehen sich ja prächtig. Wenn sie jetzt anfangen, sich gegenseitig die Haare zu flechten, weiß ich, dass ich verloren habe.“ Zum Glück trudelte nach und nach der Rest der Reisegesellschaft ein, und Lee konnte sich ablenken.
Sie fragte sich, was sie verpasst hatte, als sie Miheil im Schotten-Minirock an der Seite von Timy erblickte. Timy hatte sich eigentlich nicht verändert, trug aber eine Art Partnerlook zu Miheil. „Wenigstens trägt Timy keinen Kilt, sonst könnte man euch glatt für Schwästern halten,“ sagte Lee und trat damit bewusst wieder ins Fettnäpfchen.
Trotzdem meinte sie es nicht böse, denn Miheil war in seinem Röckchen eine Augenweide, allerdings schien er den Fokus darauf, was ein „männliches Erscheinungsbild“ bedeutet, komplett verloren zu haben. Lee konnte es ihm noch nicht mal verübeln, wenn man einen Blick auf den Cyberguru warf.
Beide hatten Koffer in einem Umfang dabei, als ob sie vorhätten, der Familie für immer den Rücken zu kehren. „Als ob wir eine epische intergalaktische Expedition starten und nicht nur einen kurzen Trip machen,“ murmelte Lee leise vor sich hin. Womit sich dann ihr eigentlich guter Vorsatz, die Dinge entspannt anzugehen, in Luft auflöste.
„Mensch Lee, du schaust ja aus, als hättest du gerade einen Geist gesehen!“ rief Miheil lachend, während er unsicher an seinem Minirock zupfte. Es war offensichtlich, dass er sich darin wohlfühlte, auch wenn er nicht zugeben wollte, wie feminin er dadurch wirkte.
„Keinän Geist, Miheil, ganz im Gegenteil, der Rock steht dir wirklich ausgezeichnet!“ Lee konnte nicht anders, als ein Grinsen zu unterdrücken. „Aber hey, hast du mal dran gedacht, dass du vielleicht mehr wie 'ne Glamour-Queen als wie 'n Kerl wirkst?“ Sie zwinkerte, versuchte dabei, ihre Worte als gut gemeinten Ratschlag zu verpacken.
Miheil lachte, auch wenn es ein wenig nervös klang. „Vielleicht... aber was soll’s. Solang ich mich wohlfühle, is' doch alles in Ordnung, oder?“ Dabei konnte man sehen, dass er gleichzeitig stolz auf sein Outfit war, auch wenn er sich darüber im Klaren war, dass es seiner männlichen Erscheinung nicht unbedingt half.
Lee zuckte mit den Schultern. „Naja, stimmt schon. Du sollst dich wohlfühlen. Aber, nur so unter uns, wenn du willst, dass die Leute mehr den Typen in dir sehen, dann könnte eine Jeans auch nich’ schaden.“
Sie sagte es mit einem Augenzwinkern, aber in ihrer Stimme schwang ein ehrlicher Rat mit.
Timy, der das Gespräch beobachtet hatte, trat grinsend hinzu. „Lee hat recht, Miheil. Aber hey, keine Sorge, du siehst klasse aus. Und schließlich gehört Mut dazu, so was zu tragen!“ Er klopfte Miheil freundschaftlich auf die Schulter und fügte hinzu: „Das Wichtigste ist, dass du dich selbst treu bleibst.“
„Ich weiß, ich weiß,“ erwiderte Miheil, wobei er seine Unsicherheit mit einem selbstbewussten Lächeln zu überspielen versuchte. „Aber es schadet ja nicht, ab und zu die Grenzen zu testen.“
„Ach, wenn wir hier schon von Gränzen sprechen,“ warf Lee ein, „dann sollten wir vielleicht mal drüber reden, wie Jean und Zac sich da vorne unterhalten.“ Sie deutete mit dem Kopf in die Richtung, wo Jeantron und Zac miteinander sprachen, offensichtlich tief in ein Gespräch vertieft und sehr vertraut miteinander. „Wenn die zwei noch näher zusammenrücken, fang ich an, ’nen einen Tango-Workshop zu organisieren.“
Timy schmunzelte. „Ja, die beiden verstehen sich wirklich gut. Aber weißt du was, Lee? Vielleicht solltest du da mal dazwischenfunken, bevor Jean die ganze Aufmerksamkeit von Zac auf sich zieht.“
Lee nickte. „Kein Grund zur Sorge, Timy. Ich lass doch meinen Skyduke nicht so einfach ziehen.“ Sie grinste breit und warf einen letzten Blick auf Miheil. „Und du, Miheil, denk dran: Heute ist der Minirock cool, aber nächste Woche sehen wir dich vielleicht mal in Leder, was?“
Miheil lachte und nickte. „Wer weiß, Lee, wer weiß. Vielleicht überrasche ich euch alle.“
Lee Le Baal befürchtete das auch, die permanente Umdeutung der Realität durch den Cyberguru hatte offensichtlich ihre Spuren in den Reihen der Mohar hinterlassen.
Erleichtert stellte Lee fest, dass wenigstens Erwin nicht mit komplett revolutionären modischen Ideen aufwartete.
Allerdings trug er seine Haare als Dreadlocks, deren Spitzen in knalligen Farben gefärbt waren, die sich auch in seinem sommerlichen Outfit widerspiegelten.
Dem allgemeinen Trend folgend wirkte auch er jünger glatter und weniger energisch, Lee betete allerdings innerlich dafür, dass dahinter nicht wieder irgendein dämonischer Einfluss stand.
Von all den Mitgliedern der Mohar war gerade der so bodenständig wirkende Erwin der beunruhigendste Cyberdämon.
Niemand, der den engagierten Ökologen nur als Mensch kannte, wäre auch nur im Ansatz auf die Idee gekommen, dass dieser das personifizierte Grauen hunderter von ihm verschlungener Dämonen verkörperte.
Die Tatsache, dass für ihn Dimensionen Türen und Wege darstellten, die er, ohne zu zögern durchschritt, hinderte ihn offensichtlich nicht daran, mit einem Kofferberg aufzuschlagen, der sogar das Volumen von Miheils und Timys Tragetaschen-Troß überschritt.
Er richtete seine tiefbraunen Augen auf Lee und rief aus: „Hey Lee willkommen unter den Lebendenden, dich so zu sehen ist beeindruckend ich hätte dich beinahe nicht erkannt. Komm lass dich mal aus der Nähe anschauen!“
Er ließ das Koffergebirge hinter sich, eilte zu Lee und hielt sie an ihren Schultern.
„Du siehst wirklich toll aus, dieser Sidecut und diese Klamotten, die Boys und Girls des Planeten werden dir zu Füßen liegen!“
Damit erreichte er immerhin das sich Zacs Aufmerksamkeit weg von Jean und hin zu ihr richtete.
Mit ernster Mine sagte der Skyduke: „Daraus wird nichts werden, denn ich werde meine AENA mit meinen Körper beschützen!“
Für einen Augenblick wusste Lee nicht, ob sie, wegen des recht machohaften Spruchs angepisst sein sollte.
Letztlich musste sie, ob der Vorstellung wie sich Zac in die Bresche warf, um ihre Fanboys aufzuhalten, lauthals loslachen.
„Das würde dir so passen“ prustete sie los: „Jätzt reicht dir nicht mal mär der Jean-Boi, hähähä du willst unbedingt deinen Ruf als Filou gerächt wärden!“
Zacs Gesicht wurde noch etwas dunkler und Lee fand die Tatsache, dass Zacs Aspekt erröten konnte, bemerkenswert.
Insgesamt machte ihn das noch attraktiver und Lee konnte nicht anders, als sich ein wenig auf das Chaos zu freuen, das unausweichlich bevorstand.
Als das Raumschiff tatsächlich abhob, war sich Lee nicht sicher, ob Jeantron, welcher sich als Pilot betätigte, nicht etwas mittels irgendeiner Cheatfähigkeit nachgeholfen hatte.
Natürlich waren die Kreutzer der „La Paloma“ Klasse auch als Frachter einsetzbar, aber angesichts der Ausrüstung fragte sich Lee mittlerweile, was das für ein Urlaub werden sollte. Last Minute hatte sich auch noch ihr verrückter Wissenschaftler Pierre Maltissan zu ihnen gesellt und auch er hatte, (Lee hätte auch alles andere gewundert) einen Stapel Ausrüstung mitgebracht als ginge es auch eine jahrelange Expedition ins Unbekannte.
„Eigentlich kann ich mich noch nicht einmal beschwären“ dachte Lee Le Baal etwas peinlich berührt. Angesichts der ungehemmten Ausrüstung der Mitreisenden hatte sie auch Ihr Gepäck nochmals aufgestockt, um vor Ort dann eine Heimische Atmosphäre erzeugen zu können.
„Wozu haben wir aigentlich, diese ganzen Tross mitgänommen?“ Löcherte sie Erwin: „und wozu ist er mitgekommen?“ Sie deutete auf den Wissenschaftler.
Erwin verschränkte die Hände hinter dem Kopf: „Kaliopis ist der vierte Planet der Sonne Metaxa und liegt in einer Low Mana Zone. Dadurch ist die Pflanzen- und Tierwelt verhältnismäßig unberührt von den Veränderungen durch den Einfluss des Manas, welche im Großteil des Imperiums stattgefunden haben. Ich habe vor, jede Menge Proben zu nehmen, um an ursprüngliche DNA zu kommen. Mister Maltissan möchte erforschen, wie sich JTG-Technologie unter diesen Umständen schlägt und vor allem, welche Auswirkungen das Umfeld auf unsere Fähigkeiten und Skills hat.“
„Das hört sich tatsächlich mähr nach Arbeit als nach Urlaub an!“ warf Lee Le Baal ein. „Außerdäm dürfen wir denn das alläs einfach so ein- und ausführen?“ Sie schaute Erwin zweifelnd an.
In diesem Moment stieß der Skyduke zu ihnen: „Mach dir keine Sorgen, Dear, ich konnte das meiste im Vorfeld regeln. Bei der Buchung sind gleich die Zollgebühren mitbezahlt worden, und die Insel hat einen Platz, wo wir das Raumschiff landen und parken können.“
Lee verdrehte die Augen, was auch in der Menschenform erstaunlich weit funktionierte: „Das alles klingt, als ob es ein Vermögen gekostet hätte!“
Zac grinste breit: „Naja,“ sagte er gedehnt, „der Großinquisitor war wirklich nicht knausrig. Vor allem hat es einen wirklich netten Bonus für die durch das Haus Aurion-Stellaaris offengelegte Technologie gegeben. Dadurch hat er seine Position innerhalb der imperialen Behörde gestärkt und gilt im Moment als der kommende Mann der Imperatrix. Selbst seine größten Kritiker innerhalb der Inquisition mussten seine Leistung, die in Verruf geratene Institution aus dem Abseits zu führen, in das sie unter seinen Vorgängern hineingekommen war, anerkennen. Er weiß natürlich, dass er dies dem energischen Handeln der JTG zu verdanken hat und hat es entsprechend finanziell gewürdigt.“ Zac rieb Daumen und Zeigefinger gegeneinander.
„Hähä, und jetzt wird alles zügig auf dän Kopf gehauen,“ amüsierte sich Lee.
Zac schenkte ihr einen verweisenden Blick: „Erstens habe ich einen erheblichen Rabatt herausschlagen können, und zweitens ist dieser Urlaub für die Familie wichtig. Wie so oft hat Jean mit seinen Spontanideen ein Gespür für die Situation bewiesen. Du solltest wirklich seine Lektionen betreffend Achtsamkeit und im Augenblick das große Ganze zu erleben, deutlich mehr verinnerlichen.“
Lee Le Baal war etwas verärgert wegen des Rüffels. In ihr rumorte es: „Es ist doch nur ein blöder Urlaub und keine Mission. Kein Grund, gleich wieder die Achtsamkeitskeule herauszuholen.“ Trotzdem hinterließ das Gespräch einen fahlen Beigeschmack, denn das Letzte, was sie brauchte, war ein Streit mit Zac, über, über… ja, worüber eigentlich? Schließlich war ihr Plan, den Duke endlich für sich zu gewinnen. Es war auch nicht so, dass das Thema Finanzen Anlass für Unfrieden in vielen Häusern jemals bei den Skycitizen eine tragende Rolle gespielt hätte. Allein von den Unsummen, welche man bei ihrer Erweckung investiert hatte, hätte das Haus zumindest mittelfristig den Status eines großen Hauses erlangen können.
Bei Einblick in entsprechende Unterlagen hatte ihr Atem tatsächlich kurz gestockt, obwohl sie mittlerweile damit vertraut war, dass die Mohar mit Unsummen hantierten. Sie war auch kein Einzelfall; Miheils recht turbulente Rekrutierung war ein ähnlich kostenträchtiger Vorgang. Zu dem Zeitpunkt war die Familie allerdings auch offizieller Wasserhändler auf Alraxis mit entsprechendem Einkommen.
Lee hatte sich bereits abgewandt, als sie plötzlich Erwin wieder neben sich stehen sah. Wie aus dem Nichts war er aufgetaucht, mit einem ernsten Blick, der seine Augen schmal werden ließ. „Es gibt noch etwas, das ich hinzufügen muss,“ begann Erwin. „Wenn wir auf Kaliopis arbeiten, müssen wir sehr aufmerksam sein, um nicht durch unsere Anwesenheit das fragile Gleichgewicht der dortigen Ökosysteme zu stören.
In einer Low Mana Zone entwickeln sich Flora und Fauna langsamer, aber auch stabiler. Die Proben, die ich nehmen werde, sind nicht nur für unsere Forschung wichtig, sondern auch für das Verständnis, wie Leben in solchen Umgebungen überdauern kann.“
Lee nickte langsam, während sie Erwin zuhörte. Seine Worte brachten ihre eigenen Gedanken etwas zur Ruhe. Trotzdem fühlte sie sich nach dem Gespräch immer noch unbehaglich, und so lief sie schließlich in Gedanken versunken durch das Schiff.
Ihre Schritte wurden langsamer, als sie über die letzten Minuten nachdachte. In diesem Moment sprach sie ein Timy an, der locker und gelöst wirkte: „Was ist los, Lee? Als Mensch musst du nicht mit dienstlichem Gesicht umherlaufen.“
„Aigentlich war ich mal für die fiesen Sprüche zuständig,“ konterte Lee.
Timy war heute nicht auszubremsen: „Komm mit in den Trainingsraum, da kannst du Dampf ablassen und mir erzählen, welche Laus dir über die Leber gelaufen ist.“
Ziemlich baff fragte Lee Le Baal: „Woher kennst du eigentlich diesen uralten Spruch? Bei Läusen würden die meisten Imperialen an die handtellergroßen Sandläuse auf Alraxis denken, und die laufen nicht über die Leber – die verspeisen sie.“
Wie aus dem Nichts stand auf einmal auch wieder Erwin neben ihr und hörte das Gespräch. Er schaltete sich ein, die Arme vor der Brust verschränkt: „Wusstest du, dass die Beziehung zwischen Menschen und Parasiten so alt ist wie die Menschheit selbst? Parasiten, insbesondere Läuse, haben sich im Laufe der Evolution an ihre Wirte angepasst und begleiten sie seit Millionen von Jahren.
Auf einer gewissen Ebene sind sie ein Teil des natürlichen Gleichgewichts – störend, ja, aber auch ein Beweis für die Komplexität des Lebens. Jedes Lebewesen, ob Mensch oder Parasit, spielt eine Rolle im Ökosystem. Und während die Sandläuse auf Alraxis eine extreme Variante sind, sind sie doch ein weiterer Beweis dafür, wie sich Leben unter unterschiedlichsten Bedingungen anpassen kann.“
Timy grinste, als er Erwins Ausführung hörte: „Also, Lee, du siehst, selbst Parasiten haben ihren Platz im Universum.“
Lee konnte sich ein Schmunzeln nicht verkneifen: „Vielleicht, aber ich dänke trotzdem, dass sie sich ruhig ein anderes Opfer suchen könnten.“ Timy und Erwin lachten, und für einen Moment war die angespannte Stimmung vergessen.
Doch dann schüttelte Lee den Kopf und blickte Erwin skeptisch an. „Sag mal, Ärwin, wie machst du das eigentlich immer? Du tauchst ständig wie aus dem Nichts auf! Dabei bist du hier ein Mensch und kein Dämon. Das ist langsam unhaimlich.“
Erwin hob eine Augenbraue und grinste leicht. „Gewohnheit, schätze ich. Alte Reflexe sterben schwer. Aber keine Sorge, ich benutze hier keine dämonischen Tricks. Vielleicht habe ich einfach ein Talent dafür, im richtigen Moment aufzutauchen.“ Er zwinkerte ihr zu.
Timy schüttelte lachend den Kopf: „Das ist schon das zweite Mal heute, dass du Lee damit überrascht hast, Erwin. Du solltest wirklich darüber nachdenken, dir einen lauteren Schritt anzugewöhnen.“
Lee verschränkte die Arme vor der Brust und sah Erwin spielerisch herausfordernd an. „Oder du könntest einfach wie ein normaler Mensch den Raum betreten und dich bemerkbar machen, anstatt ständig zu erscheinen, als würdest du aus dem Schatten springen.“
Erwin lachte leise und hob abwehrend die Hände. „In Ordnung, in Ordnung, ich gelobe Besserung. Keine unheimlichen Auftritte mehr.“
Lee nickte zufrieden, konnte aber das Lächeln auf ihren Lippen nicht unterdrücken. „Das will ich hoffen. Sonst komme ich noch auf die Idee, meinen Lieblings-Baseballschläger für Achtsamkeitsübungen zu verwänden.“
„Wenn das bedeutet, dass du mehr auf mich achtest, dann könnte das gar nicht so schlecht sein,“ entgegnete Erwin mit einem schelmischen Grinsen.
Timy grinste breit und schlug Lee freundschaftlich auf die Schulter. „Da hast du’s, Lee. Du wolltest doch eh für fiese Sprüche zuständig sein, oder? Jetzt hast du wieder jemanden, den du dir vorknöpfen kannst.“
Lee schüttelte lachend den Kopf. „Ja, ja, schon gut. Aber trotzdem, Erwin, ein bisschen wäniger Spuk würde uns allen guttun.“
Erwin verbeugte sich leicht und spielte den Reumütigen. „Wie ihr wünscht, Lady Lee.“
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