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Los statt Wahl?

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  • HerrHorst
    antwortet
    Zitat von endar Beitrag anzeigen
    Super. Bei z.B. Fragen der Energiepolitik wird dann die Hälfte des Parlaments von RWE-Vertretern und anderen Lobbyisten gestellt. Tolle Idee. Wirklich.
    Im Bereich der Energieversorgung werden wohl nicht nur Lobbyisten von RWE und anderen Abzockern zur Verfügung stehen...

    Dazu war im Rahmen ihres Modells sowieso die Industrie verstaatlicht, womit sich das Problem ohnehin nicht stellt.

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  • endar
    antwortet
    Zitat von HerrHorst Beitrag anzeigen
    Darin war unter anderem vorgesehen, dass die Experten auf einem Gebiet eine Bevorzugung bei der Verlosung haben. In einem Wasserwerk wären z.B. die Hälfte der Plätze für Leute mit entsprechendem Vorwissen reserviert (aus diesem Pool werden die Vertreter ausgelost) und die andere Hälfte käme, dann aus der Gesellschaft.
    Super. Bei z.B. Fragen der Energiepolitik wird dann die Hälfte des Parlaments von RWE-Vertretern und anderen Lobbyisten gestellt. Tolle Idee. Wirklich.

    Was das alte Griechenland anbetrifft, so war es übrigens nicht so, dass die Ämter willkürlich unters Volk gelost wurden, auch dort gab es Kandidaten.

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  • HerrHorst
    antwortet
    Insgesamt finde ich die Idee der Demarchie gar nicht mal so uninteressant. Paul Cockshott und Allin Cottrell haben in ihrem Buch "Alternativen aus dem Rechner" genau so ein ähnliches Modell vertreten.

    Als erstes haben sie erläutert warum sie sowohl den Parlamentarismus [Wählen bevorzugt bestimmte Menschen, Einfluss durch Lobbyismus, Vorteile durch Geld] als auch eine Rätedemokratie [instabil] ablehnen und dann ihre Staatsform vorgestellt.

    Darin war unter anderem vorgesehen, dass die Experten auf einem Gebiet eine Bevorzugung bei der Verlosung haben. In einem Wasserwerk wären z.B. die Hälfte der Plätze für Leute mit entsprechendem Vorwissen reserviert (aus diesem Pool werden die Vertreter ausgelost) und die andere Hälfte käme, dann aus der Gesellschaft.

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  • DnuhD2
    antwortet
    Netter Gedanke, aber so funktioniert das leider nicht. Durch Losen entsteht nicht automatisch eine Gruppe in dem alles so wunderbar gemixt und vorhanden ist, wie du es beschrieben hast. Es KANN enstehen, aber es kann auch sein dass 90% aller gelosten Mechaniker, Bauarbeiter, Lageristen, etc. sind. Das sind hart arbeitende Menschen, die weder hochintelligent noch dumm sind, meist ein normales, gutes Leben führen und einen großteil der Bevölkerung stellen. Aber ein Bundestag? Da wäre ich doch skeptisch ob das was wird.

    Vorallem weil durch eine neulosung das Risiko besteht, dass die nächste Gruppe aus komplett anderen Menschen besteht, die dann sämtliche Entscheidungen der vorherigen Gruppe als dämlich abstempeln und somit alles wieder über den Haufen werfen, was bisher erreicht wurde. Sei es nun gut oder schlecht.

    In einer antiken Gesellschaft war das möglicherweise noch eine Option, aber in einer Modernen mit 80 Millionen Bürger, würde das unserem Politiksystem mehr schaden als nutzen, auch wenn ich das Momentane selbst nicht sonderlich toll finde.

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  • endar
    antwortet
    Hamburg testet ja sowas immer mal wieder mal: mit der Stattpartei, mit der Piratenpartei etc. pp.

    Die lassen immer mal wieder unerfahrene Leute von der Straße ins Parlament und es war jedes Mal ein großer Grund zur Freude, wenn sie wieder gehen mussten.

    Die Idee, die sich auf kleine Gemeinschaften sicher anwenden ließe, hat bezogen auf ein Land von Millionen eine wirklich demokratiefeindliche Grundhaltung.

    Der politische Wille zur Gestaltung, die den Politiker auszeichnet (oder auszeichnen sollte) wird gleich mit etwas zutiefst negativem verbunden. Solche Leute seien prinzipiell nicht vertrauenswürdig.

    Das Problem mit solchen Vorstellungen ist die Grundannahme, dass Leute, die sich wählen lassen (Politiker) im Prinzip alles Verbrecher seien, die nur an sich selbst denken würden und ihre Taschen füllen, während die "Gelosten" im krassen Gegensatz dazu für das Allgemeinwohl arbeiten würden.

    Da wird das Klischee des bösen Politikers mit dem Klischee des unschuldigen, aber gutherzigen Volkesbürger verbunden, wie es schon aus der völkischen Ecke kommen könnte. So nach dem Motto: Wenn wir keine Politker hätten, ginge es uns besser.

    Das trifft natürlich nicht zu. Viele Schwächen von Berufspolitikern sind rein menschliche Schwächen, denen auch "Geloste" erliegen könnten und es wohl auch würden.

    Wie gesagt: Hamburg. Mit diesen "Ausgelosten" würde man wohl erst recht sein blaues Wunder erleben. Das Mütterlein von nebenan würde sich natürlich nicht die Tasche füllen, würde natürlich von Lobbisten keine Geschenke annehmen oder Vetternwirtschaft betreiben...

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  • KennerderEpisoden
    antwortet
    Zitat von endar Beitrag anzeigen
    Nein, dieses tendenziell demokratiefeindliche Gedankenspiel würde in der Praxis nicht funktionieren und es wäre auch alles andere als ein Vorteil.
    Wo lägen da konkret die Nachteile und inwiefern wäre es tendenziell demokratiefeindlich.


    Zitat von Enas Yorl Beitrag anzeigen
    Oh ein Demarchie-Thread, da zitiere ich mich doch mal selbst.
    Ah, Demarchie heißt das also. Wirklich geil, dass es in der Politikwissenchaft für jedes Konzept ein griechisch/lateinisches Fachwort gibt.

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  • Enas Yorl
    antwortet
    Oh ein Demarchie-Thread, da zitiere ich mich doch mal selbst.

    Zitat von Enas Yorl Beitrag anzeigen
    Ich würde ein Zweikammersystem vorziehen, die Erste Kammer wird Demokratisch gewählt und ist für die Gesetzgebungsarbeit zuständig.
    Die Mitglieder der Zweiten Kammer werden demarchisch bestimmt (das heißt durch das Los ausgewählt), deren Mitglieder werden alle 3 Monate neu bestellt. Die Zweite Kammer hat ausschließlich Kontrollfunktionen, und muss allen Gesetzen mit einfacher Mehrheit zustimmen. Da deren Mitglieder unter allen Wahlberechtigen nur für drei Monate ausgelost werden, kann sich unter diesen kaum eine Vorteilnahme gegenüber einer Partei oder anderen Lobbys entwickeln.
    Dadurch muss der Sinn jeder Gesetzesvorlage allgemeinverständlich begründet werden. Denn keine Partei in der ersten Kammer kann sich darauf verlassen, das die Mitglieder der Zweiten Kammer aufgrund von Parteiloyalität zustimmen.

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  • endar
    antwortet
    Nein, dieses tendenziell demokratiefeindliche Gedankenspiel würde in der Praxis nicht funktionieren und es wäre auch alles andere als ein Vorteil.

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  • KennerderEpisoden
    hat ein Thema erstellt Los statt Wahl?.

    Los statt Wahl?

    Mal wieder haben wir ein (Bundes-)Wahljahr. Das bedeutet, dass wie üblich viel Geld für stupide Wahlkämpfe mit all ihrem Ramba-Zamba bar jeden Inhalts verschwendet werden wird. Die Gralshüter der deutschen Politik diskutieren inzwischen, ob die Bürger mehr für die Wahl begeistert werden können, wenn Stefan Raab das TV-Duell (ein blödsinniger Import aus den USA) moderiert. Obgleich abzusehen ist, dass sich im Oktober wieder gegenseitig bezugs des vermeintlich hohen demokratischen Niveaus auf die Schultern geklopft wird, hat dies meiner Meinung nach wenig mit Volksherrschaft zu tun.

    Man sollte nicht darüber diskutieren, wer das TV-Duell zur Wahl moderiert. Als Analogie können wir die dahinvegitierenden TV-Politikdiskussionsrunden heranziehen. Jedes Mal wenn Jauch, Hart aber Blöd etc. zu Ende sind, überschlägt sich der Feuilleton damit, die Unterentwickeltheit der öffentlichen Debatta zu bemängeln. Zu glauben, eine weitere vom Bundesmetzger höchstpersönlich moderierte Talk-Runde würde daran etwas ändern, lenkt aber von der grundlegenderen Frage ab, ob wir solche TV-Formate überhaupt benötigen. Entsprechend sollte die Debatte geführt werden, ob Wahlen in einer Demokratie wirklich nötig sind. Ausgehend von der Meinung, dass dem nicht so ist, schlage ich folgende grundlegende Reform vor:

    Statt den Bundestag zu wählen, werden seine Mitglieder durch das Los bestimmt, wobei jeder wahlberechtigte Bürger mit gleicher Wahrscheinlichekeit in Frage kommt.


    Angesichts dessen, dass die Hälfte der Abgeordneten bereits heute über keinerlei demokratische Legitimität verfügen, weil sie sich über starre Parteilisten in die Gänge der Mächte durchgemogelt haben, wäre dies sogar nur eine Redukton des Wahlanteils von 50% auf 0%. Als Resultat erhalten wir eine Volksvertretung, die das Volk wahrscheinlich recht gut abbildet. So wird der Frauenanteil bei ungefähr 50 % liegen, der Akademikeranteil bei 20 %, der Hochintelligentenanteil bei 2 % usw..
    Anwälte, Beamte, Funktionäre und Parteimitglieder würden auf ihren tatsächlichen Anteil in der Bevölkerung reduziert und könnten den Gesetzbildungsprozess nicht mehr usurpieren.

    Das Modell hat viele Vorteile:

    - Die Rolle der Medien wird angemessen zurückgestutzt. Sie übt keinen manipulativen Einfluss auf das Wahlergebnis mehr aus, weil niemand mehr da ist, der manipuliert werden könnte. Sie können sich dank neuen human interest-Geschichten (a la "Klaus Wagner- vom gedemütigten Harz IV-Bezieher zum stolzen Volksvertreter") der Aufmerksamkeit der Kunden weiterhin gewiss sein.

    - Jeder Bürger hat die Chance selbst einmal in ein hohes öffentliches Amt zu gelangen, auch wenn er seine Seele und Entscheidungsfähigkeit nicht an eine Partei verkauft.

    - Das unsägliche Verunglimpfen von Politkern fände womöglich ein Ende, weil der Berufspolitker, der es sich über Jahrzehnte in seiner Abgeordnetenparallelwelt gemütlich macht, durch tatsächliche Vertreter des Volkes abgelöst wird.

    - Man spart und erspart sich Wahlen mit ihren unsäglichen Lügenwahlkämpfen, die am Ende eh gerne von unpolitischen Faktoren entschieden werden (Gerd in Gummistiefeln). Man erspart sich ferner andere ärgerliche Begleitumstände der Wahlgesellschaft (Lobbykontakte, Wahlkreispflege, Parteiarbeit).

    - Wie angesprochen herrscht keine Dominanz von kleinen gesellschaftlichen Subgruppen mehr. Außerdem keine Dominanz von professionalisierten Machtmenschen.

    - Es erfolgt die Repräsentation von heute unterrepräsentieren Gruppen (Mütter, Arbeitslose, Studenten etc.).

    - Die grundlegende demokratische Funktion der Machtkontrolle ist im höchsten Maße gegeben.

    Die Auswahl des politischen Personals per Losentscheid ist historisch nichts Neues. Schon im alten Griechenland, also der Wiege der Demokratie, wurden zahlreiche öffentliche Ämter durch den Zufall besetzt. In England wurden bis ins 17. Jahrhundert kommunale Ämter verlost- teilweise sogar Sitze im Unterhaus. Noch heute spielt das Los in angelsächsischen Ländern eine große Rolle im judikativen Bereich (Geschworenengerichte).

    Will man sich Personalwahlen auf Bundesebene komplett sparen, so behielte man das parlamentarische System bei und würde die Regierung weiterhin durch das (Los-)Parlament besetzen lassen. Sollte die Regierung wie jetzt aus den Reihen des Parlamentes stammen, so hätte man den weiteren positven Nebeneffekt einer de facto Wiederwahlsperre, da es sehr unwahrscheinlich ist, dass einer der neuen Bundestagsmitglieder zweimal in Folge gewählt wird. Politische Dynastien a la Adenauer oder Kohl wären also ausgeschlossen.

    Der Verzicht auf Personalwahlen muss keinen Verzicht von Wahlen insgesamt bedeuten. Nichts spricht dagegen, den Bürger bei Sachsthemen mitreden zu lassen und ich würde einen solche Schritt sehr begrüßen. Direkte Demokratie auf Bundesebene könnte das Gefühl der politischen Fremdbestimmung noch weiter zurückdrängen und seinen Teil dazu tun, aus Querulanten stolze Bürger zu machen. Letztendlich handelt es sich hier aber um einen Verbesserungsvorschlag unabhängig von der Loseinführung, weswegen ich hier nicht weiter darauf eingehe.

    Bleibt das Problem der Umsetzung, das ziemlich finster erscheint. Wenn schon in den USA das Gerüst der intellektuell hochgerüsteten Gründerväter sich mehr und mehr als ungeeignet für aktuelle Probleme erweist, so sollte man vom Gerüst der 65 intellektuell moderater begabten Beamten des parlamentarischen Rates auch nicht mehr erwarten. Nichtsdestotrotz würde jede grundlegende Änderung des politischen Systems (ob zum Besseren oder zum Schlechteren) vermutlich eine Revolution, einen Krieg oder eine sonstige kollossale Umwälzung benötigen. Ich sehe hier daher auch einmal vom praktischen Problem der Implementierung ab und möchte den Fokus auf die Stimmigkeit des Modells selbst legen.

    Würde ein solches System also: a. funktionieren, b. als legitim betrachtet werden, c. gegenüber dem jetzigen System im Vorteil sein?
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