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    #61
    Zitat von KennerderEpisoden Beitrag anzeigen
    ...und niemand fordert die Abschaffung von Grundrechten. Schützt bestimmte Grundrechte von parlamentarischen Zugriff, fordert 2/3 Mehrheiten für bestimme Themen, lasst das Volk Politker abwählen, wenn es ihn für unfähig, oder Gesetze kassieren, wenn es diese für unsinnig hält. Das ist alles völlig mit einer Demarchie kompatibel.
    Der Punkt ist, dass ein ausgeloster Abgeordneter massiv in seinen Grundrechten eingeschraenkt wird. Du gehst davon aus, dass jeder das machen will und sich jeder ausgeloste Abgeordnete freudestrahlend auf seine Arbeit stuerzt. Aber was, wenn das nicht so ist?

    Das hatt ich oben in #27 schon geschrieben, aber du bist noch nicht darauf eingegangen:


    Zitat von xanrof Beitrag anzeigen
    (1) Man kann nicht immer mal eben jemanden fuer 3 Monate aus seinem Job entfernen. Das mag beim Fliessbandarbeiter oder bei der Putzfrau noch gehen, aber jeder Mensch, der einen etwas spezielleren Job hat, kann man nicht so einfach austauschen. Vom kleinen Einmannbetrieb ganz zu schweigen. Selbst, wenn man jemanden findet, der die gleiche Ausbildung hat, so gibt es doch in jeder Firma besondere Arbeitsweisen. Fuer 3 Monate einen Ersatz anzulernen, ist unsinnig. Das bedeutet immer einen Nachteil fuer so eine Firma. In der heutigen Konkurenzsituation ist das nicht vertretbar. Und wenn die drei Monate rum sind, dann muss der/die Ex-Abgeordnete die Versaeumnisse der Ersatzkraft aufholen. Die Person wird sich freuen und hat ganz sicher Lust auf den Abgeordneten-Job. Und das fuehrt direkt zum naechsten Punkt:

    (2) Was ist mit Leuten, die auf diese verantwortungsvolle Taetigkeit keine Lust haben. ZB, weil man sie in einer unguenstigen Situation aus ihrem Job gerissen hat oder weil sie halt schlicht keinen ''Bock'' auf Staat haben. Ja doch, man kann sie vielleicht zwingen, ihr ''Ehrenamt'' anzutreten, sprich fuer 3 Monate in die Hauptstadt zu ziehen und dort regelmaessig im Buero und bei den Abstimmungen zu erscheinen. Aber was tun sie dann dort? Bewusst fuer die Vorschlaege der Extremparteien stimmen? (Ich gehe mal davon aus, dass es in deinem Modell noch geheime Wahlen gibt) Ergo: Man wird nicht verhindern koennen, dass Unlust-behaftete Leute dort Mist anstellen. Und selbst, wenn es nur wenige seien: 1 einzelne/r Abgeordnete/r vertritt viele Menschen. Das sollten Leute tun, die es tun wollen.

    Nachtrag
    (3) Auch bzw. GERADE ''Kurzzeit-Abgeordnete'' sind auf den ganzen Beraterstab im Parlament angewiesen. Es mag Themen geben, wo sich einzelne Abgeordnete gut auskennen, aber bei den meisten Themen wird das nicht der Fall sein. Also versucht man, auf die Berater zu hoeren. Und damit haetten diese eine gigantische -und nicht vertrebare- Machtposition. Ein Neuling im Politgeschaeft merkt doch gar nicht, wenn er/sie beeinflusst wird. Und die ganzen Lobby- und Korruptionbemuehungen zielen dann eben auf die Berater ab.
    Sobald man jedoch den Zwang, der Auslosung zu folgen, abschafft, also freiwillige Kandidaten aufstellt, ist man mehr oder weniger wieder beim alten System.
    .

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      #62
      [QUOTE=KennerderEpisoden;2785576]
      Zitat von endar Beitrag anzeigen

      Diese Argumentation fußt auf sehr wackeligen Prämissen.
      Lol, nope.

      Deine 4 Punkte gehen ins Leere. Punkt 3 ist zudem substanzlos und zu Punkt 4: vielleicht sollte man in deiner Tombolademokratie auch die Reichweite der Grund- und Menschenrechte verlosen? Es ist aber schon erschreckend, wie bereitwillig viele die Errungenschaften der Aufklärung und französischen Revolution die Toilette herunterspülen wollen.

      Dass es Regierungsformen gibt und gab, die nicht auf dem Willen der Bevölkerung gründen, weiß ich. Du scheinst aber nicht zu wissen, dass in einer Demokratie das Handeln des Staates auf den Willen der Bevölkerung zurückgeführt werden können muss. Und das geht mit deiner Stammtisch-Tombola eben nicht.

      Wenn du schon versuchst, mich zu fassen, musst am Stichwort "Demokratie" ansetzen, denn bei "demokratische Legitimation" liegt der Schwerpunkt auf dem Adjektiv und nicht dem Hauptwort. Du musst mir also beweisen, dass die Handlungen deiner willkürlich zusammengewürfelten Leutchen auch den Willen der Bevölkerung umsetzen.

      Im Gegensatz zur Tombolaidee fußt das, was ich schreibe, auf sachlichen Grundlagen, welche freilich im Internet nichts gelten. Ich kann nur empfehlen, sich doch mal mit dem Regierungssystem der Bundesrepublik zu beschäftigen.

      SF-Junky hatte vorgeschlagen, eine Kammer demokratisch zu wählen und die andere auszulosen.
      Es gibt keine halbe Demokratie. Die Gelosten hätten keinerlei demokratische Legitimation. Aber ich wiederhole mich nur noch, es hat keinen Zweck. Genausowenig kann ich etwas für deine unzulässigen Schlussfolgerungen.

      Aber erklär mir doch mal das Regierungssystem in Großbritannien. Geh mal in die Tiefe und wiederhol nicht einfach immer dieselben drei Stichworte.
      Aber mit eigenen Worten, aus eigenem Wissen. Wie ist das System in GB historisch gewachsen, wie hat es sich verändert etc pp.? Gibt es Strömungen, die die Abschaffung der Monarchie und des Oberhauses fordern? Wie ist das Bild der Häuser in Großbritannien heute?
      Du hast ja schon beim deutschen Regierungssystem einige Missverständnisse.
      Zuletzt geändert von endar; 21.02.2013, 19:26.
      Republicans hate ducklings!

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        #63
        Zitat von endar Beitrag anzeigen
        Du hast ja schon beim deutschen Regierungssystem einige Missverständnisse.
        Ja ja, es steht Dir herzlich frei, diese aufzuzeigen. Dann kommt vielleicht mal auch ein bisschen Substanz.
        "Mit dem ersten Glied ist die Kette geschmiedet. Wenn die erste Rede zensiert, der erste Gedanke verboten, die erste Freiheit verweigert wird, dann sind wir alle unwiderruflich gefesselt."
        -Cpt. Jean-Luc Picard

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          #64
          Das House of Lords ist ein schlechtes Beispiel, Valdorian. Das House if Lords ist legislativ ein zahnloser Tiger.
          GB ist ebenso wie wir und anders als z.B. die USA von der Funktionsweise her ein parlamentarisches Regierungssystem (die Staatsform ist hier unerheblich).
          Mit einer gelosten Kammer, die so wenig Kompetenzen wie das britische Oberhaus hat, kann ich mich gerne anfreunden. Sie wird aber außer zusätzlichen Kosten dann auch nichts bringen.

          Der Bundesrat ist nicht unmittelbar, aber doch wohl mittelbar demokratisch legitimiert. >>Landesexekutive>>gewählt durch Landeslegislative (womit wir wieder bei der Fraktionsdisziplin wären)>>gewählt durch die Bürger.
          Ein seltsames Verständnis von Legitimation haben hier einige...
          Zitat von Valdorian Beitrag anzeigen
          Nein, tut sie nicht. Ein Volksvertreter ist laut unserer VErfassung nur seinem Gewissen verpflichtet, nicht aber ein Partei. Dementsprechend steht soetwas wie Fraktionsdisziplin im Wiederspruch dazu.
          Rechtlich stimmt das zwar, was du sagst, aber nicht von der Funktionsweise her. Fraktionsdisziplin != Fraktionszwang. Und natürlich ist erstere in parlamentarischen Systemen für deren Funktionieren extrem wichtig.
          In der Praxis kann man das aktuell am „Selbstzerstörungszustand“ der Piraten ganz gut betrachten.
          Und die sind momentan nur Opposition in einigen Länderparlamenten. Sie wären in keinster Weise regierungsfähig (und damit meine ich noch nicht mal ihr Programm).
          Es konterkariert auch nicht den Gedanken der Demokratie, nur weil es nur ein Wahlrecht und keine Wahlpflicht gibt.
          Braucht man dazu noch etwas anderes zu sagen als "Äpfel und Birnen"?
          Grüße
          FL

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            #65
            Zitat von Valdorian Beitrag anzeigen


            Mit anderen Worten: Wenn eine der Kammwern nicht mehr demokratisch gewählt werden würde, würden Demokratie, Grundrechte und Rechtsstaat verloren gehen. Das ist natürlich völliger Unsinn, weil schon in unserem derzeitigen politischen System die zweite Kammer überhaupt keine Volksvertretung ist, sondern die Vertretung der Länderinteressen und nicht vom Volk gewählt, sondern von der Länderexekutive bestimmt wird.
            Und die Länderexekutive ist nicht demokratisch legitimiert?

            Ebenso Großbritannien, wo die zweite Kammer ein House of Lords ist. Deiner obigen Logik zufolge müssten jetzt Demokratie, Grundrechte und Rechtsstaat verloren gehen.
            Das HoL ist ja fast nur noch eine zeremonielle Traditionsveranstaltung.
            Seine Befugnisse wurden und werden immer weiter beschnitten. Eben genau wegen fehlender demokratischer Legitimation.

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              #66
              Zitat von Dannyboy Beitrag anzeigen
              Willst du ernsthaft diskutieren, oder nur deine Verdrossenheit auf billigem Stammtischniveau loswerden? Ich glaube, das erspare ich mir.
              LoL. Was geht denn mit dir ab? Ein bischen Flappsigkeit wirst du schon aushalten müssen, wir sind hier nicht an der Uni (wobei du sie bei mir selbst da aushalten müsstest ).

              Erstens: Wo steht denn, dass ich politikverdrossen bin? Das einzige, dessen ich überdrüssig bin, ist dieser schwarz-gelbe Haufen von Volldeppen, die aus irgendeinem nicht erklärbaren Grund das Land regieren dürfen und gerade den ganzen Kontinent wirtschaftlich ruinieren mit ihrer "Kompetenz". Das sind wahrlich ganz große "Fachleute", die uns da regieren. Vor allem der Herr Wirtschaftsminister Rösler haut mich immer wieder um mit seinem überragenden ökonomischen Sachverstand. Ein Könner!!

              Zweitens: Du hast davon gesprochen, dass Parteisoldaten "eine Menge Kompetenzen" hätten. Da wirst du doch wohl sicher mehrere aufzählen können. Und bitte nicht irgendeinen mathematischen Klugschiss jetzt, dass eine Menge auch nur aus einem Element bestehen kann.


              Idealerweise, weil Leute die nur individuelle Interessen verfolgen wollen, gar nicht erst gewählt werden. Außerdem sollten "individuelle Interessen" und "Interessen der Wähler" eine größere Deckung aufweisen, denn so ein Abgeordneter wird häufig ein Interesse an Wiederwahl haben.
              Jo, "idealerweise". Unidealerweise wird fortlaufend bei zentralen Themen entgegen der Bevölkerungsmehrheit entschieden. Wobei ich gern zugebe, dass das auch an der Ignoranz der Bevölkerungsmehrheit liegt.


              Zitat von Dannyboy Beitrag anzeigen
              Der Bundesrat ist durch die Landtagswahlen legitimiert.
              Der Bundesrat ist natürlich nur sehr mangelhaft demokratisch legitimiert. Alleine dass dort Exekutiven legislative Tätigkeiten ausüben ist für mich schon kritikwürdig.

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                #67
                Der Bundesrat sichert die Mitwirkung der Länder; dies geschieht in Form der Delegation der Länder zu einem willkürlich festgelegten Proporz ihrer wahlbrechtigten Bevölkerung, nicht ihrer Wahlberechtigten Bevölkerung direkt. Er ist mehr ein Produkt der Bundesstaatlichkeit als Ausfluss von demokratischen Erwägungen (hier insoweit nur: Gewaltenteilung, die aber ebenfalls nur mittelbar ein Faktor für Demokratie ist). Wenn wir hier ein demokratisches Fass aufmachen wollen, können wir auch direkt mal eben alle Stadtstaaten sowie den kompletten Osten de facto streichen und den Bundesrat zu Blocksitzungen von NW, BW, Bay und NS machen. Soll ich rumplärren, weil meine Stimme als NWler nur ein zehntel so viel Wert ist wie die eines Bremers? Demokratisch ist anders. Demokratisch heißt nämlich eben auch, dass meine Stimme soviel wert ist und so viel erreichen kann wie die eines jeden anderen Mitbürgers.
                Wollt ich nur mal so einwerfen, bevor die Diskussion sich hier in Sachen Demokratie zu sehr auf Fragen der Mittelbarkeit verrent, was imho zu kurz greift. Das solls dann soweit auch gewesen sein.

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                  #68
                  Zitat von endar Beitrag anzeigen

                  Deine 4 Punkte gehen ins Leere.
                  Welche Definition von "Legitimiation" soll hier verwendet werden? Die landläufige Definition der Zustimmung der Regierenden durch die Regierten, setzt Zustimmung jedenfalls nicht mit dem Wahlakt gleich.

                  Punkt 3 ist zudem substanzlos
                  Die Substanz ist die, dass eine falsche Prämisse als falsch deklariert wird. Nicht mehr, nicht weniger.

                  und zu Punkt 4: vielleicht sollte man in deiner Tombolademokratie auch die Reichweite der Grund- und Menschenrechte verlosen?
                  Das ist Polemik, weshalb ich da argumentativ leider nicht antworten kann.

                  Es ist aber schon erschreckend, wie bereitwillig viele die Errungenschaften der Aufklärung und französischen Revolution die Toilette herunterspülen wollen.
                  Es handelt sich um ein Gedankenexperiment, was in der politischen Theorie eine ehrenvolle Beschäftigung ist (so waren Rousseau, Hobbes, Locke und Co. allesamt Gedankenexperimentler).
                  Man stelle sich vor, man befände sich vor einer Tabula Rasa und müsse ein politisches System entwerden, das den Menschen gerecht wird. Ich halte das nach wie vor für ein lohnendes Unterfangen, das Stammtischdenken diametral entgegengestellt ist.

                  Dass es Regierungsformen gibt und gab, die nicht auf dem Willen der Bevölkerung gründen, weiß ich. Du scheinst aber nicht zu wissen, dass in einer Demokratie das Handeln des Staates auf den Willen der Bevölkerung zurückgeführt werden können muss. Und das geht mit deiner Stammtisch-Tombola eben nicht.
                  Noch mehr polemischen Totschläger. Falls das aber ernst gemeint ist, so muss ich zu Protokall geben, als Eigenbrötler keine Stammtische zu besuchen und diese Idee folglich auch nicht dort aufgegriffen zu haben. Der Vorschlag stammt aus dem sehr empfehlenswerten Therapiebuch "Die letzte Wahl" von Felix Weyh. Dieser wiederum bezieht sich dort auf ein Werk von John Burnheim. Man mag von der Idee halten was man will, von Zeit zur Zeit ist ein bisschen Ketzerer gegen als selbstverständlich erachtete "Wahrheiten" nicht verkehrt.

                  Wenn du schon versuchst, mich zu fassen, musst am Stichwort "Demokratie" ansetzen, denn bei "demokratische Legitimation" liegt der Schwerpunkt auf dem Adjektiv und nicht dem Hauptwort. Du musst mir also beweisen, dass die Handlungen deiner willkürlich zusammengewürfelten Leutchen auch den Willen der Bevölkerung umsetzen.
                  Man könnte sich jetzt auch gegenseitig den schwarzen Peter zuschieben. Mit der demokratischen Legitimation in Deutschland ist das so eine Sache. Sämtliche deutschen Parlamentsparteien sind etwa sozialen Bewegungen entwachsen, die sicherlich nicht den Willen des Volkes, sondern den Willen bestimmter Sub- Gruppen durchsetzen wollten (Arbeiter, Konservative, Liberale), bei den Regierungswechseln der BRD spielte der Wille der Bevölkerungs oftmals eine untergeordnete Rolle und vom Bundesverfassungsgericht will ich gar nicht erst anfangen.

                  Geht man hingegen davon aus, dass a. jeder die Interessen seiner eigenen Gruppe vertritt und b. jede Gruppe repräsentativ vertreten ist, so kann man davon ausgehen, dass c. des Volkes Stimme (als Aggregat von Einzelstimmen) angemessen gehört wird.

                  Im Gegensatz zur Tombolaidee fußt das, was ich schreibe, auf sachlichen Grundlagen, welche freilich im Internet nichts gelten. Ich kann nur empfehlen, sich doch mal mit dem Regierungssystem der Bundesrepublik zu beschäftigen.
                  Pah, politische Philosophie muss sich nicht auf sachliche Grundlagen gründen.

                  Ferner empfehle ich auch gerne jeder Person, sich zu einem Thema möglichst gut zu informieren. Ich nutze es aber nicht als Totschlagargument, um eine Diskussion nicht führen zu müssen. Anders formuliert: Sollten promovierte Diskutanten der politischen Theorie anwesend sein, müssten sie trotzdem mehr als "Ihr habt doch kein Ahnung" vorweisen, um ihre Position glaubhaft zu machen.

                  Es gibt keine halbe Demokratie. Die Gelosten hätten keinerlei demokratische Legitimation. Aber ich wiederhole mich nur noch, es hat keinen Zweck. Genausowenig kann ich etwas für deine unzulässigen Schlussfolgerungen.
                  Das klingt nach der Argumentation eines Kreationisten, der Evolution leugnet, weil es entweder Affen oder Menschen gibt und die Vorstellung eines Affenmenschen an sich absurd ist (oder eines Abtreibungsgegners, für den es nur Menschen oder Nicht-Menschen gibt).

                  Demokratie lässt sich sehr wohl auf einem Kontinuum von wenig demokratisch hin zu sehr demokratisch anordnen. Wie ein politisches System organisiert sein muss, um möglichst demokratisch zu sein, ist dementsprechend eine höchstinteressante Frage. Lijpharts "Patterns of Democracy" (ein politikwissenschaftliche Pflichtlektüre) untersucht etwa den Unterschied zwischen der mehrheitsdemokratischen und der konsensdemokratischen Vorstellung von Demokratie. Darüber hinaus kann selbst in formal gleichen System die Qualität der Demokratie schwanken (der Chefkoch empfielt den Essay von Paul Crouch zur Postdemokratie).

                  Wie gesagt, die Sache ist komplex und wenn man sich nicht damit auseinandersetzen bzw. alles mit Strohmännern, Non Sequitors oder Beschwörungen von imaginären Stammtischen unter den Tisch kehren möchte, kann man einsam in die Wüste rufen, bis einem das Manna auf die Birne klatscht.

                  Zitat von xanrof[/QUOTE
                  Der Punkt ist, dass ein ausgeloster Abgeordneter massiv in seinen Grundrechten eingeschraenkt wird. Du gehst davon aus, dass jeder das machen will und sich jeder ausgeloste Abgeordnete freudestrahlend auf seine Arbeit stuerzt. Aber was, wenn das nicht so ist?
                  Das hatt ich oben in #27 schon geschrieben, aber du bist noch nicht darauf eingegangen:
                  1. 600 Personen für eine befristete Zeit aus dem Beruf zu nehmen, dürfte für die Gesellschaft nicht so schwer zu kompensieren sein.

                  2. Eingeschlossenheit erweckt Intresse, Ausgeschlossenheit Desinteresse. Zu hohen politischen Weihen geloste Auserwählte würden sich als hochmotiviert erweisen. Wenn es Generationen schon für ehrenvoll hielten, fürs Vaterland zu sterben, wie ehrenvoll muss es dann erst sein, das Vaterlandsschiff zu steuern. Den ein oder anderen Verweigerer, der sich gelangweilt auf die Hinterbank verkriecht oder gar nicht erst zur Sitzung erscheint, mag es wohl noch geben, aber das System kann dies verkraften.

                  3. Für Lobbyisten wäre der weitesgehende Ausschluss aus dem Parlament, wo man sich nicht mehr in den Fachausschüssen den Rücken kraulen kann. Beeinflussbar werden die Abgeordneten weiterhin sein, aber auch wenn der deliberative Charakter, dem man dem Parlament in der 5.Klasse Sozialkunde gerne zuschustert, auch in einem Zufallsparlament nicht vollständig eingehalten werden kann, so kann man hier doch von Pragmatikern mehr erwarten als von Parteisoldaten.

                  Sobald man jedoch den Zwang, der Auslosung zu folgen, abschafft, also freiwillige Kandidaten aufstellt, ist man mehr oder weniger wieder beim alten System.
                  Das dürfte schon gehen. Möglicherweise würde man dann Repräsentativität verlieren, aber zu große Auswüchse würden sich selbst korrigieren. Angenommen das Parlament wird von armen Schluckern dominiert, die sich in erster Linie von dem hohen Abgeordnetengehalt anlocken ließen und die jetzt gnadenlos in die Taschen ihrer eigenen Schicht umverrteilen. Als Reaktion würden sich unter den Freiwilligen für das nächste Los gewiss genug Bonzen finden, die motiviert sind, dies wieder rückgängig zu machen. Generell verträgt sich das Losystem mit diversen Spielarten des Zenzus.
                  Zuletzt geändert von KennerderEpisoden; 23.02.2013, 01:20.
                  I reject your reality and substitute my own! (Adam Savage)

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                    #69
                    Als ich schrieb "Es hat keinen Zweck", habe ich das schon so gemeint. Es ist auch alles schon längst von mir und anderen dargelegt worden. Aber du hast schon recht, das Off ist nur noch was für Beiträge, die nur noch aus irgendwelcher verquaster bauchschmerziger Politikverdrossenheit resultieren. Sorry, wenn ich dann irgendwann sarkastisch werde.

                    Die Durchsetzung der Demokratie in Europa bzw. der westlichen Welt hat mehrere Jahrhunderte und mehrere Revolutionen und Kriege gebraucht. Abraham Lincoln hat es so formuliert: Demokratie ist "government of the people, by the people, for the people". Und das geht nicht ohne Wahlen, nicht ohne aktiven Auswahlprozess.

                    Diese Aufgabe der Auswahl des Personals kann keine Lottomaschine oder kein Zufallsgenerator übernehmen. Ohne Auswahlprozess kann dem Personal nämlich nicht mitgeteilt werden, was das Volk will.

                    Auch die Griechen waren sich darüber im klaren und haben sich deshalb dafür ein anderes Wort einfallen lassen und das nicht Demokratie genannt. Aber der SFF Stammtisch weiß es natürlich besser...
                    Republicans hate ducklings!

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                      #70
                      Doch, das Auslosen von Funktionsträgern hatte in der attischen Demokratie seinen Platz. Genau daher kommt das Konzept ja.
                      "Mit dem ersten Glied ist die Kette geschmiedet. Wenn die erste Rede zensiert, der erste Gedanke verboten, die erste Freiheit verweigert wird, dann sind wir alle unwiderruflich gefesselt."
                      -Cpt. Jean-Luc Picard

                      Kommentar


                        #71
                        Wie gesagt, SFF Stammtisch. Dazu hat bereits jemand anderes Gutes und Richtiges dazu gesagt.
                        Republicans hate ducklings!

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                          #72
                          Das einzige, was dazu gesagt wurde, war das hier. Ein Beitrag, der kaum von sonderlicher Sachkenntnis zeugt, weil hier das Scherbengericht mit der Auslosung der Amtsträger im Rat der 500 durcheinander gebracht wurde.

                          Zitat von Admiral Ahmose Beitrag anzeigen
                          Übrigens hatte das Lossystem in Griechenland, wo natürlich nur unter Kandidaten gelost wurde, schwere Nachteile. Durch Verleumdung wurden so manche Leute aus dem politischen System entfernt, die aber besser innerhalb des Systems geblieben wären.
                          Der einzige, der hier auf Stammtischniveau argumentiert, bist Du Endar.
                          "Mit dem ersten Glied ist die Kette geschmiedet. Wenn die erste Rede zensiert, der erste Gedanke verboten, die erste Freiheit verweigert wird, dann sind wir alle unwiderruflich gefesselt."
                          -Cpt. Jean-Luc Picard

                          Kommentar


                            #73
                            Ich find da noch mehr.

                            Der einzige, der hier auf Stammtischniveau argumentiert, bist Du Endar.
                            Stimmt. Dass ich keine Lust habe, eine dreiseitige Herleitung zu schreiben, habe ich ja auch zugegeben. Das hat ja eben keinen Zweck, weil zwei Beiträge nach einem sachlichen Einwurf wieder dasselbe steht und dann kommt wieder das House of Lords und der undemokratische Bundesrat.

                            edit: Was ich erwarte, um hier nicht von "Stammtisch" zu reden, wären Beiträge wie der von seether #67 . Da findet sich nämlich ein handgreifliches und sachliches Argument, das man greifen kann.
                            Republicans hate ducklings!

                            Kommentar


                              #74
                              Zitat von KennerderEpisoden Beitrag anzeigen



                              Geht man hingegen davon aus, dass a. jeder die Interessen seiner eigenen Gruppe vertritt und b. jede Gruppe repräsentativ vertreten ist, so kann man davon ausgehen, dass c. des Volkes Stimme (als Aggregat von Einzelstimmen) angemessen gehört wird.
                              Warum sollte jemand die Interesse seiner "Gruppe" vertreten?





                              1. 600 Personen für eine befristete Zeit aus dem Beruf zu nehmen, dürfte für die Gesellschaft nicht so schwer zu kompensieren sein.
                              Es geht um individuelle Rechte.

                              2. Eingeschlossenheit erweckt Intresse, Ausgeschlossenheit Desinteresse. Zu hohen politischen Weihen geloste Auserwählte würden sich als hochmotiviert erweisen. Wenn es Generationen schon für ehrenvoll hielten, fürs Vaterland zu sterben, wie ehrenvoll muss es dann erst sein, das Vaterlandsschiff zu steuern. Den ein oder anderen Verweigerer, der sich gelangweilt auf die Hinterbank verkriecht oder gar nicht erst zur Sitzung erscheint, mag es wohl noch geben, aber das System kann dies verkraften.
                              Das ist pures Wunschdenken.

                              3. Für Lobbyisten wäre der weitesgehende Ausschluss aus dem Parlament, wo man sich nicht mehr in den Fachausschüssen den Rücken kraulen kann. Beeinflussbar werden die Abgeordneten weiterhin sein, aber auch wenn der deliberative Charakter, dem man dem Parlament in der 5.Klasse Sozialkunde gerne zuschustert, auch in einem Zufallsparlament nicht vollständig eingehalten werden kann, so kann man hier doch von Pragmatikern mehr erwarten als von Parteisoldaten.
                              Nein, denn das Zufallsparlament benötigt dringend Beratung. Wie stellst du dir denn den die Parlamentsarbeit vor?

                              Angenommen das Parlament wird von armen Schluckern dominiert, die sich in erster Linie von dem hohen Abgeordnetengehalt anlocken ließen und die jetzt gnadenlos in die Taschen ihrer eigenen Schicht umverrteilen. Als Reaktion würden sich unter den Freiwilligen für das nächste Los gewiss genug Bonzen finden, die motiviert sind, dies wieder rückgängig zu machen.
                              Nein. Die würden sich einfach auch die Taschen vollstopfen.

                              Kommentar


                                #75
                                Zitat von KennerderEpisoden Beitrag anzeigen
                                Demokratie lässt sich sehr wohl auf einem Kontinuum von wenig demokratisch hin zu sehr demokratisch anordnen. Wie ein politisches System organisiert sein muss, um möglichst demokratisch zu sein, ist dementsprechend eine höchstinteressante Frage.
                                Sicher richtig, aber auch wenn wir mal bzgl „demokratischer“ Legitimität eine Skala von 1-10 entwerfen würden, sieht´s für das Los mE nicht gut aus.
                                Ein durch direkte, allgemeine, freie und gleiche Wahlen gewähltes Parlament würde ich dann mal, auch wenn man verschiedene Probleme einbezieht, immer noch so bei 7-8 einordnen. Einen höheren Legitimationsgrad hätte dann nur noch die Gesetzgebung durch das Volk selbst (Direktdemokratie).
                                Ein Gremium wie der Bundesrat stünde dann vlt bei 4-6. Das wären dann aber sicherlich immer noch mehr Punkte als bei einem gelosten Parlament, das vlt, je nachdem, bei 1-3 liegen würde. Wenn durch besonders ausgefuchste Verfahren ein wirklicher Querschnitt durch die Bevölkerung erzielt wäre (also die erwähnte „dreifache 6“ ausgeschlossen wäre), käme man auf die 3 oder meinethalben auch 4.
                                Ansonsten eher auf die 2 und wenn man das Mandat freiwillig macht bzw an Bewerbungen koppelt ist man eher wieder bei der 1, weil man dann den gewünschten Querschnitt kaum erreichen wird.
                                In jedem Falle haben gewählte Gremien einen höheren demokratischen Legitimationsgrad, das ergibt sich doch eigentlich schon aus der Definition der Begriffe selbst. Zufall kann aus demokratischer Perspektive einfach niemals legitimer sein als Wahl, das ist doch völlig klar. Ob man „besser“ regiert würde, ist eine andere Frage (ich glaube es nicht), aber demokratisch legitimer kann dieses Modell keinesfalls sein.
                                Na ja und bzgl. der Fallstricke nur noch mal kurz aus meinem Beitrag # 38 zusammengefasst :
                                Ein langjähriges Zwangsmandat ist mit der Vorstellung der freiheitlichen Entfaltung des Individuums absolut unvereinbar.
                                Ein langjähriges freiwilliges Mandat erzeugt whrs ein Parlament der Geringverdiener und Unzufriedenen.
                                Eine hingegen sehr kurze Legislatur schränkt die Handlungsfähigkeit von Parlament und Regierung erheblich ein...
                                Man stelle sich vor, man befände sich vor einer Tabula Rasa und müsse ein politisches System entwerden, das den Menschen gerecht wird. Ich halte das nach wie vor für ein lohnendes Unterfangen, das Stammtischdenken diametral entgegengestellt ist.
                                Ich bin ja nun insgesamt nicht der Meinung, dass die vorgetragene Grundidee Stammtisch ist. Aber wenn im Ausgangspost Aussagen fallen, wie die von den Parlamentariern, die ihre „Seelen“ an die Partei verkauft hätten, über „keinerlei demokratische Legitimität“ verfügen würden und sich zur Macht „durchgemogelt“ hätten, dann wird an diesen Stellen schon extrem am Stammtischniveau gekratzt, sorry.

                                Noch zum Thema Bundesrat:
                                Seethers Einwand mit dem Proporz ist sicherlich zu beachten, in Demokratien oder demokratieähnlichen Gebilden ist so was aber auch nicht völlig ungewöhnlich (man denke an den US-Senat, den EU-Rat oder die GV der UNO). Es ist eher eine Frage der Gewichtung, ob man gewissen in sich „geschlossenen“ Entitäten in manchen Fällen ein höheres Gewicht beimisst als dem Proporz.
                                Dadurch sind solche Konstrukte aber aus demokratischer Hinsicht auch noch lange nicht vollkommen illegitim, sofern deren Vertreter zumindest mittelbar durch demokratische und ordentlich geregelte Verfahren bestimmt wurden. Jedenfalls ist diese mittelbar vorhandene Legitimation dann immer noch höher als die eines reinen Losverfahrens.
                                Und ich sollte ja im Übrigen auch nicht extra darauf hinweisen müssen, dass der Bundesrat insgesamt _weniger_ Kompetenzen als der Bundestag besitzt. Der eigentliche Gesetzgeber ist und bleibt der Bundestag. Dem geringeren Maß an Legitimität ist also wenn man so will schon systemimmanent Rechnung getragen.
                                (Ich verweise übrigens auch auf den Artikel 51, Abs. 2 GG. Auf die berechtigten Einwände von Seether ist auch damit also zumindest ansatzweise reagiert worden).

                                Zum Thema Griechenland:
                                Das ist auch kein sonderlich gutes Beispiel. Symbolisch gesehen stimmt das zwar mit der „Wiege der Demokratie“, dennoch kann man die überschaubaren gr. Stadtstaaten wohl kaum mit den ausdifferenzierten, pluralistischen und komplexen demokratischen Rechtsstaaten heutiger Prägung vergleichen, schon allein von der Einwohnerzahl her nicht, aber auch nicht institutionell (die Griechen hatten z.B. auch keinerlei Problem damit, die Sklaverei als etwas natürlich Gegebenes zu betrachten bzw sie naturrechtlich zu begründen).

                                Grüße
                                FL

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