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    #76
    Zitat von endar Beitrag anzeigen
    Ich find da noch mehr.
    Was denn?

    Stimmt. Dass ich keine Lust habe, eine dreiseitige Herleitung zu schreiben, habe ich ja auch zugegeben. Das hat ja eben keinen Zweck, weil zwei Beiträge nach einem sachlichen Einwurf wieder dasselbe steht und dann kommt wieder das House of Lords und der undemokratische Bundesrat.
    Eigentlich hatte ich ziemlich klar begründet, dass der Bundesrat nicht unmittelbar demokratisch legitimiert ist und dass es für eine Demokratie ziemlich problematisch ist, wenn die Exekutive Leute bestimmt, die gesetzgebende Funktionen wahrnehmen. Dabei wurde mir von einem Politologen recht gegeben, und ein Jurist hat dieses Argument noch ergänzt. Von Dir habe ich dagegen nicht eine einzige irgendwie geartete Begründung gesehen, warum mein Argument schlecht sein soll.

    Auch das House of Lords ist ein sehr gutes Beispiel. Du hattest gesagt, dass es der Tod der Demokratie wäre, wenn eine Kammer nicht demokratisch gewählt werden würde. Eine wie auch immer geartete Einschränkung, dass beide Kammern die gleichen Kompetenzen haben müssten, hattest Du gar nicht gemacht, und natürlich war das House of Lords auch nicht immer ein "zahnloser Tiger".

    Aber wie Du selbst sagt, an einer richtigen Diskussion bist Du ja gar nicht interessiert, Du möchtest das ganze nur mit Totschlagsargumenten abwürgen.
    "Mit dem ersten Glied ist die Kette geschmiedet. Wenn die erste Rede zensiert, der erste Gedanke verboten, die erste Freiheit verweigert wird, dann sind wir alle unwiderruflich gefesselt."
    -Cpt. Jean-Luc Picard

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      #77
      Zitat von Valdorian Beitrag anzeigen
      Auch das House of Lords ist ein sehr gutes Beispiel. Du hattest gesagt, dass es der Tod der Demokratie wäre, wenn eine Kammer nicht demokratisch gewählt werden würde. Eine wie auch immer geartete Einschränkung, dass beide Kammern die gleichen Kompetenzen haben müssten, hattest Du gar nicht gemacht, und natürlich war das House of Lords auch nicht immer ein "zahnloser Tiger".
      Das brit. Oberhaus ist de facto ein zahnloser Tiger seit dem Parliament Act von 1911, das fällt also ungefähr in genau die Zeit, in der GB sich zu einer Demokratie heutiger Prägung entwickelt hat (ist ja auch ganz logisch, da das eine eine Teilbedingung des anderen ist).
      In GB gab es keine demokratische Revolution, sondern eher eine Evolution (es hat ja z.B. auch keine schriftlich niedergelegte Verfassung).
      Von einem halbwegs allgemeinen Wahlrecht kann man erst gg. Ende des 19. Jhs sprechen. Ich habe eben kurz nachgeschaut: Alle Männer ab 21 durften dann erst seit 1918 wählen, Alle Frauen ab 21 erst seit 1928, beides also sogar noch _nach_ der Entmachtung des Oberhauses.
      Insofern: ja, ist das Oberhaus ein schlechtes Beispiel, wenn man es als Begründung anführt, warum in einer heutigen Demokratie ein Losparlament gesetzgeberische Kompetenzen erhalten soll.
      Grüße
      FL

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        #78
        Zitat von Fritz Lang Beitrag anzeigen
        Insofern: ja, ist das Oberhaus ein schlechtes Beispiel, wenn man es als Begründung anführt, warum in einer heutigen Demokratie ein Losparlament gesetzgeberische Kompetenzen erhalten soll.
        Grüße
        FL
        Dann kannst Du ja sicher den Beitrag von mir zitieren, indem ich das House of Lords als Begründung dafür angeführt habe, dass ein Losparlament gesetzgeberische Kompetenz erhalten soll...
        "Mit dem ersten Glied ist die Kette geschmiedet. Wenn die erste Rede zensiert, der erste Gedanke verboten, die erste Freiheit verweigert wird, dann sind wir alle unwiderruflich gefesselt."
        -Cpt. Jean-Luc Picard

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          #79
          Zitat von Dannyboy Beitrag anzeigen
          Warum sollte jemand die Interesse seiner "Gruppe" vertreten?
          Vielleicht weil ihnen diese Interessen besonders am Herzen liegen. Sowie Militärregierungen gerne Mittel fürs Militär abzweigen, wird eine Professorenregierung sich um den Zustand der Hochschulen sorgen. Das ist eigentlich trivial.

          Es geht um individuelle Rechte.
          In den achso bewunderten Hochburgen demokratischer Meinungfindung irrten nach dem Auslaufen der Wehrpflicht die Vorschläge über einen verpflichtenden Sozialdienst frei herum. Zuvor war es lange Zeit üblich junge Männer in einer der wichtigsten Lebensphasen in die Kaserne zu beordern, was das Bunderverfassungsgericht so toll fand, dass sie ihn zwischenzeitlich verlängern ließ (gegen den Wortlaut der Verfassung wohlgemerkt). Eine Politikpflicht ist im Gegensatz dazu harmlos.

          Das ist pures Wunschdenken.
          Moderater Optimismus.

          Nein, denn das Zufallsparlament benötigt dringend Beratung. Wie stellst du dir denn den die Parlamentsarbeit vor?
          Wieso soll es nicht beraten werden? Achso, weil normale Menschen zu blöd sind, sich ein Urteil über irgendetwas zu bilden. Das ist lustigerweise das gleiche Argument, das von Repräsentationsfreunden gerne gegen mehr direkte Demokratie vorgebracht wird.


          Nein. Die würden sich einfach auch die Taschen vollstopfen.
          Wenn du absolute Gerechtigkeit, Gleichheit, oder was auch immer suchst, dann ist die Demokratie vielleicht die falsche Staatsform.



          Zitat von Fritz Lang Beitrag anzeigen
          Sicher richtig, aber auch wenn wir mal bzgl „demokratischer“ Legitimität eine Skala von 1-10 entwerfen würden, sieht´s für das Los mE nicht gut aus.
          Ein durch direkte, allgemeine, freie und gleiche Wahlen gewähltes Parlament würde ich dann mal, auch wenn man verschiedene Probleme einbezieht, immer noch so bei 7-8 einordnen. Einen höheren Legitimationsgrad hätte dann nur noch die Gesetzgebung durch das Volk selbst (Direktdemokratie).
          Ein Gremium wie der Bundesrat stünde dann vlt bei 4-6. Das wären dann aber sicherlich immer noch mehr Punkte als bei einem gelosten Parlament, das vlt, je nachdem, bei 1-3 liegen würde. Wenn durch besonders ausgefuchste Verfahren ein wirklicher Querschnitt durch die Bevölkerung erzielt wäre (also die erwähnte „dreifache 6“ ausgeschlossen wäre), käme man auf die 3 oder meinethalben auch 4.
          Ansonsten eher auf die 2 und wenn man das Mandat freiwillig macht bzw an Bewerbungen koppelt ist man eher wieder bei der 1, weil man dann den gewünschten Querschnitt kaum erreichen wird.
          Es ist leider sehr schwer so etwas zu quantifizieren. Selbst bei direkter Demokratie würde ein erfolgreich durchgesetzter Gesetzentwurf, der von sagen wir mal 10 % der Bevölkerung getragen wurde, nicht unbedingt als legitim wahrgenommen. Oder um noch mal die lijphartsche Unterscheidung zwischen Konsens- und Mehrheitsdemokratie aufzugreifen: Als überzeugter Konsensdemokrat, der der Meinung ist, dass alle von einer Politik betroffenen Gruppen auch über diese mitbestimmen sollten, wäre ein nach Mehrheitswahl gewähltes Parlament womöglich nicht sehr legitim.

          Ich würde dem Volk die Möglichkeit des fakultativen Referendums geben, so dass Gesetztentwürfe des Parlaments gekippt werden können, wobei angemessene Beteiligungshürden gewährleisten, dass es hierfür eine große Unzufriedenheit der Bevölkerung geben muss. Der Legitimitätsgrad des Parlaments steigt, weil jede Entscheidung auf der schweigenden Zustimmung der Bevölkerung ruht. Das Los an sich hat als Entscheidungsinstrument bereits einen hohen Stellenwert, weil es ein grundsätzlich faires Verfahren darstellt (das Wahlrecht selbst sieht vor, bei Stimmengleichheit das Los entscheiden zu lassen). In Kombination wäre unser Zufallsparlament deutlich über indirekt legitimierten Körpern wie Bundesrat oder Verfassungsgericht (welches selbst ohne Legitimation eine hohe Achtung in der Bevölkerung genießt) anzusiedeln.

          Ein langjähriges Zwangsmandat ist mit der Vorstellung der freiheitlichen Entfaltung des Individuums absolut unvereinbar.
          Das werte Verfassungsgericht sah das in Bezug auf den Wehrdienst wie gesagt anders. Eine zweijährige Amtsdauer (ähnlich der des amerikanischen Repräsentantenhauses) wäre sicherlich vertretbar.


          Ich bin ja nun insgesamt nicht der Meinung, dass die vorgetragene Grundidee Stammtisch ist. Aber wenn im Ausgangspost Aussagen fallen, wie die von den Parlamentariern, die ihre „Seelen“ an die Partei verkauft hätten, über „keinerlei demokratische Legitimität“ verfügen würden und sich zur Macht „durchgemogelt“ hätten, dann wird an diesen Stellen schon extrem am Stammtischniveau gekratzt, sorry.
          Das ist meines Erachtens völlig normaler P&G-Standard. Beanstandet man das als Stammtisch, ist halt das gesamte Forum Stammtisch und sämtlich Nutzer mit getätigten Beiträgen Stammtischler. Ich vermute aber eher einen faulen Totschläger, der vorgebracht wurde, um sich einerseits nicht an der Diskussion beiteiligen zu müssen, andererseits trotzdem nochmal nachtreten zu können. Doch um auf die konkreten Zitate einzugehen: "Seelen an die Partei verkaufen" war die überzeichnete Beschreibung dafür, dass eine politische Karriere außerhalb der Partei kaum möglich, und ohne Parteidisziplin (trotz des pro forma Grundsatzes des freien Mandates) sehr schnell wieder beendet ist. Und Leute, die über die Landesliste in den Bundestag ziehen haben eben keine "demokratische Legitimität" die hier des öfteren so hochgehalten wird. Könnte man die Reihenfolge auf den Landeslisten selbst bestimmen, wie es auf kommunaler Ebene bereits verbreitet ist, ja dann könnte man einem "Durchschummler" noch eine gewisse Legitimität zuerkennen. Das ist aber leider nicht der Fall.
          I reject your reality and substitute my own! (Adam Savage)

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            #80
            Zitat von Valdorian Beitrag anzeigen
            Dann kannst Du ja sicher den Beitrag von mir zitieren,...
            Sorry, aber für solche Spielchen ist mir meine Zeit einfach zu schade. Ich habe hier von dir schon viele gute und für mich informative Beiträge zu historischen Themen gelesen, darum denke ich, dass du das eigentlich auch gar nicht nötig hättest.
            Beim Thema House of Lords hast du halt einfach mal daneben gelegen und andere etwas mehr Hintergrundwissen gehabt, was soll´s, so ist das Leben...

            Zitat von KennerderEpisoden
            Ich vermute aber eher einen faulen Totschläger, der vorgebracht wurde, um sich einerseits nicht an der Diskussion beiteiligen zu müssen, andererseits trotzdem nochmal nachtreten zu können. [Hervorhebung von mir]
            Also ich habe hier jetzt schon in mehreren Beiträgen zum Thema (es dürften insgesamt mehrere DinA-4 Seiten sein) sachlich und wie ich meine auch fundiert argumentiert, da muss ich mir jetzt nicht vorwerfen lassen, ich sei an der Diskussion nicht interessiert. Oder ist hier nur erwünscht, wer das Losverfahren bejubelt?

            Aber nun zurück zum Thema:
            Leute, die über die Landesliste in den Bundestag ziehen haben eben keine "demokratische Legitimität"
            Hier liegt einfach immer noch ein grundsätzliches Missverständnis vor. Mit der entscheidenden Zweitstimme wählt man bekanntlich bei uns eine Partei und deren Programm. Die Partei hat im Programm zuvor Ziele formuliert, für deren Umsetzung sie dann auch eintreten sollte, sofern sie die Mehrheit erhält.
            Es ist dann im Grunde auch relativ unerheblich, wer innerhalb dieser Partei im Parlament sitzt, weil sich eben alle am Programm orientieren sollen. (Die Aufstellung der Landeslisten erfolgt im Übrigen in einem innerparteilich-demokratischen Prozess!)
            Würde man nun hingegen jede Abstimmung im Bundestag freigeben, würde sich die Legitimation natürlich nicht erhöhen, sondern sie würde sinken, weil ein Abgeordneter dann auch Programmpunkte anderer Parteien zur Durchsetzung verhelfen bzw. eigene Programmpunkte oder auch die komplette eigene Regierung scheitern lassen könnte. Kann er ja rein theoretisch auch, macht er aber aus guten Gründen normalerweise nicht. Für all dies wurde er nämlich gerade nicht gewählt.
            Abseits der Legitimationsfrage würde im Übrigen auch die Handlungsfähigkeit der Regierungen in parlament. Systemen erheblich (wenn nicht gar völlig) eingeschränkt, wenn man jede Abstimmung im Parlament freigeben würde. Dann muss man die Regierung schon auch institutionell unabhängiger machen, wenn man keine Fraktionsdisziplin will.
            Aber wie gesagt, dafür gibt es ja auch ein funktionierendes demokratisches Modell: Das präsidentielle System. Da braucht man immer noch kein Los.

            Das werte Verfassungsgericht sah das in Bezug auf den Wehrdienst wie gesagt anders. Eine zweijährige Amtsdauer (ähnlich der des amerikanischen Repräsentantenhauses) wäre sicherlich vertretbar.
            An den Wehrdienst hatte ich auch schon mal gedacht, der ist/war ja auch in der Tat problematisch.
            Bedenke aber, dass dieser idR zumindest noch auf einen klar definierten Lebensabschnitt festgelegt ist, und zwar ziemlich genau nach der Schule (oder Lehre) und noch vor dem eigentlichen Berufseintritt, also in einer Phase in der sowieso alles im Umbruch ist.
            Was macht denn bei unserem Losparlament und einer 2-jährigen Zwangsverpflichtung z.B. der 50-jährige Selbständige, der in dieser Zeit vlt seinen ganzen Kundenstamm verliert? Was macht der Studierende in der Mitte des Studiums, der nach 2 Jahren dann vieles noch einmal lernen darf? Was der Wissenschaftler oder Entwickler, der kurz vor dem großen Karrieredurchbruch steht und dem ein anderer nun sein Projekt wegschnappt? Was der Profisportler, der seine Karriere beenden muss oder der selbst haftende Unternehmer, der sein Geschäft in die Hände eines anderen legen muss. Oder nehmen wir irgendwelche normalen Büroangestellten, die sich im Umfeld ihrer Kollegen einfach nur so pudelwohl fühlen, dass sie dort schlicht nicht wegmöchten. Und werden z.B. auch Rentner zwangsverpflichtet? Da wöge der Zwang zur Arbeit ja quasi doppelt schwer und wenn man sie ausnimmt, wären sie als Gruppe nicht repräsentiert.
            Also mit meinem Verständnis von freier Entfaltung ist das alles jedenfalls unvereinbar.

            Als überzeugter Konsensdemokrat, der der Meinung ist, dass alle von einer Politik betroffenen Gruppen auch über diese mitbestimmen sollten, wäre ein nach Mehrheitswahl gewähltes Parlament womöglich nicht sehr legitim.
            Natürlich könnten wir in unsere kleine Ad-hoc-Legitimationsskala auch Konsens-Elemente miteinbeziehen.
            Dann könnten wir jetzt sogar einen (theoret.) Höchstwert der Skala klar benennen: Das wäre dann die Zustimmung zu jedem Gesetz durch 100% aller Bürger. Dieser Idealwert ist logischerweise nicht zu erreichen, aber das spricht ja nicht gegen die Grundidee mehr konsens-demokratische Elemente einzubauen und es gibt solche Elemente ja auch in einigen Staaten (und ganz rudimentär auch bei uns).
            Was mit der Skala nichts zu tun hat, aber man dabei auch nicht ganz vergessen sollte: Je heterogener und ausdifferenzierter eine Gesellschaft ist, desto schwerer wird es sein, überall Konsens zu erzielen. Die Handlungsfähigket eines komplexen Staates sinkt also meiner Ansicht nach tendenziell, je stärker der Wunsch nach Konsens im politischen System umgesetzt ist. Es wird wohl jeweils einen kritischen Punkt geben, den ein Staat nicht überschreiten sollte, aber prinzipiell spricht auch erst mal nichts gegen das Streben nach Konsens.
            Nur: was Konsens-Elemente innerhalb einer Demokratie mit dem Losverfahren zu tun haben sollen, erschließt sich mir dann immer noch nicht. Durch Einbeziehung des Konsens-Gedankens in unsere Skala wird doch die Legitimität des Losverfahrens nicht erhöht, das bleibt natürlich am unteren Ende (wenn wir Diktaturen usw. ausklammern).
            Wie du ja richtig sagst, bei Stimmengleichheit entscheidet das Los, damit ist doch genau ausgedrückt, dass der eigentlichen Wahl der Vorzug vor dem Los zu geben ist, das Los ist quasi nur die Notlösung. So wie bei Fußball-WM-Gruppen erst x andere sportliche (!) Kriterien ausgeschöpft werden, bevor man lost. Nicht nur beim Sport ist doch der Grundgedanke dahinter, dass sich im Wettbewerb letztlich das bessere Prinzip (oder der bessere Kandidat) durchsetzen möge und nicht der Zufall.
            Ich komme auch hier noch mal auf die Komplexität moderner Gesellschaften zu sprechen: Ansatzweise gerecht kann ein Los immer nur dann sein, wenn aus einer möglichst homogenen Gruppe ausgelost wird. Als einfaches Beispiel nehmen wir einen Korb mit 10 Äpfeln unterschiedlicher Sorten. Wenn ich jetzt Apfelliebhaber bin, dann kann ich bei der Auswahl getrost das Los entscheiden lassen, denn ich werde in jedem Fall einen Apfel erhalten (auch wenn ich manche Sorten vlt bevorzugen würde und andere nicht). Wenn ich aber einen Korb mit 10 unterschiedlichen Früchten habe, von denen einige vlt noch faul sind, dann werde ich natürlich keinesfalls das Los entscheiden lassen, sondern immer selbst auswählen wollen, weil andernfalls die Gefahr besteht, eine Frucht zu erhalten, die mir nicht schmeckt (oder gar eine, die faul ist)...

            Wenn ich deine Ausführungen richtig verstehe, dann geht’s dir doch in Teilen auch einfach nur darum, dass abseits der Parteien „normale“ Leute von nebenan mehr einbezogen werden.
            Dann lass uns doch für diese unsere kleine Reißbrettdemokratie ein Verfahren ersinnen, wo das auch ohne Los möglich wäre. Z.B. könnten wir in einem geregelten Procedere die 100 o. 200 wichtigsten gesellschaftlichen Gruppen ermitteln bzw. definieren lassen. Jede dieser Gruppen wählt dann 1 oder 2 Delegierte für ein Gremium, dass in etwa mit den Kompetenzen des Bundestages ausgestattet wäre. Man kann auch den Konsens einbauen, dass innerhalb der Gruppen so lange gequatscht und gewählt wird, bis ne ¾-Mehrheit da ist oder Einstimmigkeit herrscht. Vorher darf nicht entsendet werden...
            Das Los braucht es mE jedenfalls auch in derartigen Konzepten nicht.

            Grüße
            FL

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              #81
              Zitat von Valdorian Beitrag anzeigen
              Das einzige, was dazu gesagt wurde, war das hier. Ein Beitrag, der kaum von sonderlicher Sachkenntnis zeugt, weil hier das Scherbengericht mit der Auslosung der Amtsträger im Rat der 500 durcheinander gebracht wurde. ...
              Der Rat der 500 regierte aber nicht Athen sondern hatte nur beratende Funktion. Die Leute, die Athen regierten, wurden keinesfalls per Los ausgewählt. Sie stammten auch nicht aus dem gesamten attischen Volk sondern schon aus der oberen Klasse die Erfahrung mit der Führung von Staatsgeschäften hatte.

              Zitat von KennerderEpisoden Beitrag anzeigen
              1. 600 Personen für eine befristete Zeit aus dem Beruf zu nehmen, dürfte für die Gesellschaft nicht so schwer zu kompensieren sein. ...
              Sicher nicht. Aber warum sollten diese 600 Leute mitmachen? Welche Motivation haben sie dafür? Welche Qualifikationen bringen sie mit? Wer hat sie legitimiert? Kann das Volk sie auch abwählen? Wenn nein, warum nicht? Wie kann eine Auslosung den Willen den Volkes ausdrücken?

              Zitat von KennerderEpisoden Beitrag anzeigen
              2. Eingeschlossenheit erweckt Intresse, Ausgeschlossenheit Desinteresse. Zu hohen politischen Weihen geloste Auserwählte würden sich als hochmotiviert erweisen. Wenn es Generationen schon für ehrenvoll hielten, fürs Vaterland zu sterben, wie ehrenvoll muss es dann erst sein, das Vaterlandsschiff zu steuern. Den ein oder anderen Verweigerer, der sich gelangweilt auf die Hinterbank verkriecht oder gar nicht erst zur Sitzung erscheint, mag es wohl noch geben, aber das System kann dies verkraften. ...
              Das ist idealisiert dargestellt. Wenn man per Los auswählt, kann man auch 600 Leute bekommen die keine Ahnung von der Materie haben, keine Lust haben, sich sogar aktiv gegen dieses System aussprechen, usw. Es ist vermessen zu glauben das diese 600 Leute sich hochmotiviert in ihre neue Arbeit stürzen. Es würde auch mehr als genug Leute darunter geben, die ihre eigenen Fähigkeiten korrekt einschätzen können. Ebenso wie endar bin auch ich überzeugt das ICH nicht zur Leitung eines Staates befähigt bin.

              Zitat von KennerderEpisoden Beitrag anzeigen
              3. Für Lobbyisten wäre der weitesgehende Ausschluss aus dem Parlament, wo man sich nicht mehr in den Fachausschüssen den Rücken kraulen kann. Beeinflussbar werden die Abgeordneten weiterhin sein, aber auch wenn der deliberative Charakter, dem man dem Parlament in der 5.Klasse Sozialkunde gerne zuschustert, auch in einem Zufallsparlament nicht vollständig eingehalten werden kann, so kann man hier doch von Pragmatikern mehr erwarten als von Parteisoldaten. ...
              Du lost 600 Leute an die Spitze des Staates die, aufgrund mangelnder Erfahrung und Wissens, auf zig Berater angewiesen sein werden. Das mag auch heute so sein, aber kleiner werden die Beraterstäbe garantiert nicht. Außer natürlich die Los-Gewinner entscheiden allein. Da weiß ich aber nicht was schlimmer wäre. Ich weiß auch nicht warum diese 600 Leute Pragmatiker sein sollen. Das können mehrheitlich doch genausogut Idealisten, Spinner, Weltverbesserer oder Fanatiker sein.
              "Vittoria agli Assassini!"

              - Caterina Sforza, Rom, 1503

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                #82
                Zitat von KennerderEpisoden Beitrag anzeigen
                Vielleicht weil ihnen diese Interessen besonders am Herzen liegen. Sowie Militärregierungen gerne Mittel fürs Militär abzweigen, wird eine Professorenregierung sich um den Zustand der Hochschulen sorgen. Das ist eigentlich trivial.
                Die eigenen Interessen zu vertreten, ist die Aufgabe der Lobbyisten. Du bekommst also ein Lobbyisten-Parlament.
                Der Bundestag entscheidet ja über viele Dinge. Die meisten davon betreffen dann auch nur Partikularinteressen und nicht die Interessen der Gruppen, die die einzelnen Abgeordneten repräsentieren. "Änderung der jagdrechtlichen Vorschriften" sind für die wenigsten relevant.




                In den achso bewunderten Hochburgen demokratischer Meinungfindung irrten nach dem Auslaufen der Wehrpflicht die Vorschläge über einen verpflichtenden Sozialdienst frei herum. Zuvor war es lange Zeit üblich junge Männer in einer der wichtigsten Lebensphasen in die Kaserne zu beordern, was das Bunderverfassungsgericht so toll fand, dass sie ihn zwischenzeitlich verlängern ließ (gegen den Wortlaut der Verfassung wohlgemerkt). Eine Politikpflicht ist im Gegensatz dazu harmlos.
                Üblicherweise wurde die Wehrpflicht zwischen Schule, Ausbildung und Berufseinstieg abgeleistet. Meiner Erfahrung nach war die Wehrpflicht auch nicht besonders Motivationsfördernd. Es gibt auch gute Grunde, warum nur die unteresten Ränge der Armee mit Wehrpflichtigen besetzt sind. Aus diesem Grund gehe ich davon aus, dass dein Pflichtparlament aus Leuten besetzt sein wird, die überwiegend nicht an verantwortlicher Regierung interessiert sind.

                Die wichtigste Errungenschaft der Demokratie ist mMn nicht, dass man eine Regierung wählt, sondern dass man die Machthaber abwählen kann.





                Wieso soll es nicht beraten werden? Achso, weil normale Menschen zu blöd sind, sich ein Urteil über irgendetwas zu bilden.
                Den Satz verstehe ich nicht. Die Schwierigkeit bei der Gesetzgebung liegt doch im Detail. Ich persönlich wäre nicht kompetent, die Folgen von Änderungen der Steuergesetzgebung abzuschätzen.

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                  #83
                  Zitat von Dannyboy Beitrag anzeigen


                  Die wichtigste Errungenschaft der Demokratie ist mMn nicht, dass man eine Regierung wählt, sondern dass man die Machthaber abwählen kann.
                  Oberhalb der Kommunalebene ist in Deutschland eine Abwahl für den Bürger nicht zu erzwingen. Man kann lediglich ne Widerwahl verweigern, das ist aber wie Du weißt etwas komplett anderes.

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                    #84
                    Zitat von Tibo Beitrag anzeigen
                    Oberhalb der Kommunalebene ist in Deutschland eine Abwahl für den Bürger nicht zu erzwingen. Man kann lediglich ne Widerwahl verweigern, das ist aber wie Du weißt etwas komplett anderes.
                    Komplett anders ist es nun auch nicht.

                    Kommentar


                      #85
                      Zitat von Dannyboy Beitrag anzeigen
                      Komplett anders ist es nun auch nicht.
                      Das erscheint so wegen der relativ kurzen Legislaturperioden. Du hast einerseits Recht, dass die Beschneidung der Macht, des Staats eine große Errungenschaft der modernen westlichen Demokratien ist (Stichwort Checks & Balances). Andererseits machen kurze Intervalle bei Wiederwahlen, das Regieren schwer. Ne lange Legislatur mit Möglichkeit der Abwahl durch das Volk hätte da andere Konsequenzen, würde meiner Ansicht nach mehr Stabilität bringen.

                      Kommentar


                        #86
                        Zitat von Tibo Beitrag anzeigen
                        Das erscheint so wegen der relativ kurzen Legislaturperioden. Du hast einerseits Recht, dass die Beschneidung der Macht, des Staats eine große Errungenschaft der modernen westlichen Demokratien ist (Stichwort Checks & Balances). Andererseits machen kurze Intervalle bei Wiederwahlen, das Regieren schwer. Ne lange Legislatur mit Möglichkeit der Abwahl durch das Volk hätte da andere Konsequenzen, würde meiner Ansicht nach mehr Stabilität bringen.
                        Sehe ich nicht so.
                        Es gäbe zwei Möglichkeiten. Die Hürde zur Abwahl ist so niedrig, dass die hohe Legislaturperiode nur eine zahl auf einem Blatt Papier ist. Die Realität ist durch ständige Regierungswechsel geprägt. Also keineswegs stabil.
                        Oder die Hürde zur Abwahl ist so hoch, dass es sich nur um ein pseudodemokratisches Instrument handelt, dass den Eindruck von Einflussnahme durch das Volk erwecken soll, aber eigentlich nutzlos ist. Dann würde die hohe Legislaturperiode faktisch eine art Diktatur auf Zeit bedeuten

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                          #87
                          Zitat von newman Beitrag anzeigen
                          Sehe ich nicht so.
                          Es gäbe zwei Möglichkeiten. Die Hürde zur Abwahl ist so niedrig, dass die hohe Legislaturperiode nur eine zahl auf einem Blatt Papier ist. Die Realität ist durch ständige Regierungswechsel geprägt. Also keineswegs stabil.
                          Oder die Hürde zur Abwahl ist so hoch, dass es sich nur um ein pseudodemokratisches Instrument handelt, dass den Eindruck von Einflussnahme durch das Volk erwecken soll, aber eigentlich nutzlos ist. Dann würde die hohe Legislaturperiode faktisch eine art Diktatur auf Zeit bedeuten
                          Es gibt wie immer auch die Möglichkeit, dass die Hürde ne angemessene Höhe hat. Sonst kenne ich Dich gar nicht so in schwarz-weiß Denken. Ne zehnjährige Legislatur, mit der Option auf Abwahl nach vier, sieben und neun Jahren, ohne Option der Wiederwahl, wäre zum Beispiel ne Diktatur auf Zeit, die sich ertragen ließe. Zumal ja auch bei einer zehnjährigen Legislaturperdiode das Parlament nicht entmachtet würde und sich Koalitionen neu bilden dürfen.

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                            #88
                            Zitat von Tibo Beitrag anzeigen
                            Es gibt wie immer auch die Möglichkeit, dass die Hürde ne angemessene Höhe hat. Sonst kenne ich Dich gar nicht so in schwarz-weiß Denken. Ne zehnjährige Legislatur, mit der Option auf Abwahl nach vier, sieben und neun Jahren, ohne Option der Wiederwahl, wäre zum Beispiel ne Diktatur auf Zeit, die sich ertragen ließe. Zumal ja auch bei einer zehnjährigen Legislaturperdiode das Parlament nicht entmachtet würde und sich Koalitionen neu bilden dürfen.
                            Das Problem ist, wie definiere ich eine angemessene Höhe? Das könnte man, in dem man die durchschnittliche Regierungszeit zum Maßstab nimmt. Nur wäre es dann nicht von vorne herein effektiver diese angemessene Regierungszeit als Legislaturperiode festzulegen anstatt durch Versuch und Irrtum Jahre vergehen zu lassen bis man sie ermitteln geschweige denn anpassen kann

                            Kommentar


                              #89
                              Ach, sind wir inzwischen von der Tombola"demokratie" zur Diktatur auf Zeit gekommen? Du bist echt total kleinlich, newman. Ich finde, Völkermord und Beginn von Weltkriegen wäre eine Hürde, bei der man zumindest mal ein Referendum abhalten könnte und wenn nicht, scheißegal, Hauptsache die Bundesrepublik wird endlich abgeschafft.
                              Republicans hate ducklings!

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                                #90
                                Zitat von Admiral Ahmose Beitrag anzeigen

                                Sicher nicht. Aber warum sollten diese 600 Leute mitmachen? Welche Motivation haben sie dafür? Welche Qualifikationen bringen sie mit? Wer hat sie legitimiert? Kann das Volk sie auch abwählen? Wenn nein, warum nicht? Wie kann eine Auslosung den Willen den Volkes ausdrücken?
                                Das sind alles gute Fragen, die sich allerdings auf ein gewähltes Parlament ebenso anwenden lassen.

                                Von den Qualifikationen stehen sie dem Wahlparlament in nichts nach (noch einmal: Wahlen selektieren nicht nach politischer Qualifikation), von der Motivation werden sie sich ebenfalls stark differenzieren (einige gucken in erster Linie auf die Diäten, andere fühlen sich berufen, andere fühlen sich bürgerlich verpflichtet), Legitimation entsteht durch die Gerechtigkeit des Losaktes und die Repräsentatvität der Abgeordneten und sicherlich könnte man theoretisch eine Art Recall (Abwahl) ermöglichen, wobei Letzteres bei unserem gegenwärtigen Parlament nicht möglich ist.

                                Das ist idealisiert dargestellt. Wenn man per Los auswählt, kann man auch 600 Leute bekommen die keine Ahnung von der Materie haben, keine Lust haben, sich sogar aktiv gegen dieses System aussprechen, usw. Es ist vermessen zu glauben das diese 600 Leute sich hochmotiviert in ihre neue Arbeit stürzen. Es würde auch mehr als genug Leute darunter geben, die ihre eigenen Fähigkeiten korrekt einschätzen können. Ebenso wie endar bin auch ich überzeugt das ICH nicht zur Leitung eines Staates befähigt bin.
                                Vom Wähler erwartet man ebenfalls (in der Theorie), dass er fähig ist, die wichtigen politischen Themen seiner Zeit zu begreifen und in Bezug auf seine Wahl in Parteien-Entscheidungen umzusetzen. Dieser Glaube an die Vernunft bildet die Basis einer Demokratie. Dementsprechend sollte auch ein Abgeordneter in der Lage sein, sich in die wichtigsten Fragestellungen einarbeiten zu können, um dann mit allgemein verständlichen Gesetzenentwürfen auf sie zu reagieren (Gesetze, die juristisch so verklausuliert sind, dass sie vom Normalbürger nicht verstanden werden können, sind einer Demokratie unwürdig).

                                Du lost 600 Leute an die Spitze des Staates die, aufgrund mangelnder Erfahrung und Wissens, auf zig Berater angewiesen sein werden. Das mag auch heute so sein, aber kleiner werden die Beraterstäbe garantiert nicht. Außer natürlich die Los-Gewinner entscheiden allein. Da weiß ich aber nicht was schlimmer wäre. Ich weiß auch nicht warum diese 600 Leute Pragmatiker sein sollen. Das können mehrheitlich doch genausogut Idealisten, Spinner, Weltverbesserer oder Fanatiker sein.
                                Es werden keine Engel sein, es werden keine Teufel sein. Welches Fachwissen gegenwärtig im Parlament vorherrschen soll, das nicht durch zufällig berufene Bürger kompensiert werden kann, weiß ich nicht (die Fähigkeit akadamische Grade zu erschleichen, würde ich am Stammtisch eventuell vermuten).

                                Zitat von Dannyboy Beitrag anzeigen
                                Die eigenen Interessen zu vertreten, ist die Aufgabe der Lobbyisten. Du bekommst also ein Lobbyisten-Parlament.
                                Wenn ich meine Interessen verfolge, macht mich das zu einem Lobbyisten. Gut, wenn man den Begriff so weit fast, hat er keinen abwertenden Beigeschmack mehr.

                                Üblicherweise wurde die Wehrpflicht zwischen Schule, Ausbildung und Berufseinstieg abgeleistet. Meiner Erfahrung nach war die Wehrpflicht auch nicht besonders Motivationsfördernd. Es gibt auch gute Grunde, warum nur die unteresten Ränge der Armee mit Wehrpflichtigen besetzt sind. Aus diesem Grund gehe ich davon aus, dass dein Pflichtparlament aus Leuten besetzt sein wird, die überwiegend nicht an verantwortlicher Regierung interessiert sind.
                                Ein Wehrplichtiger wurde weder gut bezahlt, noch ergab sein Dienst einen höheren Sinn. Der Sinn der Wehrpflicht war im Übrigen auch nicht die Motivation, sondern man wollte den "Staatsbürger in Uniform". Analog dazu möchte ich den Staatsbürger im Hosenanzug.

                                Die wichtigste Errungenschaft der Demokratie ist mMn nicht, dass man eine Regierung wählt, sondern dass man die Machthaber abwählen kann.
                                Inwiefern kann man das gegenwärtig? Selbst wenn ich die Regierungspartei abwählen wollte, könnte sie noch als Koalitionspartner zurückommen. Tatsächlich gingen die meisten Regierungswechsel nicht von irgendwelchen veränderten Volksmehrheiten aus. Ohne Wiederwahlverbot wird es zudem immer wieder "Dynastien" a la Adenauer geben, während das Zufallsparlament und die von ihr gebildete Regierung nur eine Legislaturperiode an der Macht sind.

                                Den Satz verstehe ich nicht. Die Schwierigkeit bei der Gesetzgebung liegt doch im Detail. Ich persönlich wäre nicht kompetent, die Folgen von Änderungen der Steuergesetzgebung abzuschätzen.
                                Die Folgen einer Gesetzgebung zu antizipieren, können normale Parlamentarier auch nicht besonders gut.

                                Zitat von Fritz Lang Beitrag anzeigen
                                Also ich habe hier jetzt schon in mehreren Beiträgen zum Thema (es dürften insgesamt mehrere DinA-4 Seiten sein) sachlich und wie ich meine auch fundiert argumentiert, da muss ich mir jetzt nicht vorwerfen lassen, ich sei an der Diskussion nicht interessiert. Oder ist hier nur erwünscht, wer das Losverfahren bejubelt?
                                Ich bezog mich nicht konkret auf deinen Beitrag, sondern generell auf den Stammtischvorwurf (ich habe da jetzt keine mentale Liste gefertigt, wer den wann geäußert hat). Ein solcher lässt sich zu jedem beliebigen Thema äußern, ohne dass dadurch argumentativ irgendetwas gewonnen wird. Und nein, natürlich kann man sich gerne kritisch äußern, wenn man dabei sachlich bleibt (was bei deinen Beiträgen meiner Meinung nach auch absolut der Fall ist).

                                Hier liegt einfach immer noch ein grundsätzliches Missverständnis vor. Mit der entscheidenden Zweitstimme wählt man bekanntlich bei uns eine Partei und deren Programm. Die Partei hat im Programm zuvor Ziele formuliert, für deren Umsetzung sie dann auch eintreten sollte, sofern sie die Mehrheit erhält.
                                Abgesehen davon, dass das wieder ein sehr idealisiertes Bild von Wahlen darstellt, weil praktisch niemand ein streng-rationaler Programmwähler ist, so sehe ich immer noch nicht, wo hier die Legitimität des Abgeordneten herkommen soll. Im besten Fall ist die Partei legitimerweise berechtig eine Zahl X Angehörigen ins Parlament zu bringen, doch das rechtfertigt kaum, dem Bürger unter X Leute zu präsentieren, gegen die keiner Einspruch erheben kann und deren Auswahl nicht transparent ist.

                                Aber wie gesagt, dafür gibt es ja auch ein funktionierendes demokratisches Modell: Das präsidentielle System. Da braucht man immer noch kein Los.
                                Das US-Modell funktioniert auch nicht gerade mustergültig. Letztes Jahr wurden für Präsdentschafts und Kongresswahlen 6 Mrd $ Dollar verpulvert, nur damit man wieder darüber streiten konnte, wer beim TV-Duell die lustigsten Grimassen geschnitten hat. Und ob ein geloster Kongress ebenso politsch blockierend und unbeliebt in den Augen der Bürger (Zustimmungsraten konstant unter 20 %) wäre, lässt sich zumindest anzweifeln.

                                An den Wehrdienst hatte ich auch schon mal gedacht, der ist/war ja auch in der Tat problematisch.
                                Bedenke aber, dass dieser idR zumindest noch auf einen klar definierten Lebensabschnitt festgelegt ist, und zwar ziemlich genau nach der Schule (oder Lehre) und noch vor dem eigentlichen Berufseintritt, also in einer Phase in der sowieso alles im Umbruch ist.
                                Was macht denn bei unserem Losparlament und einer 2-jährigen Zwangsverpflichtung z.B. der 50-jährige Selbständige, der in dieser Zeit vlt seinen ganzen Kundenstamm verliert? Was macht der Studierende in der Mitte des Studiums, der nach 2 Jahren dann vieles noch einmal lernen darf? Was der Wissenschaftler oder Entwickler, der kurz vor dem großen Karrieredurchbruch steht und dem ein anderer nun sein Projekt wegschnappt? Was der Profisportler, der seine Karriere beenden muss oder der selbst haftende Unternehmer, der sein Geschäft in die Hände eines anderen legen muss. Oder nehmen wir irgendwelche normalen Büroangestellten, die sich im Umfeld ihrer Kollegen einfach nur so pudelwohl fühlen, dass sie dort schlicht nicht wegmöchten. Und werden z.B. auch Rentner zwangsverpflichtet? Da wöge der Zwang zur Arbeit ja quasi doppelt schwer und wenn man sie ausnimmt, wären sie als Gruppe nicht repräsentiert.
                                Also mit meinem Verständnis von freier Entfaltung ist das alles jedenfalls unvereinbar.
                                Alles sehr seltene Fälle, die man auch unter Härtefallreglungen packen kann. Und wenn sie nicht darunter fallen, wird halt eine Strafe gezahlt und damit hat es sich (ähnlich wie bei Wahlpflichten in einigen Demokratien).
                                Nur: was Konsens-Elemente innerhalb einer Demokratie mit dem Losverfahren zu tun haben sollen, erschließt sich mir dann immer noch nicht.
                                Habe ich den Vorabschnitt falsch verstanden, oder stellst du dort nicht ebenfalls eine Beziehung von Konsens und Legitimation her?

                                Wie du ja richtig sagst, bei Stimmengleichheit entscheidet das Los, damit ist doch genau ausgedrückt, dass der eigentlichen Wahl der Vorzug vor dem Los zu geben ist, das Los ist quasi nur die Notlösung. So wie bei Fußball-WM-Gruppen erst x andere sportliche (!) Kriterien ausgeschöpft werden, bevor man lost. Nicht nur beim Sport ist doch der Grundgedanke dahinter, dass sich im Wettbewerb letztlich das bessere Prinzip (oder der bessere Kandidat) durchsetzen möge und nicht der Zufall.
                                Wenn andere Verfahren scheitern, ist das Los gut genug. Wahlen als politischer Selektionsprozess scheitern regelmäßig, ergo ist das Los gut genug. Oder um die Fußballanalogie aufzugreifen: das Publikum zieht Elfmeterschießen einer zeitlich nicht begrenzten Verlängerung, in der sich beide Mannschaft irgendwann nur noch über Platz schleifen, vor.

                                Ich komme auch hier noch mal auf die Komplexität moderner Gesellschaften zu sprechen: Ansatzweise gerecht kann ein Los immer nur dann sein, wenn aus einer möglichst homogenen Gruppe ausgelost wird. Als einfaches Beispiel nehmen wir einen Korb mit 10 Äpfeln unterschiedlicher Sorten. Wenn ich jetzt Apfelliebhaber bin, dann kann ich bei der Auswahl getrost das Los entscheiden lassen, denn ich werde in jedem Fall einen Apfel erhalten (auch wenn ich manche Sorten vlt bevorzugen würde und andere nicht). Wenn ich aber einen Korb mit 10 unterschiedlichen Früchten habe, von denen einige vlt noch faul sind, dann werde ich natürlich keinesfalls das Los entscheiden lassen, sondern immer selbst auswählen wollen, weil andernfalls die Gefahr besteht, eine Frucht zu erhalten, die mir nicht schmeckt (oder gar eine, die faul ist)...
                                Das Vertrauen in die eigene Bevölkerung ist nicht sehr groß, wenn man davon ausgeht, dass diese größtenteils von faulen Äpfeln gebildet wird. Dabei ist es der Wahlprozess, der der Komplexität der Gesellschaft nicht gerecht wird und ein Zerrbild der Gesellschfat zu seinen Repräsentanten erhebt.

                                Wenn ich deine Ausführungen richtig verstehe, dann geht’s dir doch in Teilen auch einfach nur darum, dass abseits der Parteien „normale“ Leute von nebenan mehr einbezogen werden.
                                Ja, die Bürgernähe der Politk und die Eindämmung von Politikverdrossenheit, liegt mir durchaus am Herzen und freilich gibt es viele Verbesserungsvorschläge, die in komplett andere Richtungen gehen.

                                Aber darüber hinaus ging es mir auch ganz abstrakt darum, im Wahljahr die ketzerische Frage zu stellen, ob man Wahlen überhaupt braucht. In der Regel werden diese ja als erstes genannt, wenn es um eine Beschreibung von Definition geht (selbst im Studium wird das vorausgetzt, bevor dann auf zusätzliche Elemente eingegangen wird). Wenn etwas so selbstverständlich erscheint, dann lohnt es sich häufig den advocatus diaboli zu spielen und zu fragen: Was wenn nicht?

                                Vom Gegenteil der Sozialkunde-Weisheit bin ich aber nach wie vor nicht überzeugt. Viele tragen hier eine technokratische Vorstellung des Staatswesen vor, nachdem nur Experten politische Verantwortung übernehmen sollten. Abgesehen davon, dass die meisten Parlamentarier keine Experten sind, läuft das völlig meinem Verständnis entgegen, nachdem Poltik (in einer Demokratie wohlgemerkt) eine Angelegenheit aller Bürger sein sollte. Die mutmaßlichen Verfechter der Demokratie scheinen sich nicht im Klaren zu sein, wie komisch es klingt, wenn ständig die Unreife, Manipulierbarkeit und Beschränktheit von Nicht-Insidern hervorgehoben wird.
                                I reject your reality and substitute my own! (Adam Savage)

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