So, einmal mehr: Tief durchatmen, etwas Abstand nehmen, nachdenken. Es ist bedenklich, wie in den Medien wild darauflosspekuliert wird und Aussagen gemacht werden, die nicht von Beobachtungen oder einem tieferen Verständnis der Funktionsweise eines Atomreaktors gestützt werden.
Tatsächlich hat sich eine Explosion ereignet, und wie es scheint, wurde die äussere Hülle des Reaktorgebäudes von den Stahlträgern weggesprengt. Es gibt offenbar keine weiteren Brände im Kraftwerk. Die Betreiber und die Regierung melden, das Reaktorgehäuse, also das Stahlbetongehäuse, das den Reaktor enthält, sei unbeschädigt, die Explosion sei eine Wasserstoffexplosion gewesen. Wir wissen, dass man den Angaben der Regierung nicht zu 100% trauen kann, aber tatsächlich passen in diesem Fall die Aussagen zu den Beobachtungen. Warum?
Was hier geschehen ist, kann man sich in etwa zusammenreimen. Nach der automatischen Abschaltung des Reaktors nach dem Beben hört die Kettenreaktion sofort auf, aber die Brennstäbe müssen weiterhin gekühlt werden, weil sie noch heiss sind. Das wird bei diesem Reaktortyp mit Wasser gemacht (Leichtwasser, dh, solches, das an Deuterium abgereichert ist, aber zur Not tuts auch ganz normales Wasser). Wenn das Kühlsystem versagt, hört der Wasserfluss auf. Allerdings stehen die Brennstäbe im Wasser (das auch als Moderator fungiert). Dieses beginnt nun zu verdampfen. Eine Kernschmelze kann NUR dann eintreten, wenn so viel Wasser verdampft ist, dass die Brennstäbe nicht mehr gekühlt werden können und schmelzen. In diesem Fall fallen sie auf den Boden des Reaktors, der so konstruiert ist (sein sollte) dass er das aushält. Das heisst, das oberste Ziel musste sein, dem Reaktor Wasser zuzuführen (was auch die Meldung, die USA würden Reaktorkühlmittel - in diesem Fall wohl Leichtwasser - liefern). Der Wasserdampf erhöht den Gasdruck im Reaktorgehäuse (also der innersten Ummantelung des Reaktors). Das will man natürlich nicht (weil das Gehäuse nicht beliebig hohe Drücke aushalten kann), deshalb die Rede über das Druckablassen. In diesem Dampf gibt es geringfügige Mengen radioaktiven Materials (er stammt ja aus dem Wasser, das unmittelbar mit den Brennstäben in Kontakt stand). Öffnet man nun das Ventil (was, soweit ich mitbekommen habe, ebenfalls erst nach mehreren Anläufen gelang) gelangt der Wasserdampf ausserhalb des Reaktorgehäuses. Man versucht in der Regel, ihn einzufangen, um die Freisetzung von Radioaktivität in die Umwelt (jenseits des Reaktorgebäudes, dh, der Konstruktion, die das eigentliche Reaktorgehäuse umgibt) zu vermeiden. In dieser Phase könnte die genannte "1000-fach erhöhte Strahlung im Reaktorgebäude" aufgetreten sein.
Nun gibt es aber ein weiteres Problem: Wenn die Brennstäbe sehr heiss werden, kann es auch dazu kommen, dass der Wasserdampf in Wasserstoff und Sauerstoff aufgespalten wird (dass Wassertropfen auf heissen Herdplatten tanzen, ist auf das gleiche Phänomen zurückzuführen - "Spaltung" ist in diesem Zusammenhang allerdings rein chemisch zu verstehen). So lange das im Innern des Reaktorgehäuses passiert, ist das ganze ein geschlossenes System, Wasserdampf, Wasserstoff und Sauerstoff sowie die Energie, die zur Spaltung zur Verfügung stehen, sind im Gleichgewicht. Lässt man nun aber Dampf (und damit auch Wasserstoff) in die Umgebung ab, kann es zu einer Knallgasexplosion des Wasserstoffs mit atmosophärischem Sauerstoff kommen. Diese findet jenseits des Ventils, also ausserhalb des Reaktorgehäuses, aber innerhalb des Reaktorgebäudes statt. Das ist hier offenbar passiert. Das Reaktorgehäuse muss deswegen nicht beschädigt sein, aber wir können es nicht ausschliessen. Wenn wir es nur mit dem Dampf zu tun haben, dann ist die Katastrophe abgewendet, allerdings auf Kosten eines GAUs: Wie erwähnt, enthält dieser Dampf / Wasserstoff eine geringe Menge an radioaktiven Stoffen. Deshalb kann man nicht anders, als dies als GAU zu bezeichnen, der dadurch definiert ist, dass Radioaktivität in die Umwelt entweicht. Die Mengen sind aber gering, und keineswegs mit einem offenen Reaktorbrand wie bei Tschernobyl vergleichbar. Selbst wenn das Reaktorgehäuse selbst beschädigt ist, ist ein Brand wie bei Tschernobyl nicht möglich, weil hier kein brennbarer Graphit als Moderator fungiert, sondern eben Wasser.
Alles in allem ist die Sache jetzt vorbei. Der Dampf wird abziehen, geringfügige Mengen von Cäsium und anderen radioaktiven Stoffen werden in der Umgebung messbar bleiben, aber in unbedenklichen Mengen. Wenn das Reaktorgehäuse unbeschädigt ist und keine Kernschmelze eingetreten ist (was sich von aussen nicht sagen lässt), kann man den Reaktor nach der Reparatur des Kühlsystems wieder hochfahren. Bei einer teilweisen Kernschmelze natürlich nicht, dann wird die Reparatur mindestens Monate in Anspruch nehmen. Ein Bruch des Reaktorgehäuses wäre das schlimmste (aber auch unwahrscheinlichste) Szenario, aber auch dafür gibt es Verfahren. In diesem Fall müsste der Reaktor aus Sicherheitsgründen wohl abgerissen werden.
Also zusammenfassend:
- Mit einiger Sicherheit Wasserstoffexplosion, wie von der Japanischen Regierung berichtet
- Geringer Austritt von Radioaktivität - GAU
- Vermutlich kein offenes Reaktorgehäuse, definitiv kein Reaktorbrand wie Tschernobyl (so auch gar nicht möglich) - kein SuperGAU
- Ob eine Kernschmelze stattgefunden hat, lässt sich nicht sagen.
- Kein "zweites Tschernobyl"
Tatsächlich hat sich eine Explosion ereignet, und wie es scheint, wurde die äussere Hülle des Reaktorgebäudes von den Stahlträgern weggesprengt. Es gibt offenbar keine weiteren Brände im Kraftwerk. Die Betreiber und die Regierung melden, das Reaktorgehäuse, also das Stahlbetongehäuse, das den Reaktor enthält, sei unbeschädigt, die Explosion sei eine Wasserstoffexplosion gewesen. Wir wissen, dass man den Angaben der Regierung nicht zu 100% trauen kann, aber tatsächlich passen in diesem Fall die Aussagen zu den Beobachtungen. Warum?
Was hier geschehen ist, kann man sich in etwa zusammenreimen. Nach der automatischen Abschaltung des Reaktors nach dem Beben hört die Kettenreaktion sofort auf, aber die Brennstäbe müssen weiterhin gekühlt werden, weil sie noch heiss sind. Das wird bei diesem Reaktortyp mit Wasser gemacht (Leichtwasser, dh, solches, das an Deuterium abgereichert ist, aber zur Not tuts auch ganz normales Wasser). Wenn das Kühlsystem versagt, hört der Wasserfluss auf. Allerdings stehen die Brennstäbe im Wasser (das auch als Moderator fungiert). Dieses beginnt nun zu verdampfen. Eine Kernschmelze kann NUR dann eintreten, wenn so viel Wasser verdampft ist, dass die Brennstäbe nicht mehr gekühlt werden können und schmelzen. In diesem Fall fallen sie auf den Boden des Reaktors, der so konstruiert ist (sein sollte) dass er das aushält. Das heisst, das oberste Ziel musste sein, dem Reaktor Wasser zuzuführen (was auch die Meldung, die USA würden Reaktorkühlmittel - in diesem Fall wohl Leichtwasser - liefern). Der Wasserdampf erhöht den Gasdruck im Reaktorgehäuse (also der innersten Ummantelung des Reaktors). Das will man natürlich nicht (weil das Gehäuse nicht beliebig hohe Drücke aushalten kann), deshalb die Rede über das Druckablassen. In diesem Dampf gibt es geringfügige Mengen radioaktiven Materials (er stammt ja aus dem Wasser, das unmittelbar mit den Brennstäben in Kontakt stand). Öffnet man nun das Ventil (was, soweit ich mitbekommen habe, ebenfalls erst nach mehreren Anläufen gelang) gelangt der Wasserdampf ausserhalb des Reaktorgehäuses. Man versucht in der Regel, ihn einzufangen, um die Freisetzung von Radioaktivität in die Umwelt (jenseits des Reaktorgebäudes, dh, der Konstruktion, die das eigentliche Reaktorgehäuse umgibt) zu vermeiden. In dieser Phase könnte die genannte "1000-fach erhöhte Strahlung im Reaktorgebäude" aufgetreten sein.
Nun gibt es aber ein weiteres Problem: Wenn die Brennstäbe sehr heiss werden, kann es auch dazu kommen, dass der Wasserdampf in Wasserstoff und Sauerstoff aufgespalten wird (dass Wassertropfen auf heissen Herdplatten tanzen, ist auf das gleiche Phänomen zurückzuführen - "Spaltung" ist in diesem Zusammenhang allerdings rein chemisch zu verstehen). So lange das im Innern des Reaktorgehäuses passiert, ist das ganze ein geschlossenes System, Wasserdampf, Wasserstoff und Sauerstoff sowie die Energie, die zur Spaltung zur Verfügung stehen, sind im Gleichgewicht. Lässt man nun aber Dampf (und damit auch Wasserstoff) in die Umgebung ab, kann es zu einer Knallgasexplosion des Wasserstoffs mit atmosophärischem Sauerstoff kommen. Diese findet jenseits des Ventils, also ausserhalb des Reaktorgehäuses, aber innerhalb des Reaktorgebäudes statt. Das ist hier offenbar passiert. Das Reaktorgehäuse muss deswegen nicht beschädigt sein, aber wir können es nicht ausschliessen. Wenn wir es nur mit dem Dampf zu tun haben, dann ist die Katastrophe abgewendet, allerdings auf Kosten eines GAUs: Wie erwähnt, enthält dieser Dampf / Wasserstoff eine geringe Menge an radioaktiven Stoffen. Deshalb kann man nicht anders, als dies als GAU zu bezeichnen, der dadurch definiert ist, dass Radioaktivität in die Umwelt entweicht. Die Mengen sind aber gering, und keineswegs mit einem offenen Reaktorbrand wie bei Tschernobyl vergleichbar. Selbst wenn das Reaktorgehäuse selbst beschädigt ist, ist ein Brand wie bei Tschernobyl nicht möglich, weil hier kein brennbarer Graphit als Moderator fungiert, sondern eben Wasser.
Alles in allem ist die Sache jetzt vorbei. Der Dampf wird abziehen, geringfügige Mengen von Cäsium und anderen radioaktiven Stoffen werden in der Umgebung messbar bleiben, aber in unbedenklichen Mengen. Wenn das Reaktorgehäuse unbeschädigt ist und keine Kernschmelze eingetreten ist (was sich von aussen nicht sagen lässt), kann man den Reaktor nach der Reparatur des Kühlsystems wieder hochfahren. Bei einer teilweisen Kernschmelze natürlich nicht, dann wird die Reparatur mindestens Monate in Anspruch nehmen. Ein Bruch des Reaktorgehäuses wäre das schlimmste (aber auch unwahrscheinlichste) Szenario, aber auch dafür gibt es Verfahren. In diesem Fall müsste der Reaktor aus Sicherheitsgründen wohl abgerissen werden.
Also zusammenfassend:
- Mit einiger Sicherheit Wasserstoffexplosion, wie von der Japanischen Regierung berichtet
- Geringer Austritt von Radioaktivität - GAU
- Vermutlich kein offenes Reaktorgehäuse, definitiv kein Reaktorbrand wie Tschernobyl (so auch gar nicht möglich) - kein SuperGAU
- Ob eine Kernschmelze stattgefunden hat, lässt sich nicht sagen.
- Kein "zweites Tschernobyl"
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