Zitat von Leandertaler
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Nur wer genau ist denn diese Mehrheit eigentlich?
Sie setzt sich doch letztendlich zusammen aus den verschiedensten Individuen und Interessengruppen. Das heißt, die Mehrheit besteht doch eigentlich aus der Summe der Fans verschiedenster Genre - von Krimi über Western bis hin zur Science-Fiction, zum Horror und zur Fantasy. Sie besteht aus der Summe aller Berufsgruppen - vom Wissenschaftler über den Arzt über den Piloten zum Musiker, zum Straßenkehrer, zum Maurer etc.. Sie besteht aus der Summer sämtlicher Bevölkerungsschichten, von der Unterschicht über die Mittelschicht bis hin zu Oberschicht. Sie setzt sich zusammen aus Sportlern, ehrenamtlich engagierten Leuten, Theatergängern, Comiclesern, Musikliebhabern, Cineasten, Campern, Globetrottern, Rollenspielern, Artisten, Künstlern, Sammlern uvm..
Je näher man sich mit besagter Mehrheit beschäftigt, umso mehr zerfällt sie wieder in ihre einzelnen, individuell überaus verschiedenen und nicht selten konträren Bestandteile aus einzelnen Personen und Personengruppen.
Bedeutet einen Film zu machen, der einer aus so vielen verschiedenen Individuen zusammengesetzten Mehrheit gefällt, dass es sich um einen Film handelt, der es schafft das unglaubliche Kunststück zu bewerkstelligen, jedem dieser vielen verschiedenen Menschen etwas zu bieten, das ihn persönlich anspricht? Heißt das ein Film, der der Mehrheit gefällt, ist ein Film, der den Intellektuellen intellektuell anzusprechen vermag, während er den Abenteuer und Spannung suchenden Zuschauer gleichsam fesseln kann und das Phantsie liebende Publikum in seinem kreativen Denken anregt? Bedeutet es, dass es sich um einen Film handelt, in dem sich der Wissenschaftler ebenso wie der Straßenkehrer und der Sozialarbeiter und der Arbeitslose und der Jugendliche wie der Erwachsene gleichermaßen ernst genommen fühlen und Identifikationsmöglichkeiten entdecken? Ist das ein Film, aus dem alle Bevölkerungs- und Interessengruppen mit unterschiedlichem Bildungsstand und Unterhaltungsanspruch etwas Bleibendes mit nach Hause nehmen können?
Zugegeben, es gibt tatsächlich Filme, die so etwas können. Die alten Star Trek - Filme mit der Originalcrew (und die Serie erst recht) beispielsweise. Wo der eine einfach Spaß am phantasievollen Weltraumabenteuer hat, kann der andere sich von der immanenten Sozialkritik angesprochen fühlen und wieder ein Anderer kann die soziale Utopie und ihren philosophischen Unterbau analysieren oder Symbole entdecken. Manche mögen sogar alles zusammen.
Auch "Avatar" ist so ein "Zwiebelschalen-Film", den man als simple Abenteuergeschichte ebenso genießen kann, wie als sozialkritisches Morality Play oder auch als symbolgeladene Gesellschaftsanalyse und philosophische Auseinandersetzung mit ethischen Werten uvm.. Den Meisten ist die Gesamtheit des Subtextes, den dieser Film mit sich bringt, gar nicht bewusst, aber die Zuschauer, die auf so etwas Wert legen, kommen ebenso auf ihre Kosten, wie diejenigen, die einfach nur an der Abenteurgeschichte und den tollen Effekten interessiert sind.
In der Regel bedeutet aber "ein Film, der der Mehrheit gefällt, die ihn sich deswegen anguckt" nichts von all dem. Tatsächlich ist damit gemeint, dass ein Film von vorn herein dermaßen simplifiziert ist, dass selbst der allerletzte Depp noch mitbekommt, worum es geht. Und um auch anspruchsvollere Zuschauer anzusprechen, gibt es eben - wie im Zirkus, wo ja auch alle möglichen Interessen- und Bevölkerungsgruppen vertreten sind - ganz viele Attraktionen, die alle höheren Ansprüche bei Seite fegen und die Lust am reinen Schauwert stimulieren. Genau so ein Film ist "Star Trek 2009".
Und weil solche Zirkusfilme ein Heidengeld einspielen, gibt es immer mehr davon, während individuellere und ebenfalls innovativere Filme immer seltener überhaupt produziert werden, weil sie weniger Gewinn abwerfen.
Statt intelligente oder wenigstens ehrliche Filme für einen Teil der Mehrheit zu machen, der sich damit auch ernst genommen und in seiner Persönlichkeit angesprochen fühlt, macht man dämliche Filme für die gesamte Mehrheit, die ihre Dämlichkeit mit großen Schauwerten überspielen, aber letztendlich nichts mehr zu sagen haben und niemanden mehr individuell berühren.
Ich halte diese Entwicklung für einen kulturellen Verlust und gerade dieser grenzdebile Star Trek - Film symbolisiert für mich die Gesamtheit dieser grauenhaft verachtenswerten Zirkusmentalität. Deshalb ist er für mich einer der schlechtesten Filme aller Zeiten.
"Doof, aber lustig" finde ich übrigens prinzipiell durchaus in Ordnung. Nur "Doof, weil das Publikum sowieso jeden Dreck frisst, solange genügend Explosionen drin sind" eben nicht. Das ist sozusagen eine Frage der Verkaufspolitik, die dahinter steckt. Ein Film wie "Bill & Ted's Exellent Adventure" ist mit Sicherheit doof und unlogisch, aber eben auch verdammt witzig und absolut ehrlich gemeint. Der Film ist gemacht, um Leute mit einem Humor zum Lachen zu bringen, den auch die Macher des Streifens selbst lustig fanden und das spürt man in jeder Sekunde. Ähnlich ist es auch bei diversen Ed Wood - Streifen. Es gibt keine Frage, dass die doof sind, aber in ihrer Ehrlichkeit sind sie so liebenswert, wie sie in ihrer unfreiwilligen Komik lustig sind.
"Star Trek 2009" ist allerdings in einer absolut berechneten Weise doof. Nicht aus Unfähigkeit oder nicht aufgefallenen Logikfehlern heraus, sondern deshalb, weil man sich schlicht und einfach keine Mühe damit gemacht hat.
Der Plot ist ein dämlicher, hinten und vorne keinen Sinn ergebender 08/15-Schiss, den man von Star Wars und etlichen anderen Filmen unverschämt kopiert hat. Die Figuren sind wandelnde Klischees, in deren Geschichte überhaupt nichts überraschendes oder gar in irgend einer Weise ernsthaft Empathie erzeugendes steckt. Die einzelnen Handlungsverläufe bemühen sich nicht einmal ansatzweise darum, nicht konstruiert und unglaubwürdig zu wirken. Mit mächtig viel CGI und Wackelkameras und Lense Flaires wird auf alle modernen Stilmittel aufgesprungen, um so Up-To-Date wie möglich auszusehen - so wie alle anderen Filme dieser Machart auch.
Der Film ist von vorn herein von Marktforschern auf Marktkonform getrimmt und konnte nach der ganzen Werbung, den zufällig überall positiven Kritiken, dem Markennamen "Star Trek", dem Markennamen "J.J. Abrams", dem Markennamen "Leonard Nimoy" und dem marktwirksamen Teenie/Twen - Cast - darunter bekannte neue Marken wie "Zachary "Sylar" Quinto" oder "Carl "Doom/HdR/Xena" Urban - und seinem Megabudget eigentlich überhaupt kein Flop mehr werden.
Da gab es keinerlei Risiko, dass dieser Film an der Kasse nicht wie eine Bombe einschlagen würde. Wozu sich dann überhaupt noch Mühe mit einem Drehbuch geben, wenn sowieso nur die Attraktionen zählen. Gegenüber "richtigen" Filmen, die keine abgefilmte "Zirkusshow" sein wollen, sondern etwas zu erzählen haben, dass für den einen oder anderen Zuschauer von Relevanz sein könnte, halte ich das für unlauteren Wettbewerb, abgesehen davon, dass ich mich als Teil des Publikums über den Tisch gezogen und nicht ernst genommen fühle.
Versteh mich mal nicht falsch. Mir ist schon klar, dass ein Film neben seiner künstlerischen Ambition fast immer auch ein kommerzielles Produkt ist und die Produzenten Gewinne machen wollen, die ihnen selbstverständlich auch gegönnt sind. Es besteht aber immer noch ein Unterschied darin, ob ich echte Qualität liefere und dafür den entsprechenden Preis verlange, oder ob ich nur behaupte Qualität zu liefern, um zu versuchen mit minderwertigen Produkten einen größeren Reibach zu machen.
Einen Film wie "Star Trek 2009" zu produzieren, ist in meinen Augen nicht viel besser, als den Leuten übelstes Gammelfleisch als Frischware zu verkaufen. Beides macht auf Dauer und in entsprechenden Mengen krank. Das eine körperlich, das andere erstickt Phantasie und Geist. Der neue Star Trek - Film stinkt!

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