Der 20.7. und der Widerstand um Stauffenberg - SciFi-Forum

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Der 20.7. und der Widerstand um Stauffenberg

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  • BongoMercury
    antwortet
    Zitat von Schlachti Beitrag anzeigen
    Soweit ich weiß gab es 42 Attentate auf Hitler. Er war umgangssprachlich ausgedrückt einfach nicht totzukriegen.
    Sind die denn auch so nah herangekommen? Und waren sie auch so hoch dekoriert?

    Seltsam das von Staufenberg so wenige wissen. In unserem Geschichtsbuch kriegt er sogar ne Doppelseite und in anderen ist er auch vertreten. Man sollte viele Leute einfach mal den Geschichtsunterricht nachholen lassen.
    Ja das sollte es.

    Es ist auch gut dass Hollywood so einen Film dreht. Dadurch hat er höhere Chancen auf ein Weltpuplikum als ein Deutscher Film. Vor allem glauben viele im Ausland (vor allem Amerikaner) immer noch dass alle Deutschen Nazis waren und es immer noch sind. Vielleicht kann das unser Image im Ausland etwas bessern.
    Wobei vermutlich einiges bewußt anders dargestellt wird. Wegen der Spannung, Action usw. Aber mal abwarten.

    Wenn nur dieser verdammte schwere Holztisch nicht gewesen wäre ...
    Der hat Hitler gerettet?

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  • Nighthawk_
    antwortet
    Zitat von Sandswind Beitrag anzeigen
    Wobei man auch da hinterfragen kann, ob nicht bei dem einen oder anderen Offizier die Floskel vom preußischen Gehorsam nicht schlicht und ergreifend vorgeschoben war, um die eigene Untätigkeit zu rechtfertigen.
    Aus welchen Gründen sollte die Untätigkeit sonst herrühren? Übereinstimmung mit Hitler? Das sollte bei der Masse eher weniger der Fall gewesen sein.

    Zitat von Sandswind Beitrag anzeigen
    Wenn die Geschichtsforschung in den letzten Jahren eins hervorgebracht hat, dann die Erkenntnis, dass die Wehrmacht deutlich stärker in die Verbrechen des Nazi-Regimes verwickelt war, als man das gemeinhin angenommen hat.
    Das sei auch unbestritten. Davon aber irgendetwas auf die Moralischen Vorstellungen einzelner runterbrechen zu wollen halte ich für fehlgegriffen. Welcher Prozentsatz war denn tatsächlich an den Verbrechen beteiligt? Im Zuge der momentan laufenden Reihe beim ZDF(?) hab ich AFAIR auf SPON was von 5% gelesen. Das ist dann eben "bei fast jedem" im Lot gewesen. Zusätzlich sollte man sich fragen inwieweit der Offizier am unteren Ende der Befehlskette Gestaltungsmöglichkeiten hat. Selbst bei Höherranigen war der Handlungsspielraum schon sehr eingeschränkt.
    Und eben wie gesagt, Soldatischer Gehorsam stand über persönlichen Moralvorstellungen. Das kann man sich heute nicht mehr vorstellen und dementsprechend verurteilen, damals war es aber so. Da wurde eben auch ein Befehl ausgeübt mit dem man nicht konform ging. Mit Bauchschmerzen vielleicht aber was anderes kam nun mal nicht in Frage. Für die allermeisten.

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  • Sandswind
    antwortet
    Zitat von Cmdr. Ch`ReI Beitrag anzeigen
    Die sicher auch moralischen Probleme die man damals innerhalb des Offizierskorps mit Hitler hatte waren nicht gravierend um gegen den eigenen Eid zu verstoßen. Nicht genug um den soldatischen Gehorsam zu verweigern und den Machthaber während eines existenzbedrohenden Krieges in den Rücken zu fallen.
    Wobei man auch da hinterfragen kann, ob nicht bei dem einen oder anderen Offizier die Floskel vom preußischen Gehorsam nicht schlicht und ergreifend vorgeschoben war, um die eigene Untätigkeit zu rechtfertigen. Ob das zu (brauchbaren) Ergebnissen führt, ist eine andere Frage. Allerdings würde ich solche Fragen nicht per se ausklammern und pauschal auf die damalige Moralvorstellung abheben.

    Zitat von Cmdr. Ch`ReI Beitrag anzeigen
    Moral war wohl bei fast jedem vorhanden.
    Wenn die Geschichtsforschung in den letzten Jahren eins hervorgebracht hat, dann die Erkenntnis, dass die Wehrmacht deutlich stärker in die Verbrechen des Nazi-Regimes verwickelt war, als man das gemeinhin angenommen hat. Ob das mit damaligen "Moralvorstellungen" noch einhergehen kann, wenn viele Offiziere verbrecherische Befehle ausgeübt haben, darf bezweifelt werden.

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  • Nighthawk_
    antwortet
    Wenn ich mir aber Äußerungen über die Nazis aus der Generalität schon vor der "Machtergreifung" anschaue, zeigt das, dass viele eben doch durchschaut haben, was das für ein Haufen war und wo deren Ziele lagen.

    Es ist auch eine alte Suppe, dass weite Teile der Wehrmachtführung selbst in die Verbrechen der Nazis verstrickt waren, oder zumindest Kenntnis davon hatten. Andere missbilligten sie klar - also kann man sich (zumindest nicht pauschal) darauf zurückziehen, dass "die Moral" damals halt eine andere gewesen sei.
    Es geht nicht um die Verbrechen der Wehrmacht oder dem Rest des Hitler-Regimes. Es steht auch ziemlich außer Frage, das viele Offiziere diesen ganzen Aktionen nicht eben positiv gegenüberstanden. Natürlich wurde das als falsch abgesehen.
    Aber - und das ist eben der Punkt auf den ich hinauswollte - das tritt zurück. Die sicher auch moralischen Probleme die man damals innerhalb des Offizierskorps mit Hitler hatte waren nicht gravierend um gegen den eigenen Eid zu verstoßen. Nicht genug um den soldatischen Gehorsam zu verweigern und den Machthaber während eines existenzbedrohenden Krieges in den Rücken zu fallen.
    Hier ist die Gewichtung einfach anders. Soldatischer Gehorsam vor moralischen Verpflichtungen.
    Und das resultiert eben nicht zuletzt daraus, das die Moral damals eine andere war als heute. Von unserer Warte aus mögen wir das schwer nachvollziehen können. Aber damals waren eben andere Dinge wichtiger. Etwa eben ein Eid.

    Anders ausgedrückt: Man stellt sich unwillkürlich die Frage, wieso ausgerechnet diese Leute aus der Lethargie ausgebrochen sind. Und es kann durchaus sein, dass sowas wie Moral dort eine Rolle gespielt hat.
    Was in erster Linie eine Rolle gespielt hat war die unterschiedliche Gewichtung. Moral war wohl bei fast jedem vorhanden. Nur die wenigsten gewichteten sie höher als ihre soldatischen Überzeugungen und Verpflichtungen. Entsprechend ist das dann auch der ausschlaggebende Punkt, die Gewichtung. Nicht etwa die groß anderen Moralvorstellungen.

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  • Sandswind
    antwortet
    Zitat von Cmdr. Ch`ReI Beitrag anzeigen
    Man sollte nicht nach der Moral fragen. Ist nicht die Ursache und wurde damals eh anders aufgefasst als heute.
    Die Aussage würde ich so nicht unterschreiben. Natürlich muss man die "Moralfrage" (wie auch viele andere Aspekte) immer im zeitlichen Kontext sehen, und natürlich spielt dabei die Vorstellung des getreuen preußischen Soldaten eine entscheidende Rolle.

    Wenn ich mir aber Äußerungen über die Nazis aus der Generalität schon vor der "Machtergreifung" anschaue, zeigt das, dass viele eben doch durchschaut haben, was das für ein Haufen war und wo deren Ziele lagen. Es ist auch eine alte Suppe, dass weite Teile der Wehrmachtführung selbst in die Verbrechen der Nazis verstrickt waren, oder zumindest Kenntnis davon hatten. Andere missbilligten sie klar - also kann man sich (zumindest nicht pauschal) darauf zurückziehen, dass "die Moral" damals halt eine andere gewesen sei.

    Gerade vor dem Hintergrund, dass viele Offiziere wussten, was vor sich ging und die Aussichtslosigkeit des Krieges überblicken konnten, ist es doch interessant, wenn sich ein paar hervortun und aktiv werden. Anders ausgedrückt: Man stellt sich unwillkürlich die Frage, wieso ausgerechnet diese Leute aus der Lethargie ausgebrochen sind. Und es kann durchaus sein, dass sowas wie Moral dort eine Rolle gespielt hat.

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  • Nighthawk_
    antwortet
    Zitat von blueflash Beitrag anzeigen
    Ich persönlich sehe diese Leute eher als gesellschaftlich völlig orientierungslos an, was eventuell ihre Zuflucht zu einem Militärputsch (der gute alte Gehorsam, die gute alte Soldatenehre) gegen die Nazieinflüsse erklären könnte.
    Interessante These, hat sicherlich was für sich.

    Zitat von blueflash Beitrag anzeigen
    Und ganz besonders verwundern tun mich die etlichen Offiziere, die zwar grundsätzlich schon damals den Verschwörern recht gaben, aber einen Mord (kann man bei einem Attentat auf Hitler noch von "niederen Motiven" sprechen?) für völlig ausgeschlossen hielten. Was ist das für eine Moral?
    Man sollte nicht nach der Moral fragen. Ist nicht die Ursache und wurde damals eh anders aufgefasst als heute.
    Das begründet sich doch eher in der Weltanschauung und den Tugenden des deutschen Offizierskorps.
    "Preußische Feldmarschälle meutern nicht" - das Zitat bringt die Situation schon richtig rüber. Der soldatischem Gehorsam verbat es vielen schlicht Widerstand gegen Hitler zu leisten. Man hatte eben den Eid auf Hitler geleistet, für viele Offiziere war es aufgrund ihres soldatischen Selbstverständnisses ein Stück weit schlicht undenkbar damit zu brechen.
    Man fällt keinem Mann in den Rücken auf den man einen Eid geschworen hat während das Vaterland ums überleben kämpft.
    Einen Eid bricht man nicht. Und das deutsche Staatsoberhaupt tastet man auch nicht an.
    Dieses Kredo dürfte bei den allermeisten über irgendwelchen moralischen Verpflichtungen gegenüber dem deutschen Volk gestanden haben.
    Natürlich kann man daraus heute wunderbar einen Strick drehen.
    Aber damals waren die Vorstellungen und Gewichtungen diesbezüglich halt noch etwas anders. Im Rahmen dessen sollte man urteilen. Heute ist man freilich klüger.
    In diesem Sinne würde ich die Frage "Was ist denn das für eine Moral?" mit "eine andere als heute" beantworten.

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  • blueflash
    antwortet
    Man muss sich, um das ganze zu beurteilen eigentlich nur in die Lage eines Stauffenberg oder Tresckow versetzen: Aus den geordneten Verhältnissen des erzkonservativen Junkertums stammend in die "neue" Gesellschaftsordnung des dritten Reiches (wie Haffner es treffend bemerkte: damals recht weit links) hineinversetzt ist ihr letzter Halt das Heer und ihre Offizierskarriere. Und was müssen sie feststellen? Dass die Wehrmacht allgemein und das Heer im besonderen in abscheuliche Kriegsverbrechen verstrickt ist. Ich persönlich sehe diese Leute eher als gesellschaftlich völlig orientierungslos an, was eventuell ihre Zuflucht zu einem Militärputsch (der gute alte Gehorsam, die gute alte Soldatenehre) gegen die Nazieinflüsse erklären könnte.

    Was ich hervorheben muss ist der totale persönlich Einsatz für die verlorene Sache (was ironischerweise ja die Nazis immer gefordert haben).

    Und ganz besonders verwundern tun mich die etlichen Offiziere, die zwar grundsätzlich schon damals den Verschwörern recht gaben, aber einen Mord (kann man bei einem Attentat auf Hitler noch von "niederen Motiven" sprechen?) für völlig ausgeschlossen hielten. Was ist das für eine Moral?

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  • Jack Crow
    antwortet
    Auch wenn er nun Geburtstag hätte, das Thema gibts schon

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  • Eye-Q
    antwortet
    Es wird schlicht und einfach versucht (bzw wohl auch geschafft) ein Mythos aufzubauen... Ob das nun gut oder schlecht ist sei mal dahingestellt, aber mE wird er überbewertet (aus oben genannten Gründen: Mythenbildung).

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  • Schlachti
    antwortet
    Zitat von BongoMercury Beitrag anzeigen
    Hätten mehrere Deutsche so gehandelt wie Stauffenberg, wäre der Wahnsinn vielleicht eher beendet gewesen.
    Soweit ich weiß gab es 42 Attentate auf Hitler. Er war umgangssprachlich ausgedrückt einfach nicht totzukriegen.

    Seltsam das von Staufenberg so wenige wissen. In unserem Geschichtsbuch kriegt er sogar ne Doppelseite und in anderen ist er auch vertreten. Man sollte viele Leute einfach mal den Geschichtsunterricht nachholen lassen.

    Es ist auch gut dass Hollywood so einen Film dreht. Dadurch hat er höhere Chancen auf ein Weltpuplikum als ein Deutscher Film. Vor allem glauben viele im Ausland (vor allem Amerikaner) immer noch dass alle Deutschen Nazis waren und es immer noch sind. Vielleicht kann das unser Image im Ausland etwas bessern.

    Wenn nur dieser verdammte schwere Holztisch nicht gewesen wäre ...

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  • BongoMercury
    antwortet
    Claus Schenk Graf von Stauffenberg wäre heute 100 geworden

    In Deutschland ist Claus Schenk Graf von Stauffenberg nach 1945 oft geschmäht worden. Dabei ist sein gescheiterte Attentat auf Adolf Hitler 1944 enorm wichtig für die Geschichte der Bundesrepublik. Die Debatte um den Film "Valkyrie" hat Gutes bewirkt.

    Widerstand oder Hochverrat - das ist oft eine Frage der Zeit. In der Nacht vom 20. auf den 21. Juli 1944, zwölf Stunden nach dem misslungenen Bombenanschlag im Führerhauptquartier, nannte Adolf Hitler in einer reichsweit ausgestrahlten Radioansprache die Verschwörer um Claus Schenk Graf von Stauffenberg "eine ganz kleine Clique ehrgeiziger, gewissenloser und zugleich verbrecherischer, dummer Offiziere". Diese Haltung blieb noch lange Zeit über das Ende des Dritten Reiches 1945 hinaus präsent. 1951 lehnten einer repräsentativen Umfrage zufolge mehr als die Hälfte der Deutschen die Verschwörung des 20. Juli ab; 21 Prozent vertraten sogar die Ansicht, das Dritte Reich hätte den Zweiten Weltkrieg gewonnen, wenn nicht Widerstand gegen Hitler die Kampfkraft des Volkes geschwächt hätte - Stauffenberg als "Wehrkraftzersetzer"....
    Quelle:Stauffenberg, wirklicher Held der Deutschen - Nachrichten Kultur - WELT ONLINE

    Viele Deutschen kenne ihn nicht mal. Das habe ich eben unverständlicher Weise im Fernsehen erfahren.

    Derweilen wird am Film Valkyrie mit Tom Cruise gerarbeitet. Ursprünglich war Thomas Kretschmann für diese Rolle vorgesehen.

    Es gibt bereits auch eine gute Fernsehverfilmung Nachrichten - Feuilleton - FAZ.NET - Fernsehen: „Stauffenberg“ - ein Geschichtsfilm ohne Geschichte welche den deutschen Fernsehpreis erhalten hat.

    Hätten mehrere Deutsche so gehandelt wie Stauffenberg, wäre der Wahnsinn vielleicht eher beendet gewesen.

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  • odin2k3
    antwortet
    haette, wenn, und aber


    man kann doch ncith genau sagen, was passiert waere, wenn der anschlag erfolgreich gewesen waere und ob das ueberhaupt was geandert haette.
    gut, dass stauffenberg es versucht hat, aber wer weiss ob die machthaber danach nciht genauso weitergemacht haetten.
    heisst zwar immer die wollten frieden, aber aber..

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  • max
    antwortet
    Zitat von endar
    Es verwundert mich nicht, dass du eine Gruppeneinteilung wählst, bei der die Arbeiterschaft als einzige Kraft des potentiellen Widerstandes erscheint. Es sind jedoch Zweifel angebracht, den Erfolg der NSDAP rein „schichtenbegründet“ erklären zu wollen.

    1. Die Wähler der NSDAP im Juni 1932 (33%) waren sicher nicht alles überzeugte Nationalsozialisten oder bereitwillige bürgerliche Mitläufer, sondern zum großen Teil sicherlich auch Arbeiter.
    Eine dafür recht aufschlussreiche Tabelle für die Wahlen im Juli 1932 (die im März 1933 erfolgten zu einem Zeitpunkt, als schon ein Grossteil der KPDler im KZ waren und SPDler täglich überfallen wurden):

    Anteile an der Gesamtbevölkerung:
    48% Arbeiter (AK), 18% neue Mittelklasse (nMK), 32% alte Mittelklasse (aMK)

    SPD-Wähler: (21,6% der Stimmen)
    57% AK, 28% nMK, 15% aMK

    KPD-Wähler: (14,5%)
    81% AK, 13% nMK, 6% aMK

    Zentrum: (12,5%)
    38% AK, 18% nMK, 43% aMK

    DDP/DVP: (2,2%)
    33% AK, 30% nMK, 37% aMK

    DNVP: (6,2%)
    38% AK, 27% nMK, 35% aMK

    NSDAP: (37,4%)
    39% AK, 19% nMK, 42% aMK

    Quelle: The Nazis, capitalism and the working class, Gluckstein, London 1999

    Diese Wahl war der grösste Erfolg, den die NSDAP je bei freien Wahlen erreichen konnte. Man sieht deutlich, dass die Mittelschichten überrepräsentiert sind, währen die Arbeiterklasse unterrepräsentiert ist. Bei den beiden Arbeiterparteien ist es umgedreht, wobei berücksichtigt werden muss, dass diese tatsächlich nicht alle Arbeiter mehr erreichen konnten. Einerseits gab es noch christliche Arbeiter, die relativ konstant Zentrum wählten, aber auch einen Teil, der die NSDAP wählte. Dabei handelt sich es mehrheitlich um Arbeiter aus Kleinbetrieben und ländlichen Regionen, sowie Arbeitslosen. In der Industriearbeiterschaft konnte die NDSAP nie eine grössere Unterstützung gewinnen, selbst bei den Betriebsratswahlen 1934 verlor die NSDAP noch haushoch. Die Ursache dafür, dass auch Arbeiter die NSDAP wählten, liegt hierbei natürlich in erster Linie in den katastrophalen Politik der SPD und KPD, die sich hauptsächlich durch Passivität auszeichnete.

    Es stimmt, dass in der SA Arbeiter (hauptsächlich Arbeitslose) sogar mit einem Anteil von 64% sogar überrepräsentiert waren (wobei hier von einem Anteil der Arbeiterklasse von 53% ausgegangen wird, gleiche Quelle wie oben).

    Aber bei der gesamten Mitgliedschaft der NSDAP sieht man wieder deutlich, dass die Mittelschichten und besonders deren privilegierten Teile und die herrschende Klasse (zusammen "Elite") überrepräsentiert sind, während die Arbeiterklasse unterrepräsentiert ist:

    Anteil der neuen NSDAP-Mitglieder im Jahre 1933:

    Arbeiter 30,7% (Gesamtbevölkerung 54,6%)

    Mittelschichten 57,1% (Gesamtbevölkerung 42,7%)

    Elite 12,2% (Gesamtbevölkerung 2,8%)

    Quelle: The Nazi Party, Kater, Cambridge, 1983
    Zitat von endar
    Gestern oder vorgestern hast du mir da doch noch deutlich widersprochen, als ich sagte, dass die Bindung zwischen NS-Regime und der Bevölkerung ab 1942/43 deutliche Risse bekam.
    Dabei bleibe ich auch. Meine Aussage bezog sich nur auf die Mittelschichten und die herrschende Klasse, die mehrheitlich bis zum Schluss hinter den Nazis standen. Aber in diesen Schichten gab es erst im grösseren Umfang Widerstand, als die militärische Niederlage deutlich wurde. Aber die Widerstandskämpfer blieben in diesen Schichten immer eine deutliche Minderheit.
    Zitat von endar
    Weil sie zum überwiegenden Teil konservativ waren, die Staatsform der Republik für „undeutsch“ hielten etc (vgl. meinen Beitrag von gestern). Störten sich denn deutsche Arbeiter nicht an der Rheinlandbesetzung? Traten die Arbeiter dort nicht in den Streik?
    Die Aussage, dass die Mehrheit der Bevölkerung konservativ war, ist schlicht und einfach unhistorisch, berücksichtigt nicht die Entwicklung während der Weimarer Republik und ist bezogen auf die Wahlen auch einfach falsch. Die deutschen Arbeiter beteiligten sich teilweise and den Streiks gegen die Rheinlandbesetzung, aber kämpften in diesen Jahren in erster Linie gegen den die deutschen Kapitalisten und den deutschen Staat. Viele Arbeiter lehnten nicht deshalb die Weimarer Republik ab, weil sie "undeutsch" war, sondern wegen der Erfahrungen in den Jahren 1918-23, als die Republik gestützt auf Reichswehr und die Freikorps (die Vorläufer der Nazis) wiederholt gegen Arbeiter vorgingen. Trotz dieser Erfahrungen dürften die SPD-Anhänger aus der Arbeiterklasse die einzige Schicht in der Weimarer Republik gewesen sein, die wirklich hinter der Republik standen und diese auch militärisch verteidigt hätten. Ein Grossteil der Angehörigen der militärischen Organisationen der SPD (Reichsbanner) wollte auch gegen den Papen-Putsch 1932 Widerstand leisten, aber wurde von der Parteiführung daran gehindert.

    Es stimmt, dass das Scheitern der Weimarer Republik nicht alleine mit der ökonomischen Entwicklung erklärt werden kann. Genauso wie die Mentalitäten und politischen Einstellungen im Staatsapparat, den Mittelschichten und dem Bürgertum nicht als Erklärung ausreichen. Wenn nicht zwischen den einzelnen Klassen und Schichten in dieser Beziehung differenziert wird, kann man zu keiner vernünftigen Aussage mehr kommen.

    Die ökonomische Entwicklung ist aber dahingehend aussagekräftig, dass sie die Krisen der Weimarer Republik erklärt, die ja nicht in den Boom-Jahren lagen. Dazu war die wirtschaftliche Krise in Deutschland damals im Vergleich zu anderen Staaten (Ausnahme Polen und USA) deutlich stärker. Ein entscheidender Unterschied zwischen Deutschland und Frankreich, UK und USA liegt aber darin, dass es der Arbeiterklasse in der Novemberrevolution gelungen war weitgehende Zugeständnisse zu erlangen. Durch diese halbe Revolution waren die gesellschaftliche Polarisierung auch grösser in Deutschland grösser als in den anderen Staaten. Das Gleichgewicht zwischen den Klassen war in Deutschland in der Folge der Revolution zugunsten der Arbeiterklasse verschoben und genau dies sah die herrschende Klasse auch als wesentliches Hindernis an, wenn sie ihre wirtschaftliche Interessen durchsetzen wollte und aussenpolitisch wieder ein Expansionskurs einschlagen wollte. Dies ist auch der wesentliche Grund, warum grosse Teile der herrschenden Klasse - insbesondere Schwerindustrielle, Banker und hohe Militärs - die Nazis als letzte Lösungsmöglichkeit in der Krise unterstützten.

    Noch mal: wie schon geschrieben gibt es wesentliche Unterschiede zwischen dem geringen Widerstand aus der Arbeiterklasse auf der einen Seite und aus den Mittelschichten und den herrschenden Klasse andererseits. Eine gemeinsame Erklärung ist hier nicht möglich. Dies gilt auch für die Unterschiede in den Höhepunkten der Widerstandsaktivitäten.

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  • endar
    antwortet
    Die Weimarer Republik scheiterte im wesentlichen daran, dass es nie wirklich eine ökonomische Basis für einen Kompromiss zwischen den Klassen gab.
    Es bliebe nämlich hier zu fragen, wieso z.B. in Großbritannien und Frankreich rechtsradikale Strömungen nicht die politische Vorherrschaft einnehmen konnten, sondern wieso autoritäre Staatsformen sich in den Nachfolgestaaten der ehemaligen Territorien von Österreich-Ungarn und Deutschland mit Ausnahme der Tschechoslowakei überall durchsetzen konnten. Da lässt sich nicht allein durch ökonomische Gründe erklären.

    Es gab - sehr grob gesagt - drei Gruppen zu Beginn der Naziherrschaft:
    einmal die überzeugten Nazis, die liberalen und konservativen Mitläufer und die Arbeiterbewegung.
    Es verwundert mich nicht, dass du eine Gruppeneinteilung wählst, bei der die Arbeiterschaft als einzige Kraft des potentiellen Widerstandes erscheint. Es sind jedoch Zweifel angebracht, den Erfolg der NSDAP rein „schichtenbegründet“ erklären zu wollen.

    1. Die Wähler der NSDAP im Juni 1932 (33%) waren sicher nicht alles überzeugte Nationalsozialisten oder bereitwillige bürgerliche Mitläufer, sondern zum großen Teil sicherlich auch Arbeiter.
    In diesem Zusammenhang ist aber interessant, dass der Anteil der Arbeiter in der SA nach Auswertung verschiedener Quellen in der Zeit vor 1933 wohl 33% - 50% betrug [Longerich, Die braunen Bataillione, München, 1989, S. 81ff]. Die Arbeiter, die Mitglied in der SA waren, waren ja nun auch Bestandteile der Arbeiterschaft. Ökonomische Erklärungsversuche sind wichtig, aber sie erklären eben nicht alles.

    2. Das höchste Wahlergebnis, das die KPD reichsweit erreichen konnte, war 16,9% 1932. Die SPD bekam bei der gleichen Wahl reichsweit 20%. Wäre die Arbeiterschaft geschlossen für die Parteien der Arbeiterbewegung gewesen, hätten hier aber 45% [Anteil der Arbeiter an den Erwerbstätigen] rauskommen müssen und nicht 36. Es fehlt also rund 1/4 der potentiellen Wähler dieser Parteien. Dies zeigt, dass sich der Nationalsozialismus, zwar in verschiedener Stärke, aber dennoch in allen Schichten ausbreiten konnte.
    Bei der Wahl vom 5.3.33 kommt man für beide Parteien auf insgesamt 30%, so dass hier sogar ein Drittel, nämlich 15% fehlt/fehlen [und im Vergleich zur Vorwahl 6%], die eigentlich hier hätten auftauchen müssen. Die Arbeiterschaft blieb also keineswegs so immun gegen den Nationalsozialismus, wie du das hier in deiner groben Gruppeneinteilung der Bevölkerung implizierst. Statt dessen zeigen sich Vermischungen.

    3. Rein ökonmische Erklärungsmuster bedürfen ganz dringend immer auch mentalitätsgeschichtlicher Erklärungen, ebenso wie diese nicht ohne ökonomische Erklärungen auskommen. Gerade in diesem Zusammenhang ist doch auch die Einbindung der pot. Wähler in die Organisationen der Milieuparteien zu erwähnen, welche sich nicht nur aus politischer Überzeugung speiste, sondern für viele auch eine reine Traditionsgeschichte war. Man darf bei „Arbeiterbewegung“ nicht so weit gehen, dass die Mitgliedschaft in einem SPD-Turnverein als „politische Tätigkeit“ zu bezeichnen ist. Wieviele der 6 Mio. KPD-Wähler, wieviele der 7,25 Mio SPD-Wähler waren denn wirklich im echten Sinne „politisch“ tätig? Das wird doch nur ein Bruchteil der Wähler gewesen sein. Was war mit dem Rest? Wieso gingen einige in den Untergrund, während andere sich in den Betriebszellenorganisationen wohl fühlten?

    Beim Bürgertum und Kleinbürgertum (der sozialen Basis der NSDAP!) war der wesentliche Grund für den schwachen Widerstand, dass diese sozialen Schichten mehrheitlich die Nazis aktiv oder zumindest passiv unterstützten und erst angesichts der drohenden militärischen Niederlage überhaupt nennenswerte oppositionelle Aktivitäten entwickelte.
    Ach... Gestern oder vorgestern hast du mir da doch noch deutlich widersprochen, als ich sagte, dass die Bindung zwischen NS-Regime und der Bevölkerung ab 1942/43 deutliche Risse bekam.
    Dort schrieb ich „Die Loslösung vom Nationalsozialismus begann erst in einer Zeit, als es nicht mehr so gut lief, als die Familien reihenweise Opfer von der Ostfront zu beklagen hatten oder die Bombenangriffe begannen.“
    Diese widerum hätten jedoch die Verbindung zwischen Regime und Bevölkerung gestärkt. Was denn nun? Waren die Bombenangriffe etwa kein Zeichen der drohenden militärischen Niederlage?

    Die Weimarer Republik war durch eine deutliche Polarisierung gekennzeichnet. Anfangs war sie das Mittel der Bürgerlichen gestützt auf die SPD ihre Interessen gegen die sozialistischen Revolutionäre zu bewahren. Als dies nach dem endgültigen Scheitern der Revolution 1923 nicht mehr notwendig war, schwenkte die Mehrheit der Bürgerlichen und des Kleinbürgertums angesichts der erneuten schweren wirtschaftlichen Krise auf eine Unterstützung einer autoritären Lösung zur Zurückdrängen der Errungenschaften der Novemberrevolution (u.a. die Demokratie selbst) um.
    Aber du musst auch fragen, welche mentalitätsgeschichtlichen Hintergründe es hatte, dass die Mehrheit der Wähler von der Republik Abstand nahm. Weil sie zum überwiegenden Teil konservativ waren, die Staatsform der Republik für „undeutsch“ hielten etc (vgl. meinen Beitrag von gestern). Störten sich denn deutsche Arbeiter nicht an der Rheinlandbesetzung? Traten die Arbeiter dort nicht in den Streik?
    Arbeiter waren auch deutsch und sie haben sich ebenso über ihre Nationalität definiert, wie über ihre Schichtenzugehörigkeit. Und das erklärt auch eine ganze Menge.

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  • max
    antwortet
    Zitat von endar
    Du musst das ein bisschen abstrahieren und von deiner heutigen politischen Sicht herunterkommen, um das zu verstehen. Es war nicht die Bevölkerungsmehrheit, die sich vor 1933 in politischen Auseinandersetzungen geübt hat. Und DIESE Bevölkerungsmehrheit war auch nicht den Verfolgungsmaßnahmen ausgesetzt (wie ich auch oben schon geschrieben habe). Und daher fragte ich, welchem Terror diese Bevölkerungsmehrheit ausgesetzt wurde?
    Damit will ich gar nicht ableugnen, dass viele Existenzen zerstört wurden und viele in Lager gekommen und auch ermordet wurden. Aber das betraf nur einen Teil der Bevölkerung, eben den politischen, während die Bevölkerungsmehrheit ein Hakenkreuz auf den Briefbogen hinzuaddierte und voilà - Willkommen im Dritten Reich. Das waren die sich als unpolitisch verstehenden Liberalen und Konservativen.
    Die Liberalen und Konservativen, die sich als "unpolitisch bezeichneten" und sich relativ problemlos den Nazis unterordneten, waren aber nicht die Bevölkerungsmehrheit, sondern eine Minderheit. Genau diese Gruppe hat doch massiv Anhänger an die Nazis verloren.

    Es gab - sehr grob gesagt - drei Gruppen zu Beginn der Naziherrschaft:
    einmal die überzeugten Nazis, die liberalen und konservativen Mitläufer und die Arbeiterbewegung. Bei letzterer - wie auch bei dem damals sehr wenigen bürgerlichen Oppositionellen - war nur eine Minderheit direkt vom Terror betroffen, aber die politischen Organisationen wurden insgesamt schwer getroffen. Insbesondere die SPD und die Gewerkschaften, die keinerlei Vorbereitungen auf eine Arbeit im Untergrund getroffen hatten, wurden politisch fast komplett ausgeschaltet - mal abgesehen von den Exilorganisationen. Nur die Kommunisten konnten noch mehrere Jahre ihre Strukturen erhalten - bis auch sie der Gestapo & Co zum Opfer fielen. Die Gründe für den schwachen Widerstand aus der Arbeiterbewegung unterscheiden sich von den Gründen für den schwachen Widerstand aus dem Bürgertum und dem Kleinbürgertum. Einer der wesentlichen Gründe für den schwachen Widerstand aus der Arbeiterbewegung ist die Zerstörung der politischen Strukturen, also die Zerstörung einer kollektiven Basis. Beim Bürgertum und Kleinbürgertum (der sozialen Basis der NSDAP!) war der wesentliche Grund für den schwachen Widerstand, dass diese sozialen Schichten mehrheitlich die Nazis aktiv oder zumindest passiv unterstützten und erst angesichts der drohenden militärischen Niederlage überhaupt nennenswerte oppositionelle Aktivitäten entwickelte.
    Zitat von EVENTHORIZON
    Wie politisch kann eine Gesellschaft nach Kaiser Willhem II eigentlich gewesen sein?
    a) Wie kommst du darauf, dass die Gesellschaft im Kaiserreich unpolitisch gewesen wäre? Die stimmt vielleicht für die "unpolitische" Haltung der Bürgerlichen (= freiwillige politische Unterordnung unter den preussischen Adel), aber ist wohl kaum ein generelles Merkmal. Die grösste Partei des Kaiserreichs war die SPD, die nicht durch diese "unpolitische" Haltung des Bürgertums gekennzeichnet war.
    b) Die Gesellschaft wurde durch die revolutionären Jahre 1918-23 enorm politisiert. Die Verankerung der damaligen Parteien war deutlich grösser als heute. Ein guter Vergleich ist z.B. die SPD, die damals eine eigene Subkultur hatte, während sie heute fast kein funktionierendes politisches Leben an der Basis hat und massiv Mitglieder verliert. Generell waren die damaligen Parteien nicht so kopflastig wie heute - womit ich aber nicht sagen will, dass die Parteien der Weimarer Republik eine bessere Basisdemokratie hatten, sondern eine einfach eine aktivere politische Basis.

    Endar schreibt, dass die Weimarer Republik an der fehlenden politischer Zustimmung gescheitert ist. Mich erinnert dies etwas an das Argument, es regnet, weil Wasser vom Himmel fällt. Die eigentliche Frage ist doch, warum verloren die Parteien, die sich klar zur Weimarer Republik bekannten, an Unterstützung und somit die Weimarer Republik allgemein? Die Weimarer Republik war durch eine deutliche Polarisierung gekennzeichnet. Anfangs war sie das Mittel der Bürgerlichen gestützt auf die SPD ihre Interessen gegen die sozialistischen Revolutionäre zu bewahren. Als dies nach dem endgültigen Scheitern der Revolution 1923 nicht mehr notwendig war, schwenkte die Mehrheit der Bürgerlichen und des Kleinbürgertums angesichts der erneuten schweren wirtschaftlichen Krise auf eine Unterstützung einer autoritären Lösung zur Zurückdrängen der Errungenschaften der Novemberrevolution (u.a. die Demokratie selbst) um. In der Arbeiterbewegung wurde deutlich, dass die Theorie der SPD, dass sich der "organisierte Kapitalismus" automatisch zum Sozialismus entwickeln würde, gescheitert war. Da aber gleichzeitig die KPD eine katastrophale Politik machte, konnte die Arbeiterbewegung trotz ihrer quantitativen Überlegenheit gegenüber den Nazis (auch in Bezug auf bewaffnete Milizen!); nie mehr die Initiative erlangen.

    Die Weimarer Republik scheiterte im wesentlichen daran, dass es nie wirklich eine ökonomische Basis für einen Kompromiss zwischen den Klassen gab. Im Gegensatz zur BRD, die eine solche Basis im der Nachkriegszeit aufbauen konnte. Die ersten Jahrzehnte nach dem Zweiten Weltkrieg waren von einer ökonomischen Ausnahmesituation gekennzeichnet, die die typische kapitalistischen Krisenmerkmale zeitweise ausser Kraft setzte. Heute sehen wir eine Entwicklung, die erneut diese Basis zerstört.

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