Der 20.7. und der Widerstand um Stauffenberg -
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Joh, das ist es. Dasselbe mit den Geschwistern Scholl. Diese Personen dienen heute rein als Alibi, um sich selbst auf die Schultern zu klopfern. Alle identifizieren sich mit Sophie und Christoph Scholl, aber eben keiner mit dem Staatsanwalt Mohr, der sie an den Galgen brachte. Das ist eben der bundesrepublikanische Wohlfühlkonsens und dazu gehört dann auch eine ganz dicke Portion Heldenverbrämung.
Und selbstverständlich ist das deutsche Volk bzw. die damalige Gesellschaft am NS-Regime schuld bzw. trägt die Verantwortung dafür. Wer denn sonst? Die Tschechen? (Auf die übliche Schulddebatte gehe ich allerdings nicht ein, das sage ich gleich. Dazu habe ich mich ja schon auf den Seiten 1ff. geäußert. ).
Wer von einer "Ehrenrettung" spricht impliziert auch eine pauschale Gesamtschuld, sowas halte ich eh für fragwürdig.
Ja, eben. Ich meinte das im Bezug auf Stauffenberg und die Verschwörer: Deren zentrales Anliegen war doch, den Versuch vor der Geschichte gewagt zu haben. Das ehrt zweifelsohne den Einsatz dieser Männer, kann aber keineswegs zu einem ruhigen Gewissen für die untätige Masse führen.
Deswegen ist ja das Gedenken auch in gewisser Weise entlarvend: Außer Stauffenberg ist nicht sonderlich viel passiert. Es gab keinen großen Widerstand. Ich habe manchmal den Eindruck, dass genau das mit dem Gedenken suggeriert werden soll, Stauffenberg sozusagen (meinetwegen psychologisch verständlich) für die Gewissensberuhigung vereinnahmt wird: Seht her, "wir" haben eben doch Widerstand geleistet. So war es aber nicht.
Wieso? Wer von einer "Ehrenrettung" spricht impliziert auch eine pauschale Gesamtschuld, sowas halte ich eh für fragwürdig.
Tatsache ist, dass Stauffenberg und seine Mitverschwörer ihre persönliche Ehre retten konnten. Und eben aus einer Institution stammen von der man sich als Deutscher korrektes Verhalten "sehnlich" erwünscht.
Ich möchte übrigens wegen die Kritik an der Stauffenberg Verehrung noch darauf hinweisen, dass es psychologisch wohl völlig normal ist, dass man als Deutscher (d.h. in einem durch und durch bürokratisierten Rechtsstaat sozialisierter Mensch) sich wohl eher danach sehnt, dass ein öffentlicher Amtsträger aktiv gegen Mißstände vorgeht, als z.B. ein mehr oder weniger anonymer Tischler oder Anhänger einer Partei die vom Kreml aus gelenkt wurde.
Vor dem Hintergrund ist die Stauffenberg-Verehrung aber fast schon zweifelhaft, bzw. entlarvend. Die Verschwörer des 20. Juli waren ja eher die "zweite Reihe", weil die erste Garde der Militärs sich in sturem Kadavergehorrsam eingeigelt hat. Von daher bleibt wirklich "nur" der symbolische Akt übrig, eben, dass es wenigstens versucht wurde. Eine wirkliche "Ehrenrettung" kann das aber nicht sein.
Was meinst Du mit "durchgeboxt"? Die Absolution vom Landesverrat?
Ich möchte übrigens wegen die Kritik an der Stauffenberg Verehrung noch darauf hinweisen, dass es psychologisch wohl völlig normal ist, dass man als Deutscher (d.h. in einem durch und durch bürokratisierten Rechtsstaat sozialisierter Mensch) sich wohl eher danach sehnt, dass ein öffentlicher Amtsträger aktiv gegen Mißstände vorgeht, als z.B. ein mehr oder weniger anonymer Tischler oder Anhänger einer Partei die vom Kreml aus gelenkt wurde. Trotzdem wurde auch diesen immer wieder gedacht.
Nein. Unter den Nazis galt das BGB genau genommen nicht, da dessen Bestimmungen ja nur für Mitglieder der "Volksgemeinschaft" galten.
Wenn ich mich richtig an meine (zugegebenermaßen vor laaanger Zeit besuchte ) Vorlesung in Rechtsgeschichte erinnere, galt das BGB durchweg für alle. Es wurde nur dergestalt "umgedeutet", dass die Generalklauseln als Einfallstore für die Naziideologie missbraucht wurden, und auf dem Wege willkürlich rassistische Nachteile für die Sündenböcke der Nazis hineingelesen wurden.
Das war doch gerade eine der wesentlichen Entwicklungen nach dem zweiten Weltkrieg, die ich eminte: Nämlich dass das Unrecht trotz anderslautenden, kodifizierten Rechts überhaupt erkannt wurde. Der stumpfe Rechtspositivismus wurde aufgegeben, es zählt eben doch ein bisschen mehr, als nur das geschriebene Recht.
Da ist schon seltsam, wenn man auf die Vertreter der alten Schule setzt oder?
Naja, ich habe es natürlich überspitzt dargestellt. Die Entwicklungsfähigkeit muss man einigen schon zugestehen, die es im Ergebnis ja auch gab. Es hat sich ja erkennbar eine neue Denkschule durchgesetzt.
Aus irgendeinem Grunde bist Du der Meinung, die bösen Kapitalisten haben die Nazis angeheuert, um ein Unterdrückersystem zu etablieren, bevor der Sozialismus eine Chance gehabt hätte.
Die Kapitalisten? Nee, die waren viel zu schwach und diskreditiert. Das haben die alliierten Besatzungstruppen durchgesetzt.
Dabei standen verschiedene Strömungen im Nationalsozialismus sozialistischen Ideen sicher näher als kapitalistischen Überzeugungen (ein relevantes Beispiel ist hier die SA).
Es gab vor 1934 zwei Flügel in der NSDAP: einen "konservativen" (u.a. Hitler) und einen "revolutionären" (u.a. Teile der SA, NSBO). Der erste brachte zwar ab und zu Propaganda, die sich auch an den "kleinen Mann" richtete und hetzte gegen das "jüdische Finanzkapital" - den Kapitalismus wollte man aber erhalten (heute wird von den Neonazis auch das "Finanzkapital" kritisiert, nicht aber der "deutsche Unternehmer"). Letzterer Flügel behauptete zumindest, dass gegen den Kapitalismus ging - aber erneut waren das keine sozialistischen Ideen. Sozialismus ohne Demokratie geht nicht - und Demokratie und autoritäre Strukturen geht auch nicht. Das Wort "Sozialismus" wurde nur aufgenommen, um für die Arbeiter attraktiver zu erscheinen. Man darf sich erinnern, dass die Nazi-Organisationen diese Form von Namen in der Zeit der November-Revolution wählten, als sozialistische Organisationen politisch dominierten.
Spätestens mit dem sogenannten Röhm-Putsch wurde der "revolutionäre" Flügel der NSDAP zerschlagen. Die SA und die NSBO (die Nazi-"Gewerkschaft") wurde zugunsten der DAF aufgelöst - und letztere hatte nichts von einer Gewerkschaft, sondern war eine Organisation, um die Arbeiter an die "Unternehmer" und das Regime zu binden. Und zwar mit Terror und "Brot & Spiele".
Entsprechend gab es dann auch eine massive Umverteilung zugunsten der Kapitalisten, deren Gewinne massiv anstiegen, während der Anteil der Löhne am insgesamt produzierten Reichtum stark abnahm. Im Gegensatz zu manchen Mythen, musste die Arbeiterklasse massiv für die Aufrüstung und den Krieg bezahlen und profitierte keineswegs von der Nazi-Politik (wenn man von der durch die Aufrüstung bedingten Rückgang der Arbeitslosigkeit absieht).
Nationalsozismus heißt also ganz und gar nicht so autmatisch "kapitalistisch", wie Du das gerne wahrnimmst.
Wenn man die Geschichte des Faschismus und ähnlicher Bewegungen anschaut, setzen sich diese Bewegungen immer für kapitalistische Strukturen ein. Es ist auch recht einfach: diese Bewegungen sind antidemokratisch und gegen die Arbeiterbewegung. Ihnen geht es um Nationalismus (soziale Gegensätze werden ignoriert, es soll alles gut werden, wenn es eine Volksgemeinschaft gibt) und autoritäre Strukturen (d.h. die Unterordnung aller unter die Führung, d.h. natürlich auch die Belange der Volksgemeinschaft). Soziale Unterschiede werden dazu mit Sozialdarwinismus gerechtfertigt. Der, der viel hat, hätte dies auch verdient, weil er stärker sei. Diese Kombination aus der Befürwortung einer streng hierarchischen, antidemokratischen Gesellschaft, des Sozialdarwinismus und des Antikommunismus machte die Faschisten auch letztendlich so attraktiv für die Kapitalisten. An die Regierung gelassen wurden die Nazis nur, weil sie zusicherten, dass der "revolutionäre" Flügel keine Rolle spielt. Alleine aus eigener Kraft sind die Faschisten nirgends an die Regierung gekommen.
Wie gesagt: die einzige mögliche Erklärung dafür ist, dass man das alte zumindest teilweise erhalten wollte.
Das ist eine Binsenweisheit.
Die Frage ist, was erhalten werden sollte, und warum.
Und da gibt es in der Rückschau wohl verschiedene Meinungen (das Täter auch im neuen System in Amt und Würden waren, ist in der Rückschau hingegen nicht fraglich).
Aus irgendeinem Grunde bist Du der Meinung, die bösen Kapitalisten haben die Nazis angeheuert, um ein Unterdrückersystem zu etablieren, bevor der Sozialismus eine Chance gehabt hätte.
Dabei standen verschiedene Strömungen im Nationalsozialismus sozialistischen Ideen sicher näher als kapitalistischen Überzeugungen (ein relevantes Beispiel ist hier die SA). Und wer der Volksgemeinschaft angehörte, um den kümmerten sich die Nazis ja auch rührend (schrecklich wurde es allerdings für alle - Behinderte, Juden, Sozialisten, Sozialdemokraten, Teile des Klerus, Juden, Reporter, Sinti, und, und, und... - die willkürlich als nicht zugehörig definiert wurden).
Und in der SA fühlten sich nach Machtergreifung ja auch genug Kämpfer betrogen, weil Hitler dann plötzlich mit den Großindustriellen rummachte.
Nationalsozismus heißt also ganz und gar nicht so autmatisch "kapitalistisch", wie Du das gerne wahrnimmst.
Ich weiß nicht, ob das so verallgemeinernd gesagt werden kann. Das müsste man sich mal genauer anschauen, denn es hat doch teilweise Verurteilungen gegeben.
Teilweise ist gut!? Natürlich gab es ein paar Verfahren, aber die standen im keinen Vergleich zu der Zahl der Verbrechen und der Zahl der Täter, die nicht nur nicht belangt wurden, sondern in führenden Positionen von Polizei und Geheimdiensten (wohl auch im Militär) aktiv waren.
Was geändert werden musste, ist der Lehrinhalt und die Rechtsentwicklung als solche; aus (bequemem) Positivismus wurde konsequenterweise Naturrecht mit allen Weiterungen.
Da ist schon seltsam, wenn man auf die Vertreter der alten Schule setzt oder?
Wie gesagt: die einzige mögliche Erklärung dafür ist, dass man das alte zumindest teilweise erhalten wollte. Das hat man ja auch gemacht. Man hat an der Gesellschaftsform, die den Faschismus hervorgebracht hat, festgehalten.
Sie sind aber nicht buchstabengetreu den Gesetzen der BRD gefolgt, sondern haben weiter auf ihren Positionen von 1933-45 beharrt, dass für die Massenmorde niemand juristisch belangt werden müsste - im Gegensatz zu den Gesetzen der BRD.
Ich weiß nicht, ob das so verallgemeinernd gesagt werden kann. Das müsste man sich mal genauer anschauen, denn es hat doch teilweise Verurteilungen gegeben. Ich weiß nicht, inwieweit da auch die Staatsanwaltschaften zurückgepfiffen wurden etc.
Das einzige, was man zuverlässig sagen kann, ist dass der Umgang mit der "eigenen" Vergangenheit kein Ruhmesblatt war. Das gilt aber auch gesamtgesellschaftlich, daher ja auch die 68er-Bewegung.
Es brauchte doch eine sowieso vollkommen andere Heransgehensweise als es die Justiz vor 1945 machte. Die ganze Ausbildung von vor 1945 und auch von vor 1933 war ja offensichtlich für einen demokratischen Rechtsstaat nicht geeignet.
Das ist nicht richtig. Es gibt nur eine einzige akademische Ausbildung, die seit nahezu hundert Jahren unverändert ist, und das ist die Juristenausbildung. Es ging also unter jeder Verfassung auf dem Weg dieser Ausbildung.
Was geändert werden musste, ist der Lehrinhalt und die Rechtsentwicklung als solche; aus (bequemem) Positivismus wurde konsequenterweise Naturrecht mit allen Weiterungen. Das gilt aber hauptsächlich für das (in der Weimarer Zeit unterentwickelte) öffentliche Recht. Für den Bereich des Zivilrechts greift auch das nur bedingt, denn das BGB ist schon seit 1900 in Kraft gewesen und galt auch unter den Nazis fort.
Weil sie einfach nur arschkriecherische, opportunistische, speichelleckende Charakterarschlöcher waren?
Leute, die jedem System loyal und buchstabengetreu dienen, so lange es nur das herrschende System ist, denen die Ziele des Systems aber eigentlich völlig egal sind, weil sie eigene Ziele verfolgen
Sie sind aber nicht buchstabengetreu den Gesetzen der BRD gefolgt, sondern haben weiter auf ihren Positionen von 1933-45 beharrt, dass für die Massenmorde niemand juristisch belangt werden müsste - im Gegensatz zu den Gesetzen der BRD. Natürlich kann man dies auch damit erklären, dass sie ihren Mitverbrechern halfen, so dass diese wiederum ihnen halfen. Klar. Aber das würde nun mal dafür sprechen, dass sie allgemein rechtsstaatliche Prinzipien ihren Karrieren untergeordnet haben und dies auch nicht nur in Bezug auf die Verbrechen während des Faschismus machten. Das macht sie genauso vollkommen ungeeignet wie die Überzeugungstäter.
Zitat von Sandswind
Welcher unbelastete Jurist sollte denn die Ausbildung übernehmen?
Es brauchte doch eine sowieso vollkommen andere Heransgehensweise als es die Justiz vor 1945 machte. Die ganze Ausbildung von vor 1945 und auch von vor 1933 war ja offensichtlich für einen demokratischen Rechtsstaat nicht geeignet. Die Justiz der Weimarer Republik war bekannt dafür, dass sie auf dem rechten Auge vollkommen blind war. Es machte einfach keinen Sinn, auf das alte zu setzen - ausser man wollte das alte zumindest teilweise erhalten.
Eine Mischung aus den wenigen Nicht-Nazis und Laienrichtern - und eben parallel verstärkte Anstrengungen eine neue Generation auszubilden.
Meines Wissens gab es so gut wie keine (völlig) unbelasteten Juristen. Die jüngeren wurden doch im Krieg verheizt, also sind nur die übriggeblieben, die schon vorher vorhanden waren - eben die alten Kader.
Und verstärkte Anstrengungen klingt gut, ändert aber nichts an der Dauer der Ausbildung. Juristen sind schon damals nicht vor Ablauf von sieben Jahren (Studium und Referendariat) verfügbar gewesen. Ganz nebenbei: Welcher unbelastete Jurist sollte denn die Ausbildung übernehmen? Und auch nach Abschluss der Ausbildung kannst Du immer noch keinen Berufsanfänger ohne Erfahrung zum Vorsitzenden am Oberlandesgericht machen.
Warum sollten sie einmal offensichtlich auf rechstaatliche Prinzipien scheissen und dann im anderen Fall korrekt arbeiten? Diese Leute lehnten doch offensichtlich z.B. die allgemeinen Menschenrechte, rechtliche Gleichbehandlung etc. ab.
Weil viele schlicht opportunistisch genug waren. Da wollten doch viele ihren eigenen Hintern retten, da wird man flexibel. Das sieht man sogar an namhaften Rechtslehrern, die sowohl für die Nazis in das BGB Einfallstore für die Naziideologie öffneten und später in der Bundesrepublik Grundsteine für rechtsstaatliche Rechtsentwicklungen legten (s. Larenz).
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