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  • Liopleurodon
    antwortet
    Zitat von Spocky Beitrag anzeigen
    Man kann drei unterschiedliche Knochen haben und trotzdem drei Individuen. Zumindest der Zahn und der Finger gehören zu unterschiedlichen erwachsenen "Personen". Der Zehenknochen soll wiederum zu einem Kind gehören, das der Genanalyse nach wahrscheinlich das Kind eines Cousins oder Cousine ersten Grades zu einem der anderen Individuen darstellt, wenn ich den Wiki-Artikel richtig verstehe.

    Beim Backenzahn kann man sagen, dass er ganz sicher weder zu sapiens noch zu neandertalensis gehört, da er deutlich größer ist, als bei den anderen Gruppen. Man kann nicht erkennen, ob es ein M2 oder ein M3 ist. Demnach liegt man etwa in der Größenordnung von erectus (M2) oder von habilis/rudolfensis (M3).
    Schade. Das ergibt dann noch weniger DNA pro Individuum.

    Zitat von Spocky Beitrag anzeigen
    Ich würde meinen, dass auf Pseudogenen so gut wie kein Evolutionsdruck liegt, solange die Veränderung nicht bewirkt, dass eine Aktivierung stattfindet
    Richtig. Deswegen können sich auf Pseudogenen munter Mutationen ansammeln, was eine größere Vielfalt vortäuscht, als sie auf Ebene der aktiven Gene tatsächlich vorliegt.

    Zitat von Spocky Beitrag anzeigen
    Start- und Stopp-Signale... sind die bei Pseudogenen wirklich nicht vorhanden, oder werden die einfach nicht abgelesen, weil die Bereiche großräumig inaktiv sind? Ich hab mich ehrlich gesagt noch nicht damit beschäftigt, was diese Gene deaktiviert, es würde mich aber mal interessieren.
    Man nimmt an, dass es sich bei Pseudogenen um ehemals funktionelle Gene handelt, die durch vielfältige Mechanismen inaktiviert wurden. Das kann eine Mutation im Promotor sein, der ihn funktionsunfähig macht, oder es werden durch Viren/Transposons/Rekombinationsereignisse DNA-Sequenzen in den Leserahmen hinzugefügt, die bei Ablesung ein defektes Genprodukt ergeben, ...

    Einmal inaktiviert, ist der Organismus natürlich nicht mehr gezwungen, auch nur irgendeinen Teil des Genkomplexes zu konservieren. Oft findet man mitten auf dem DNA-Strang Sequenzen, die aussehen wie die Reste eines ehemals funktionellen Leserahmens, aber strangauf- und -abwärts ist von den normalerweise dazu gehörenden Komponenten nichts mehr zu sehen. Das liegt dann da wie ein Autowrack am Straßenrand, bis es nach X Generationen irgendwann gar nicht mehr zu erkennen sein wird.

    Zitat von Spocky Beitrag anzeigen
    Meines Wissens wird das in dem Artikel auch nicht ganz richtig dargestellt. Ich denke eher, dass die 4 % nur auf Europäer zutreffen (oder weiße generell). Zumindest meine ich, das so in anderen Quelln gelesen zu haben.
    Das ist natürlich interessant.

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  • Spocky
    antwortet
    Zitat von Liopleurodon Beitrag anzeigen
    Man hat also drei unersetzliche Fundstücke vorliegen und für den Sammlungskurator muss man jedesmal den Defibrillator griffbereit halten, wenn man da mit dem Bohrer beigehen möchte.

    Was die Ansätze zur Genomrekonstruktion für diesen Menschen angeht, so sage ich dazu nichts mehr. Meine Einwände von oben sind in diesem Fall erst recht gültig.

    Für eine aussagekräftige Populationsgenetik müsste man definieren, welche Bandbreite von Variationen zumindest für die Markergene in der untersuchten Population vorlagen. Und das auf der Basis von nur einer einzigen Person? Ach nöö....

    Damit wäre die Behauptung der kryptischen Unterart hinfällig, weil ohne Basis.
    Man kann drei unterschiedliche Knochen haben und trotzdem drei Individuen. Zumindest der Zahn und der Finger gehören zu unterschiedlichen erwachsenen "Personen". Der Zehenknochen soll wiederum zu einem Kind gehören, das der Genanalyse nach wahrscheinlich das Kind eines Cousins oder Cousine ersten Grades zu einem der anderen Individuen darstellt, wenn ich den Wiki-Artikel richtig verstehe.

    Beim Backenzahn kann man sagen, dass er ganz sicher weder zu sapiens noch zu neandertalensis gehört, da er deutlich größer ist, als bei den anderen Gruppen. Man kann nicht erkennen, ob es ein M2 oder ein M3 ist. Demnach liegt man etwa in der Größenordnung von erectus (M2) oder von habilis/rudolfensis (M3).


    Ein interessanter Punkt, in der Tat.

    Etwas anderes ist mir vorhin noch eingefallen und es wird relevant, wenn man tatsächlich genomweite Vergleiche anstellen möchte. Das ist die Problematik der Gene und Pseudogene. Bei lebenden Menschen und bei lebenden Organismen generell kann man die Pseudogene sehr leicht aussortieren, indem man die Expression der Gene überprüft. Dafür gibt es standardisierte Kits, die man je nach Fragestellung auch auf Mikrochips kaufen kann. Findet man für das fragliche Gen ein Expressionssignal, so handelt es sich um ein funktionelles Gen, andernfalls ist es höchstwahrscheinlich ein Pseudogen. Auf beiden liegen natürlich unterschiedliche Selektionsdrücke.

    Mit archaischer DNA ist dieser Test nicht möglich. Da könnte man dann schauen, ob z.B. Start- und Stop-Signale vorliegen, ob ein Promotor erhalten ist, müsste dann diskutieren, wie zuverlässig die Sequenzierung auf den fraglichen Abschnitten ist usw.

    Auch die Frühmenschen hatten ihren eigenen genetischen Müll und den schleppt man mit rein.

    Schon die Gendatenbanken für moderne Organismen haben das Problem, dass bei den allermeisten Annotationen "putative XY" steht. Das bedeutet, man weiß es nicht genau und die Zuordnung basiert auf Sequenzähnlichkeiten zu Referenzgenen aus anderen Organismen.
    Ich würde meinen, dass auf Pseudogenen so gut wie kein Evolutionsdruck liegt, solange die Veränderung nicht bewirkt, dass eine Aktivierung stattfindet

    Start- und Stopp-Signale... sind die bei Pseudogenen wirklich nicht vorhanden, oder werden die einfach nicht abgelesen, weil die Bereiche großräumig inaktiv sind? Ich hab mich ehrlich gesagt noch nicht damit beschäftigt, was diese Gene deaktiviert, es würde mich aber mal interessieren.


    So gesehen wäre das sogar ein Argument für moderne Gene, die präparativ zu den alten Genomen annotiert wurden, denn die Präsenz normaler und weltweit vorkommender Gene würde man für genau solch einen Fall erwarten.
    Meines Wissens wird das in dem Artikel auch nicht ganz richtig dargestellt. Ich denke eher, dass die 4 % nur auf Europäer zutreffen (oder weiße generell). Zumindest meine ich, das so in anderen Quelln gelesen zu haben.

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  • Liopleurodon
    antwortet
    Zitat von Spocky Beitrag anzeigen
    Was die Individuenzahl beim Neadertaler angeht, so liegt da alleine die Anzahl der Fundorte im dreistelligen Bereich, in sofern ist zumindest die potentielle Anzahl an Genspendern hoch genug, um eine verlässliche Angabe zu machen. Wie viele davon letztlich benutzt wurden, ist mir allerdings nicht bekannt.
    OK, das müsste ich dann auch erst raussuchen.

    Zitat von Spocky Beitrag anzeigen
    Was den Denisova-Menschen angeht, so hat man von ihm überhaupt nur drei Knochen (einen Zahn, ein Fingerglied und ein Zehenglied). Da sage ich auch, dass die Fehleranfälligkeit sehr hoch ist.
    Man hat also drei unersetzliche Fundstücke vorliegen und für den Sammlungskurator muss man jedesmal den Defibrillator griffbereit halten, wenn man da mit dem Bohrer beigehen möchte.

    Was die Ansätze zur Genomrekonstruktion für diesen Menschen angeht, so sage ich dazu nichts mehr. Meine Einwände von oben sind in diesem Fall erst recht gültig.

    Für eine aussagekräftige Populationsgenetik müsste man definieren, welche Bandbreite von Variationen zumindest für die Markergene in der untersuchten Population vorlagen. Und das auf der Basis von nur einer einzigen Person? Ach nöö....

    Damit wäre die Behauptung der kryptischen Unterart hinfällig, weil ohne Basis.

    Zitat von Spocky Beitrag anzeigen
    Offensichtlich hat man über eine molekulare Uhr ermittelt, dass die Aufspaltung moderner Mensch und Neandertaler etwas mehr als halb so alt ist, wie die Aufspaltung moderner und Denisova-Mensch. Demzufolge ergibt sich eine hohe 6-stellige bis niedrig 7-stellige Jahresahl. Allerdings steht im Wiki-Artikel auch, dass die nächsten genetischen Verwandten eine bestimmte Neandertalerpopulation ist, was für mich nicht plausibel ist, da die Verwandtschaft gemäß genetischer Uhr zu allen Neandertalern und uns gleich sein sollte. Nur muss ich da auch wieder sagen, dass ich nicht weiß, ob dabei schon mit berücksichtigt wurde, dass möglicherweise Gene ausgetauscht wurden.
    Ein interessanter Punkt, in der Tat.

    Etwas anderes ist mir vorhin noch eingefallen und es wird relevant, wenn man tatsächlich genomweite Vergleiche anstellen möchte. Das ist die Problematik der Gene und Pseudogene. Bei lebenden Menschen und bei lebenden Organismen generell kann man die Pseudogene sehr leicht aussortieren, indem man die Expression der Gene überprüft. Dafür gibt es standardisierte Kits, die man je nach Fragestellung auch auf Mikrochips kaufen kann. Findet man für das fragliche Gen ein Expressionssignal, so handelt es sich um ein funktionelles Gen, andernfalls ist es höchstwahrscheinlich ein Pseudogen. Auf beiden liegen natürlich unterschiedliche Selektionsdrücke.

    Mit archaischer DNA ist dieser Test nicht möglich. Da könnte man dann schauen, ob z.B. Start- und Stop-Signale vorliegen, ob ein Promotor erhalten ist, müsste dann diskutieren, wie zuverlässig die Sequenzierung auf den fraglichen Abschnitten ist usw.

    Auch die Frühmenschen hatten ihren eigenen genetischen Müll und den schleppt man mit rein.

    Schon die Gendatenbanken für moderne Organismen haben das Problem, dass bei den allermeisten Annotationen "putative XY" steht. Das bedeutet, man weiß es nicht genau und die Zuordnung basiert auf Sequenzähnlichkeiten zu Referenzgenen aus anderen Organismen.

    Zitat von Spocky Beitrag anzeigen
    Das hast du falsch verstanden. Nicht 4 % der außerhalb Afrikas lebenden Menschen tragen Neandertalergene, sondern 4 % der Gene der außerhalb Aikas lebenden Menschen stammen von Neandertalern und zwar bei allen Menschen.
    So gesehen wäre das sogar ein Argument für moderne Gene, die präparativ zu den alten Genomen annotiert wurden, denn die Präsenz normaler und weltweit vorkommender Gene würde man für genau solch einen Fall erwarten.
    Zuletzt geändert von Liopleurodon; 08.02.2014, 16:43.

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  • Spocky
    antwortet
    Natürlich sind im Zellkern mehr Gene als in den Mitochondrien und natürlich lassen sich da dann auch mehr Fehler machen, aber nachdem man bei den Mitochondrien offensichtlich keinen Fehler gemacht hat, macht es einen Fehler im Zellkern zumindest unwahrscheinlicher.

    Was die Individuenzahl beim Neadertaler angeht, so liegt da alleine die Anzahl der Fundorte im dreistelligen Bereich, in sofern ist zumindest die potentielle Anzahl an Genspendern hoch genug, um eine verlässliche Angabe zu machen. Wie viele davon letztlich benutzt wurden, ist mir allerdings nicht bekannt.

    Was den Denisova-Menschen angeht, so hat man von ihm überhaupt nur drei Knochen (einen Zahn, ein Fingerglied und ein Zehenglied). Da sage ich auch, dass die Fehleranfälligkeit sehr hoch ist.

    Offensichtlich hat man über eine molekulare Uhr ermittelt, dass die Aufspaltung moderner Mensch und Neandertaler etwas mehr als halb so alt ist, wie die Aufspaltung moderner und Denisova-Mensch. Demzufolge ergibt sich eine hohe 6-stellige bis niedrig 7-stellige Jahresahl. Allerdings steht im Wiki-Artikel auch, dass die nächsten genetischen Verwandten eine bestimmte Neandertalerpopulation ist, was für mich nicht plausibel ist, da die Verwandtschaft gemäß genetischer Uhr zu allen Neandertalern und uns gleich sein sollte. Nur muss ich da auch wieder sagen, dass ich nicht weiß, ob dabei schon mit berücksichtigt wurde, dass möglicherweise Gene ausgetauscht wurden.

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  • Liopleurodon
    antwortet
    Zitat von Spocky Beitrag anzeigen
    Das hast du falsch verstanden. Nicht 4 % der außerhalb Afrikas lebenden Menschen tragen Neandertalergene, sondern 4 % der Gene der außerhalb Aikas lebenden Menschen stammen von Neandertalern und zwar bei allen Menschen.
    OK, da hatte ich mich verlesen.

    Zitat von Spocky Beitrag anzeigen
    Als Anhänger des Out-of-Africa Modells hab ich mich auch lange dagegen gewehrt, dass Neandertaler sich mit dem modernen Menschen vermischt haben.
    Ich wehre mich nicht dagegen. Ich versuche nur, über die Ergebnisse zu diskutieren und ein wenig die Spekulationen zurück zu schneiden.

    Zitat von Spocky Beitrag anzeigen
    Aber genau das macht auch die Genanalysen noch plausibler: Würden die Neandertaler-Proben verunreinigt sein, dann wär das nicht nur bei der DNA aus dem Zellkern zu erwarten, sondern eben auch bei denen in den Mitochondrien. Das ist aber nicht der Fall und genau das macht die Ergebnisse noch glaubwürdiger.
    Das ist ein Kreisargument. Du akzeptierst ein (Sequenz-)Ergebnis, weil es plausibel erscheint, also gewissen Erwartungen entspricht. Das ist gefährlich. Streng genommen kann man das nicht so machen. Notgedrungen muss man es jedoch akzeptieren, weil wie oben schon erwähnt einem das Material gewisse Grenzen auferlegt.

    Nur als Hinweis: Der Zellkern enthält viel mehr Gene als die Mitochondrien und die PCR präferiert Moleküle anhand ihrer strukturellen und thermodynamischen Eigenschaften. Mein Einwand war sicher etwas bösartig und plakativ, aber zum Ausschluss von Kontaminationen genügt mir Dein Argument noch nicht. Das nukleäre Genom bietet viel mehr Möglichkeiten für falsch positive Signale als das mitochondriale. Und einmal in der Datenbank eingetragen ist einer falschen Sequenz kaum noch beizukommen.

    Damit wir uns nicht falsch verstehen: Ich halte Herrn Pääbö und seine Kollegen für sehr fähige Leute und die Entschlüsselung des Genoms einer seit mehr als 20.000 Jahren ausgestorbenen Art ist eine monströse und bewundernswerte Leistung (Hut ab auf jeden Fall). Aber auch sie kochen nur mit Wasser und die Probleme, die ich oben angesprochen habe, sind "systemimmanent", wie man in anderen Bereichen sagen würde.

    Ich habe jetzt nicht mitgezählt aber es würde mich schon mal interessieren, auf wie vielen Individuen das Neandertalergenom und das der Denisova-Leute beruht. Besonders viele können es nicht sein. Man kann auf dieser Basis sicher einige Aussagen im Vergleich zwischen denen und uns machen, aber die genetische Vielfalt der damaligen Populationen lässt sich vielleicht im Ansatz gerade mal erahnen. Rückschlüsse auf damals eingekreuzte und fossil völlig unbekannte Arten jedoch halte ich nicht für vertretbar. Dafür ist die Stichprobe bezogen auf die Bevölkerung zu klein.
    Zuletzt geändert von Liopleurodon; 08.02.2014, 13:34. Grund: nur Tippfehler korrigiert

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  • Spocky
    antwortet
    Zitat von Liopleurodon Beitrag anzeigen
    In dem von Dir verlinkten Artikel steht übrigens auch, dass 4% der außerhalb Afrikas lebenden Menschen Gene von Neandertalern in sich tragen und 2% solche von Dmanisi-Menschen. Man könnte jetzt bösartig sein und fragen, ob die fraglichen Gene nicht vielleicht von einer oder mehrerer der am Untersuchungsprozess beteiligten Personen stammen und irrtümlicherweise zu den beiden alten Genomen annotiert wurden.
    Das hast du falsch verstanden. Nicht 4 % der außerhalb Afrikas lebenden Menschen tragen Neandertalergene, sondern 4 % der Gene der außerhalb Aikas lebenden Menschen stammen von Neandertalern und zwar bei allen Menschen.

    Als Anhänger des Out-of-Africa Modells hab ich mich auch lange dagegen gewehrt, dass Neandertaler sich mit dem modernen Menschen vermischt haben. Solange man nur die Mitochondrien-DNA untersucht hat, war auch davon nichts zu merken, aber wenn man ein bisschen drüber nachdenkt, dann ist das auch logisch:

    Die "Hybridwesen" wuchsen ja jeweils bei den Müttern auf und diese sind es, die die Mitochondrien zu 100 % an die Kinder weitergeben. Bei Homo sapiens lassen sich deshalb auch nur Homo sapiens Mitochondrien nachweisen und umgekehrt (sicher waren nicht nur H. s.-Frauen "untreu").

    Aber genau das macht auch die Genanalysen noch plausibler: Würden die Neandertaler-Proben verunreinigt sein, dann wär das nicht nur bei der DNA aus dem Zellkern zu erwarten, sondern eben auch bei denen in den Mitochondrien. Das ist aber nicht der Fall und genau das macht die Ergebnisse noch glaubwürdiger.

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  • Liopleurodon
    antwortet
    Zitat von Spocky Beitrag anzeigen
    Um mir selbst ein Bild machen zu können, müsste ich die Daten kennen. So lange ich das nicht überprüfen kann, kann ich nur hoffen, dass das ganze Peer-reviewt ist, ansonsten bleiben da Zweifel, da hast du schon Recht.
    Auch das Peer-Review schützt nicht vor Fehlern. Ich verweise da nur auf die Artikel, die in den letzten 20 Jahren DNA-Funde aus Bernsteininsekten zum Inhalt hatten. Auch die haben diesen Prozess überstanden. Bei archaischer DNA lassen sich Zweifel nun einmal naturgegeben nicht so gründlich ausräumen wie bei lebenden Organismen.

    In dem von Dir verlinkten Artikel steht übrigens auch, dass 4% der außerhalb Afrikas lebenden Menschen Gene von Neandertalern in sich tragen und 2% solche von Denisova-Menschen. Man könnte jetzt bösartig sein und fragen, ob die fraglichen Gene nicht vielleicht von einer oder mehrerer der am Untersuchungsprozess beteiligten Personen stammen und irrtümlicherweise zu den beiden alten Genomen annotiert wurden.

    Die Genomprojekte der Frühmenschen tragen zumindest anteilig spekulative Inhalte in dem Sinne, dass eine Gegenprüfung nicht so leicht möglich ist wie bei lebenden Menschen. Das liegt in der Natur des Materials begründet. Sicher ist es interessant, die Gene von Neandertalern und heutigen Menschen zu vergleichen und man kann daraus auch etwas lernen, allerdings sollte man sich auch immer die Grenzen vor Augen halten.
    Zuletzt geändert von Liopleurodon; 08.02.2014, 13:34. Grund: nur Tippfehler korrigiert

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  • Spocky
    antwortet
    Um mir selbst ein Bild machen zu können, müsste ich die Daten kennen. So lange ich das nicht überprüfen kann, kann ich nur hoffen, dass das ganze Peer-reviewt ist, ansonsten bleiben da Zweifel, da hast du schon Recht.

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  • Liopleurodon
    antwortet
    Zitat von Spocky Beitrag anzeigen
    Du kannst den Neandertaler auch schlecht mit den Bernsteinfunden vergleichen, denn um Bernstein zu produzieren, brauchst du schon 10er Mio. Jahre. Die ältesten Fossilien, die hier von Belang sind, sind um gute 2-3 Größenordnungen jünger.
    Das war auch nur ein Beispiel dafür, wie schwierig die Bewertung alter DNA-Funde sein kann. Ich weiß aus anderen Zusammenhängen, dass in nicht wenigen genomischen Bibliotheken 1/3 oder mehr der Klone nicht das enthalten, was die Beschriftung suggeriert. Ich beziehe mich hier jetzt nur auf einige Beispiele aus dem medizinischen Bereich, wo sich jemand mal die Mühe gemacht hatte, die Sequenzen auf Konsistenz zu überprüfen.

    Was Du beschreibst, ist alles richtig und in Ordnung, dennoch haben die Methoden ihre inhärenten Fallgruben. Archaische DNA ist immer stark degradiert und wenn man darauf Methoden ansetzt, die vorwiegend kleine und auch einzelne Moleküle kopieren und vereinzeln sollen und dies auch können, dann lauert im Hintergrund immer die Gefahr, dass sich "irgend etwas" einschleicht und es auch erst einmal niemandem auffällt.

    Den "Klassiker" mit der Dinosaurier-DNA will ich hier gar nicht so hervorheben, über solche Fehler ist man heute hinaus. Damals hatte eine Gruppe aus altem (T.rex?)-Material Reste mitochondrialer DNA isoliert. Die Knochen hatte man zuvor sauber desinfiziert und auch mit UV-Licht ausgeleuchtet und die Proben aus den inneren Bereichen entnommen, um eben die Einschleppung moderner DNA zu verhindern. Man fand dann in den Knochen tatsächlich neue DNA-Sequenzen und war sich zunächst sicher, dass diese zu dem damaligen Tier gehören mussten. Erst später kam jemand anderes darauf, dass es sich in der Tat um menschliche DNA handelte, die von den Sterilisationsversuchen allerdings so sehr verändert wurde, dass es erst einmal niemandem aufgefallen war.

    Das schlimmste, was einem mit der PCR passieren kann ist das Auftauchen einer Sequenz, die so aussieht wie das erwartete Ergebnis, aber dennoch keines ist. Inzwischen hat sich das Problem der Authentizität zwar auf eine andere Ebene verlagert und man macht tatsächlich mehr Plausibilitätstests, aber verschwunden ist das Risiko damit noch lange nicht. Kann es auch nicht, denn es liegt in der Natur des untersuchten Materials begründet.

    Es gibt natürlich eine elegante Methode, um an der PCR vorbei die Authentizität einer DNA-Sequenz zu überprüfen. Dies ist die Rückhybridisierung des kopierten DNA-Stranges auf die Ursprungs-DNA. Erhältst Du hierbei ein Bindungssignal, so kannst Du sicher sein, dass die fragliche DNA-Sequenz im Ausgangsorganismus tatsächlich vorliegt. Man kann sich auch eine längere Sequenz in kürzere unterteilen, die Bindungsbedingungen verschärfen und auf diesem Weg rein prinzipiell zumindest eine basengenaue Verifikation erreichen. Von lebenden Organismen und Zelllinien von entsprechender Relevanz kann man DNA in jeder benötigten Menge gewinnen und diesen Test bis ins gewünschte Detail durchführen. Bei fossilen und subfossilen Organismen ist dies jedoch in aller Regel nicht möglich. Trägt man DNA-Extraktionen von z.B. Neandertalern auf ein Elektrophoresegel auf, so wird man nach der Färbung die eigentliche DNA vom Neandertaler normalerweise noch nicht einmal sehen können. Was im niedermolekularen Bereich aufleuchtet, ist in den meisten Fällen degradierte RNA oder DNA von Bakterien und Pilzen. Dieses Problem der geringen Mengen muss man bei allen Arbeiten und Diskussionen um archaische DNA im Hinterkopf behalten.

    Ich weiß jetzt nicht, wie weit man beim Erbgut des Denisova-Menschen ist, aber wenn es weitere Gene gibt, die vom D. nochmal signifikant abweichen, dann hat man auf jeden Fall eine andere Gruppe an "Frühmenschen" (so früh sind die gar nicht ).
    Die Stichprobe hinsichtlich der Individuenanzahl ist in solchen Fällen dürftig, um es mal vorsichtig zu beschreiben. Wenn sie anders als die heutigen Menschen keinen genetischen Flaschenhals durchlaufen haben, dann dürfte ihre natürliche genetische Variation deutlich höher gewesen sein als in der heutigen Population.

    Der Aussage des von Dir zitierten Artikels, man habe in den Genomen einer untergegangenen und selbst nur fragmentarisch überlieferten Menschenart Hinweise auf eine noch unbekannte Unterart gefunden, kann ich nicht folgen. Dafür gibt es aus meiner Sicht keine hinreichenden Belege.

    Mir ist bewusst, dass solche Sachen veröffentlicht werden, weil man sich wünscht, dass es tatsächlich so ist oder es interessant findet, in alten Dingen zu wühlen und dort irgend etwas zu finden und zu deuten. Um mal einen bildhaften Vergleich zu bemühen wirkt das auf mich wie eine morsche Holzbrücke, über die man unbedingt mit einem Panzer fahren möchte. Ob die Datenbasis diese Behauptung trägt? Ich habe da Zweifel.

    Zitat von Spocky Beitrag anzeigen
    Du kannst den Neandertaler auch schlecht mit den Bernsteinfunden vergleichen, denn um Bernstein zu produzieren, brauchst du schon 10er Mio. Jahre. Die ältesten Fossilien, die hier von Belang sind, sind um gute 2-3 Größenordnungen jünger.
    Angeblich soll sich DNA aus Neandertalerfunden in einem ähnlichen Erhaltungszustand befinden wie in einer 3 Jahre alten Salami, also stark fragmentiert.
    Zuletzt geändert von Liopleurodon; 07.02.2014, 17:19.

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  • Spocky
    antwortet
    Der erste Schritt bei der Gewinnung ist natürlich immer die Sorgfalt. Wer nicht sauber arbeitet, bekommt keine sauberen Erdgebnisse, das sollte jedem klar sein.

    Um nun an "saubere" DNA zu kommen, darf man natürlich kein Material oberflächlich abkratzen und verwenden. Das leuchtet jedem ein. Die Chancen, dass das verunreinigt ist ist einfach enorm groß. Man muss also möglichst ans Innere der Überreste kommen, an Stellen, die wohl nie in direktem Kontakt zur Außenwelt standen und muss auch dabei äußerste Vorsicht walten lassen.

    Wenn man dann die Gene hat, dann muss man diese auch verifizieren, man muss also möglichst viele Proben am besten in unterschiedlichen Labors und am besten auch von unterschiedlichen Individuen entnehmen. Auf diese Weise wird die Fehlerwahrscheinlichkeit drastisch gesenkt.

    Weiterhin muss man natürlich auch noch entschlüsseln, wofür die Gene stehen. Das Genom des Menschen wurde ja schon länger entschlüsselt und auch beim Genom des Neandertalers ist man am Ziel:
    Forschung | Aktuelles | 2013 | Neandertaler-Genomprojekt am Ziel

    Man kann also recht gut abschätzen, welches Erbgut spezifisch ist.

    Du kannst den Neandertaler auch schlecht mit den Bernsteinfunden vergleichen, denn um Bernstein zu produzieren, brauchst du schon 10er Mio. Jahre. Die ältesten Fossilien, die hier von Belang sind, sind um gute 2-3 Größenordnungen jünger.

    Ich weiß jetzt nicht, wie weit man beim Erbgut des Denisova-Menschen ist, aber wenn es weitere Gene gibt, die vom D. nochmal signifikant abweichen, dann hat man auf jeden Fall eine andere Gruppe an "Frühmenschen" (so früh sind die gar nicht ). Ich hab jetzt absichtlich den Begriff "Art" vermieden, weil der wiederum eine taxonomisch wertende Bedeutung hat und ich für meinen Teil will nicht festlegen, ob das eigene Arten oder Unterarten sind oder vielleicht auch nur Rassen. Da sie sich untereinander wohl vermehren konnten, würde ich eher vermuten, dass sie innerhalb der Artbarriere lagen, aber das ist wiederum definitionsabhängig und wie wir gelernt haben, lässt sich die Natur nicht so leicht in Schubladen packen, wie wie es gerne so oft hätten.

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  • Liopleurodon
    antwortet
    Zitat von Spocky Beitrag anzeigen
    Dass Neandertaler sich mit dem modernen Menschen vermicht haben, das hat inzwischen sicher fast jeder mitgekriegt. Dass dies auch die Denisova-Menschen taten ist weniger populär. Dass es wohl aber auch noch eine vierte Menschen (Unter)Art gab, die ebenfalls genetisch mitgemischt hat (zumindest bei Neandertalern und Denisovanern), das ist dann doch neu.

    Interbreeding Among Early Hominins | I Fucking Love Science

    Offensichtlich sind die auch nicht fossil belegt bisher, sondern eben nur durch die Gene.
    Bei aller Euphorie über die Möglichkeiten der Analyse archaischer DNA gibt es jedoch eine Frage, die der kritische Leser sich als allererstes stellen sollte: Wie authentisch sind die gewonnenen Moleküle und Sequenzdaten? Wie wird sichergestellt, dass man es nicht mit modernerer DNA zu tun hat, die trotz aller Vorsichtsmaßnahmen in der Handhabung in die Präparation gelangt ist? Wieviel haben die gewonnenen Sequenzdaten mit dem Organismus zu tun, den man untersuchen möchte?

    Die dafür eingesetzten Methoden sind kompliziert und störanfällig und dieses Fass möchte ich hier gar nicht aufmachen. Nur soviel als Warnung aus einem früheren Artikel über die Gewinnung von DNA aus Bernsteininsekten:

    Es ist nicht schwierig, Teile von Insekten-DNA in einem Institut für Entomologie zu isolieren. Sie ist dort überall vorhanden, in jedem Raum, auf jedem Werkzeug, sogar in der Luft.
    Im letzten Jahr erschien übrigens ein viel beachteter Artikel mit der Aussage, dass es keine verifizierte DNA aus Bernsteininsekten gäbe und sogar die Bedingungen im Bernstein dem Erhalt der DNA nicht förderlich seien. Dennoch gab es all die Jahre zuvor X Artikel in kontrollierten Zeitschriften über die Stammbaumgeschichte von Insekten unter Berufung auf eben solche Funde.

    Wenn Du also von einer Frühmenschenart schreibst, die nur anhand von Genen und noch nicht einmal fossil belegt sein soll, dann klingeln bei mir gerade alle Alarmglocken.
    Zuletzt geändert von Liopleurodon; 07.02.2014, 12:46.

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  • Niven
    antwortet
    Zitat von Spocky Beitrag anzeigen
    Dass Neandertaler sich mit dem modernen Menschen vermicht haben, das hat inzwischen sicher fast jeder mitgekriegt. Dass dies auch die Denisova-Menschen taten ist weniger populär. Dass es wohl aber auch noch eine vierte Menschen (Unter)Art gab, die ebenfalls genetisch mitgemischt hat (zumindest bei Neandertalern und Denisovanern), das ist dann doch neu.

    Offensichtlich sind die auch nicht fossil belegt bisher, sondern eben nur durch die Gene.
    Dazu mal die Forschungsergebnisse der auf diesem Gebiet recht rührigen Max-Planck-Gesellschaft.

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  • Liopleurodon
    antwortet
    Zitat von Thomas W. Riker Beitrag anzeigen
    Zur Entstehung von Hybriden:
    Es gibt Mischlinge von Königssittichen und Sonnensittichen. Die eine Art stammt aus Südamerika, die andere aus dem östlichen Australien: obwohl die Arten schon viele Jahrmillionen getrennt leben und sehr unterschiedlich erscheinen, können sich diese miteinander fortpflanzen.
    Und nicht zu vergessen die Kleptons.

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  • Thomas W. Riker
    antwortet
    Nochmal @ GreatScifi
    Die rund 500 Buntbarsch-Arten (in den 1970er Jahren) im Viktoria-See von weltweit rund 1900 entwickelten sich innerhalb von 14.700 Jahren aus wenigen Arten, die im westlich gelegenen Kivu-See lebten. Jetzt sind es dort nur 2 von dort stammende Arten, einige wenige Arten siedelten Menschen dort an.
    Buntbarsche unterscheiden sich in vielen Merkmalen sehr stark.

    Zur Entstehung von Hybriden:
    Es gibt Mischlinge von Königssittichen und Sonnensittichen. Die eine Art stammt aus Südamerika, die andere aus dem östlichen Australien: obwohl die Arten schon viele Jahrmillionen getrennt leben und sehr unterschiedlich erscheinen, können sich diese miteinander fortpflanzen.

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  • Spocky
    antwortet
    @ GreatSciFi: OK, ich verstehe, was du meinst. Zu allen biologischen Teildisziplinen gehört auch und gerade die Paläontologie dazu gehört und da kann man den Artbegriff eben leider nicht daran festmachen, ob die Individuen einer Gruppe sich untereinander fruchtbar vermehren konnten, logisch

    Für rezente Arten kann man das zumindest bei Tieren schon so lassen - Prokaryonten sind nochmal ein anderer Fall und bei Pflanzen hb ich jetzt nicht ganz die Übersicht, aber möglicherweise gilt das da auch.

    Mutationen machen noch keine neue Art oder Unterart. So lange sie sich mit dem Rest der Population noch fertil vermehren können, können sie das mutierte Erbmaterial auch noch weitergeben. Es wäre auch schlecht, wenn dem nicht so wäre, denn dazu müssten dieselben Mutationen bei mehreren Individuen auftauchen und das ist sehr unwahrscheinlich

    Die Sache mit den Unterarten finde ich ein wenig "unglücklich". Ich werde dir auch erklären, weshalb:

    Es gibt bei der Kohlmeise verschiedene Unterarten, wobei die älteste wohl die europäische Form ist, die sich dann weiter nach Osten ausgebreitet hat. im Orientalischen Raum hat sich dann eine leicht anders aussehende Unterart entwickelt, wobei beide Gruppen sich aber untereinander noch fortpflanzen können. Die Ausbreitung nach Osten ging unterdessen immer weiter, bis in Ostasien eine neue Unterart entstanden ist, die sich ihrerseits noch mit der orientalischen Unterform vermehren kann. Die Ausbreitung der Kohlmeise verlief parallel auch nördlich des Himalaya, aber langsamer und ohne Ausbildung neuer Unterarten (bei langsamerer Ausbreitung ist die Chance größer, dass sich der gesamte Genpool noch vermischen kann). Irgendwann trafen dort die europäische Form und die ostasiatische Form aufeinander und sie können sich nicht mehr miteinander vermehren. So gesehen würden sie nach oniger Definition nicht zu einer Art gehören, obwohl man eine direkte Verbindung zu beiden Gruppen ziehen kann, über die sie sich vermehren können.

    Auch wegen solcher Dinge ist das mit dem Artbegriff nicht ganz so simpel. Die Natur lässt sich halt nicht so gerne in Schubladen stecken, wie die Menschen es gerne hätten

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